Deutscher Regierungsberater gibt dem Euro noch 5 Jahre 05.05.2013 22:40
Mit der unverfrorenen Konfiszierung des Geldes der Einleger in zypriotischen Banken
haben die Regierungen
der Eurozone eine rote Linie überschritten, was ernste Sorgen selbst bei denen aufkommen
lässt, die dem Euro bisher die Treue hielten. Bezeichnend für diese Veränderung
sind Äusserungen, die Prof. Dr. Kai Konrad, Vorsitzender des Wissenschaftlichen
Beirats beim Bundesministerium der Finanzen, am 21. April gegenüber der ›Welt am Sonntag‹ machte. Die Ausrichtung
auf eine Sparpolitik durch die EU und die deutsche Regierung, so Konrad, werde
die Wirtschaftslage
verschlechtern und gleichzeitig die Staatsverschuldung erhöhen, ohne den Euro
stabiler zu machen. Jedenfalls habe das Eurosystem keine Zukunft: »Europa
ist mir wichtig. Der Euro nicht. Und dem
Euro gebe ich mittelfristig nur eine begrenzte Überlebenschance.« Auf die
Frage, ob fünf Jahre eine mittelfristige Lebenserwartung sind, antwortete
Konrad: »Konkrete
Zeiträume zu benennen, ist schwierig, das hängt von vielen Faktoren ab. Aber
fünf Jahre klingt realistisch.« Konrad liess die Frage offen, ob Deutschland zu seiner
nationalen Währung zurückkehren sollte. [1]
Deutsche
und französische Nationalökonomen, schreibt Dr. Bruno Bandulet, Mitglied der
deutsch-französischen Arbeitsgruppe zur Reform des Währungssystems in Europa, fordern
die Auflösung der Währungsunion. Am 9. 4. hatte Bernd Lucke, Professor für
Makroökonomie an der Universität Hamburg und Vorsitzender der Partei ›Alternative
für Deutschland‹ [AfD], für Aufsehen in der französischen Presse gesorgt: Führende
deutsche und französische Euro-Gegner hatten sich zum dritten Mal getroffen: Dieses
Mal in Paris, um über die europäische Währungskrise zu beraten und um
Alternativen zum gescheiterten Euro-Experiment auszuarbeiten. In der
gemeinsamen Abschlusserklärung wurde den europäischen Eliten vorgeworfen, dass
sie sich ihrer Verantwortung für das ›reale
Europa‹ feige entzögen und das
Zerstörungswerk des Euros fortsetzten. Jeder Tag, an dem nicht gehandelt werde,
mache die Lösung der Krise schwieriger und teurer. Gefordert wurde, keine
Kredite mehr zur ›Rettung‹ des Euros zu gewähren und ein neues
europäisches Währungssystem zu errichten, das auf Realwirtschaft, flexiblen
Wechselkursen und nationalen Währungen aufbaut. Übereinstimmung wurde auch
darüber erzielt, dass nach der Wiedereinführung nationaler Währungen der Euro
als Rechnungseinheit bzw. als Parallelwährung bestehen bleiben soll und dass
das schwierige Problem der Altschulden gelöst werden muss. »Die
Gründung des Euros war ein schwerer Irrtum. Der Fehler kann nicht dadurch
behoben werden, dass man eine neue und künstliche Wirtschaftsordnung schafft,
sondern nur dadurch, dass man das System beseitigt«, so das
deutsch-französische Kommuniqué. In seinem Vortrag nannte der Ökonom Wilhelm
Nölling, der früher dem Zentralbankrat der Bundesbank angehörte, den Euro das ›grösste Unglück der Währungsgeschichte‹. Die Euro-Krise bestehe nicht erst
seit 2007, sondern seit den 90er Jahren, als es den späteren Euro-Mitgliedern
schon vor Einführung der Einheitswährung nicht gelungen sei, die versprochene
