Notiz zu Syrien

Wie der italienische Geograph Manlio Dinucci darlegt, ist das »echte Ziel des Konflikts nicht der Regimewechsel,

sondern die Schliessung des Terminals für iranisches Gas im Mittelmeer und die Kontrolle der syrischen Gasreserven«. Syrien, der Iran und der Irak hatten im Juli 2011 eine Vereinbarung für eine Erdgasleitung unterschrieben, die dann ab 2016 die iranischen South Pars Reserven, die grössten der Welt, über Syrien mit dem Mittelmeer verbinden sollte. Syrien hat eine weitere grosse Reserve in der Nähe von Homs entdeckt und kann so zu einem alternativen Hub für über die Türkei und andere Routen laufende, von amerikanischen und europäischen Unternehmen kontrollierte Energie-Korridore werden. Deshalb, so Dinucci, will man Syrien niederschlagen und besetzen. Für wie viele Italiener, fragt er, ist das klar  - im Parlament und im Land? Wie Dinucci nochmals festhält, sind die durch leistungsstarken Sprengstoff zerstörten Gebäude in Damaskus und Aleppo nicht das Ergebnis einfacher Rebellentaten, sondern wurden von infiltrierten Kriegsprofis vollbracht. Rund 200 Spezialisten der britischen SAS und SBS-Elite Einheiten, so der Bericht des Daily Star, fungieren seit Monaten in Syrien, zusammen mit US- und französischen Einheiten. Die Schock-Truppen  - gestern von Washington noch als Terroristen eingestuft -  bestehen aus einer Ansammlung von bewaffneten, mit falschen Pässen ausgerüsteten islamistischen Gruppen aus Afghanistan, Bosnien, Tschetschenien, Libyen und anderen Ländern. Wie der Guardian in Aleppo berichtete, werden die Befehle in der Gruppe Abu Omar al-Tschetschen auf Arabisch gegeben, müssen aber in Tschetschenisch, Tadschikisch, Türkisch, in einen saudi-arabischen Dialekt, in Urdu [Indien], Französisch und in ein paar andere Sprachen übersetzt werden. Die Waffen kommen bekanntlich meistens aus Saudi-Arabien und Katar; das Operationskommando befindet sich auf NATO Schiffen im Hafen von Alexandrette. Unterdessen baut die NATO auf dem Cassiusberg [Djebel El Aqra] an der Grenze von Syrien eine neue elektronische Spionageanlage, die zur Kisecik-Radarstation und zum Luftstützpunkt von Incirlik noch hinzukommt. In Istanbul wurde ein Propaganda-Zentrum eröffnet, in dem vom US-Aussenministerium ausgebildete syrische Dissidenten Nachrichten und Videos herstellen, die dann von Satellitennetzen ausgestrahlt werden. Der Krieg der NATO gegen Syrien ist daher bereits im Gang, wobei der offiziellen Grund lautet, dem Land dazu zu verhelfen, sich vom Regime al-Assads zu befreien.  [1]   

Während sich die syrische Exil-Opposition unter der Schirmherrschaft Katars jetzt in Dauha getroffen hat, um, wie die NZZ online schreibt, zu geeinter Schlagkraft zu finden und vom Westen mehr Geld und Waffen für den Kampf gegen Assad zu fordern, werden offenbar gänzlich andere Schritte erwogen: Admiral James Winnefeld, stellvertretender Stabschef der Vereinigten Staaten, bestätigte an einem Runden Tisch, der in den letzten Oktobertagen in Ankara stattfand, dass Washington seine Absichten im Hinblick auf Syrien offenbaren werde, sobald die Präsidentschaftswahlen vom 6. November abgeschlossen seien, was nun mit Obamas Sieg erfolgt ist. Winnefeld gab seinen türkischen Gesprächspartnern klar zu verstehen, dass bereits ein Friedensplan mit Moskau ausgehandelt worden sei, dass Baschar al-Assad im Amt bleiben werde und der Sicherheitsrat keine Einrichtung von Pufferzonen erlauben werde. Unterdessen bestätigte der stellvertretende UNO-Generalsekretär für Friedenssicherungsoperationen, Hervé Ladsous, dass er die Möglichkeiten einer Bereitstellung von Friedenstruppen [Blauhelmen] in Syrien studiere. Alle Akteure in der Region bereiten sich auf einen durch eine UNO-Truppe auferlegten Waffenstillstand vor; diese wird hauptsächlich aus Truppen der Organisation des kollektiven Sicherheitsvertrags [Armenien, Belarus, Kasachstan, Kirgisistan, Russland, Tadschikistan] bestehen. De facto bedeutet dies, dass die Vereinigten Staaten ihren Rückzug aus der Region, der im Irak begann, fortsetzen, und dass sie bereit sind, ihren Einfluss dort mit Russland zu teilen.  

