Bundesbern - Brüssels willfährigster Trabant - Von Ulrich Schlüer

Volle zweieinhalb Jahre benötigte der Bundesrat, bis er jetzt etwas vorzulegen vermochte,

was er als «Umsetzungs-Konzept» für die im November 2010 von Volk und Ständen deutlich angenommene Ausschaffungs-Initiative aufzufassen verlangt. Blenden wir zurück: Die Ausschaffungs-Initiative, zu der die Unterschriften innert Rekordzeit mit einem Rekordresultat zusammengetragen wurden, war seinerzeit vom Bundesrat zur Ablehnung empfohlen worden. Auch beide Kammern des Parlaments verwarfen die Initiative, nach dem Muster Alle gegen die SVP.  Das Parlament, gemäss Bundesverfassung das allein zuständige Organ zur Feststellung der Gültigkeit von Volksinitiativen, musste immerhin einräumen, dass die ungeliebte Initiative als gültig zu erklären war. Indessen glaubte man zu Bundesbern, ihr mit einem Gegenvorschlag den Wind aus den Segeln nehmen zu können. 

Gegenvorschlag krass durchgefallen 
Auch dieser Gegenvorschlag sah Ausschaffungsmöglichkeiten jedenfalls für ausländische Schwerverbrecher vor. Nicht aber für Ersttäter. Denn nur wer eine Strafe von mindestens sechs Monaten aufgebrummt bekäme, hätte als krimineller Ausländer gemäss Gegenvorschlag ausgewiesen werden können. Mit solcher Strafe werden – von Mördern vielleicht abgesehen – ausländische Ersttäter kaum je belegt. Das heisst im Klartext: Frühestens die zweite oder dritte Vergewaltigung, der zweite oder dritte Raubüberfall, der vierte oder sechste Einbruch hätte eine Ausschaffung eines kriminellen Ausländers bewirkt.

In der Volksabstimmung ist dieser Gegenvorschlag krass durchgefallen. Das Volk hat ihn wuchtig abgelehnt. Und in keinem Kanton, zur unverhohlenen Konsternation der Berner Classe politique, nicht einmal in einem welschen Kanton fand sich eine Ja-Mehrheit für dieses windige Gegenprojekt. In seinem Zorn ob dem unbotmässigen Souverän schlug der Bundesrat nur allzu rasch zurück: Mit Rücksicht auf nur vage angedeutete Menschenrechte sei die wortgetreue Umsetzung der von Volk und Ständen gutgeheissenen Initiative unmöglich, behauptete er. Als wären die Menschenrechte für die Schwerverbrecher geschaffen worden. Selbst einzelne Bundesrichter widerlegten den Bundesrat mit dieser Aussage. Aber die Landesregierung will sich am Souverän rächen. Allein aus dieser Haltung heraus erklärt sie die Umsetzung der von Volk und Ständen beschlossenen, vom Parlament als gültig erklärten Ausschaffungs-Initiative als unmöglich. Seit zweieinhalb Jahren verharrt der Bundesrat stur und verfassungswidrig auf diesem Standpunkt.

Das Gleiche in neuem Kleid 
Doch jetzt präsentiert er ein Umsetzungsgesetz. Wundert sich noch jemand, dass dieses      haargenau, fast wörtlich, dem von Volk und Ständen 2010 in aller Deutlichkeit abgelehnten Gegenvorschlag zur Ausschaffungs-Initiative entspricht? In seiner Selbstherrlichkeit – die nach der Ablehnung der Initiative für die Volkswahl des Bundesrats offenbar an Arroganz noch zugenommen hat – will die Landesregierung genau das in Kraft setzen, was vom Souverän klar abgelehnt worden ist, damit sie jene Forderungen nicht umsetzen muss, die der Souverän im November 2010 beschlossen hat. 

