Syrien - Genf-2

d.a. Wie hinlänglich bekannt, war UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon gezwungen, seine Einladung

an den Iran zur Teilnahme an der Syrien-Konferenz zurücknehmen. Der Sprecher des Generalsekretärs, Martin Nesirky, liess als Grund hierfür verlauten, dass der Iran der Genfer Erklärung, gemäss der das Ziel des Zusammentreffens die Bildung einer Übergangsregierung für Syrien wäre, nicht zustimme. Die Entscheidung sei nach Rücksprache mit Washington und Moskau erfolgt. »Tatsächlich«, berichtet hingegen Karin Leukefeld, »mußte sich der Generalsekretär dem Druck der USA beugen. Die vom Westen als legitime Vertretung des syrischen Volkes anerkannte und unterstützte Nationale Koalition hatte mit ihrer Absage gedroht, sollte die Einladung Teherans nicht zurückgezogen werden. Eine Sprecherin des iranischen Außenministeriums zeigte sich über die Ausladung, die unter politischem Druck erfolgt sei, enttäuscht. Marsieh Afsham sagte in Teheran, der Iran habe sich nie aufgedrängt, stets einen klaren Standpunkt vertreten und zu keiner Zeit irgendwelche Vorbedingungen akzeptiert. Die Gründe für die Absage seien definitiv andere als die vom Generalsekretär genannten. In Moskau hieß es, die Ausladung sei ein Fehler, aber »keine Katastrophe«.  [1]  Der schiitisch geprägte Iran ist zusammen mit Russland einer der letzten Verbündeten des syrischen Staatschefs Baschar al-Assad.

Am Freitag, 24. Januar, fand dann ein erstes direktes Treffen der Konfliktparteien mit dem internationalen Sondergesandten Lakhdar Brahimi in einem Saal am UN-Sitz in Genf hinter verschlossenen Türen statt. Noch sieht sich der vom Westen unterstützte ›Syrian National Council‹ SNC, die ›Syrische Nationale Koalition‹, welche die bewaffneten Oppositionsgruppen vereinigt, als Vertreter des syrischen Volkes und fordert den Rücktritt von Präsident Baschar al-Assad und die Einsetzung einer Übergangsregierung; beides wird von der Assad-Delegation nicht als politische Lösung betrachtet. Indessen verwies Brahimi noch einmal auf die sogenannte Genf-1-Vereinbarung vom Juni 2012 als Grundlage der jetzigen Gespräche; diese sieht effektiv die Bildung einer Übergangsregierung unter Beteiligung der Opposition vor. Fakt ist jedoch, dass die staatliche syrische Nachrichtenagentur ›Sana‹ bekanntgegeben hat, dass die syrische Delegation die Prinzipien des Genf-1-Dokuments, das auch die Einigung auf Waffenruhe beinhaltet, nicht akzeptiert.  

Am Samstag, 25. 1., haben beide Delegation über eine Freilassung von Gefangenen sowie über die Sicherung von Routen für Hilfskonvois für besetzte Gebiete der Stadt Homs verhandelt. Die Opposition wirft den Regierungsvertretern vor, eine bindende Aussage zur Hilfe für Homs hinauszuzögern, was Bouthaina Shaaban, die Beraterin al-Assads, BBC gegenüber in Abrede gestellt hat. Es sei keineswegs die syrische Regierung, die verhindere, dass Hilfe und medizinischer Beistand die dortigen Leute erreiche. Es seien die Terroristen, die die Zivilisten als lebende Schutzschilde benutzen. Was die Gefangenen betrifft, erklärte sie, dass es Tausende von verschleppten Syrern gäbe, deren Familien nicht wissen, was aus ihnen geworden ist. Die Regierung möchte wissen, wen die gegnerischen Gruppen in ihrer Gewalt haben und ob sie diese Leute freisetzen könne. Sie fügte hinzu, dass die jetzigen Oppositionellen die Opposition nicht wirklich verträten. Wir können die nicht mit einer kleinen Gruppe von Leuten verhandeln, von denen wir nicht wissen, wen sie repräsentieren. Die gegenseitigen Anklagen sind sozusagen uferlos. Monzer Akbi, der Stabschef des SNC, hat die  syrische Regierung angeklagt, Zehntausende von Syrern systematisch zu foltern und behauptet genau das, was Shaaban ihrerseits vorbringt, dass Tausende von Familien nicht wüssten, wo sich ihre Angehörigen befinden, da diese, wie die Opposition erklärt, von den Polizeikräften des Regimes entführt worden seien. Diese Frage läge als Verhandlungspunkt auf dem Tisch.  [2]  Die Delegation der syrischen Opposition hat laut einer Mitteilung ihres Sprechers, Obeida al-Nahas, am 26. 1. eine Liste von Kriegsgefangenen vorgelegt, auf welcher 1000 Frauen verzeichnet sind, die sich gegenwärtig in Haft befinden. Diese sei nur die erste der von der Opposition vorzulegenden Listen. Die Hauptliste der Kriegsgefangenen umfasse laut Opposition mehr als 40 000 Namen, so Al-Nahas. Wie ›RIA Novosti‹ heute gemeldet hat, werden die Gespräche am 27. 1., wiederum unter Vermittlung von Lakhdar Brahimi, ihre Fortsetzung erfahren. Dies habe der syrische Informationsminister Omran al-Zoubi am Sonntag erklärt. Allerdings dürfe der Rücktritt von Präsident al-Assad nicht auf der Tagesordnung stehen. Dies entspricht auch einer Aussage, die ein den Verhandlungen Nahestehender gegenüber dem russischen news service verlauten liess.  [3]   

