Ein neues Paradigma für das Überleben der Zivilisation

Zu diesem Thema veranstaltete das Schiller-Institut in Flörsheim bei Frankfurt am Main am 24. und 25. November

eine kurzfristig anberaumte zweitägige internationale Konferenz, die von etwa 300 Teilnehmern aus Europa, Nahost und der USA besucht wurde; diskutiert wurde über Lösungen für die derzeitigen Hauptkrisen. Im Mittelpunkt standen zunächst die sich verschärfenden globalen Spannungen, vor allem in Südwestasien, die zu einem Weltkrieg eskalieren könnten, der mit dem totalen Einsatz atomarer Waffen einhergehen und die menschliche Zivilisation in einem globalen Feuersturm auslöschen würde. Die zweite Krise ist der sich beschleunigende, mit mörderischen Kürzungen im Sozialbereich einhergehende Zusammenbruch des westlichen Finanzsystems resp. der Eurozone.Als Alternative zu dieser monetaristisch ausgerichteten Politik wurden große Infrastruktur- und Raumfahrtprojekte herausgestellt. Es wurde allerdings klar, daß solche Projekte nur dann verwirklicht werden können, wenn es einen klaren Bruch mit dem grünen Wertewandel gibt, der in der Bevölkerung der westlichen Länder einen tiefsitzenden Kulturpessimismus sowie eine Indifferenz gegenüber der wirtschaftlichen Fortentwicklung des Rests der Welt verursacht. Helga Zepp-LaRouche betonte in ihrer Eröffnungsrede die Wichtigkeit der Entwicklung der gesamten Nahostregion über alle religiösen und ethnischen Konflikte hinweg. Nur die sofortige Perspektive eines Marshallplans für die gesamte Region von Zentralasien bis zum Persischen Golf und von Afghanistan bis zum Mittelmeer könne eine höhere Ebene der Vernunft erschließen, die ein  gemeinsames Überleben und eine Zukunft für alle ermöglicht. Nichts weniger als ein neuer Westfälischer Frieden sei jetzt notwendig. Man müsse der globalen Kriegsgefahr dadurch

begegnen, fuhr Zepp-LaRouche fort, daß man sich auf die gemeinsamen Ziele der Menschheit konzentriert - wie den Vorschlag des russischen Vizepremierministers Rogosin für eine  gemeinsame russisch-amerikanische Strategische Verteidigung der Erde [SDE] gegen Raketen und globale Bedrohungen wie z.B. den Einschlag großer Asteroiden. Zepp-LaRouche forderte darüber hinaus die Entwicklung und Errichtung wirksamer Frühwarnsysteme gegen Erdbeben, Vulkanausbrüche und extreme Wettersituationen wie jüngst den Jahrhundertsturm Sandy an der US-Ostküste. Der Botschafter der Islamischen Republik Iran in Deutschland, Ali Rheza Sheikh Attar, ging in seinem anschließenden Beitrag auf die Nahostregion als geographische und kulturelle Verbindung zwischen den drei Kontinenten Asien, Europa und Afrika ein. Von der Zusammenarbeit der Völker und Menschen in dieser Schlüsselregion hänge das Wohlergehen aller in diesen drei Kontinenten Beheimateten ab, sagte der Botschafter. Er stellte einige der wichtigsten großen Infrastrukturprojekte des Irans mit grenzüberschreitendem Nutzen vor, wie die Iran-Wasser-Route vom Kaspischen Meer zum Persischen Golf, die Eisenbahnverbindung vom nordöstlichen Iran über die Stadt Maschhad nach Zentralasien und eine Pipeline, die von Tadschikistan kommend durch Afghanistan in den Nordosten Irans mündet. Iran wende erhebliche Mittel auf, um diese Projekte zu verwirklichen. Über die Krisenherde sprach ferner der syrische Professor Bassam Tahhan, der derzeit am Arabischen Institut für Zivilisation in Paris lehrt; dieser zeigte Zweideutigkeiten in der Berichterstattung der Presse über Syrien auf sowie die Struktur der sogenannten Opposition. Tatsache sei, daß Syrien der erste Schritt hin zu einer totalen Konfrontation mit dem Iran sei. Die iranische Wissenschaftlerin Ghoncheh Tazmini, die am Institut für Strategische Studien in Lissabon tätig ist, legte in ihrer Rede Wert darauf, den Iran neu zu betrachten, und zwar mehr als Freund denn als Gegner. Die iranische politische Führung handle  - anders als viele westliche Kräfte -  rational, wenn es z.B. darum gehe, für den Frieden und gegen Krieg und Terrorismus zu kämpfen. Schriftliche Beiträge kamen vom Leiter der Dänischen Friedensakademie, John Scales Avery, dem ehemaligen amerikanischen Botschafter Chas W. Freeman und dem Präsidenten der Weltvereinigung der Wissenschaftler, Prof. Antonio Zichichi aus Italien. Die Berichte aus dem Nahen Osten, u.a. auch aus Ägypten, machten über die beiden Konferenztage hinweg deutlich, daß die Berichterstattung der Massenmedien in Europa und Amerika voller Verfälschungen und sogar Lügen ist.