Fällt das Volk auf dieses «Umsetzungsgesetz» herein, sind die Konsequenzen klar: Es braucht dann, bis ein ausländischer Krimineller ausgewiesen wird, nicht einen, vielmehr zwei oder drei Raubüberfälle, zwei oder drei Vergewaltigungen, fünf oder sechs Einbrüche. Herrliche Aussichten, nicht wahr! Auf welch komfortablem Kissen fühlen sich die auf Sicherheit bedachten Schweizer doch von ihrer Landesregierung getragen……

Alle Entscheidungsgewalt den fremden Richtern  
Am Tag, als die erneute Verweigerung der Umsetzung dessen präsentiert wurde, was vom Parlament als gültig erklärt und von Volk und Ständen klar angenommenen wurde, beglückt die Bundesratsmehrheit die Schweiz mit einer weiteren, mit der ersten Verweigerung eng verwandten Neuerung: Fortan, beschloss der Bundesrat, soll bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Brüssel und Bern der EU-Gerichtshof ganz allein das letzte Wort haben. Wenn souveräne Partner, Länder oder Ländergruppen, miteinander Verträge schliessen, sind darin immer Regelungen vorgesehen, wie bei auftretenden Meinungsverschiedenheiten vorzugehen sei. In der Regel wird dafür ein Schiedsgericht in Aussicht gestellt, wobei sorgfältig darauf geachtet wird, dass beide Vertragsparteien in gleicher Stärke in diesem Schiedsgericht vertreten sind. Dieses für souveräne Staaten selbstverständliche Prinzip hat Bern offensichtlich zu Makulatur erklärt. Als wäre die Schweiz ein Untertanenland, gesteht sie Brüssel folgendes zu: Sollte Bern gewisse Zweifel an irgendeiner Vertragsumsetzung durch Brüssel hegen, so hat Brüssels gerichtliche Instanz, der EU-Gerichtshof in Luxemburg, allein das alles entscheidende letzte Wort zu sprechen. Aussenminister Didier Burkhalter, der diesen Unterwerfungsbeschluss im Bundesrat durchgesetzt hat, besänftigt zwar: Das, was der EU-Gerichtshof bei Meinungsverschiedenheiten vielleicht einmal zu sagen beliebe, sei bloss eine Auslegung. Die Schweiz müsse eine solche Auslegung nicht unbedingt, auch nicht immer, und nicht immer vollständig, übernehmen. Man könne, wenn man dies für richtig erachte, auch einmal ganz über Luxemburger Auslegungen hinwegsehen. Als ob Brüssel dies je zulassen, als ob Bern solches je zu wagen sich ermannen würde…

Ausverkaufs-Politiker 
Der Unterwerfungsbeschluss wurde übrigens von genau dem Bundesrat vorgelegt, der kürzlich, im vertraulichen Tête-à-Tête mit dem auch einmal auf einen Erfolg erpichten, von seinen Landsleuten vor allem wegen seiner notorischen Mittelmässigkeit eher belächelten deutschen Aussenminister das von der Schweiz entwickelte Konzept «Abgeltungssteuer» im Garten des Berner Landsitzes Lohn bei einem Glas Weisswein kurzerhand zu beerdigen wusste. 

Die Schweiz hat den EU-Ländern diese Abgeltungssteuer für Bankeinlagen von EU-Bürgern bei Schweizer Banken angeboten – als Gegenvorschlag zum automatischen Informationsaustausch. Österreich und England haben das Angebot angenommen. England lobt es derzeit öffentlich gegenüber andern EU-Staaten als effizient und problemlösend. Auch die deutsche Regierung hat das Konzept unterschrieben, es scheiterte dann aber im Parlament, weil der lahmende Kavallerie-Feldweibel, der dort gerne Kanzler werden möchte, darin ein Instrument witterte, das seinem Feldzug in Richtung Kanzleramt allenfalls Auftrieb geben könnte. In einem seltenen Anflug von Selbstbestimmungswillen hat damals selbst die schweizerische Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf erklärt, dass aus dem deutschen Bundestags-Nein keinerlei Verpflichtung zu Nachverhandlungen erwachse. Der Bundesrat halte am Konzept Abgeltungssteuer fest. 