Unter den Mitgliedern der unlängst gebildeten syrischen Gruppierung Islamische Front befinden sich laut RIA NovostiExtremisten, was der an der Friedenskonferenz teilnehmende russische Aussenminister Sergej Lawrow am 26. 1. in einem Interview für den Fernsehsender NTVerklärte. »Wir haben sehr viele Fragen an die vor kurzem unter dem Namen Islamische Frontgebildete Struktur, der zwei bis drei Organisationen angehören, welche an dem Massaker im Raum von Adra beteiligt waren.« Lawrow zufolge wechseln Kämpfer der Islamischen Front, der Jabhat al-Nusra und des Islamischen Staates im Irak und der Levante von einer Gruppierung zur anderen, dies nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhren. »Sie kommen dorthin, wo mehr gezahlt wird.« Radikale Islamisten hatten Anfang Dezember in der syrischen Stadt Adra ein Blutbad angerichtet, dem Anhänger der alevitischen und der drusischen Gemeinschaft zum Opfer fielen. Laut Lawrow gelten Jabhat al-Nusraund Islamsicher Staat im Irak und der Levante als Teile von al-Kaida. Es sei kaum vorstellbar, dass eine der genannten Strukturen als Partner bei Friedensverhandlungen auftreten könnte, so Lawrow. Die im November 2013 gebildete Islamische Front umfasst mehrere islamistische Gruppierungen. Laut früheren Medienberichten hatte diese mehrere Lagerhäuser und Objekte in ihre Gewalt gebracht, die zuvor von der oppositionellen Freien Syrischen Armee kontrolliert worden waren. Die USA hatte im Dezember 2013 versucht, Verhandlungen mit der Islamische Front aufzunehmen, jedoch scheiterte dieser Versuch auf Grund der ablehnenden Haltung der Islamisten.  [4]  Jacqueline Hazelton vom Naval War College hat berichtet, dass mittlerweile zwischen 1200 und 1700 Europäer auf der Seite von Jihadisten in Syrien kämpfen. Wenn diese radikalisierten Jugendlichen in ihre Heimatländer zurückkehrten, stelle sich für Europa eine ernsthafte terroristische Gefahr.

