Angestrebter Abbau der Volksrechte? 27.07.2014 22:33
Zur künftigen Ausgestaltung der politischen Rechte
Hält
man sich vor Augen, dass Brüssel sich tatsächlich anzumassen gedenkt, die
Schweiz bei einem Volksentscheid, der aus ihrer Sicht EU-Interessen
entgegenstünde, mit Strafaktionen zu belegen
- was schlechthin einer Verhöhnung jeglichen demokratischen Rechts
gleichkäme - so sind die folgenden,
einem Artikel der ›SonntagsZeitung‹ vom 22. 6. entnommenen Fakten absolut wissenswert: Hinter den
Kulissen, halten die Autoren Reza Rafi und Denis von Burg fest, wird eine
Änderung des politischen Systems vorbereitet: Die Gruppe ›Democrazia Vivainta‹ hat ein Thesenpapier entwickelt,
das dem Bund als Grundlage für gewichtige Reformen dient. Es geht um höhere
Hürden für Initiativen, um eine Vorprüfung von Volksbegehren durch das
Parlament, aber auch um ein neues Ausländerstimmrecht, die Regelung von
Meinungsumfragen und die Transparenz bei der Politikfinanzierung.
Die
Bundeskanzlei wollte die Gruppe geheimhaltenEin
formeller politischer Auftrag fehlt. In Sitzungsprotokollen, die der ›SonntagsZeitung‹ vorliegen, ist die Rede von der Schweiz, die eine Rolle
als ›avantgardistische Demokratie‹ spielen soll, von ›Handlungsbedarf‹ angesichts der ›Instrumentalisierung‹ von Volksinitiativen und vom ›problematischen‹ Auftauchen von
Durchsetzungsinitiativen. Es sei in dem Bereich langfristig von einem ›weitergehenden Reformbedarf‹ auszugehen, begründet
ein Sprecher der Bundeskanzlei das Vorgehen seiner Behörde. Die Namen der
Mitglieder der Gruppe will er nicht preisgeben. Diese Geheimgruppe des Bundes
war ›SPK‹-Präsidentin Verena Diener
[Grünliberale] nicht bekannt.
Vorschläge
aus der Dunkelkammer Als
Antwort auf die Abstimmung zur Masseneinwanderung will die ›Democrazia Vivainta‹ aus
dem Umfeld der Bundeskanzlei das politische System ändern. Das erste Treffen,
bei dem die Teilnehmer, allesamt Mitglieder der wissenschaftlichen und
politischen
Intelligentia, noch vom Schock des 9. Februars geprägt waren, fand am 7. März
in Bern statt. Ziel des Treffens: ›Ideen und Inputs zu möglichen Reformen
im Bereich der politischen Rechte zu vermitteln‹, heisst es in den internen
Unterlagen. Die Namen der rund 15 Mitglieder, bleiben, wie gesagt, geheim: ›Eine aktive Kommunikation gegen aussen ist nicht geplant‹. Der Anstoss zur Gründung der diskreten Runde kommt aus der von
der CVP-Frau Corina Casanova geleiteten Bundeskanzlei. Genauer: Von der Sektion
›Politische Rechte‹ und ihrer Chefin Barbara Perriard. Dass
über politisch derart aufgeladene Themen wie Volksrechte, Politikfinanzierung
oder Ausländerstimmrecht in Bundesbern hinter den Kulissen beraten wird, ist
problematisch. Noch brisanter wird das Ganze, da der Bundesrat kurz zuvor ein
Reformprojekt in eine ähnliche Richtung beerdigt hatte: Die vorgeschlagene
Vorprüfung von Initiativen und die Pflicht, Völkerrechtsverletzungen auf dem
Initiativbogen zu vermerken, hatten im Parlament keine Mehrheiten gefunden. Nach
vier Treffen erstellten die Mitglieder der ›Democrazia Vivainta‹ ein Ideenprotokoll. Die Resultate werden derzeit ausgearbeitet
und sollen dem Bund als Basis für einen Umbau der demokratischen Spielregeln
dienen. Das bestätigt Thomas Abegglen, Sprecher der Bundeskanzlei: »Die Erkenntnisse aus den Diskussionen dieser Gruppe werden derzeit
aufgearbeitet und fliessen in die Grundlagen für eine Entwicklung einer
langfristigen Strategie zur künftigen Ausgestaltung der politischen Rechte ein«.
Im
übrigen ist von der Staatspolitische Kommission des Ständerats [SPK] bekanntlich
eine Diskussion über das Initiativrecht als solches ist vorgesehen.