Anlässlich des netten Garten-Apéros mit Guido Westerwelle hat es Aussenminister Didier Burkhalter wenig später liquidiert; ohne dafür etwas zu bekommen oder auch nur zu verlangen..…

Erpressung 
Burkhalter hat sich einer EU-Erpressung gebeugt: Nur wenn die Schweiz auf eigenständige, unserer direkten Demokratie entwachsene Vertrags- und Gesetzesauslegungen ein- für allemal verzichte,  gebe es noch Verhandlungen mit Brüssel. Dieser Art hatte die EU Bern den Tarif erklärt, bis Burkhalter und mit ihm die Bundesratsmehrheit eingeknickt sind. Burkhalter hat damit den sogenannten Bilateralen Prozess, der wenigsten von gleichwertigen Partnern ausging, liquidiert. Wenn er den EU-Gerichtshof zum höchsten auch für die Schweiz zuständigen Gericht erklärt, dann ist das eine Unterwerfungsgeste. Dann erniedrigt er damit die Schweiz zum willfährigen Befehlsnehmer von Brüssel. Gegenüber der EU wäre die Schweiz, sollte sich Burkhalters Ansinnen durchsetzen, kein souveräner Staat mehr. Brüssels Gerichtshof würde abschliessend allein entscheiden, was die Schweiz zu tun hätte.  [1]  

Weiteres von Bundesbern - Der Bundesrat gefährdet Sicherheit des Landes
Für die SVP ist es unverständlich, dass dieser in der soeben präsentierten Vernehmlassungsvorlage zum Projekt Weiterentwicklung der Armee (WEA) entgegen den Parlamentsbeschlüssen weiterhin an einem Ausgabenplafond von 4,7 Milliarden Franken festhält. Zur Sicherstellung einer glaubwürdigen Landesverteidigung braucht es aus Sicht der SVP mindestens 5 Milliarden Franken. Dieser Betrag wurde sowohl vom National- wie auch vom Ständerat mehrfach bestätigt. Der Bundesrat hat seine Trotzhaltung endlich aufzugeben und ein klares Bekenntnis zu einer sicheren Schweiz abzulegen. Die jährlichen Ausgaben für die Landesverteidigung haben seit 1990 von über 6 Milliarden Fr. auf den heutigen Stand von ca. 4,4 Mrd. Fr. abgenommen [-20%]. Im gleichen Zeitraum haben sich die gesamten Bundesausgaben mehr als verdoppelt. Während etwa in der Entwicklungshilfe seit Jahren die Devise Klotzen nicht kleckern gilt, darf die Sicherheit des Landes plötzlich nichts mehr kosten. Nach den aktuellsten Vorstellungen des Bundesrats müsste die Schweiz für die Entwicklungshilfe fast gleich viel ausgeben wie für die Sicherheit [über 4 Milliarden Franken gemäss Stellungnahme des Bundesrats zu den Empfehlungen des UNO-Menschenrechtsrates von Ende Februar 2013]. Dies ist aus Sicht der SVP völlig inakzeptabel.

Ein Ausgabenplafond von 5 Milliarden Franken, wie er vom Parlament mit dem Armeebericht 2010 beschlossen wurde, ist zwingend nötig, um eine glaubwürdige Landesverteidigung sicherzustellen. Dazu gehört auch ein Bestand von mindestens 100.000 Armeeangehörigen sowie ein Ersatz der veralteten Tiger-Kampfflugzeuge. Es ist unbegreiflich und gefährlich, dass der Bundesrat die Umsetzung des Bundesbeschlusses zum Armeebericht 2010 verweigert und der Armee die notwendigen Mittel nicht zugestehen will. Für die SVP ist klar: Sicherheit ist ein zentraler Standortfaktor für unser Land und ein grundlegendes Bedürfnis der Bevölkerung. Die SVP wird deshalb in der Vernehmlassung für eine glaubwürdige Milizarmee kämpfen.

Dazu braucht es auch am 22. September 2013 ein klares Nein zur Aufhebung der Militärdienstpflicht, über welche die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger zu befinden haben.

[1]  http://www.schweizerzeit.ch/cms/index.php?page=/News/UnterwerfungsGesten-1192   Unterwerfungsgesten - Der aktuelle Freitags-Kommentar der «Schweizerzeit» vom 28. Juni 2013