Europa - ein »Global-Player«? - Von Prof. Hans-Joachim Selenz 07.04.2013 22:27
Als braver Bürger geht man selbstverständlich davon aus,
daß unsere Volksvertreter nicht
absichtlich Unsinn produzieren. Geschieht es doch, so ohne jeden Arg und Vorsatz. Unter dieser [positiven] Annahme
zeigt die Zypern-Krise erneut, daß offenbar nur wenige begriffen
haben, was sie da so alles anstellen. Die Mehrzahl hat die Euro-Problematik
offenbar nicht einmal im Ansatz gerafft. Es ist allerdings auch nicht ganz leicht,
sich ein Bild vom Euro zu machen. Insbesondere dann, wenn man als Politiker
bereits Probleme damit hat, die Milliarde trennscharf von der Million zu unterscheiden.
Auch Top-Politiker haben von Finanzen oft keinen blassen Schimmer. So
vermeldete SPD-Chef Gabriel als Niedersachsen-MP, er beginne die Schulden
abzubauen. Dabei versuchte er lediglich, die Neuverschuldung zu reduzieren. Im
Klartext: Weniger neue Schulden zu machen als im Jahr zuvor. In einem Anfall
von Heldenmut forderte daher Bundespräsident Gauck bereits im letzten Jahr die
Kanzlerin auf, »den Bürgern die Maßnahmen
zur Euro-Rettung besser zu erklären. Sie hat nun die Verpflichtung, sehr detailliert
zu beschreiben, was das auch fiskalisch bedeutet.« Gleichzeitig
bot er sich selbst als Helfer in der Erklärungsnot an: »Manchmal ist es mühsam zu erklären, worum es geht.
Und manchmal fehlt die Energie, der Bevölkerung sehr offen zu sagen, was
eigentlich passiert. Da kann ich helfen.«
Was Volksaufklärer Gauck in seiner hochgejubelten Bellevue-Rede jedoch als präsidiale Hilfe
ablieferte, war mehr als traurig. Um sich als »Global-Player« behaupten
zu können, brauche Europa »keine
Bedenken-, sondern Bannerträger, keine Zauderer, sondern Zupacker.«
Doch wie sieht dieser ›Welt-Spieler‹ Europa eigentlich aus? Mit
Erklärungsversuchen von Politikern, die das Thema selbst nicht begriffen haben
[s. o.], ist dem Bürger nicht gedient. Sind Zusammenhänge kompliziert, versucht man gern,
sie bildlich darzustellen. Insbesondere dann, wenn unser Vorstellungsvermögen
an seine Grenzen stößt. Lösungen kann man bekanntlich nur entwickeln, wenn man
weiß, wo man steht und was man tut. In meinem Kommentar ›Der
Euro - eine griechische Tragödie‹, hatte
ich versucht, die Situation in Europa und in der Euro-Zone mit einem Ruderboot
zu beschreiben. Das trifft die
Problematik zwar, ist aber viel zu grob. Besser als das Ruderboot trifft den »Global-Player«
Europa das Bild eines Schleppzugs von Schiffen [Einzelstaaten]
unterschiedlichster Größe. Vom Dampfer (Deutschland) bis zum Bade-Boot
(Zypern). Die sind auf vielfältige Weise miteinander verkettet. Und das kam so:
Früher fuhr jedes dieser Schiffe für sich allein - quasi als »Local-Player«.
Das eine schneller, das andere langsamer. Jedes hatte seine eigene Währung und
trieb Handel mit dem, was an Bord produziert wurde. Vor Zeiten bemerkte man, daß
andere Schiffe immer größer wurden. Die fuhren zudem sehr viel schneller und
produzierten weitaus mehr als viele europäische Schiffe. China erzeugt z.B.
bereits viermal soviel Stahl wie alle EU-Schiffe zusammen. Um dem zu begegnen,
beschlossen die EU-Kapitäne, ebenfalls groß zu werden. Warum sollte man die
Schiffe nicht einfach miteinander verbinden? Das müßte doch ein stattlicher
Schleppzug werden. Der wäre dann, so glaubten sie, mindestens ebenso mächtig
wie eines der ganz großen Schiffe, also ein »Global-Player«.
Gesagt getan. Um die Schiffe
zu verbinden, erfand man den Euro.
