Russland - Eine andere Sicht 09.03.2015 00:34
Gerade im Hinblick auf die zahlreichen Verleumdungen, die im Zusammenhang
mit der wirtschaftlichen Situation Russlands von der Presse mit grossem
Eifer feilgeboten werden, dürfte der nachstehende Artikel von F. William
Engdahl, dessen bekanntestes Werk wohl das bereits 1992 erschienene, noch immer
hochaktuelle Buch ›Mit der Ölwaffe zur
Weltmacht - Der Weg zur neuen Weltordnung‹ ist,
durchaus auf Interesse stossen. So hatte doch auch Obama seinen Landsleuten vor
kurzem zu verkünden gewusst: »Heute steht
Amerika stark und vereint mit seinen Verbündeten da, während Russland isoliert
und seine Wirtschaft ein Scherbenhaufen ist. So führt Amerika, nicht mit lautem
Getöse, sondern mit konsequenter Entschlossenheit.«
Um den
Niedergang Russlands kann es indessen nicht so schlecht bestellt sein, hat doch
Putin bei seinem Besuch in Kairo Anfang Februar mit al-Sisi die Vereinbarung
getroffen, dass
Russland Ägypten beim Aufbau einer gänzlich neuen Kernkraftindustrie
unterstützen wird. Der russische Konzern Rosatom wird die beiden ersten
Reaktoren des Landes bauen und dazu eine russische Technik in Anwendung
bringen, die den strengen Sicherheitsstandards der ›Ära nach Fukushima‹ entspricht.
Eine weitere Vereinbarung sieht die Lieferung russischen Weizens nach Ägypten
und die Ausfuhr von ägyptischem Obst und Gemüse nach Russland vor. Daneben
besteht eine Absichtserklärung über die Erleichterung des Handels und der
Wirtschaftskooperation, dies u.a. durch die Einrichtung einer Freihandelszone
mit der Eurasischen Wirtschaftsunion und einem russischen Industriegebiet am
Suezkanal. Für die Region um den Suezkanal besteht ein gewaltiges nationales
Entwicklungsprojekt, darunter ein zweiter Suezkanal sowie grosse Industriegebiete,
in die China und nun auch Russland investieren möchten. Darüber hinaus ist man
übereingekommen, den beiderseitigen Handel in den Landeswährungen anstatt in
Dollar oder in Euro abzuwickeln. Wenig aussichtsreich für die USA klingt ferner die Feststellung
des US-Militäranalysten Dr. Richard Saunders: »Bei einem
US-geführten Krieg gegen Russland und China könnte der Konflikt unvorstellbar
heftig sein. Es liegt in der Natur der modernen hochtechnisierten
Kriegsführung, dass der Konflikt auch unvorstellbar schnell sein könnte.
Die Russen und die Chinesen haben Silo-, Lastwagen- und Tunnel-gestützte
Interkontinentalraketen (ICBM), U-Boot-gestützte Raketen (SLBM), luftgestützte
und seegestützte atomare Marschflugkörper, EMP-Waffen und Seeziel-Atomraketen,
die Flugzeugträger ausschalten können, und noch viel mehr. All diese Waffen
könnten abgeschossen werden und ihr Ziel in weniger als 30 Minuten erreichen.«
Eine bemerkenswerte Renaissance Rußlands In Rußland geschieht etwas
Erstaunliches, und zwar ganz anders, als man es erwarten würde. Weit davon entfernt, sich herabgesetzt und
deprimiert zu fühlen, erlebt Rußland eine Art Renaissance, eine Wiedergeburt als
Nation. Und das trotz oder vielmehr deshalb, weil der Westen unter Führung der
sogenannten Neokonservativen in Washington nichts unversucht läßt, einschließlich
eines Krieges in der Ukraine, um die russische Wirtschaft lahmzulegen und die
Russen allgemein in ein schlechtes Licht zu stellen. Dabei entdeckt Rußland die
positiven Attribute der eigenen Kultur, der Menschen und des Landes, die in den
70 Jahren sogenannter kommunistischer Herrschaft und dem anschließenden
Jahrzehnt des Kollapses unter Jelzin in Vergessenheit geraten oder unterdrückt
worden waren.