Konvergenz ihrer Volkswirtschaften zu erreichen. »Das Euro-Abenteuer wird zu Ende
gehen, entweder kontrolliert, oder in einer Katastrophe«, so der
langjährige Hamburger SPD-Senator. Nölling fungierte in Paris als Sprecher
jener deutschen Euro-Gegner, deren dritte Verfassungsbeschwerde im vergangenen
Jahr von Karlsruhe lediglich im Eilverfahren behandelt wurde; das Urteil in der
Hauptsache steht noch aus. Es wird wohl, wie der Staatsrechtler Karl Albrecht
Schachtschneider vermutete, bis nach der Bundestagswahl im September hinausgezögert
werden. Schachtschneider erinnerte an die erste, 1992 von Manfred Brunner
eingereichte Verfassungsklage gegen den Maastricht-Vertrag. Damals habe das Verfassungsgericht
geurteilt, dass Deutschland nur einer Stabilitätsgemeinschaft angehören dürfe
und andernfalls berechtigt sei, als ›ultima
ratio‹ die Währungsunion wieder zu verlassen. Joachim Starbatty befasste sich mit
der verheerenden Bilanz von zwei Jahren Euro-Rettung. In Südeuropa würden
massenweise Arbeitsplätze vernichtet, die Verschuldung steige weiter,
Griechenland stehe im sechsten Jahr der Rezession: »Das
Hauptproblem, nämlich die fehlende Wettbewerbsfähigkeit, ist nicht gelöst, die
europäische Peripherie muss abwerten können.« Ein Thema, dem sich die
französischen Referenten besonders widmeten, war die prekäre wirtschaftliche
Lage in Frankreich und der Schaden, den der Euro angerichtet hat. Als der
Maastricht-Vertrag 1991 ausgehandelt wurde, so der Ökonom Jean-Luc Gréau,
belief sich die französische Staatsschuld auf nur 35 % des
Bruttoinlandsprodukts (BIP). Jetzt bewege sie sich in Richtung 100 %. »Frankreich
läuft den Defiziten hinterher, wir bekommen sie nicht in den Griff.« Und die
Kredite an Südeuropa müssten hinzuaddiert werden. »Frankreich
benötigt 10 bis 15 Jahre, um aus der Sackgasse zu kommen«, so
Gréau; »Frankreich
braucht Sauerstoff und den Umbau des Währungssystems.«
Bleibt die
Frage, wie sich die Rückkehr zu nationalen Währungen und damit zu realistischen
Wechselkursen [als Alternative zur Transferunion] auf die
Euro-Volkswirtschaften auswirken würde. Dazu konnte
das im März gegründete ›Institut
Pomone‹ [Pour une Organisation
Monétaire Nouvelle en Europe] eine Reihe von Berechnungen vorlegen. Mit
dem Institut, das die Pariser Konferenz organisierte
hat, haben sich die führenden französischen Euro-Gegner eine wissenschaftliche
Plattform geschaffen, Persönlichkeiten wie Jean-Pierre Gérard, Gérard Lafay,
Roland Hureaux, Michel Robatel und Alain Cotta. Bestritten wurde von den
französischen Referenten keineswegs, dass jede Abwertung Inflationsrisiken
birgt und einen Verlust an Kaufkraft mit sich bringt. Dafür verbessert sich die
Handelsbilanz, die Wirtschaft wächst wieder, die Arbeitslosigkeit sinkt. Eines
der ökonometrischen Modelle, die in Paris präsentiert wurden, unterstellt eine
Abwertung der gesamten Euro-Zone gegenüber dem US-Dollar um 16 % und
Abwertungen innerhalb der Zone, die bei Griechenland mit 45 % am stärksten
ausfiele. Deutschland hingegen würde mit
einem Plus von 16 % für die ›Neue
D-Mark‹ am deutlichsten aufwerten. Als
Resultat gäbe es in Südeuropa innerhalb von 18 Monaten einen Wachstumsschub,
der in Griechenland mit einem Anstieg des BIP um 16,3 % am höchsten ausfiele.