Der ist die Kette, die den Schleppzug zusammenhält. Zugleich erleichterte er
den Handel von Boot zu Boot. Geschwindigkeit und Kurs versprach man penibelst
einzuhalten. Denn sonst drohten unweigerlich Kollision und Untergang. Die
Admiralität, die alles koordinieren sollte, platzierte man in Brüssel. Das war
die Euro-Vision. Es gab Boote, auf denen war das Leben zuvor hart, andere
drohten abzusaufen. Freundliche Banker halfen auch ihnen in den Schleppzug. Die
Admiralität kümmerte sich derweil um Glühbirnen. Auf den Booten konsumierte man
- Euro sei Dank - auf Teufel komm raus. Geld war billig, und wenn es nicht reichte,
ließ man anschreiben. Bei der Schleppzug-Zentralbank in Frankfurt. Kennwort: ›Target2‹.
Irgendjemand wird die Schulden irgendwann - hoffentlich - begleichen. Auf
vielen Booten explodierten die Schulden. Zudem sind einige inzwischen schwer
angerostet. Die Kapitäne streiten um den Kurs und die Geschwindigkeit. Der
Schleppzug treibt führerlos dahin. Auf dem deutschen Boot wird zwar noch
kräftig gerackert, denn deutsche Autos sind weltweit beliebt. Ob das Geld der EU-Freunde
jedoch jemals auf deutschen Konten landet, wissen nur die Admiräle und die
Banker. Wie sich der »Global
Player« Europa weiterentwickeln
wird, überlasse ich nun ganz Ihrer Phantasie......
›Der Euro - eine griechische
Tragödie‹ In diesem Kommentar hatte Prof. Selenz die Lage schon im September 2011 u.a. wie folgt geschildert: »Das Thema Euro beherrscht
die Medien und die Börsen landauf, landab. Keine zehn Jahre nach ihrer Einführung befindet sich die neue Währung in
Dauerturbulenzen. In zahlreichen Ländern der EU sind die Schulden außer Kontrolle. Die gemeinsam
vereinbarten Regeln zur Stabilisierung des Euros wurden von fast allen Mitgliedern gebrochen.
Mal mehr, mal weniger. Insbesondere im Süden der EU gab man die neue Währung
bei niedrigen Zinsen mit vollen Händen aus. Mit Zahlen nahm man es dort eh nie
so genau. Die Folgen sind, wie sich nun zeigt, jedoch weit dramatischer als zu Zeiten
der Drachme, der Lira oder der Pesete. Griechenland wird, nicht unerwartet, als
erstes Land von der Welle der aufgehäuften Schulden eingeholt. Ein durch
Schlamperei und Mißwirtschaft erzeugter Finanz-Tsunami droht die
Griechen zu überrollen. Die Sparauflagen der EU reißen zudem die ohnehin schwache
Wirtschaft in der Ägäis völlig aus der Bahn. Anderen Ländern geht es lediglich
graduell besser. Denn für die neue Währung stehen alle EU-Staaten gleichermaßen
ein. So hatte man sich die Euro-Zeit
nicht vorgestellt. Eine Krisensitzung jagt derweil die andere. Die
Politiker versuchen verzweifelt, die Gemeinschaftswährung
zu retten. Doch das ist eine Sisyphos-Arbeit. Immer, wenn es scheint, man habe
das Problem im Griff, kommt die nächste Welle. Jetzt tritt ein, was
Finanzexperten wie Prof. Hankel schon vor 15 Jahren prophezeiten: Der Euro
schmiert ab. Die Vision von einer Einheitswährung für alle EU-Staaten erweist
sich zunehmend als Trugschluß bzw. Tragödie. Es ist nicht leicht, das komplexe
Problem des Euro-Umfeldes in ein Bild zu fassen. Am ehesten noch kann man die
aktuelle Situation der EU mit einem Boot und seiner Mannschaft vergleichen. Präzise
einem Ruderboot, das von 27 Ruderern - Volkswirtschaften - angetrieben wird. Und
zwar von Athleten ebenso wie von Pyknikern. Auf Form und Fitness der Ruderer
legte man nämlich weniger Wert als auf die schlichte Zahl. Das alles wäre noch
einigermaßen überschaubar, wenn es auf dem Euro-Boot nicht auch noch 27
Kapitäne - Regierungen/Parlamente - gäbe. Mit den unterschiedlichsten Vorstellungen
vom Kurs und von der Geschwindigkeit.«
Peine, den 30. März 2013
Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Selenz www.hans-joachim-selenz.de http://www.cleanstate.de/
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