Syrien - Genf-2 27.01.2014 02:17
d.a. Wie hinlänglich bekannt, war UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon gezwungen, seine Einladung
an den Iran zur Teilnahme an der
Syrien-Konferenz zurücknehmen. Der Sprecher des Generalsekretärs, Martin
Nesirky, liess als Grund hierfür verlauten, dass der Iran der Genfer Erklärung,
gemäss der das Ziel des Zusammentreffens die Bildung einer Übergangsregierung für
Syrien wäre, nicht zustimme. Die Entscheidung sei nach Rücksprache mit Washington
und Moskau erfolgt. »Tatsächlich«, berichtet hingegen Karin Leukefeld,
»mußte sich der
Generalsekretär dem Druck der USA beugen. Die vom Westen als ›legitime
Vertretung des syrischen Volkes‹ anerkannte und unterstützte ›Nationale Koalition‹ hatte mit ihrer Absage
gedroht, sollte die Einladung Teherans nicht zurückgezogen werden. Eine
Sprecherin des iranischen Außenministeriums zeigte sich über die Ausladung, die
›unter politischem
Druck‹
erfolgt sei, enttäuscht. Marsieh Afsham sagte in Teheran, der Iran habe sich
nie aufgedrängt, stets einen klaren Standpunkt vertreten und zu keiner Zeit
irgendwelche Vorbedingungen akzeptiert. Die Gründe für die Absage seien
definitiv andere als die vom Generalsekretär genannten. In Moskau hieß es, die
Ausladung sei ein ›Fehler‹, aber »keine Katastrophe«. [1] Der
schiitisch geprägte Iran ist zusammen mit Russland einer der letzten
Verbündeten des syrischen Staatschefs Baschar al-Assad.
Am Freitag, 24. Januar, fand dann ein erstes
direktes Treffen der Konfliktparteien mit dem internationalen Sondergesandten
Lakhdar Brahimi in einem Saal am UN-Sitz in Genf hinter verschlossenen Türen
statt. Noch sieht sich der vom Westen unterstützte ›Syrian National Council‹
SNC, die ›Syrische Nationale Koalition‹, welche die bewaffneten
Oppositionsgruppen vereinigt, als Vertreter des syrischen Volkes und fordert
den Rücktritt von Präsident Baschar al-Assad und die Einsetzung einer
Übergangsregierung; beides wird von der Assad-Delegation nicht als politische
Lösung betrachtet. Indessen verwies Brahimi noch einmal auf die sogenannte
Genf-1-Vereinbarung vom Juni 2012 als Grundlage der jetzigen Gespräche; diese
sieht effektiv die Bildung einer Übergangsregierung unter Beteiligung der
Opposition vor. Fakt ist jedoch, dass die staatliche syrische
Nachrichtenagentur ›Sana‹ bekanntgegeben hat, dass die syrische Delegation die
Prinzipien des Genf-1-Dokuments, das auch die Einigung auf Waffenruhe
beinhaltet, nicht akzeptiert.
Am Samstag, 25. 1., haben beide Delegation über
eine Freilassung von Gefangenen sowie über die Sicherung von Routen für
Hilfskonvois für besetzte Gebiete der Stadt Homs verhandelt. Die Opposition
wirft den Regierungsvertretern vor, eine bindende Aussage zur Hilfe für Homs
hinauszuzögern, was Bouthaina Shaaban, die Beraterin al-Assads, BBC gegenüber
in Abrede gestellt hat. Es sei keineswegs die syrische Regierung, die
verhindere, dass Hilfe und medizinischer Beistand die dortigen Leute erreiche.
