Russland und China verschärfen ihre Reaktion auf die Asien-Strategie der NATO 20.01.2013 12:58
Russland und China reagieren heftig auf die Pläne der Regierung Obama
für eine globale Raketenabwehr, die beide Mächte als Teil einer
US-NATO-Strategie der Einkreisung und Eindämmung sehen. Dieser Auffassung ist
auch Franz Felix Betschon, der zum Ausdruck brachte, dass Washington damit die
Russen in Schach zu halten und China zu überwachen gedenkt. [1]
Verschiedenen Quellen zufolge plant die Regierung Obama nach dem
nordkoreanischen Satellitenstart im letzten Monat den beschleunigten Aufbau
einer Raketenabwehr in Nordasien, die sich nominell gegen Nordkorea, faktisch
aber auch gegen China richtet. Zwar bringt keiner dieser Schritte und
Gegenschritte an sich eine unmittelbare Atomkriegsgefahr mit sich, aber ihren
Kontext bilden die eskalierenden regionalen Konflikte am Persischen Golf, im
östlichen Mittelmeer, in Afrika und Südasien, die alle das Potential einer
Ausweitung zu einem grossen Krieg haben, in den die grossen Atommächte
hineingezogen werden könnten.
Am 9. Januar traf sich der Leiter des russischen Nationalen
Sicherheitsrats, Nikolai Patruschew, in Beijing mit seinem Amtskollegen Dai Binggou;
es war das jüngste Treffen in einem seit 2004 laufenden bilateralen Dialog. Im
Anschluss daran erklärten beide vor Reportern, sie teilten die Sorge, dass die
Regierung Obama eine weltweite Raketenabwehr gegen sie stationieren will, »unter anderem im Asien-Pazifik-Raum«. Moskau warnt seit über einem Jahr, dass die
Raketenabwehr das thermonukleare Gleichgewicht grundlegend verändere und sieht
darin einen Vorstoss Washingtons, eine Erstschlagskapazität zu entwickeln. In
einem am 6. 1. in der der Kommunistischen Partei nahestehenden ›Global Times‹, eine der zwei landesweiten
englischsprachigen chinesischen Tageszeitungen, erschienenen
Redaktionskommentar verteidigten die Chinesen nachdrücklich die Entwicklung
einer eigenen Satellitenabwehr angesichts der ›existentiellen
Bedrohungen‹ Chinas von
Seiten der USA. Solche Warnungen und Handlungen zeigen, dass sich die beiden
Mächte darauf vorbereiten, ihre Reaktion auf Präsident Obamas neue strategische
Konzentration auf Asiens [›Asia Pivot‹] zu
koordinieren. [2]
Anfang Januar hatte die russische Regierung angekündigt, modernste
Radarsysteme vom Typ ›Woronesch‹ an 3 neuen Standorten zu stationieren,
womit Russland über ein komplettes Frühwarnsystem gegen von allen denkbaren
Abschussorten aus startende Langstreckenraketen verfügen wird. Des weiteren war
der Einsatz einer neuen Generation von U-Booten, die strategische Waffen
abfeuern können, angekündigt worden. Das erste U-Boot dieser Reihe, die ›Juri Dolgoruki‹,
ist in der vergangenen Woche der Marine übergeben worden. Das zweite U-Boot,
die ›Alexander Newski‹, war 2010 in Sewerodwinsk vom Stapel
gelaufen und soll noch in diesem Jahr in den Dienst gestellt werden. Jedes
Atom-U-Boot der ›Borej-Klasse‹ ist 170 m lang und 13,5 m breit und kann
auf bis zu 29 Knoten beschleunigen. Die maximale Tauchtiefe beträgt bei einer
Wasserverdrängung von 24 000 Tonnen 450 m. Die 107 Mann starke Besatzung kann
bis zu 100 Tage lang unter Wasser bleiben, ohne aufzutauchen. Bewaffnet ist das
U-Boot mit 12 ›Bulawa-Interkontinentalraketen‹. Jede dieser Raketen kann mittels
Atomsprengköpfen gleichzeitig bis zu 10 Ziele angreifen. Mit den Tests für das
dritte Atom-U-Boot der ›Borej-Klasse‹, die ›Wladimir
