Verrät Frau Merkel die EU? - Wird die EU zur US-Kolonie? - Von Peter Koenig

Diese Fragen stellt der geopolitische Analyst und Wirtschaftswissenschaftler Koenig

in seinem Artikel 

»Die Transatlantic Trade and Investment Partnership TTIP nähme den EU-Staaten ihre Souveränität« 

Verrät Frau Merkel die EU? Setzt sie mit ihrem schändlichen Engagement für die TTIP das Leben künftiger europäischer Generationen aufs Spiel? Mit dem vorgeschlagenen Freihandelsabkommen zwischen der USA und Europa, der sogenannten Transatlantic Trade and Investment Partnership TTIP  - der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft -  würde die Souveränität Europas endgültig aufgegeben. Damit würde sich das Finanzimperium der US-Konzerne, das heute schon die Politik Washingtons und großer Teile der westlichen Welt bestimmt, auch Europa einverleiben, wodurch nicht nur die EU, sondern auch ihre sämtlichen Mitgliedsstaaten ihre Souveränität verlören.  Auf dem Spiel stehen das Rechts- und Regulierungssystem der EU und ihrer Mitgliedsstaaten, die europäischen  Umweltschutzbestimmungen und die wirtschaftliche Unabhängigkeit Europas. Gefährdet ist auch alles, was die berüchtigte Troika  - der von der FED und der Wall Street dominierte IWF, die EZB und die Europäische Kommission -  nach ihrer [durch die Verschuldungskrise ermöglichten] Invasion des Jahres 2008 von der sozialen Infrastruktur noch übrig gelassen hat; ferner würden das Bildungs- und Gesundheitswesen, die Wasserversorgung sowie die Abwasser- und Müllentsorgung zur leichten Beute für Privatisierer und internationale Investoren, die überwiegend aus der USA stammen dürften.  [1]  

Das von Obama geforderte, zwischen der USA und Europa abzuschließende Freihandelsabkommen, das er mit kräftiger Unterstützung der deutschen Kanzlerin Merkel bei der Europäischen  Kommission durchsetzen will, würde bei Unterzeichnung vor allem den (US-)Konzernen Vorteile bringen, zu Lasten der 600 Millionen Bürger Europas. Für John Hilary, Professor für Politik und internationale Beziehungen an der Universität Nottingham, England, und Experte für Handel und Investitionen, würde durch die Verabschiedung des TTIP-Abkommens die Ermächtigung zu einer umfassenden Deregulierung, zum Abbau unzähliger Arbeitsplätze und zur Abschaffung der Demokratie erteilt. »Beim TTIP-Abkommen geht es nicht um eine Partnerschaft zwischen zwei konkurrierenden Handelspartnern, sondern um den Versuch transnationaler Konzerne, offene Märkte auf beiden Seiten des Atlantiks zu schaffen und sie gleichzeitig völlig zu deregulieren.« In seiner Rede zur Lage der Nation im Februar 2013 kündigte Obama das TTIP-Abkommen  erstmals an; die erste Runde geheimer Verhandlungen mit einem speziell und klammheimlich dazu einberufenen und zur Verschwiegenheit verpflichteten EU-Komitee begannen bereits im Juli 2013. Ziel ist es, die Gespräche schnell und unter Ausschluß der Öffentlichkeit zum Abschluß zu bringen, damit die Bevölkerung in Europa und in der USA über den wahren Umfang der Vereinbarungen und die davon ausgehenden Bedrohungen nichts erfährt, bevor der Vertrag  unterzeichnet ist. Die Verhandlungsdokumente sollen 30 Jahre lang unter Verschluß gehalten werden. Nur die Mitglieder des speziellen EU-Komitees kennen die Details des Vertrags, dem EU-Parlament und den Parlamenten der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten bleiben sie verborgen.

Wäre das notwendig, wenn das TTIP-Abkommen den Völkern auf beiden Seiten des Atlantiks nur Vorteile brächte? Mit dieser Behauptung sollen wir getäuscht werden. Hinter vorgehaltener Hand geben Offizielle aus der USA und aus Europa sogar zu, daß »die TTIP nur die ordnungspolitischen Barrieren und Hindernisse abbauen soll, die der Profitmaximierung der transnationalen Konzerne im Wege stehen.« Zu diesen Hindernissen gehören die auch von den Gewerkschaften erkämpften Rechte der Arbeitenden, die Vorschriften zur  Nahrungsmittelsicherheit, einschließlich des Verbots genmanipulierter  Organismen, die Bestimmungen zum Schutz der Umwelt und der Gesundheit, das Verbot des Einsatzes giftiger Chemikalien, die Regeln zum Schutz der digitalen Privatsphäre und die erst kürzlich eingeführten Sicherungsauflagen für Banken.