Es seien die Terroristen, die die Zivilisten als lebende Schutzschilde
benutzen. Was die Gefangenen betrifft, erklärte sie, dass es Tausende von
verschleppten Syrern gäbe, deren Familien nicht wissen, was aus ihnen geworden
ist. Die Regierung möchte wissen, wen die gegnerischen Gruppen in ihrer Gewalt
haben und ob sie diese Leute freisetzen könne. Sie fügte hinzu, dass die
jetzigen Oppositionellen die Opposition nicht wirklich verträten. Wir können
die nicht mit einer kleinen Gruppe von Leuten verhandeln, von denen wir nicht
wissen, wen sie repräsentieren. Die gegenseitigen Anklagen sind sozusagen
uferlos. Monzer Akbi, der Stabschef des SNC, hat die syrische Regierung angeklagt, Zehntausende
von Syrern systematisch zu foltern und behauptet genau das, was Shaaban ihrerseits
vorbringt, dass Tausende von Familien nicht wüssten, wo sich ihre Angehörigen
befinden, da diese, wie die Opposition erklärt, von den Polizeikräften des
Regimes entführt worden seien. Diese Frage läge als Verhandlungspunkt auf dem
Tisch. [2] Die Delegation der syrischen Opposition hat
laut einer Mitteilung ihres Sprechers, Obeida al-Nahas, am 26. 1. eine Liste
von Kriegsgefangenen vorgelegt, auf welcher 1000 Frauen verzeichnet sind, die
sich gegenwärtig in Haft befinden. Diese sei nur die erste der von der
Opposition vorzulegenden Listen. Die Hauptliste der Kriegsgefangenen umfasse
laut Opposition mehr als 40 000 Namen, so Al-Nahas. Wie ›RIA Novosti‹ heute
gemeldet hat, werden die Gespräche am 27. 1., wiederum unter Vermittlung von
Lakhdar Brahimi, ihre Fortsetzung erfahren. Dies habe der syrische
Informationsminister Omran al-Zoubi am Sonntag erklärt. Allerdings dürfe der
Rücktritt von Präsident al-Assad nicht auf der Tagesordnung stehen. Dies
entspricht auch einer Aussage, die ein den Verhandlungen Nahestehender
gegenüber dem russischen news service verlauten liess. [3]
Unter den Mitgliedern der unlängst gebildeten
syrischen Gruppierung ›Islamische Front‹ befinden sich laut ›RIA Novosti‹ Extremisten, was der an der Friedenskonferenz teilnehmende
russische Aussenminister Sergej Lawrow am 26. 1. in einem Interview für den
Fernsehsender ›NTV‹ erklärte. »Wir haben sehr viele Fragen
an die vor kurzem unter dem Namen ›Islamische Front‹ gebildete Struktur, der zwei bis drei Organisationen
angehören, welche an dem Massaker im Raum von Adra beteiligt waren.« Lawrow zufolge wechseln
Kämpfer der ›Islamischen
Front‹,
der ›Jabhat
al-Nusra‹
und des ›Islamischen
Staates im Irak und der Levante‹ von einer Gruppierung zur anderen, dies nach dem
Prinzip der kommunizierenden Röhren. »Sie kommen dorthin, wo mehr gezahlt wird.« Radikale Islamisten hatten Anfang Dezember in der
syrischen Stadt Adra ein Blutbad angerichtet, dem Anhänger der alevitischen und
der drusischen Gemeinschaft zum Opfer fielen. Laut Lawrow gelten ›Jabhat al-Nusra‹ und ›Islamsicher Staat im Irak
und der Levante‹ als Teile von al-Kaida. Es
sei kaum vorstellbar, dass eine der genannten Strukturen als Partner bei
Friedensverhandlungen auftreten könnte, so Lawrow. Die im November 2013
gebildete ›Islamische
Front‹ umfasst mehrere
islamistische Gruppierungen. Laut früheren Medienberichten hatte diese mehrere
Lagerhäuser und Objekte in ihre Gewalt gebracht, die zuvor von der
oppositionellen ›Freien
Syrischen Armee‹
kontrolliert worden waren. Die USA hatte im Dezember 2013 versucht,
Verhandlungen mit der ›Islamische Front‹ aufzunehmen, jedoch
scheiterte dieser Versuch auf Grund der ablehnenden Haltung der Islamisten. [4] Jacqueline
Hazelton vom Naval War College hat berichtet, dass mittlerweile zwischen 1200
und 1700 Europäer auf der Seite von Jihadisten in Syrien kämpfen. Wenn diese
radikalisierten Jugendlichen in ihre Heimatländer zurückkehrten, stelle sich
für Europa eine ernsthafte terroristische Gefahr.
Kurz vor Beginn der Gespräche war eine Unzahl neuer
Fotos von gefolterten und hingerichteten syrischen Regimegegnern aufgetaucht,
die allseits Empörung auslösten. Der englische ›Guardian‹ zitierte einen Sprecher der
US-Administration mit den Worten, die jetzt ans Tageslicht gekommenen Bilder
hätten Washington wie den Rest der Welt in Horror versetzt. Ausgerechnet
Washington!
Als hätte die Folter in Abu Ghraib, in Bagram, in zahlreichen anderen
US-Gefängnissen im Irak und in Afghanistan nie existiert, ganz abgesehen von
Guatánamo und den sogenannten geheimen Flügen resp. Gefängnissen. Dieses dunkle
US-Kapitel füllt Seiten! So hatte die CIA seit dem 11. September 2001 einer
Meldung der ›Basler Zeitung‹ vom 6. März 2005 zufolge Dutzende von ausländischen
Terrorverdächtige an Länder ausgeliefert, in denen gefoltert wir: nach Syrien,
Ägypten, Saudi-Arabien, Jordanien und Pakistan. Mehrere Männer, die etwa an Syrien
oder Ägypten übergeben worden waren, berichteten von schweren Folterungen.
