TTIP - Der Makel: »Weitgehend geheim« 30.03.2015 01:02
d.a. Die Artikel, die das »Transatlantic Trade and Investment Partnership-Abkommen TTIP«
resp. die »Transatlantische Handels- und
Investitionspartnerschaft THIP« zum Inhalt haben, sind in
ihrer Anzahl mehr als beträchtlich; sie decken die Schattenseiten und Nachteile
des Abkommens auf, haben jedoch bislang nicht bewirkt, dass in den Parlamenten
der EU-Staaten ein Aufstand dagegen geprobt worden wäre. Auf politonline sind hierzu folgende Beiträge
zu finden:
Der
Freihandelsdeal zwischen der USA und der EU soll die Basis für eine neoliberale
globale Wirtschaftsordnung schaffen - Von Dana Gabriel 17. 3. 13 Zum
Thema Freihandel 10. 11. 3 Das
Finanznetzwerk 20. 9. 13 Eine
geharnischte Rede 20. 12. 13 TTIP -
Die Verhandlungen laufen seit Mitte 2013 unter Ausschluss der Öffentlichkeit 19. 12. 14 Verrät
Frau Merkel die EU? - Wird die EU zur US-Kolonie? - Von Peter Koenig 19. 12. 14
Den nachstehend aufgelisteten Details stellt man am besten die Aussage
des US-Wirtschaftsnobelpreisträgers Paul Krugman voran: ›Meine Nackenhaare sträuben sich und mein Misstrauen
wächst, wenn ich den TTIP-Befürwortern zuhöre.‹ Allerdings
hat auch diese unverhohlene Absage an das Freihandelskonstrukt keinen Widerhall
in Brüssel erzeugt.
Die Zusammenfassung von Erklärungen, die belegen, dass
die Verhandlungen über weite Strecken ausnahmslos geheim geführt worden sind - und dies von einer nicht gewählten
Gruppierung - sollte den von der EU noch
immer restlos Begeisterten eigentlich klar machen, dass der akute
Demokratiemangel, der die EU auszeichnet, insofern einmal mehr unter Beweis
gestellt ist, als der von den Folgen des Abkommens betroffene EU-Bürger von
der Erstellung der TTIP völlig ausgeschlossen ist. So schreibt denn auch Sven
Kesch in seinem Buch ›Kurs halten, bis zum Untergang Europa.
Unglaubliche Erfolgsgeschichten aus dem Brüsseler Tollhaus‹: »Was wir in Europa finden, ist eine
Funktionärs-Diktatur, die niemandem Rechenschaft schuldet, sich ein Leben im
Luxus auf Kosten der Steuerzahler genehmigt und wichtige Entscheidungen, wie
etwa die Freihandelsabkommen mit Kanada oder der USA, in geheimen Verhandlungen
durchpeitschen will«,
wobei das Abkommen der EU mit Kanada inzwischen auf diese Weise ›abgesegnet‹ worden ist. Mit letzterem bietet sich z.B. für Monsanto
die Möglichkeit, die EU flächendeckend zu überrollen. Hier winkt das grosse
Geld; wir erleben die ersten kleinen Gefechte, die als Vorbereitung auf die
grosse Schlacht um das Saatgut in Europa geführt werden. [1]
Was das seit fünf Jahren mit Kanada ebenfalls im
geheimen verhandelte CETA-Abkommen, ›Comprehensive
Economic and Trade Agreement‹, betrifft,
so ist dieses inzwischen fast fertig, aber der Öffentlichkeit noch immer nicht
in vollem Umfang bekannt. Auch die Abgeordneten des Bundestags hatten bis zum
August 2014 keinen Zugang dazu, dafür aber, soviel ist anzunehmen, die Lobbyisten…..
Alles in allem ist das CETA mit 19 Dokumenten 1.602 Seiten lang.
Die demokratische US-Senatorin Elizabeth Warren hat
jetzt Anfang März in einem Gastkommentar in der ›Washington
Post‹ neben der
Geheimhaltung der Verhandlungen besonders die supranationalen Schiedsgerichte
[ISDS] kritisiert. Diese sollen bei Streitigkeiten zwischen Staaten und
Investoren entscheiden; letzteres stösst, wie sie ausführt, auch in der EU auf
starken Widerstand. Die Unternehmen erlangten hierdurch einen einseitigen
Vorteil, vor allem aber würde die nationale Souveränität untergraben. Ist ein
Konzern in einem Land, in dem er geschäftlich tätig ist, hinsichtlich der
Gesetzgebung zu Bankentrennung, Mindestlohn oder einem Verbot giftiger
Chemikalien unzufrieden, so kann er an Stelle eines Gerichts ein internationales
Schiedsgremium anrufen, dessen
Entscheidungen nicht anfechtbar sind und in dem Unternehmensanwälte sitzen!