Mein erster Rußlandbesuch liegt
mehr als 20 Jahre zurück. Im Mai 1994 wurde ich von einem Wirtschaftsinstitut
in Moskau eingeladen, einen kritischen Vortrag über den IWF zu halten. Damals
bot sich mir das Bild eines einstmals großen Volkes, das bis zum Äußersten
gedemütigt wurde. Mafia-Gangster rasten in glitzernden Mercedes-600-Limousinen
mit abgedunkelten Scheiben und ohne Nummernschilder die breiten Moskauer
Boulevards entlang. Gesetzlosigkeit war an der Tagesordnung, von
Jelzins US-unterstütztem Kreml bis hinunter auf die Straßen. »Harvard
Boys« wie Jeffrey Sachs, der Schwede Anders Aaslung oder George Soros,
schwärmten durch die Stadt, immer auf der Suche nach einer neuen Möglichkeit,
Rußland unter dem Motto »Schocktherapie« und »marktorientierte Reformen«
plündern zu können. Im Klartext hieß es damals: »Her mit euren Kronjuwelen!« Dieses
Trauma des totalen Zusammenbruchs in Rußland ab November 1989 forderte von den
Menschen unglaubliche Opfer. Ich sah es in ihren Augen auf den Straßen Moskaus,
beim Taxifahrer, den Müttern beim Einkaufen, bei ganz normalen Russen eben. Heute, rund 20 Jahre später, ist Rußland
erneut mit einem Feind aus dem Westen, der NATO, konfrontiert, der das Land
nicht nur demütigen, sondern als funktionierenden Staat zerschlagen will, weil
Rußland die Pläne jener westlichen Eliten hinter den Kriegen in der Ukraine, in
Syrien, Libyen, im Irak und in
Afghanistan, Afrika und Lateinamerika, durchkreuzen kann. Bei meinen Rußlandbesuchen
im vergangenen Jahr und bei vielen persönlichen Gesprächen mit verschiedenen
russischen Bekannten habe ich einen neuen Stolz gespürt, eine Entschlossenheit,
eine Art Wiedergeburt von etwas lange Begrabenem.
Die Sanktionen gehen nach hinten
los So beispielsweise die Sanktionen,
in die die Obama-Regierung Deutschland, Frankreich und andere unwillige
EU-Staaten hineingezogen hat. Der Finanzkrieg des US-Finanzministeriums ist
gegen den Rubel gerichtet. Die Ratingagenturen an der Wall Street - durchweg korrupt und von Washington
beeinflußt - haben die russischen Staatsschulden auf
»Ramsch«-Niveau herabgestuft. Im Verein mit Washington haben die Saudis den
Ölpreis in den Keller geschickt. Das Chaos in der Ukraine und die EU-Sabotage
der russischen Gaspipeline South Stream, all das sollte Rußland in die Knie zwingen; hat
es aber nicht. Wie ich bereits früher im Detail dargelegt habe, haben Putin und
eine wachsende Zahl einflußreicher russischer Industrieller, von denen sich
einige noch vor wenigen Jahren in ihre Londoner Luxuswohnungen zurückgezogen
hätten, beschlossen, standzuhalten und für die Zukunft Rußlands als souveränes Land zu
kämpfen. Genau das sollte eigentlich in einer Welt von Globalisierung und
Auflösung des Nationalstaats nicht passieren. Nationalstolz sollte ein Ding der
Vergangenheit sein, genauso wie das Gold. Nicht so im heutigen Rußland.