Kurz vor Beginn der Gespräche war eine Unzahl neuer Fotos von gefolterten und hingerichteten syrischen Regimegegnern aufgetaucht, die allseits Empörung auslösten. Der englische Guardian zitierte einen Sprecher der US-Administration mit den Worten, die jetzt ans Tageslicht gekommenen Bilder hätten Washington wie den Rest der Welt in Horror versetzt. Ausgerechnet Washington! Als hätte die Folter in Abu Ghraib, in Bagram, in zahlreichen anderen US-Gefängnissen im Irak und in Afghanistan nie existiert, ganz abgesehen von Guatánamo und den sogenannten geheimen Flügen resp. Gefängnissen. Dieses dunkle US-Kapitel füllt Seiten! So hatte die CIA seit dem 11. September 2001 einer Meldung der Basler Zeitung vom 6. März 2005 zufolge Dutzende von ausländischen Terrorverdächtige an Länder ausgeliefert, in denen gefoltert wir: nach Syrien, Ägypten, Saudi-Arabien, Jordanien und Pakistan. Mehrere Männer, die etwa an Syrien oder Ägypten übergeben worden waren, berichteten von schweren Folterungen. Hierzu hat Robert Baer, ein ehemaliger CIA-Agent, im Juni 2004 folgendes erklärt: »Es war der Präsident der Vereinigten Staaten, der die CIA ermächtigt hat, solche Verschleppungen durchzuführen. Es gibt da eine grobe Regel: Wenn du eine Person in den Verhören ein wenig härter rannehmen willst, schickst du sie nach Jordanien. Wenn du sie verschwinden lassen willst, schickst du sie nach Ägypten.« Wie man sieht, betrachtete die USA Syrien damals als durchaus brauchbar, im Gegensatz zu heute. Wie gesagt, die Vorfälle, in denen sich die USA Folter und Misshandlung zuschulden kommen liess, würde einen gesonderten Aufsatz erfordern, dessen Länge dem Leser einiges abverlangen würde. Nach Vorlage dieser Fotos war in der britischen Öffentlichkeit sofort von einer dringend nötigen Eröffnung eines Kriegsverbrecherverfahrens gegen das syrische Regime die Rede. Ein dem Guardian und dem CNN zugespielter Report über Syrien glaubt nämlich die systematische Tötung von 11'000 syrischen Gefangenen zwischen März 2011 und August 2013 belegen zu können. Der Bericht stütze sich auf einen namentlich nicht genannten syrischen Militärpolizisten, der sich aus Syrien abgesetzt und 55'000 Fotografien von 11000 getöteten Gefangenen, von denen viele deutliche Anzeichen von Folter erkennen lassen, vorgelegt habe. Wie es ferner hiess, sei man jetzt also nicht nur im Besitz von Bildern, sondern auch der Nummern, die mit den Nummern offizieller Dokumente übereinstimmten; als Zeuge habe man den Fotografen. An dem Material gebe es nicht den geringsten Zweifel. Auch der britische Aussenminister William Hague nannte die Bilder ein ebenso zwingendes wie entsetzliches Beweismaterial.  [5]           ¨

Nun sind wir ja von der Presse einiges gewöhnt, so auch Reportagen, die nicht immer einer Prüfung, würden sie einer solchen unterzogen, standhielten. So bezeichnet auch denn Karin Leukefeld das Ganze als ein Störfeuer gegen den Frieden; die Journalistin hat erklärt, dass dieser Bericht über massenhafte Folter von Katar bestellt worden ist. Und Katar ist genau das Emirat, das die syrischen Rebellen nicht nur militärisch, sondern auch finanziell unterstützt; darüber hinaus ist Katar ein umworbener Geschäftspartner nicht nur der Deutschen, sondern der EU. »Betrachten wir nun die unerbauliche Geschichte aus Syrien näher«, meint Michael Winkler in seinem Tageskommentar vom 22. Januar, »so muss derjenige, der in einem Foltergefängnis arbeitet, das Vertrauen des Regimes besitzen, also jahrelang mitgefoltert haben. Weiterhin macht sich jemand, der Beweisphotos aufnimmt, höchst verdächtig. Die Photos sehen sehr professionell aus, gut ausgeleuchtet und aus einer guten Perspektive aufgenommen, so, als hätte der Polizist nicht zu befürchten brauchen, dabei erwischt zu werden. Anschließend kann er sich, mit allen Aufnahmen, in aller Ruhe absetzen, unbehelligt durch die Linien der Terroristen. Ja, das ist der Stoff, aus dem man Hollywood Filme macht. Wahrscheinlicher hört sich folgende Version an: Die Terroristen haben ihre eigenen Folteropfer abgelichtet, in aller Ruhe. Die Opfer sind Regierungssoldaten, Christen, Verräter, also so ziemlich alles, was den Terroristen im Weg war. Fachkundig zu Tode gebracht, zur höheren Ehre Allahs. Danach hat man die widerwärtigsten Photos herausgesucht, am Computer noch ein wenig aufgebösert, und alles auf saubere Datenträger aufgespielt. Am Ende hat sich einer der Terroristen auf den Weg gemacht, um diese Kunstwerke in den Westen zu bringen. Jetzt werden uns die Bilder der Terroristenopfer als jene Assads untergeschoben. Eine obskure Organisation in London, die sich hochtrabend Human Rights Watch nennt, hetzt gegen alle Länder, gegen die der Westen etwas hat. Die Menschenrechte sind überall dort gefährdet, wo der Westen gegenteilige Interessen hat, ob nun in Russland, China, Ukraine und Iran. In Merkeldeutschland, Grossbritannien, USA, Frankreich und Israel gibt es natürlich keinerlei Verstösse gegen die Menschenrechte, zumindest nicht für die Human Rights Watch. Ich gehe davon aus, dass diese seltsame Organisation über Wohltäter verfügt, die sie finanziell und anderweitig unterstützen. Dazu gehören so ehrenwerte Organisationen wie die CIA, der Mossad, MI6, GCHQ, usw. Kein Wunder, dass sie dafür so wunderbares Propagandamaterial liefert.« Zwar hat der syrische Botschafter bei den Vereinten Nationen in New York, Bashar al-Jafari, am 22. Januar eingeräumt, dass in den Gefängnissen seines Heimatlandes gefoltert wird. Er behauptete jedoch, das Ausmass der Menschenrechtsverletzungen sei nicht so gross wie es von internationalen Organisationen dargestellt werde. «Ich bestreite nicht, dass Fehler gemacht werden, so wie in allen anderen Ländern auch», sagte er in Montreux auf die Frage eines Journalisten zur Folterung von Gefangenen. Die Fotos von syrischen Folteropfern, die diese Woche aufgetaucht waren, bezeichnete er jedoch als Fälschung.