Wie US-Senator Bernie Sanders betont hat, werden Freihandelsabkommen von
führenden Konzernbeauftragten geschrieben, die davon
selbst finanziell enorm profitieren, während die gewählten Volksvertreter der USA nicht einmal
den Inhalt kennen. Wie Elizabeth Warren darlegt, durften einige EU- Europaparlamentarier
nach langem Hin und Her einen Teil der Verhandlungsdokumente lesen, aber nur, nachdem sie
schworen, nichts vom Inhalt preiszugeben.
Zwar lautet eine Erklärung Washingtons: »Das
›ISDS‹,
das ›Investor-State Dispute Settlement‹ - oder ›Investor-Staat-Streitbeilegung‹ -
ein Instrument des internationalen Rechts, das auch als Investitionsschiedsverfahren
bezeichnet wird, kann und darf kein Land dazu zwingen, irgendein
Gesetz oder eine Vorschrift zu ändern«, was
indessen nicht der Kernpunkt von
Warrens Kritik ist. Es gehe vielmehr darum, dass
eine Grossbank oder ein multinationaler Konzern behaupten kann, Gesetze würden seinen Interessen unangemessen
schaden oder den freien Handel verletzen, so dass dem Betreffenden eine ›Entschädigung in Millionen-
oder gar Milliardenhöhe‹ zugesprochen
werden könnte, für die der Steuerzahler aufkommen muss. Laut ›Strategic
Alert‹ ist ein weiterer in dem Abkommen enthaltener hochumstrittener
Vorschlag der, die Regeln für verschiedene Produkte zu vereinheitlichen, womit
kein europäisches Land mehr eigene Vorschriften haben dürfte, wenn sie nicht
von einem unabhängigen Gremium genehmigt worden wären.« [2] Dass ein solches Gremium kaum je unabhängig
sein kann, geht allein schon daraus hervor, dass die TTIP höchstwahrscheinlich
eine Neuerung bringen wird, eine transnationale Plattform der Zusammenarbeit
zwischen den Aufsichtsbehörden, wo besprochen werden könnte, ob die
regulatorische Antwort auf das gleiche Problem und die beschlossenen Massnahmen
miteinander kompatibel sind oder nicht. Das Risiko hierbei ist wie folgt: Diese
transnationale Plattform der Zusammenarbeit, legt das ›Jacques Delors Institut‹ dar, erlaubt es europäischen Aufsehern
nicht länger, über ihre Massnahmen nur auf der Grundlage der Wünsche ihrer
Bürger zu entscheiden, sondern sie hat ihre Entscheidungen gemäss den politischen
Optionen des amerikanischen Gegenübers und umgekehrt zu treffen. Dieses Risiko
der Osmose von Regulierungen wirft akut
die Frage nach der demokratischen Legitimierung und der Achtung unserer
politischen Entscheidungen auf. Deshalb ist es wichtig, sich des Risikos eines
solchen technokratischen Systems transnationaler Zusammenarbeit bewusst zu
sein. Die TTIP ist eine ›lebende Vereinbarung‹ und ist mit der Unterschrift
nicht abgeschlossen. Sobald die Anfangsparameter festgelegt sind, entwickelt sie
ein Eigenleben... Es ist ein Schlüssel, der viel mehr Türen öffnet, als wir das
heute sehen können.