Am 22. Februar, dem ersten
Jahrestag des US-Putsches in Kiew, der ein vom State Department
handverlesenes Regime aus bekennenden Neonazis, Kriminellen und einen
mutmaßlichen Scientologen, nämlih Arsenij Jazenjuk, als Premierminister ans
Ruder brachte, gab es in der Moskauer Innenstadt eine Demonstration. 35 000 bis
50 000 Menschen kamen, Studenten, Lehrer, Rentner und sogar Kreml-freundliche
Radfahrer. Sie demonstrierten nicht gegen Putin, weil dieser mit seiner
Unnachsichtigkeit gegenüber den Forderungen Washingtons und der EU die
Sanktionen verschuldet habe, sondern bezeichneten ihren Protest als »Anti-Maidan«.
Organisiert war er von Bürgern als Reaktion auf die Gewalttaten, die sie an den
Grenzen erleben. [1] In politisch-satirischen Blogs machen sich Schreiber über
eine linkische Jen Psaki lustig, die bis letzte Woche Sprecherin des
US-Außenministeriums war. Anstatt Putins Popularität zu schwächen, haben die
Sanktionen bewirkt, daß sich vormals unpolitische Bürger um den Präsidenten scharen, der noch
immer bei über 80 % der Russen beliebt ist. Eine neue Umfrage des unabhängigen
Levada-Centers ergab, daß 81 % der Russen schlecht über die Vereinigten Staaten denken - das ist der höchste Wert seit der »Schocktherapie« in der Jelzin-Ära der 1990er Jahre
- und 71 % denken schlecht über die
Europäische Union. [2]
Die Renaissance, die ich erkenne,
zeigt sich aber nicht nur in Demonstrationen oder Meinungsumfragen. Der ab März
2014 von der USA in der Ukraine-angezettelte
Krieg hat eine humanitäre Katastrophe
ausgelöst, über die die Medien in Deutschland und in anderen unter dem Diktat
der USA stehenden westlichen Ländern allenfalls spärlich berichten. Mehr als
eine Million ukrainischer Bürger, die
ihre Wohnung verloren haben oder befürchten, sie in dem von der USA
angestifteten unsinnigen Blutvergießen in der gesamten Ukraine zu verlieren,
suchen Asyl in Rußland.
Berichten zufolge werden sie dort wie Brüder aufgenommen, eine menschliche
Reaktion ganz normaler Russen. Dank der Wunder von ›YouTube‹ und ›Smart-Phone-Videos‹ kennen sie die Wahrheit über den US-Krieg in der
Ostukraine. Zum ersten Mal seit Jahren kümmern sich Russen um die Politik; sie
merken, daß bestimmte
Kreise im Westen sie zerstören wollen, weil sie sich weigern, sich zum Vasallen
eines wildgewordenen Amerikas machen zu lassen. Anstatt sich dem Krieg des
US-Finanzministeriums gegen den Rubel zu beugen oder der Drohung, daß russische
Banken aus dem Interbanken-Clearing-System SWIFT [Society for Worldwide
Interbank Financial Telecommunication] ausgeschlossen werden - was einem kriegerischen Akt gleichkommt
- gab die russische Regierung am 16.
Februar bekannt, die Vorbereitungen für ein eigenes Banken-Clearing-Netz mit 91
inländischen Banken seien nunmehr abgeschlossen. Das System erlaubt russischen
Banken die nahtlose Kommunikation über die russische Zentralbank. [3] Das gilt innerhalb Rußlands für
Banken, die sonst von einem Ausschluß aus dem SWIFT
betroffen wären. Rußland war 1989, nach dem Fall der Berliner Mauer, der
in Brüssel ansässigen privaten Organisation SWIFT beigetreten. Heute sind
russische Banken die zweitgrößten Nutzer von SWIFT. Das in Rußland
beheimatete neue System ist zwar notwendig, aber noch nicht ausreichend, um vor
einem Ausschluß
aus dem SWIFT zu schützen. Als nächster Schritt wird jetzt über ein gemeinsames
russisch-chinesisches Interbanken-Clearing-System diskutiert, das unabhängig
von SWIFT und Washington ist. Auch das wird kommen. Einen Tag nachdem bekannt
gegeben wurde, daß
Rußlands
SWIFT-Alternative einsatzbereit ist, erklärte Chinas Vize - Außenminister Cheng
Guoping, China werde die strategische Partnerschaft mit Rußland im
Finanzwesen, der Raumfahrt und im Flugzeugbau ausweiten und »den Handel auf ein
neues Niveau heben«. Außerdem plane China eine engere Kooperation mit Rußland
im Bereich Finanzen. Diesen Januar erklärte Rußlands erster
stellvertretender Ministerpräsident Igor Schuwalow, man verhandle mit China
über Zahlungen in der jeweiligen Landeswährung, eine De-Dollarisierung. [4] China
hat verstanden: Wenn Rußland kollabiert, ist man selbst als nächstes an der
Reihe. Stürzende Imperien greifen zu verzweifelten Maßnahmen, um zu überleben.