Hierzu hat Robert Baer, ein ehemaliger CIA-Agent, im Juni 2004 folgendes
erklärt: »Es war der Präsident der Vereinigten Staaten, der
die CIA ermächtigt hat, solche Verschleppungen durchzuführen. Es gibt da eine
grobe Regel: Wenn du eine Person in den Verhören ein wenig härter rannehmen
willst, schickst du sie nach Jordanien. Wenn du sie verschwinden lassen willst,
schickst du sie nach Ägypten.« Wie man sieht, betrachtete
die USA Syrien damals als durchaus brauchbar, im Gegensatz zu heute. Wie
gesagt, die Vorfälle, in denen sich die USA Folter und Misshandlung zuschulden
kommen liess, würde einen gesonderten Aufsatz erfordern, dessen Länge dem Leser
einiges abverlangen würde. Nach Vorlage dieser Fotos war in der britischen Öffentlichkeit sofort von einer ›dringend nötigen‹ Eröffnung eines
Kriegsverbrecherverfahrens gegen das syrische Regime die Rede. Ein dem ›Guardian‹ und dem CNN zugespielter
Report über Syrien glaubt nämlich die ›systematische Tötung‹ von 11'000 syrischen Gefangenen zwischen März 2011
und August 2013 belegen zu können. Der Bericht stütze sich auf einen namentlich
nicht genannten syrischen Militärpolizisten, der sich aus Syrien abgesetzt und 55'000
Fotografien von 11000 getöteten Gefangenen, von denen viele deutliche Anzeichen
von Folter erkennen lassen, vorgelegt habe. Wie es ferner hiess, sei man jetzt
also nicht nur im Besitz von Bildern, sondern auch der Nummern, die mit den
Nummern offizieller Dokumente übereinstimmten; als Zeuge habe man den
Fotografen. An dem Material gebe es ›nicht den geringsten Zweifel‹. Auch der britische
Aussenminister William Hague nannte die Bilder ein ›ebenso zwingendes wie entsetzliches‹ Beweismaterial. [5] ¨
Nun sind wir ja von der Presse einiges gewöhnt,
so auch Reportagen, die nicht immer einer Prüfung, würden sie einer solchen
unterzogen, standhielten. So bezeichnet auch denn Karin Leukefeld das Ganze als
ein Störfeuer gegen den Frieden; die Journalistin hat erklärt, dass dieser
Bericht über massenhafte Folter von Katar bestellt worden ist. Und
Katar ist genau das Emirat, das die syrischen Rebellen nicht nur militärisch,
sondern auch finanziell unterstützt; darüber hinaus ist Katar ein umworbener
Geschäftspartner nicht nur der Deutschen, sondern der EU. »Betrachten wir nun die
unerbauliche Geschichte aus Syrien näher«, meint Michael Winkler in seinem Tageskommentar vom
22. Januar, »so muss
derjenige, der in einem Foltergefängnis arbeitet, das Vertrauen des Regimes besitzen,
also jahrelang mitgefoltert haben. Weiterhin macht sich jemand, der
Beweisphotos aufnimmt, höchst verdächtig. Die Photos sehen sehr professionell
aus, gut ausgeleuchtet und aus einer guten Perspektive aufgenommen, so, als hätte
der ›Polizist‹ nicht zu befürchten
brauchen, dabei erwischt zu werden. Anschließend kann er sich, mit allen
Aufnahmen, in aller Ruhe absetzen, unbehelligt durch die Linien der
Terroristen. Ja, das ist der Stoff, aus dem man Hollywood Filme macht.
Wahrscheinlicher hört sich folgende Version an: Die Terroristen haben
ihre eigenen Folteropfer abgelichtet, in aller Ruhe. Die Opfer sind Regierungssoldaten,
Christen, Verräter, also so ziemlich alles, was den Terroristen im Weg war.