Wie einem Bericht der ›Deutschen
Mittelstands Nachrichten‹ zu
entnehmen ist, »will die Union die Kosten
für Schiedsgerichtsverfahren für mittelständische Betriebe senken. Das
bedeutet, dass die Regeln zum Investitionsschutz im Entwurf erhalten bleiben. ›Ich habe das heute hier in den
Diskussionen unterstrichen‹, sagte
Merkel nach einem Treffen mit Juncker am 4. 3. 15 in Brüssel; Junckers
Erklärung hierzu: ›Die
Kommission arbeitet zielorientiert daran, vor Ende dieses Jahres zu einem
belastbaren Verhandlungsergebnis zu kommen.‹
Die Kanzlerin betonte, dies könne die Kommission nur mit entsprechender
Unterstützung; die Bundesregierung wolle Klarheit bei den umstrittenen aussergerichtlichen Schiedsgerichten,
damit ›Regierungshandeln
nicht an den Rand gestellt wird‹. ›Wir müssen eine vernünftige
Balance finden‹, sagte
sie. Fakt ist indessen, dass der EU seit 2009 auch
für die Investitionsschutzabkommen resp. die bilateralen
Investitionsabkommen die alleinige Kompetenz zusteht. Wie sich das auswirken
kann, zeigt der folgende Fall: »Die wuchernden bilateralen
Investmentschutzabkommen haben bereits die damit verbundenen Nachteile und
Gefahren gezeigt und am Ende zu erheblichem Widerstand in der Bevölkerung
geführt. Betroffen waren vor allem Länder Lateinamerikas, die zu hohen
Zahlungen verurteilt wurden, nachdem
sie Umweltschutzvorschriften erlassen hatten. Aber auch Deutschland
musste sich mit Vattenfall vor den Gerichten auseinandersetzen, nachdem die
Stadt Hamburg dem Unternehmen auferlegt hatte, beim Kohlekraftwerk Moorburg die
verschärften Standards für die Wasserqualität entlang der Elbe zu befolgen. Weil
dies angeblich die Wirtschaftlichkeit des Projekts beeinträchtigte, hatte Vattenfall
2010 von der Bundesregierung unter Berufung auf die Investitionsschutzklausel
der von Deutschland unterzeichneten ›Energie
Charta‹ 4,1
Milliarden € an Schadensersatz verlangt. Der Ausgang des Verfahrens wurde
geheim gehalten, doch betrachtete das Unternehmen Insidern zufolge den Ausgang
als einen vollen Erfolg, weil die Stadt Hamburg unter dem Druck des
Schiedsverfahrens die Umweltbedingungen
nachträglich aufweichte und vor allem einen umstrittenen Kühlturm
genehmigte. Ausserdem betreibt Vattenfall vor einem Schiedsgericht eine Klage
gegen die Aufkündigung des Atomkonsenses im Rahmen des Atomausstiegs nach der
Nuklearkatastrophe von Fukushima. Diese Schiedsklage betrifft die Frage, ob die
Bundesrepublik das Gebot des ›Fair and
Equitable Treatment‹
verletzt hat, indem sie den Atomkonsens aufgekündigte.« [3] Leider dürfte es noch eine Weile dauern, bis
dem Steuerzahler klar wird, wie er durch Abkommen dieser Art ausgebeutet werden
kann.
Kritiker hatten nach derartigen Erfahrungen verlangt,
auf Vorschriften hinsichtlich ›Investor-Staat-Schiedsverfahren‹ zu verzichten und die Regelung
von Ersatzansprüchen von Seiten der Investoren der normalen Gerichtsbarkeit zu
überlassen. Es ist aber so gut wie absehbar, dass sie mit ihrer Forderung nicht
durchdringen werden. Wie auch ›Strategic
Alert‹ zur ›ISDS-Klausel‹ über die Beilegung von
Streitigkeiten zwischen Staaten und Investoren ausführt, könnten EU- und US-Unternehmen
Regierungen vor internationalen Schiedsgerichten verklagen, wenn sie meinen, dass
ihnen durch nationale Gesetze und Beschlüsse Gewinne entgehen. Multis und
Fonds könnten also vom Steuerzahler Ersatz verlangen, wenn eine Regierung Beschlüsse
zum Schutz ihrer Bürger fasst, wie z.B. die Einführung neuer staatlicher
Dienste, Erhöhung von Unternehmenssteuern oder des Mindestlohns. Fast alle
Gewerkschaften und zahlreiche andere Organisationen in Europa haben die TTIP
offen abgelehnt. Die neuen Regeln würden auch die Wiederverstaatlichung privatisierter
Unternehmen unmöglich machen, weil die Unternehmen auf entgangenen
Gewinn klagen könnten. Britische Gewerkschaften sind vor allem besorgt, dass das
staatliche Gesundheitswesen trotz gegenteiliger Beteuerungen der Regierung Cameron
nicht von der Deregulierung ausgenommen und an amerikanische Geierfonds, die in
der USA schon Gesundheitseinrichtungen kaufen, verkauft werden könnte. [4] Sorgen
dieser Art sind nur allzu berechtigt. Auch der Verdi-Bereichsleiter
für Wirtschaftspolitik, Dierk Hirschel, lehnt Investorenschutz via private
Schiedsgerichte, Regulationsräte und Negativ-Listen generell ab. Dennoch hat Juncker
in diesem Zusammenhang Vorwürfe zurückgewiesen, dass seine Behörde über einen ›Ausverkauf europäischer Werte‹ verhandle.