Monomach‹, hat die in Sewerodwinsk am Weissen
Meer beheimatete Werft Sewmasch laut einer Mitteilung vom 18. 1. begonnen; das
Boot sei für die Standprobe, bei welcher die Seetüchtigkeit und die
Betriebseigenschaften geprüft werden, zu Wasser gelassen worden. Die ›Wladimir Monomach‹ ist das dritte Atom-U-Boot der neuen ›Borej-Klasse‹,
die den Kern der russischen Unterwasserflotte in diesem Jahrhundert bilden
soll. Bis 2020 will Russland 8 Atom-U-Boote dieser Klasse bauen. [3]
Was die bereits erfolgte Verlegung der Patriot-Abwehrraketen
der NATO in die Türkei angeht, so hatte ein Sprecher des russischen
Aussenministeriums schon Ende November letzten Jahres erklärt, dass die
Militarisierung der türkisch-syrischen Grenze ein beunruhigendes Zeichen sei;
Russland rate der Türkei zu einem anderen Vorgehen. Der russische Vize-Aussenminister
Sergej Rjabkow hatte die Warnung ausgesprochen, dass das Grenzgebiet immer
unruhiger werde. Ganz im Gegensatz hierzu beliebte der deutsche Verteidigungsminister
Thomas de Maizière zu betonen,
dass ein eventueller Einsatz der Bundeswehr nur dem Schutz der Türkei diene und
›keinerlei Einmischung in den syrischen Bürgerkrieg‹ bedeute. [4] Zusätzlich zur
Entsendung besagter Raketen beschleunigt die USA die Installierung ihrer
modernen Radarsysteme entlang der russischen Südflanke.
Um die US-Regierung
an einer Militäraktion in Syrien zu hindern, war der Abgeordnete Walter B.
Jones unmittelbar in den ersten Stunden des 113. Kongresses aktiv geworden, um
zu unterbinden, dass die US-Regierung ohne eine vorherige Konsultation
desselben einen Krieg beginnt. Er brachte von neuem seine Resolution 107 aus
der letzten Sitzungsperiode ein, dieses Mal unter dem Namen ›Gemeinsame Resolution 3‹ [des Repräsentantenhauses und des
Senats]. Die Resolution konstatiert ›die
Überzeugung des Kongresses, dass der Einsatz offensiver Militärgewalt durch
einen Präsidenten, ohne dass der Kongress zuvor und eindeutig durch ein Gesetz
seine Autorisierung dazu ausspricht, gemäss Artikel 2, Abschnitt 4 der
Verfassung, ein mit Amtsenthebung zu ahndendes schweres Verbrechen und
Fehlverhalten darstellt‹. Die
Resolution ist an den Rechtsausschuss des Repräsentantenhauses weitergeleitet
worden. Der Abgeordnete Jones hat wiederholt seine ernste Besorgnis zum
Ausdruck gebracht, dass Präsident Obama gegen Syrien ähnlich wie gegen Libyen militärisch
vorgehen wird und dabei den Kongress ganz bewusst nicht konsultiert. Die
Dringlichkeit der Angelegenheit für Jones manifestierte sich auch in einem
offenen Brief, den er und sechs weitere Kongressabgeordnete am 18. 12. an den
Präsidenten gerichtet hatten: in diesem wird der Präsident streng ermahnt, »unser
Land nicht noch einmal ohne Autorisierung durch den Kongress in einen Krieg zu
führen.« [5]
Hintergründe In Syrien nimmt die sunnitisch-schiitische Gewalt weiter zu, auch
wenn die seit 2 Jahren laufende Kampagne für einen gewaltsamen Regimewechsel
gegen die Regierung Assad festgefahren bleibt. Wie Strategic Alert berichtet, schürt London - oder, wie es auch oft genannt wird, ›Londonistan‹ -
einen Dauerkonflikt zwischen Sunniten und Schiiten. London ist ein
berüchtigter Unterschlupf und logistischer Umschlagsplatz für ein breites
Spektrum sunnitischer Terrorgruppen, die in Afrika, im Nahen Osten und in
Südasien operieren. Seit Anfang des Jahres werden diese Netzwerke verstärkt entfesselt,