Fachkundig zu Tode gebracht, zur höheren Ehre Allahs. Danach hat man die
widerwärtigsten Photos herausgesucht, am Computer noch ein wenig aufgebösert,
und alles auf saubere Datenträger aufgespielt. Am Ende hat sich einer der
Terroristen auf den Weg gemacht, um diese Kunstwerke in den Westen zu bringen. Jetzt
werden uns die Bilder der Terroristenopfer als jene Assads untergeschoben. Eine
obskure Organisation in London, die sich hochtrabend Human Rights Watch nennt,
hetzt gegen alle Länder, gegen die der Westen etwas hat. Die Menschenrechte
sind überall dort gefährdet, wo der Westen gegenteilige Interessen hat, ob nun
in Russland, China, Ukraine und Iran. In Merkeldeutschland, Grossbritannien,
USA, Frankreich und Israel gibt es natürlich keinerlei Verstösse gegen die
Menschenrechte, zumindest nicht für die Human Rights Watch. Ich gehe davon aus,
dass diese seltsame Organisation über Wohltäter verfügt, die sie finanziell und
anderweitig unterstützen. Dazu gehören so ehrenwerte Organisationen wie die
CIA, der Mossad, MI6, GCHQ, usw. Kein Wunder, dass sie dafür so wunderbares
Propagandamaterial liefert.« Zwar hat der syrische Botschafter bei den Vereinten Nationen in New
York, Bashar al-Jafari, am 22. Januar eingeräumt, dass in den Gefängnissen
seines Heimatlandes gefoltert wird. Er behauptete jedoch, das Ausmass der
Menschenrechtsverletzungen sei nicht so gross wie es von internationalen
Organisationen dargestellt werde. «Ich bestreite nicht, dass Fehler gemacht
werden, so wie in allen anderen Ländern auch», sagte er in Montreux auf die
Frage eines Journalisten zur Folterung von Gefangenen. Die Fotos von syrischen
Folteropfern, die diese Woche aufgetaucht waren, bezeichnete er jedoch als
Fälschung.
Der frühere NATO-Kommandeur Admiral James
Stavridis warnte laut einem Bericht der US-Militärzeitung ›Stars and Stripes‹ vom 20. Januar vor dem
Ausbruch eines allgemeinen Krieges im Nahen Osten, der sich leicht zu einem
Krieg zwischen Sunniten und Schiiten entwickeln könne. Er verglich diese Gefahr
mit der Dynamik der verheerenden Religionskriege im Europa des 16. und 17.
Jahrhunderts. Stavridis, der jetzt Dekan der Fletcher School of Law and Diplomacy
in Boston ist, unterstützt die Genf-2-Konferenz zu Syrien als wichtigen Schritt
in die richtige Richtung. Sollten sich die Konflikte in Syrien und im Irak
ausweiten, werde dies zu nicht beherrschbaren Konfliktzonen in der Region
führen, welche die NATO-Länder in Europa und andere Nationen im Nahen Osten
bedrohen. Stavridis steht mit seinen Warnungen in einer Reihe mit General
Martin Dempsey und dem früheren CIA-Chef und US-Verteidigungsminister Robert
Gates, die alle vehement darauf drängen, gemeinsam mit Russland eine friedliche
Lösung für den Syrien- und Irankonflikt herbeizuführen und das Abgleiten in
eine unkontrollierbare Kriegsdynamik zu stoppen. [6]
Und schon hat sich die USA als Unterstützer der Opposition
das Recht angemasst, Assad zum Rücktritt aufzufordern; so erklärte US-Aussenminister
John Kerry am Freitag, 24. Januar, am WEF, Assad könne ›nicht Teil der Zukunft
Syriens sein‹. Im Prinzip könnten wir ja alle Regierungen und vor
allem die UNO in die Wüste schicken und Washington als Alleinherrscher
bestätigen. Inzwischen geht die Gewalt in Syrien weiter; zweifelhaft bleibt, inwieweit das grösste vom Westen unterstützte
Oppositionsbündnis, die Syrische Nationale Koalition, eine mögliche Einigung in
Genf überhaupt umsetzen kann: Sie hat kaum Einfluss auf die unterschiedlichen
Rebellenfraktionen im Land, die sich zum Teil gegenseitig bekämpfen. So
erklärte denn auch der iranische Präsident Hassan Rohani in Davos: »Mit Friedenskonferenzen
kann die Krise in Syrien nicht bewältigt werden, vorher müssen sich alle
Parteien auf die Bekämpfung des Terrorismus einigen.«
Quellen: [1] http://www.jungewelt.de/2014/01-22/054.php 21. 1. 14 Karin Leukefeld
- Störfeuer gegen Frieden [2] http://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-25900871 26. 1. 14 [3] http://de.ria.ru/politics/20140126/267712251.html 26. 1. 14 [4] http://de.ria.ru/politics/20140126/267711750.html 26. 1. 14 [5] http://bazonline.ch/ausland/naher-osten-und-afrika/Endgueltiger-Beweis-fuer-Assads-Terrorregime/story/30875846 21. 1. 14 [6] http://www.bueso.de/node/6971 22. 1. 14
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