Die Kritik an der Geheimhaltung hat jetzt dazu
geführt, dass die Verhandlungstexte öffentlich sind:
Die Texte
können hier eingesehen werden
http://trade.ec.europa.eu/doclib/press/index.cfm?id=1230 Now online - EU negotiating texts in TTIP
Dennoch werden die Verhandlungen zur TTIP zur Zeit offenbar noch
immer hinter verschlossenen Türen weitergeführt und der aktuelle Stand der
Verhandlungen bleibt, wie es am 7. Januar hiess, weiterhin im Verborgenen. In
Brüssel liegen mehrere Bürgerinitiativen vor, die Beschwerde wegen der
Geheimhaltung eingelegt haben.
Befürworter
des Abkommens und Einflüsse, gegen die wir kaum aufkommen Natürlich
ist auch die auf das engste mit den
Interessen der USA verbundene Bertelsmann-Stiftung beteiligt: Sie ist Mitglied
im TTIP-Beratungsgremium, aber auch im ›Transatlantic Policy Network‹ (TPN),
dem Interessenvertreter des ›Transatlantic Economic Council‹ (TEC). Wie
Wolfgang Effenberger festhält, »wird
das Engagement durch enge Kontakte
zum ›American Institute for Contemporary German Studies‹ (AICGS), zum ›Council
on Foreign Relations (CFR) und zum ›Transatlantic Community Foundation Network
(TCFN) ergänzt. Erst beim Einblick in die machtvollen transatlantischen
Fesselungen wird die EU-Politik nachvollziehbar. Nun geht es um das, was Zbigniew Brzezinski bereits
Ende der 90er Jahre in ›The Grand Chessboard‹ [›Die einzige Weltmacht‹] formulierte:
Die Beherrschung der eurasischen Landmasse. Dieses Ziel ist seit dem 4.
Dezember 2014 offizielle US-Staatsdoktrin, die
seit dem 15. Januar 2015 von den europäischen Vasallen kritiklos mitgetragen
wird.« Mit diesen höchsten Zirkeln der europäischen Politik und Wirtschaft vernetzt
ist Elmar Brok, der Protagonist des Transatlantischen Freihandelsabkommens. Er
schwingt, wie Effenberger im weiteren schreibt, als Vorsitzender des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und
Random-House-Lobbyist ›im EU-Parlament den Taktstock‹.
Des weiteren unterhält er enge und langjährige Verbindungen zu Bertelsmann.
»Jeder in Brüssel weiss, dass Herr Brok Mr. Bertelsmann ist«, äusserte EP-Mitglied
Tony Robinson. Mit der Bertelsmann Stiftung personell eng verflochten ist
wiederum die ›Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik‹. Sicherlich ist
dies nur ein kleiner Ausschnitt aus den übrigen Verflechtungen, die hinter den
Kulissen der offiziellen Politik unbehindert agieren können, zumal die Anzahl
der Medien, die auf diese Beeinflusser einzugehen wagen, enorm beschränkt ist. [5] In diesem
Zusammenhang ist durchaus daran zu erinnern, dass Brok, seines Zeichens ein
CDU-Mann, was eigentlich die Frage aufwirft, für was diese Partei im Endeffekt
steht, im Februar letzten Jahres das Votum der Schweizer für eine
Begrenzung der Zuwanderung kritisierte. Er befürchtete, dass es chauvinistischen
Kräften in ganz Europa Auftrieb geben würde. Offene Grenzen für Arbeitnehmer gehören laut Brok zu den ›Prinzipien des Binnenmarkts‹ und die Schweiz habe sich an diese Regeln zu halten, so dass er
bezüglich des Schweizer Entscheids erklärte: »Wir können das nicht
widerspruchslos hinnehmen.« Über Brok heisst es darüber
hinaus in dem Beitrag ›Für wen kämpft Elmar Brok
an der Ostfront?‹: »Es gibt offenbar Leute, die unbedingt nachträglich
den 2. Weltkrieg gewinnen wollen und dafür bereit sind, einen Dritten Weltkrieg
anzuzetteln. Elmar Brok, der noch-Vorsitzende des Aussenausschusses im
Europaparlament gefährdet mit seiner unverantwortlichen Russlandhetze und
Kriegstreiberei die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und den Frieden
in Europa. Bis 2011, als er die Pensionsgrenze erreichte, arbeitete Brok auch
als Senior Media Vice President für Bertelsmann. Dieses Unternehmen ist
bekanntlich wesentlich mehr als ein global bestens vernetztes Medienhaus.