Darüber hinaus verstehen die Russen, daß ihre Führung in
beispielloser Weise daran geht, eine Alternative zu einem in ihren Augen
moralisch heruntergekommenen, bankrotten Amerika aufzubauen. Die meisten Russen
wurden durch die zehn Jahre Armut, Chaos und Entbehrungen in der Jelzin-Ära
daran erinnert, was ihnen droht, sollte sich die russische Führung erneut
gegenüber amerikanischen Banken und Konzernen für eine Übernahme anbieten:
Hillary Clintons berüchtigter »Reset« in den amerikanisch-russischen
Beziehungen, den sie in den Jahren von Medwedews Präsidentschaft versuchte. Die
Russen sehen, was die USA im Nachbarland Ukraine angerichtet hat, wo sogar die
Finanzministerin Natalija Jaresko Amerikanerin ist, eine ehemalige
Mitarbeiterin des Außenministeriums. Rußland und seine führenden Politiker sitzen nicht
zitternd hinter den Kremlmauern. Im Gegenteil, sie formen das Gerüst einer
neuen internationalen Wirtschaftsordnung, die auf den Trümmern des heutigen
bankrotten Dollar-Systems eine völlig neue Welt aufbauen kann. Wie ich in einem
früheren Beitrag erläutert habe, gaben Moskau und Peking kürzlich den Plan für
eine gemeinsame Alternative zu den amerikanischen Ratingagenturen Moody’s,
Fitch und S&P bekannt. Präsident Putin hat im vergangenen Jahr beachtlich
viele Reisen hinter sich gebracht. Weit davon entfernt, der internationale
Paria zu sein, als den Washington und Victoria Nuland Rußland zu sehen hofften,
erweist es sich als das Land mit dem Mut, gegenüber Washington »einfach nein zu
sagen«. Rußlands
Präsident war in Zypern, wo über die mögliche Stationierung der russischen
Flotte gesprochen wurde, und in Ägypten, wo er von General al-Sisi sehr
freundlich zu Gesprächen über eine wirtschaftliche sowie anderweitige
Kooperation empfangen wurde. Letztes Jahr einigten sich Rußland und die BRICS-Staaten
auf die Gründung einer Infrastrukturbank mit einem Geschäftsvolumen von 100
Milliarden Dollar. Die US-kontrollierte Weltbank wird dadurch irrelevant. Die
Liste solcher Initiativen wird von Tag zu Tag länger.