In Deutschland hingegen würde die Wirtschaft stagnieren oder sogar um 2,8 % schrumpfen,
falls die Neuordnung der Euro-Zone nicht von einer Abwertung zum Dollar
begleitet würde. Die Demontage der ›fast
kommunistischen Währung‹ [Wilhelm
Hankel] wäre machbar und keine Katastrophe – und würde vor allem Südeuropa aus
der Sackgasse führen. Und den deutschen Steuerzahlern blieben die
enormen Kosten einer dauerhaften Transferunion erspart. »Dass die
Währungsunion in Wahrheit auch für Frankreich mehr Nachteile als Vorteile
bringt«, hält
Bandulet fest, »dämmert aber immer mehr Ökonomen der Grande Nation.«
Die holländische
Krankheit Wie es
aussieht, schreibt F. William Engdahl, ist das gesamte Konstrukt der Euro-Zone
vulnerabel. Der nächste Dominostein, der nach Ansicht vieler Insider und
Quellen in niederländischen Bank- und Immobilienkreisen fallen könnte, ist das
sparsame Nachbarland Holland. Die Wirtschaft der Niederlande kollabiert, Häuser
stehen leer, die Menschen können sich keine neuen Autos mehr leisten, viele
Städte und Kommunen stehen finanziell am Abgrund. Paradoxerweise sind die
niederländischen Banken von der gleichen Immobilienblase betroffen wie die USA
und Spanien vor mehr als zehn Jahren. Kredite wurden vergeben, die den Wert der
Häuser weit überstiegen, Häuser wurden an Kunden verkauft, die sich diese nicht
leisten konnten und über keinerlei Sicherheiten verfügten. Das holländische
Immobilien-Kasino funktionierte wunderbar, bis der Bankrott des
Investmenthauses Lehman Bros. im September 2008 diese Art der Kreditvergabe
weltweit zum Einsturz brachte. Seit 2008 sind die Häuserpreise in Holland um
durchschnittlich 18 % gesunken, viele Besitzer schulden ihrer Bank mehr, als
ihr Haus zur Zeit wert ist. Die Banker nennen diesen Zustand ›unter Wasser sein‹. Bis 2012 taten die Banken so, als würden die Hypotheken für
Immobilien bedient, die Kunden zahlten die Mindestzinsen, das Trugbild eines
gesunden Bankensystems wurde aufrechterhalten. Dann trat die neue Regierung
unter dem konservativ-liberalen Ministerpräsidenten Mark Rutte ihr Amt an und
begann umgehend, bisher bestehende Steuerschlupflöcher zu stopfen. Seit Januar
sind diese Massnahmen nun spürbar. Banken und Hausbesitzer müssen sich der
Realität stellen – und die ist nicht gerade schön. Niederländische Banken haben
insgesamt rund 650 Milliarden Euro an Hypothekenkrediten in ihren Büchern. Die
Verschuldung der Privathaushalte liegt bei 250 % des verfügbaren Einkommens.
Zum Vergleich: In Spanien beträgt sie lediglich 125 %. Der langsame Einbruch
der Immobilienblase in Holland droht jetzt die gesamte Wirtschaft und die
Banken mit ins Verderben zu reissen. Die Arbeitslosigkeit steigt, der Konsum
sinkt, das Wachstum ist zum Stillstand gekommen. Trotz harter Sparmassnahmen
wird die Regierung in diesem Jahr gegen das Defizitkriterium der EU verstossen,
gemäss dem eine Neuverschuldung in Höhe von mehr als 3 % des BIP untersagt
sind. Die Wirtschaft der Niederlande verzeichnet einen weiteren Rückgang, die
Arbeitslosigkeit ist mit offiziell 8,1 % so hoch wie seit den 1980er Jahren
nicht mehr.
Es ist
geradezu paradox, dass der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem
nicht nur gleichzeitig der neue Chef der Euro-Gruppe, sondern jetzt auch Chef
der EU-›Aufsicht‹ ist, die vor einigen Wochen 60 % der unversicherten Bankguthaben
bei zyprischen Banken beschlagnahmte und vermutlich weiteren törichten
Euro-Ländern strikte Sparmassnahmen verordnen wird. Sein eigenes Haushaltsdefizit
gerät ausser Kontrolle, das Maastrichter Schuldenlimit von 3 % wird
überschritten. Um diese Peinlichkeit zu verhindern, hat er bereits
Schäuble-Brüningsche Methoden der Haushaltskürzung angewendet, die die Krise
genauso wie in Griechenland eher noch verschlimmern werden. Schon jetzt hat er
46 Milliarden Euro aus dem Haushalt gestrichen, doch da das nicht ausreicht,
debattiert das Parlament bereits für 2014 über weitere Kürzungen in Höhe von
4,3 Milliarden Euro bei öffentlichen Dienstleistungen und in der
Gesundheitsfürsorge. Zwei Jahre strikter Sparpolitik haben die Wirtschaftskrise
nur verschärft. Im Februar gab es die grösste Zahl von Unternehmensbankrotten
seit 1981. Dijsselbloem wird wohl schon bald sein eigenes Land als nächsten
Krisenkandidaten für einen Euro-Land-Bailout beaufsichtigen. Es gibt keinen
Zweifel: Der Euro ist der falsche Weg zur wirtschaftlichen Gesundheit der EU
und ihrer Mitgliedsländer.
[1] Strategic
Alert Jahrgang 26, Nr. 18 vom 1. Mai 2013 [2] Quelle:
auszugsweise http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/deutschland/f-william-engdahl/der-naechste-krisenkandidat-in-euro-land-die-niederlande.html 25. 4. 13 Der nächste Krisenkandidat in
Euro-Land ..… die Niederlande - Von F. William Engdahl
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