Bertelsmann bzw. die Bertelsmann-Stiftung ist eine Schlüsselinstanz der
bisherigen transatlantischen Kontrolle über alle wesentlichen Bereiche
deutscher Politik. Ein wesentliches Ziel ist die Umwandlung der EU in einen
Juniorpartner des globalisierten Britischen Finanzempires. [6] Bekanntlich
unterstützt auch der Nachfolger von Van Rompuy, der Pole Donald Tusk, den weiteren
Ausbau des Binnenmarkts und das Freihandelsabkommen TTIP. Wie Pieter Cleppe vom
Brüsseler Büro des Think Tanks ›Open
Europe‹
schätzt, ist Tusk wirtschaftlich liberal und lehnt die Idee, dass die EU eine
grundlegende Reform braucht, wie etwa die Dezentralisierung resp. die Rückkehr
von Zuständigkeiten an die nationalen Regierungen, ab. Die Vorstellung, dass
der EU-Ratspräsident nur eine Art von Sekretär wäre, ist falsch, denn das Amt
ist von Herman Van Rompuy zu einer mächtigen Position ausgebaut worden und als
Leiter dieser Institution neigt Tusk dazu, eine möglichst zentralistische EU zu bevorzugen.
Wie
›Reuters‹ letzten Dezember berichtete, »forderte
Bundeskanzlerin Angela Merkel die CDU und CSU dazu auf, das geplante
EU-USA-Freihandelsabkommen TTIP gegen alle Widerstände durchzukämpfen.«
Eine eigenartige Aufforderung, muss ihr doch klar sein, dass der Widerstand,
zumindest zum jetzigen Zeitpunkt, nicht allzu gross ist, da die Parlamente von
einer aktiven Mitsprache ausgeschlossen sind. »Wenn
Deutschland als Exportnation in zehn Jahren noch erfolgreich sein wolle, müsse
man mit ›Haut und Haaren, mit Elan
und wirklicher Überzeugung‹
verhandeln«, erklärte sie am 12. 12. 14 auf dem CSU-Parteitag
in Nürnberg. »Sonst scheitere die TTIP.« Da
die Gegner der TTIP beanstanden, dass die Verhandlungspositionen der EU nur teilweise
veröffentlich werden, warb Merkel dafür, dass es in den Verhandlungen eine
gewisse Vertraulichkeit geben müsse. Seit dem G-20-Gipfeltreffen in Australien
hat Merkel mehrfach und mit immer dramatischeren Worten gewarnt, dass sich die
EU und Deutschland ohne das Abkommen mit der USA in der globalisierten Welt
nicht mehr behaupten könnten. Laut ›dpa‹ warnte Merkel die gut 1000
Delegierten, dass Europa nur mit der TTIP aus der
langjährigen Wirtschaftskrise herausfinden werde. Bis dahin ist sie längst
nicht mehr am Ruder und kann für keine ihrer Prognosen zur Rede gestellt
werden. Indessen gibt es auch in der CSU teilweise kräftige Vorbehalte gegen
das Abkommen. Hierzu die ›Deutschen
Wirtschafts Nachrichten‹: »Merkels massives Eintreten für die TTIP ist logisch:
Der Deutsche Bundestag wird an den Verhandlungen zur TTIP nicht teilnehmen. Seit
2009 ist [auch] der Freihandel in der Kompetenz der EU. Daher versucht Merkel,
die TTIP nun in eine ähnliche Sphäre der Alternativlosigkeit zu rücken wie
seinerzeit die Enteignung der europäischen Steuerzahler für den ESM. Denn in
einem gewissen Sinn hat sie recht: Die TTIP ist für die Bürger der europäischen
Nationalstaaten alternativlos, weil sie von der
Mitwirkung an dem Abkommen ausgeschlossen sind. Daher ist es auch nur logisch,
dass Merkel erneut betonte, dass es bei den Verhandlungen ›eine gewisse‹
Vertraulichkeit geben müsse. Denn es ist davon auszugehen, dass die TTIP vor allem das
Lohn-Dumping in der EU beschleunigen wird. Erst kürzlich hatte die
erste unabhängige Studie zur TTIP ergeben, dass knapp 600.000 Arbeitsplätze in
Europa durch das Abkommen eliminiert werden. Der Autor der
Studie warnte im Interview mit den ›DWN‹ vor den Folgen des TTIP für die Arbeitnehmer in
Europa.«
[7]
Absehbare
Entrechtung auf Gesetzesebene Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon im
Jahr 2009 wurde der EU, wie bereits erwähnt, die alleinige Kompetenz für den Beschluss von
Freihandelsabkommen übertragen, insbesondere mit Bezug auf Dienstleistungen,
geistiges Eigentum und Auslandsdirektinvestitionen. »Wer jetzt noch wirklich glaubt«, las man daher Ende Januar in der Wochenzeitung ›Der Freitag‹, »die deutschen
Politiker in Berlin könnten mitentscheiden, ob die TTIP kommt oder nicht, der
träumt mit offenen Augen. Auch würde kein halbwegs intelligenter Mensch
glauben, dass sich die Amerikaner an europäischen Standards orientieren werden.