Die
Thesen und die Überlegungen der Gruppe zuhanden der Bundesbehörden bleiben
unter Verschluss. Der ›SonntagsZeitung‹ liegen jedoch Sitzungsprotokolle vor, die Aufschluss über die
Stossrichtung der Diskussion geben. So wird am 7. März von Teilnehmern der
Sitzung zunächst beklagt, dass die Anwendung der Volksinitiative ›dem ihr ursprünglich zugedachten Zweck nicht mehr entspricht‹ und sich ›von einem Sach- zu einem Machtinstrument‹ wandle. Das aktuelle politische System habe sich zwar bewährt – »nichtsdestotrotz sind gewisse kleinere Reformen, beispielsweise in
Bezug auf die Erscheinung der ›Durchsetzungsinitiativen‹ oder auf die Behandlungsfristen bei Volksinitiativen unter Umständen
angebracht.«
Ausserdem
sei die Häufung von politischen Vorstössen in manchen Bereichen ›problematisch‹. Gemäss Protokoll zur dritten Sitzung
vom am 2. April, fordert die Gruppe eine verbindliche Vorprüfung von Volksinitiativen
durch das Parlament und eine Ausweitung der Ungültigkeitsgründe. Damit
geht die klandestine Gruppe über den Reformvorschlag, den der Bundesrat wenige
Monate zuvor als nicht realisierbar verworfen hatte, hinaus. Die
Landesregierung hatte die Idee, eine Anmerkung auf Unterschriftsbögen
anzubringen, wenn eine Initiative im Gegensatz zum Völkerrecht oder zu
übergeordneten Staatsverträgen stehe. Gemäss den Wünschen der ›Democrazia Vivainta‹ sollen allerdings
derartige Vorlagen gar nicht erst lanciert werden dürfen. Ein Teil der Gruppe
plädiert sogar für noch höhere Anforderungen bei Volksbegehren und sorgt damit
offenbar für Meinungsverschiedenheiten: »Die Frage höherer
Hürden, sei es durch eine Erhöhung des Unterschriftenquorums und/oder durch die
Verkürzung der Sammelfrist, wird diskutiert, ohne dass sich dabei eine
Mehrheitsmeinung herauskristallisiert.« Einig ist man sich
dagegen beim Ausländerstimmrecht. So weisen in der vertrauten Runde einige
Teilnehmer darauf hin, »dass die Zahl der engagierten Bürger, die sich
systematisch informieren und abstimmen und sich für die Politik insgesamt
interessieren, sinkt.« Hierzu vermerkt das Sitzungsprotokoll: Ein
Grund hierfür sei die ›Nichteinbürgerung von Ausländern, die
seit langem in der Schweiz leben und sehr gut integriert sind‹. Diese Zunahme der langfristig niedergelassenen Ausländer stelle
im Bereich der Grundrechte ›ein erhebliches Problem‹ dar: »Die Schweizer Demokratie ist je länger desto
weniger repräsentativ, denn die Diskrepanz zwischen dem Stimmvolk und der
Bevölkerung vergrössert sich.« Ein Redner sieht das
Ausländerstimmrecht gar »als wichtiges Element, um die Schweiz als ›avantgardistische‹ Demokratie betrachten zu können.«
Kampagnenmittel
sollen transparent werden Auch
bei der Politikfinanzierung geht die Gruppe weiter, als die realpolitischen Verhältnisse
es derzeit zulassen: »Die Schweiz wird nicht darum herumkommen,
Instrumente zur Schaffung von Transparenz im Bereich der Politikfinanzierung
einzuführen«, lautet ein Befund. Als Instrument wird die Einrichtung einer staatlichen
Plattform zur freiwilligen Veröffentlichung von Spenden- und Kampagnenmitteln
vorgeschlagen. Es herrscht ein breiter Konsens darüber, dass die Diskussion
solcher Fragen richtig und wichtig ist. Doch wer das im Geheimen macht, setzt
sich dem Vorwurf der Hinterzimmerpolitik aus. Bundeskanzlei-Sprecher Abegglen verrät lediglich, dass
sich die Runde ›aus Vertreterinnen und Vertretern der
Bundesverwaltung, der Wissenschaft, der Justiz, der Privatwirtschaft und der
gesetzgeberischen Behörden» zusammensetze.‹ Die Sektion ›Politische Rechte‹ definierte
laut Abegglen als eine der Spielregeln, dass die Teilnehmenden die
ausgetauschten Ideen und Informationen frei verwenden können, um eine
Diskussion zu ermöglichen, ohne aber deren Ursprung zu nennen. Das Eidgenössische
Justiz- und Polizeidepartement [EJPD] von SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga
ist durch einen Vertreter des Bundesamtes für Justiz beteiligt. Zudem sind
gemäss Recherchen auch Angehörige der Finanzbehörde
und der Parlamentsdienste sowie der politischen Wissenschaften involviert. Für
die Thematik, mit der sich die Denkgruppe beschäftigt, wäre das EJPD zuständig.
Damit stellt sich die Frage nach der Legitimität des Vorgehens der
Bundeskanzlei. Abegglen sagt, man habe in der Sektion ›Politische
Rechte‹ befunden, dass über eine allfällige Gesetzesrevision
hinaus ›von einem weitergehenden Reformbedarf auszugehen sei‹.
SVP-Präsident
Toni Brunner hat mit harscher Kritik reagiert. Gerade Initiativen seiner Partei
stehen im Fokus der Diskussion. »Mich verwundert gar nichts mehr«, sagt er. »Die Existenz einer solchen geheimen Gruppe
bestätigt, dass in Bern kontinuierlich daran gearbeitet wird, die direkte
Demokratie auszuhebeln und die Volksrechte abzubauen.« Er habe genügend Hinweise, dass der Bundesrat trotz seiner
Beteuerungen die Masseneinwanderungsinitiative hintertreibe. Brunner vermutet
eine koordinierte Aktion. »Der Ständerat prüft die Ungültigkeit der
Erbschaftssteuer-Initiative, und auch die ›Ecopop‹-Initiative wollten gewisse Politiker für ungültig erklären. Das
Bundesgericht setzt internationales Recht über Landesrecht. Und jetzt
erfahren wir, dass auch die Bundeskanzlei im Geheimen den Demokratieabbau
vorantreibt. Unsere geplante Volksinitiative ›Landesrecht vor
Völkerrecht‹ wird aktueller denn je.« »Bundesbern ist extrem intransparent geworden«, sagt er.
Quelle
auszugsweise: http://webapp.sonntagszeitung.ch/read/sz_22_06_2014/nachrichten/ 22. 6. 14 Geheimgruppe
des Bundes will Volksrechte abbauen - Bundeskanzlei plant ›weitergehende Reformen‹ – Politiker wissen von nichts - Reza Rafi und Denis Von Burg
|