Die besondere menschliche Seite Der wirklich ermutigende Aspekt dieser russischen Renaissance ist für
mich die Generation der heute Ende 30-, Anfang 40-Jährigen, jung,
hochintelligent und erfahren, sowohl in der Verderbtheit der sowjetischen
kommunistischen Bürokratie als auch der hohlen Welt des US-geführten
sogenannten »Freimarkt-Kapitalismus«. Ich nenne nur einige Beispiele unter den
vielen Russen, die ich in den letzten Jahren kennengelernt habe. In meinen
Augen ist diese Generation ein Hybrid. Die Bildung, die sie in Schule und
Universität genossen hat, war noch weitgehend von der klassischen russischen
Wissenschaft geprägt. Diese klassische russische Wissenschaft war, wie ich im
Laufe der Jahre in Gesprächen mit vielen befreundeten Wissenschaftlern
bestätigt fand, von einer Qualität, wie man sie im pragmatischen Westen kaum
kennt. Ein amerikanischer Physikprofessor vom MIT, der Anfang der 1990er Jahre
an Moskauer Universitäten unterrichtete, erklärte mir: »Wenn ein russischer
Student der Naturwissenschaften an die Universität kommt, hat er bereits vier
Jahre Biologie, vier Jahre Chemie, Physik, Differenzial- und Integralrechnung und
Geometrie hinter sich … Sie beginnen ihr Universitätsstudium auf dem Niveau
eines amerikanischen Doktoranden.« Sie wuchsen in einem Russland auf, in dem es
für junge Mädchen normal war, klassisches Ballett oder Tanz zu lernen, alle
Kinder spielten Klavier oder ein anderes Instrument, trieben Sport, malten,
ganz wie in der klassischen griechischen Erziehung zur Zeit eines Sokrates oder
im Deutschland des 19. Jahrhunderts. »Diese
Grundlagen gab es bis in die 1950er Jahre hinein auch an amerikanischen Schulen,
sie wurden aber in den 1980ern über Bord geworfen. Die amerikanische Industrie
wollte gefügige ›verdummte‹ Arbeiter, die keine Fragen stellten. Russische
Biologie, russische Mathematik, Physik, Astrophysik und Geophysik, sie alle
gingen an ihren Gegenstand mit einer Qualität heran, die es in der
amerikanischen Wissenschaft schon lange nicht mehr gab. Ich weiß das, denn ich
bin in den 1950er Jahren in der Zeit des ›Sputnik-Schocks‹ aufgewachsen, als man uns als Schülern an der
Highschool einbläute, wir müßten mehr lernen, um ›mit den
Russen gleichzuziehen‹. Daran war
ein wahrer Kern, aber der Unterschied war nicht, daß amerikanische Studenten
nicht hart arbeiteten. Wir lernten und arbeiteten damals ziemlich hart. Nur war
die Qualität der russischen wissenschaftlichen Bildung viel besser.«
Insbesondere der naturwissenschaftliche
Unterricht in Rußland oder der Sowjetunion war stark vom deutschen Bildungssystem
des 19. Jahrhunderts, den sogenannten Humboldt-Reformen von Wilhelm und
Alexander von Humboldt und anderen geprägt. Die Verbindungen des russischen
Bildungswesens mit der deutschen Kultur und Wissenschaft des 19. Jahrhunderts
waren sehr eng, sie reichten zurück in die Zeit von Zar Alexander II., der 1861
die Leibeigenschaft abschaffte und darin dem Vorbild seines Freundes Abraham
Lincoln folgte. Die Verbindungen zur klassischen deutschen Kultur wurden vor
dem russisch-japanischen Krieg von 1905 noch weiter ausgebaut, als der
brillante Sergei Witte zunächst Transportminister, dann Finanzminister und schließlich
Ministerpräsident wurde, bevor westliche Intrigen seinen Rücktritt erzwangen.
Witte übersetzte die Werke des deutschen Nationalökonomen Friedrich List, des
brillanten Gegenspielers von Adam Smith, ins Russische. Bevor der Zar durch
innere und äußere Intrigen in die verheerende britisch-russische Entente gegen
Deutschland von 1907 manipuliert wurde -
ein Bündnis, das 1914 Englands Krieg ermöglichte - anerkannte der russische Staat die
Überlegenheit des deutschen klassischen Systems über
den britischen Empirismus und Reduktionismus.