Und wie jetzt bekannt wurde, kann nach der Einführung von TTIP kein Gesetz mehr
in Europa verabschiedet werden, ohne die vorherige Zustimmung von Amerika
erhalten zu haben. [8] Laut einem Bericht der ›Frankfurter Allgemeinen Zeitung‹ vom 26. Januar »soll die
USA ein Mitspracherecht bei neuen EU-Gesetzen bekommen.« »EU und Mitgliedstaaten sollen nach dem Inkrafttreten des
Freihandelsabkommens wichtige Gesetze und neue Standards vorab mit der USA
abstimmen.« Dieser Vorschlag hat ebensowenig
einen Sturm erzeugt wie andere Vorschriften, die uns die USA problemlos zu
verordnen beliebt. Wie es weiter heisst, sollen Europäer und Amerikaner mindestens
einmal im Jahr eine Liste der auf zentraler
und nicht-zentraler Ebene geplanten Gesetzesvorhaben veröffentlichen, so ein interner
Verhandlungsvorschlag der EU-Kommission zur regulatorischen TTIP-Zusammenarbeit.
Die Liste soll Ziele und deren Zuschnitt nennen sowie einen Zeitplan und
Angaben zu den Folgen für den transatlantischen Handel und die damit
verbundenen Investitionen enthalten. Auf dieser Basis sollen die Handelspartner
ihrer Ansicht nach bedenkliche Gesetzesvorhaben oder geplante Standards identifizieren
und bei der vorgesehenen zentralen Anlaufstelle der Gegenseite Beratungen
darüber beantragen können. Die Beratungen sollen so früh wie möglich beginnen
und im Bedarfsfall bis zur endgültigen Annahme des Gesetzes oder der Standards
weiterlaufen. Die regulatorische Zusammenarbeit in der TTIP ist ein neuer
Ansatz in der Handelspolitik der EU. USA und Europäer wollen mittels TTIP
nicht nur bestehende nicht-tarifäre Handelsschranken abbauen, sprich etwa
bestimmte Standards angleichen oder den Standard der anderen Seite als
gleichwertig anerkennen. Sie wollen durch eine enge Zusammenarbeit auch
verhindern, dass neue Regeln und Standards entstehen, die den Handel zwischen
beiden Seiten nach dem Abschluss des Abkommens unnötig behindern. Kritiker der
TTIP befürchten indessen, dass die EU damit nur noch schwer neue Umwelt- oder
Sozialstandards erlassen kann. Als oberste Instanz will die EU einen ›Regulatory Cooperation Body‹, ein Gremium
zur regulatorischen Zusammenarbeit, einrichten.
[9]
Wer in diesem Gremium das Übergewicht haben wird, gälte es frühzeitig
wissen….
Schwer zu glaubende Versprechungen Europa
werde bei den Verhandlungen keinen seiner Standards, so beispielsweise bei
Lebensmitteln, opfern, betonte Juncker. Auch werde offen und transparent für
die Bürger verhandelt: »Wir wollen dieses Abkommen.« Merkel wies letzten Dezember Kritik, dass etwa Sozial- und
Umweltstandards durch das Wirtschaftsabkommen gefährdet würden, erneut zurück: »Es wird nicht ein einziger europäischer Standard verraten
und abgemildert«, sagte sie. Auch kommunale Dienstleistungen seien
nicht gefährdet. »Nichts dergleichen ist geplant.«
Auf einer CDU-Wahlkampfveranstaltung im Mai 2014 hatte Merkel das TTIP-Abkommen
mit den Worten verteidigt, dass dieses »ein Mehr an Umweltschutz,
ein Mehr an Verbraucherschutz« bringen werde. Die EU
verfüge über etliche Freihandelsabkommen mit anderen Ländern »und
die EU hat jedes Mal ein Mehr an Umweltschutz, ein Mehr an Verbraucherschutz
herausgehandelt«, betonte die CDU-Chefin. »Deshalb
sind diese Abkommen gut für uns.« Man stelle nun
diese Erklärung der Entschädigungsforderung von Vattenfall gegenüber, um sich bewusst zu machen, wie es um die Richtigkeit
solcher Aussagen bestellt ist. »Wenn europäische Standards für
ein Freihandelsabkommen mit Amerika unterschritten würden, wären viele Bedenken
gerechtfertigt«, sagte die
Regierungschefin. »Aber es bleibt bei
unseren sehr hohen europäischen Standards für Verbraucher und Umwelt. Dafür stehe ich ein.« Das alles kann sie, wie gesagt, unbesorgt