Der frühere NATO-Kommandeur Admiral James Stavridis warnte laut einem Bericht der US-Militärzeitung Stars and Stripes vom 20. Januar vor dem Ausbruch eines allgemeinen Krieges im Nahen Osten, der sich leicht zu einem Krieg zwischen Sunniten und Schiiten entwickeln könne. Er verglich diese Gefahr mit der Dynamik der verheerenden Religionskriege im Europa des 16. und 17. Jahrhunderts. Stavridis, der jetzt Dekan der Fletcher School of Law and Diplomacy in Boston ist, unterstützt die Genf-2-Konferenz zu Syrien als wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Sollten sich die Konflikte in Syrien und im Irak ausweiten, werde dies zu nicht beherrschbaren Konfliktzonen in der Region führen, welche die NATO-Länder in Europa und andere Nationen im Nahen Osten bedrohen. Stavridis steht mit seinen Warnungen in einer Reihe mit General Martin Dempsey und dem früheren CIA-Chef und US-Verteidigungsminister Robert Gates, die alle vehement darauf drängen, gemeinsam mit Russland eine friedliche Lösung für den Syrien- und Irankonflikt herbeizuführen und das Abgleiten in eine unkontrollierbare Kriegsdynamik zu stoppen. [6] 

Und schon hat sich die USA als Unterstützer der Opposition das Recht angemasst, Assad zum Rücktritt aufzufordern; so erklärte US-Aussenminister John Kerry am Freitag, 24. Januar, am WEF, Assad könne nicht Teil der Zukunft Syriens sein. Im Prinzip könnten wir ja alle Regierungen und vor allem die UNO in die Wüste schicken und Washington als Alleinherrscher bestätigen. Inzwischen geht die Gewalt in Syrien weiter; zweifelhaft bleibt, inwieweit das grösste vom Westen unterstützte Oppositionsbündnis, die Syrische Nationale Koalition, eine mögliche Einigung in Genf überhaupt umsetzen kann: Sie hat kaum Einfluss auf die unterschiedlichen Rebellenfraktionen im Land, die sich zum Teil gegenseitig bekämpfen. So erklärte denn auch der iranische Präsident Hassan Rohani in Davos: »Mit Friedenskonferenzen kann die Krise in Syrien nicht bewältigt werden, vorher müssen sich alle Parteien auf die Bekämpfung des Terrorismus einigen.«

 

Quellen: 
[1]  http://www.jungewelt.de/2014/01-22/054.php  21. 1. 14  
Karin Leukefeld  -  Störfeuer gegen Frieden 
[2]  http://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-25900871   26.
1. 14 
[3] 
http://de.ria.ru/politics/20140126/267712251.html  26. 1. 14 
[4]  http://de.ria.ru/politics/20140126/267711750.html  26. 1. 14   
[5]  http://bazonline.ch/ausland/naher-osten-und-afrika/Endgueltiger-Beweis-fuer-Assads-Terrorregime/story/30875846   21. 1. 14  
[6]  http://www.bueso.de/node/6971   22. 1. 14