Ich habe viele Russen aus der Generation der um 1980 Geborenen gefragt,
warum sie nach Rußland zurückkehrten,
nachdem sie eine Zeitlang in Amerika gelebt hatten. Die Antwort war immer
dieselbe: »Das Studium in de USA war so langweilig, keine Herausforderung … die
amerikanischen Studenten waren solche Hohlköpfe, sie hatten keine Ahnung von
irgendetwas außerhalb der USA … Trotz aller Schwierigkeiten beschloß ich, nach
Hause zu kommen und beim Aufbau eines neuen Rußlands zu helfen.« Was all
diese russischen Bekannten, inzwischen in den Dreißigern und Vierzigern, vereint, ist, daß sie zu
einer Zeit geboren wurden, als die Überreste des alten Sowjetrußlands noch
sichtbar waren. Erwachsen wurden sie jedoch erst nach 1991. Diese Generation
hat ein Verständnis von Entwicklung, Fortschritt und Veränderung in ihrem Leben
entwickelt, das sich jetzt als unschätzbar für die Formung der Zukunft Rußlands
erweist. Über Familie und zum Teil über die eigene Kindheit sind sie im alten
Rußland verwurzelt,
genauso wie Wladimir Putin übrigens, und kennen die Realität des Alten und des
Neuen. Angesichts der offenen Brutalität der Washingtoner Politik gegenüber Rußland schaut
diese Generation jetzt auf das, was wirklich zählt. Sie verstehen, daß die
lähmende Bürokratie des Stalinschen Erbes in der Sowjetunion tödlich war. Und
sie verstehen, daß sie jetzt
die einmalige Chance haben, ein neues, dynamisches Rußland des 21. Jahrhunderts zu
formen, das nicht auf dem bankrotten Modell des untergehenden amerikanischen
Jahrhunderts eines Henry Luce und F.D. Roosevelt basiert.
Für mich ist das der Kern einer entstehenden Renaissance des Geistes
unter Russen, der mir für die Zukunft viel Hoffnung gibt. Und noch ein letzter
Punkt: Spätestens seit der Ermordung von Zar Alexander II. im Jahr 1881 war es
das oberste Ziel der sogenannten Götter des Geldes, der Bankiers in London und
New York, eine friedliche Allianz zwischen Deutschland und Rußland zu
verhindern. Für Victoria Nulands Ukraine ist es Priorität, die wachsende
deutsch-russische Wirtschaftskooperation zu brechen. Für Deutschland und Europa
wird es zur lebenswichtigen Frage, ob deutsche Politiker weiterhin vor Obamas
Thron oder dem seines Nachfolgers das Knie beugen, oder ob sie ihre wahren
Interessen in engerer Zusammenarbeit mit der entstehenden eurasischen
wirtschaftlichen Renaissance, die gerade von Rußlands Präsident Putin und
Chinas Präsident Xi geformt wird, definieren. Paradoxerweise hat der
»unerklärte Krieg« Washingtons und inzwischen auch der NATO gegen Rußland zu
dieser bemerkenswerten Renaissance des russischen Geistes geführt. Zum ersten
Mal seit Jahren haben Russen ein gutes Gefühl, nicht nur über sich selbst,
sondern auch darüber, in einer schlechten Welt Gutes bewirken zu können.
Es könnte der Faktor sein, der unsere Welt vor einer globalen Diktatur
der Banker und ihrer Militärs rettet.
Quelle: http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/geostrategie/f-william-engdahl/eine-bemerkenswerte-renaissance-russlands.html 25 2. 15
F. William Engdahl - leicht
gekürzte Fassung -
[1] Laura Mills
»Moscow
protesters strike out against Ukraine and the West«
AP 22. Februar 2015 [2] Ebenda [3] Tyler
Durden, »De-Dollarization
Accelerates – Russia Launches SWIFT Alternative Linking 91 Entities«,
Zero Hedge, 19. Februar 2015 [4] Sergey
Guneev, »China to Boost
Cooperation With Russia in Finance, Space, Aviation«,
Sputnik News, 17. Februar 2015
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