vortragen, denn selbst wenn dies nicht eintreten wird, bleibt es für sie ohne
Belang. »Ein Freihandel zwischen
den beiden grossen Wirtschaftsräumen der Welt, den Vereinigten Staaten von
Amerika und dem europäischen Binnenmarkt, ist von unschätzbarem Wert«, so Merkel im September 2014 vor dem
›Zentralverband des Deutschen
Handwerks‹ in
Berlin: »Für mich ist klar, dass die Vorteile
die vermeintlichen Nachteile weit überschreiten werden.«
Die von den Gegnern des Abkommens beschworenen ›Schreckensszenarien‹ durch die TTIP würden nicht
eintreten. Weder werde die EU die Einfuhr von Chlorhühnchen noch
von gentechnisch veränderten Lebensmitteln erlauben. »Wir sagen den Menschen auch: Rote Linien werden
nicht überschritten« so die Kanzlerin. Zur
selben Zeit gab Sigmar Gabriel EU-Handelskommissar Karl de
Gucht die Verantwortung dafür, dass die Gespräche mit der USA so viele Ängste
ausgelöst hätten. »Wenn man die TTIP zum
Scheitern bringen will, dann muss man es so machen wie de Gucht«, sagte er. »Monatelang
habe etwa die angebliche Einfuhr amerikanischer Chlorhühner in Deutschland die
Debatten bestimmt, was jedoch gar nicht zur Debatte stehe.« Warten wir es ab, wenn wir überhaupt je eine
Möglichkeit haben werden, dies exakt nachprüfen. Der Chef
des Verbands der Deutschen Automobilindustrie, Matthias Wissmann,
hatte das TTIP-Abkommen letzten Juli als Jahrhundertprojekt bezeichnet. Seiner
Auffassung nach »brauche die EU die Vereinigten Staaten
als Partner, politisch und wirtschaftlich.« »Gerade in Zeiten der wirtschaftlichen Anspannung in vielen
Ländern Europas und der immer stärker werdenden Konkurrenz aus den
Schwellenländern wird sich eine transatlantische Kooperation schnell auszahlen«,
betonte er. »Alle Kritiker, die sich derzeit antiamerikanischer Ressentiments
bedienen, übersehen, dass ein Scheitern der Freihandelsgespräche vor allem zu
Lasten von Europa ginge.« Denn ohne die TTIP würde sich die USA auf ihre
Transpazifische Partnerschaft konzentrieren. Dann würde es für die EU viel
schwerer, ihre Industrie- und Verbraucherinteressen durchzusetzen. [10] Indessen
bleibt die Befürchtung, dass uns Abkommen dieser Art in die Abhängigkeit der
grossen Konzerne bringen, was unseren Umweltstandard zurückzuführen droht,
bestehen.
Berechtigte Vorbehalte Bezüglich eines Zustandekommens der TTIP vermerkte
Willy Wimmer im Juli 2014: »Schiedsgerichte
im Interesse der US-Anwaltsfabriken würden dann dem Rest der parlamentarischen
Demokratie in unseren Staaten den Garaus machen«, und Gerhard Wisnewski im Februar 2014: »Jede Grenze des Menschen steht unter Beschuss. Das
geplante Freihandelsabkommen zwischen der USA und der EU ist dafür ein weiteres
eindrucksvolles Beispiel. Im Ergebnis haben wir es mit einem strukturellen
Krieg gegen die gesamte Menschheit zu tun.« Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider
führt in seiner Abhandlung ›Bürgerlicher
Widerstand ist notwendig und gerechtfertigt‹ folgendes
aus: »Mit dem geplanten Freihandelsabkommen
TTIP würde ein weiterer Schritt in die falsche Richtung, nämlich dem Abbau der
demokratischen Grundordnung vollzogen werden, weil die Praktizierung dieses
Abkommens nicht einer demokratischen Kontrolle unterläge und auch gar nicht
unterliegen soll.«
[11] »Wenn
man betrachtet«, so die ›DWN‹, »welch
weitreichende Wirkung die Selbst-Entmachtung der EU im
Falle der gegen Rußland verhängten Sanktionen hat, kann man sich vorstellen,
welch untergeordnete, ja folkloristische Funktion die nationalen Parlamente
künftig spielen werden. Es ist kein Zufall, daß US-Vizepräsident Joe Biden die
EU auffordert, das TTIP-Abkommen zügig fertigzustellen. Er tut dies just in
derselben Rede, in der er Angela Merkel und die anderen EU-Regierungschefs
bloßstellt: Biden gibt nämlich offiziell bekannt, daß die EU die Sanktionen