u.a. im Irak und in Pakistan, während der Norden des Libanons von neosalafistischen
Terroristen belagert wird, die Waffen und Kämpfer ins benachbarte Syrien
schmuggeln und von den Saudis finanziert werden. Die Regierung Assad verkündete
am 13. 1., die syrische Armee habe ein entscheidendes Gebiet zwischen der
Hauptstadt Damaskus und dem internationalen Flughafen zurückerobert, was einmal
mehr zeigt, dass die Freie Syrische Armee (FSA) nicht in der Lage ist, die
Hauptstadt einzunehmen. Gleichzeitig hat die syrische Armee einige Gebiete im
Norden des Landes den Rebellen überlassen und konzentriert ihre Kräfte auf die
wichtigsten städtischen Räume um Aleppo und auf Damaskus. Im Leitartikel der Washington Post vom 13. Januar wird
offen zugegeben, dass Assads Sturz noch in weiter Ferne steht und dass die
Bevölkerung sich gegen die Rebellen gewendet hat, da diese brutale
Hinrichtungen und ethnische Säuberungen gegen Alawiten, Christen und Schiiten
durchführen. Im Irak gibt es Unruhen, weil Saudi-Arabien in den ihm
benachbarten Westprovinzen einen sunnitischen Aufstand schürt, mit dem Ziel,
einen separatistischen sunnitischen Pufferstaat zu schaffen. Auch ein grosser
Teil Nordafrikas wird belagert. In Libyen selbst entging Präsident Mohammed
Megarjef am 3. 1. knapp einem Mordanschlag von Scharfschützen, bei dem drei
seiner Leibwächter verletzt wurden.
Die Rebellen in Mali, gegen die jetzt vorgegangen wird, verfügen
über schwere Waffen aus früheren Beständen der Streitkräfte Libyens, die sie
nach dem Sturz Gaddafis im Oktober 2011 übernommen hatten. Nun kämpfen die westlichen Mächte
in Mali also gegen die gleichen Dschihadisten, die in Syrien ihre Verbündeten
sind. [6] »In Mali«, schreibt Werner Pirker, »ist es der islamistische Terror, der die französische Armee im Namen
der Demokratie zur Wahrnehmung ihrer Schutzverantwortung bewogen hat. In Syrien
ist es das den islamistischen Terror bekämpfende Baath-Regime, das es zu
beseitigen gilt, um der Demokratie zum Durchbruch zu verhelfen – unter Nutzung
des islamistischen Terrors als der effektivsten Waffe der westlichen
Schutzverantwortlichen. Das Ganze findet auch noch zeitgleich statt. Nicht
einmal eine Schamfrist zwischen der Entfesselung des islamistischen Terrors in
Syrien und seiner Bekämpfung in Mali haben sich die demokratischen Interventen
eingeräumt.« [7]
d.a. Das sagt eigentlich alles über die abgrundtiefe Verlogenheit, die der
Westen im Umgang mit der Demokratie je nach Erfordernis praktiziert, zumal jeder einzelne der
genannten Brennpunkte zum Ausgangspunkt eines Krieges werden könnte,
da sowohl Russland als auch China in der von einer Destabilisierung bedrohten Region vitale
Interessen haben.
[1] Siehe ›Die Politik -
dort entscheiden Leute, die von den Themen oft nichts verstehen‹ http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2055 13. 1. 13 [2] Quelle: Strategic Alert
Jahrgang 26, Nr. 3 vom 16. Januar 2013 [3] http://de.rian.ru/security_and_military/20130118/265344421.html 18. 1. 13 [4] http://www.swr.de/nachrichten/-/id=396/nid=396/did=10622688/1m1ufy4/index.html 22. 11. 12 Russland ist besorgt
über die geplante Verlegung von NATO-Flugabwehrraketen in die Türkei [5] Quelle: Strategic Alert
Jahrgang 26, Nr. 2 vom 9. 1. 13 [6] Quelle: Strategic Alert
Jahrgang 26, Nr. 3 vom 16. Januar 2013 [7] http://www.jungewelt.de/2013/01-19/004.php Werner Pirker - Kriegsdemokratie
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