Ein Programm zur Überwindung der gegenwärtigen Konflikte und der wirtschaftlichen Zusammenbruchskrise durch zukunftsweisende, grenzüberschreitende Großprojekte zur Entwicklung der Infrastruktur, insbesondere für den Nahen Osten, Nordafrika, Zentralasien und den europäischen Mittelmeerraum, präsentierte der aus dem Irak stammende Hussein Askary, Vorsitzender der EAP-Partei in Schweden. Askary forderte statt der derzeitigen Politik der Kriege und der Regimewechsel einen anderen Krieg, einen Krieg gegen die Wüste, mit dem Ziel, sie Stück für Stück für die Vegetation zurückzuerobern und nutzbar zu machen; er beschrieb dann eine ganze Reihe von Projekten, die zum Teil schon länger in den Schubladen liegen und verwirklicht werden könnten. Durch derartige Projekte würden den Menschen der Länder im Wüstengürtel zwischen der nordafrikanischen Atlantikküste und der Saudischen Halbinsel bis nach Zentralasien aussichtsreiche Lebensumstände geboten, was das beste Mittel gegen die ständige Fortsetzung und  Eskalation der derzeitigen Konflikte sei. Um einen anderen Raum, den es zu erobern gilt, ging es im anschließenden Konferenzabschnitt, der sich mit der bemannten und unbemannten Raumfahrt befaßte. Die Raumfahrtexperten Didier Schmitt (Paris) und Antonio Güell (Toulouse) zeigten am Beispiel des europäisch-russischen Projekts ExoMars sowie der Anwendung von  Satellitentechnologien für die medizinische Versorgung, welche technischen Zukunftsperspektiven für die Menschheit existieren.