nicht wollte und von der US-Regierung dazu gezwungen wurde, d.h. für
geopolitische Pläne, die ausschließlich im Interesse Washingtons und der dort
tätigen Industrie-Lobbyisten liegen, hierdurch Schaden in Kauf zu nehmen.« [12] Die EU wird schon seit langem als Werkzeug für die Globalisierung
benutzt und ist inzwischen fast schon eine supranationale Regierung Europas
geworden. Die TTIP schafft gewissermassen die Voraussetzung dafür, dass eine
Verschmelzung der USA mit der EU zu einem einzigen Markt erfolgt: Ein
Riesenschritt in Richtung einer globalisierten Weltordnung. Denn eine
erfolgreiche Eliminierung jeglicher Diversität ebnet den Weg zu
Profitmaximierung und einer gleichzeitig stattfindenden Kontrolle über die
Nationen. Schon jetzt ist beispielsweise der Einfluss der US-Pharmalobby und
der amerikanischen Handelskammer auf die TTIP-Verhandlungen immens. Darüber
hinaus ermöglichen die Vertragstexte die Einarbeitung von
Fallstricken der Lobbyisten zugunsten
mächtiger Konzerne; amerikanische Anwälte dominieren bereits heute in
verschiedenen Bereichen und die erwähnten Schiedsgerichte können
überdimensionierte Konventionalstrafen verhängen und diese auch gegen
demokratisch gewählte Regierungen und Gremien durchsetzen. Trotzdem sind sich EU-Kommissionspräsident
Jean-Claude Juncker und Bundeskanzlerin Merkel offensichtlich darin einig, das
TTIP-Abkommen noch 2015 zum Abschluss zu bringen.
Aus dem gesamten Vorgehen von EU und Washington
spricht eine ungeheure Arroganz uns gegenüber. Nicht umsonst sagt daher Werner
Rügemer: »In der Öffentlichkeit wird das Theater ›Verhandlungen
zum Freihandelsabkommen TTIP‹ und zum
Dienstleistungsabkommen TiSA aufgeführt. Arbeitsrechte und Arbeitsbedingungen
sind ausgeklammert, die Entscheidungen fallen hinter den Kulissen. Um dies zu
ändern, muss der Widerstand von Gewerkschaften, linken und
zivilgesellschaftlichen Organisationen in Deutschland wie in der EU noch ganz andere Formen annehmen als bisher. [13]
[1] http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1317
13. 9. 09 Monsantos heile Welt –
Von Lívia Duarte und Andreas Behn [2]
Strategic Alert, Jahrgang 28, Nr. 11 vom
11. März 2015 [3] http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/09/22/das-boese-erwachen-fuer-die-spd-entscheidung-ueber-ttip-ist-chefsache/ 21. 9. 14 [4] Strategic
Alert, Jahrgang 27, Nr. 31 vom 30. 7. 14 [5] http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2358 25.
1. 15 EU-Parlament
von US-Kriegsvirus infiziert - Von Wolfgang Effenberger [6] http://www.bueso.de/node/7313 8. 5. 14 [7] http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/12/13/mit-haut-und-haaren-merkel-will-ttip-gegen-alle-widerstaende-durchkaempfen/ 13. 12. 14 [8] https://www.freitag.de/autoren/tendenz/verbrecherorganisation-atlantikbruecke 29. 1. 15 [9] http://www.berliner-umschau.de/news.php?id=46331&title=Bericht%3A+USA+sollen+Mitspracherecht+bei+neuen+EU-Gesetzen+bekommen&storyid=1422289826188 26. 1. 15 [10] http://www.berliner-umschau.de/news.php?id=35765&title=VDA-Chef+warnt+vor+Scheitern+der+Freihandelsgespr%E4che+mit+den+USA&storyid=140569543531 18. 7. 14 [11]
http://www.pi-news.net/2015/03/schachtschneider-in-frankfurt-buergerlicher-widerstand-ist-notwendig-und-gerechtfertigt/#more-451775 9. 3. 15 http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2005 23. 9. 12 Ein weiterer Schritt zur Diktatur - Von
Prof. Karl Albrecht Schachtschneider [12]
http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/10/06/ttip-und-ceta-degradieren-den-bundestag-zu-einer-folklore-veranstaltung/ 14. 11. 14 [13] https://www.jungewelt.de/2015/02-19/019.php 19. 2. 15 Gesichter der »Märkte« - Werner Rügemer
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