Wenn das TTIP-Abkommen verabschiedet würde, wären unter anderem die folgenden einschneidenden Eingriffe in die Souveränität, die sozialen Sicherungssysteme und den Umweltschutz Europas zu erwarten: 

-  Die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen wie der Wasserversorgung oder der Abwasserentsorgung sowie Einrichtungen des Gesundheits- und des Bildungswesens, damit Konzerne auch in diesen Bereichen Profite erzielen können.  

-  Erhöhte Gesundheitsrisiken, weil dann auch in Europa genetisch veränderte Nahrungsmittel und hormonbehandeltes Geflügel und Vieh verkauft werden dürften.  

-  Die Gefährdung kleiner landwirtschaftlicher Familienbetriebe, weil große Agrarkonzerne bevorzugt würden.  

-  Die Legalisierung des Frackings auch in Europa.  

-  Die Berechtigung ausländischer Konzerne, europäische Staaten mittels unkontrollierbarer, geheim tagender Schiedsgerichte auf Entschädigung verklagen zu können, wenn ihre Profite durch neu erlassene Gesetze geschmälert würden. Ein typischer Fall ist die aussichtsreiche Klage des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall, der mit 6 Milliarden $ entschädigt werden will, weil die deutsche Bundesregierung aus der Kernenergie ausgestiegen ist.  

-  Ene noch schärfere Überwachung der Internetnutzer sowie eine stärkere Kontrolle des Internets.  

-  Schärfere Urheberrechtsbestimmungen nicht nur für Arzneimittel und andere Monopol-Produkte, sondern auch die Einschränkung des freien Zugangs zu Kultur, Bildung und Wissenschaft.  

Das TTIP-Abkommen wäre praktisch nicht mehr rückgängig zu machen oder zu ändern. Wenn es verabschiedet und von Brüssel und Washington unterzeichnet ist, muß es in allen 28 EU-Staaten umgesetzt werden; es könnte nur noch abgeändert oder außer Kraft gesetzt werden, wenn alle EU-Mitgliedsstaaten und die USA zustimmen; das aber ist kaum möglich. Die einzelnen EU- Mitgliedsstaaten wären in der Folge nicht mehr souverän und könnten auch dann nicht aus dem TTIP-Abkommen aussteigen, wenn sie feststellten, wie sehr es sie einengt, weil es nicht von den einzelnen EU-Mitgliedern, sondern von der EU für alle Mitgliedsstaaten unterzeichnet werden soll. Es blieben nur zwei Möglichkeiten, dem Abkommen zu entrinnen: der Austritt aus der EU oder deren Auflösung. 

Es ist kein Zufall, daß die sogenannten Verhandlungen in aller Eile und geheim geführt werden. Wenn das TTIP-Abkommen verabschiedet und von der EU-Kommission unterzeichnet würde, wäre das ein Desaster unvorstellbaren Ausmaßes für die künftigen Generationen in Europa. Es würde den Völker Europas ihre von den jeweiligen Verfassungen garantierten Bürgerrechte nehmen und sie zu Sklaven der Industrie- und Finanzkonzerne und deren Führungselite machen.

Warum setzt sich Frau Merkel Merkel so entschieden für die Interessen Washingtons und nicht für die ihres eigenen Landes oder der gesamten EU ein?   
Das Abkommen ist natürlich auch ein Affront gegen Rußland und würde die Handelsbeziehungen Europas nicht nur zu Rußland, sondern auch zu Asien erschweren. Es erhebt sich die Frage, ob die NSA, als sie das Mobiltelefon der Frau Merkel abhörte, etwas erfahren hat, womit man die Dame erpressen kann? Als Frau Merkel von der Abhöraktion erfuhr, schien sie äußerst wütend auf Obama zu sein. Viele Politiker, besonders in den EU-Staaten, hofften, sie würde auf Distanz zu Washington gehen und andere europäische Marionetten mitziehen. Dann knickte sie aber plötzlich wieder ein, und das sicher nicht, weil sie naiv ist. Was auch immer Obama gegen sie in der Hand hat – wenn sie deshalb die Zukunft von mehr als 600 Millionen Europäern aufs Spiel setzt, ist das ein Verbrechen.   