Der frühere französische Präsidentschaftskandidat Jacques Cheminade eröffnete am 25. 11. den zweiten Tag der Konferenz. Er verwies auf die sich beschleunigende Krise des westlichen Finanzsystems, insbesondere des Euro-Raums, mit den  bedrohlichen politischen und sozialen Folgen. Er betonte die Notwendigkeit eines neuen politischen Paradigmas zur Beendigung der geopolitischen Tradition, die sich bis heute in der britisch-imperialen Rolle des Finanzplatzes London bei der Globalisierung und im monetaristischen  Konstrukt der Euro-Politik findet. Der Versuch, den Euro mit diesen Methoden zu retten, beschleunige nur den Ruin und Zerfall Europas. Es gelte vielmehr, den Weg für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung, die nicht länger die fiktiven Forderungen der spekulativen Finanziers bedient, sondern endlich dem Menschen und dem wissenschaftlichen und wirtschaftlich-sozialen Fortschritt der Menschheit insgesamt dient, freizumachen. Die Trennung der Bankenfunktionen nach dem amerikanischen Glass-Steagall-Gesetz, das 1999 abgeschafft wurde, muß wieder durchgesetzt werden. Unverzichtbare Grundbausteine einer gerechteren Weltordnung seien weiter die Schaffung eines Systems von Produktivkrediten für die Realwirtschaft sowie die Ächtung von Kriegen jeder Art. Mit dieser Botschaft richtete auch der sich im Anschluß an die Konferenz per Video zugeschaltete amerikanische Politiker Lyndon LaRouche eindringlich an die Teilnehmer. Er warnte vor der Gefahr eines thermonuklearen Krieges und sagte, Frieden und Entwicklung, einschließlich der Entwicklung der Wissenschaft, seien nicht einfach eine Option, sondern ein absolutes Muß, wenn die Menschheit überhaupt eine Zukunft haben will. Auch die weiteren Sprecher der Konferenz am Sonntag stellten die Notwendigkeit von Entwicklung als einzige Alternative zur Lösung der strategischen Krise ins Zentrum ihrer Reden. Aiman Rsheed, ein Ingenieur aus Kairo, präsentierte das bahnbrechende Infrastrukturgroßprojekt Africa Pass, dessen Grundidee es ist, von Sidi Barrani an der westägyptischen Mittelmeerküste ausgehend Entwicklungskorridore nach Mogadischu/Somalia und Burundi/Zentralafrika sowie entlang der Mittelmeerküste nach Spanien und über das Rote Meer nach Saudi-Arabien zu schaffen, die einen erheblichen Teil der Warenströme aufnehmen könnten, die jetzt um das Kap der Guten Hoffnung transportiert werden. Entlang dieser Korridore sollen Siedlungsgebiete entstehen, die den größten Teil des zu erwartenden Bevölkerungszuwachses der kommenden Jahrzehnte - mindestens 200 Millionen Menschen – aufnehmen können. Entlang dieser Korridore sollen nicht nur Eisenbahn-, Straßen- und Kommunikationsverbindungen entstehen, sondern auch ein Kanal, der Wasser aus dem wasserreichen Hochland im Osten des Kongos nach Norden in die Kattarasenke leitet, um die zu schaffenden neuen Städte mit Wasser und Strom zu versorgen und insbesondere in der Region um die Kattarasenke eine intensive Landwirtschaft zu ermöglichen. Anschließend sprach der äthiopische  Generalkonsul in Frankfurt, Mulugeta Zewdie Michael, über die Bedeutung des Millenium-Damm-Projekts in Äthiopien, das die Kapazität haben wird, 6000 MW Strom für Äthiopien und die Region zu erzeugen. Dieses Programm ist auch für die stromabwärts liegenden Staaten Sudan und Ägypten von Bedeutung, um den regelmäßigen Überschwemmungen ein Ende  zu setzen und eine Verschlammung der dortigen Stauseen zu vermeiden. Michael Billington, Asienberater LaRouches, der auch eine Grußbotschaft des früheren IWF-Direktors für Japan, Daisuke Kotegawa, verlas, ging auf die historische Entwicklung Asiens vom Standpunkt der Eurasischen Landbrücke ein und beschrieb, wie die imperialen Kräfte [insbesondere Venedig und Großbritannien] seit Jahrhunderten versuchen, den wirtschaftlichen und kulturellen Austausch zwischen Europa und Asien, in dem sie eine Bedrohung ihrer imperialen Vorherrschaft sehen, durch politische Manipulationen und Kriege zu verhindern.

Der nächste Themenschwerpunkt befaßte sich mit dem Scheitern der EU/Europolitik. Redner aus Italien, Griechenland und Spanien sowie aus Deutschland berichteten über die sozialen Verheerungen, die die Euro-Rettungspolitik der EU anrichtet, und begründeten, warum aus der Sicht ihres Landes die Rückkehr zur nationalen Währung notwendig ist. Zu diesem Thema sprachen Prof. Wilhelm Hankel, einer der Hauptkläger gegen den Euro, den EFSF und den ESM vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, ferner Prof. Theodore Katsavenas, Ökonom und Autor eines neuen Bestsellers über die Rückkehr Griechenlands zur Drachme, George Tsobanoglou von der Universität der Ägäis und der Internationalen Vereinigung der Soziologen aus Griechenland sowie Lorella Presotto von der italienischen Confederazione Civica Nazionale und der Journalist Daniel Estulin aus Spanien. Es wurde auch eine Grußbotschaft von Alfheidur Ingadottir, Abgeordnete im isländischen Nationalparlament, die sich für eine strikte Bankentrennung einsetzt, verlesen. Eine Diskussionsrunde zur Notwendigkeit einer kulturellen Renaissance, die von klassischen Musikpräsentationen begleitet wurde, beschloß die Konferenz.


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