Es ist kein Zufall, daß Obama bei der APEC-Konferenz, die vom 8. bis 10. November in Peking stattfand, eine »Trans Pacific Partnership TPP« vorgeschlagen hat, ein Freihandelsabkommen zwischen Australien, Brunei, Kanada, Chile, Japan, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur, der USA und Vietnam. Zusammen mit dem TTIP-Abkommen gehört es zu den wichtigsten Zielen der Handelspolitik Obamas. Eigenartigerweise soll China nicht zu der vorgeschlagenen Partnerschaft gehören. Die Mainstream-Medien meldeten, Obama wolle China ausschließen, weil es nicht bereit sei, eine von der USA dominierte Weltordnung zu akzeptieren. Könnte es nicht sein, daß China die Gefahren eines solchen Freihandelsabkommens erkannt hat und sich bewußt davon fernhalten will? Wenn das bereits verhandelte TTIP- und das vorgeschlagene TTP-Abkommen tatsächlich zustande kämen, entstünde ein Konzernimperium, das nicht nur die USA, sondern auch Europa und Asien  - außer Rußland und China -  ausbeuten könnte. 

Wir sollten uns daran erinnern, daß zu den Geheimverhandlungen weder Abgeordnete des Europaparlaments noch Parlamentarier der betroffenen Staaten Zutritt haben. Die Gespräche sollen so schnell wie möglich zu dem erwünschten Ergebnis führen, weil man die Völker vor vollendete Tatsachen stellen möchte. Nur wir, die Betroffenen, können dieses Verbrechen, mit dem die US-Konzerne die Welt unterjochen wollen, noch stoppen – wenn wir vereint eine groß angelegte Kampagne gegen das TTIP-Abkommen im Internet und auf der Straße starten:  https://stop-ttip.org/de/    

Anmerkung politonline d.a. Es ist ausgeschlossen, dass all die öffentlich gedruckten Fakten zur  TTIP resp. zu CETA den Abgeordneten des EU-Parlaments resp. der nationalen Parlamente nicht bekannt sind. Indessen ist nicht zu vernehmen, dass sie sich dazu überwinden könnten, sich angesichts der geplanten Supranationalisierung Europas zusammenzuschliessen, um eine gemeinsame Front zu bilden. Man erinnere sich: In der Rede Manuel Barrosos an die EU-Nationen am 13. 9. 2012 hiess es: »Die EU-Kommission möchte die Euro-Krise nutzen, um im Windschatten der aktuellen Probleme einen europäischen Zentralstaat zu schaffen. Dieser wird die Handlungsmöglichkeiten der Nationalstaaten massiv beschneiden«  - genau das, was niemand will. Dass er unter diesem Gesichtspunkt in seiner vor dem EP gehaltenen Rede allerdings gleichzeitig zu der Aussage gelangt, dass er »die schleichende Entfremdung der Union und seiner Bürger über mehr Demokratie bekämpfen will«, muss ein Versehen sein; denn auf welche Weise die Demokratie in der Wertegemeinschaft EU ausgehebelt wird, das wird durch das Beispiel der TTIP- Verhandlungen erneut belegt.

 

Siehe hierzu 
http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2183  10. 11. 2013 
Zum Thema Freihandel  
http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2166  30. 9. 2013 
Das Finanznetzwerk  
http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2203   20. 12. 13 
Eine geharnischte Rede 
 

Quelle:  
http://www.globalresearch.ca/the-transatlantic-trade-and-investment-partnership-ttip-would-abolish-europes-sovereignty-the-eu-would-become-a-us-colony/5417382   December 2, 2014  The EU to Become a U.S. Colony? The Transatlantic Trade and Investment Partnership TTIP would Abolish Europe’s Sovereignty. Is Madame Merkel Betraying the EU – Endangering the Lives of Future European Generations with her Push for the Nefarious TTIP?  By Peter Koenig
Der Autor, Wirtschaftswissenschaftler und geopolitischer Analyst, hat früher für die Weltbank gearbeitet und sich auf der ganzen Welt mit Umweltproblemen und der Wasserversorgung befaßt.  Er schreibt u.a. regelmäßig für Global Research, Information Clearing House, Ria Novosti.


[1]  http://www.lpb-b-w.de/euro_krise.html     
Wichtige Infos zu vielen Aspekten des TTIP-Abkommens sind nachzulesen unter 
http://know-ttip.eu/home/  
http://www.welt.de/print/wams/article135098255/Merkel-Freihandel-nur-nach-unseren-Standards.html

Die Übersetzung des Artikels verdanken wir den Friedenspolitischen Mitteilungen aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein - LP 196/14 – 10.12.14  
http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_13/LP19614_101214.pdf