Zur gleichen Zeit heisst es laut New York Times, dass zwischen Washington und Teheran direkte Gespräche fortgesetzt würden, auch wenn die USA noch immer bestrebt sei, die iranische Währung zu ruinieren. Klar ausgedrückt: Washington gibt nach 33 Jahren einer Politik der Eindämmung zu, dass der Iran eine unumgängliche regionale Macht darstellt, dessen Wirtschaft es aber dennoch weiterhin sabotiert. Diese neue Abmachung erfolgt auf Kosten von Saudi-Arabien, Frankreich, Israel, Katar und der Türkei, die alle auf einen Regimewechsel in Damaskus gesetzt hatten. Diese bunt zusammengewürfelte Koalition teilt sich nun in zwei, wobei die einen sich mit einem Trostpreis begnügen, während die anderen versuchen, den laufenden Vorgang zu sabotieren. Ankara hat seine Position schon geändert. Recep Tayyip Erdogan, der zum Schlimmsten bereit war, versucht jetzt, sich mit Teheran und Moskau zu versöhnen. Ein paar Tage nach der Beleidigung der Iraner und der Belästigung russischer Diplomaten wurde er plötzlich ganz versöhnlich. Erdogan nutzte den Gipfel der wirtschaftlichen Zusammenarbeitsorganisation in Baku, um Präsident Mahmoud Ahmadinedschad zu treffen. Er bot ihm an, einen komplexen Diskussionsplan für die syrische Krise auszuarbeiten, der es der Türkei und Saudi-Arabien ermöglichen würde, nicht ausgeschlossen zu werden. der iranische Präsident zeigte sich dieser Initiative gegenüber offenbar wohlgesinnt. Katar seinerseits sucht bereits neue Wege zugunsten seiner Ambitionen. Emir Hamad gönnte sich eine Reise nach Gaza und machte sich zum Beschützer der Hamas. Er sähe mit Wohlwollen den Sturz des Königs von Jordanien, die Umformung des Haschemitischen Königreichs in eine palästinensische Republik und die Machtübernahme der von ihm beschützten Muslimbruderschaft. Bleiben also noch Israel und Frankreich, die eine Front der Ablehnung bildeten. Die neue Lage wäre ein Schutz für den Staat Israel, würde aber das Ende seiner Sonderstellung in der internationalen Arena bedeuten und seine expansionistischen Träume ruinieren. Tel Aviv würde zum Rang einer sekundären Macht heruntergestuft. Was Frankreich betrifft, so verlöre es seinen Einfluss in der Region, auch im Libanon.  [3]

Insofern bleibt zu beobachten, wie der Westen jetzt auf die Forderungen des neuen Vorsitzenden des Syrischen Nationalrats [Syrian National Council], George Sabra, reagieren wird. Die syrische Opposition, die Assad stürzen will, brauche Hunderte Millionen Dollar an Hilfe und Waffen, um die Regierung besiegen zu können, erklärte Sabra. Als ob nicht schon Millionen an Dollars in die Hände der Aufständischen geflossen wären ……

 

[1]  http://www.voltairenet.org/article176244.html  12. 10. 12  
Syrien: NATOs Ziel ist die Ferngasleitung  -  Von von Manlio Dinucci 
[2]  http://www.nzz.ch/aktuell/international/syriens-opposition-will-waffen-1.17786177   
10. 11. 12  Versammlung in Ad-Dauha - Syriens Opposition will «Waffen, Waffen, Waffen» 
[3]  http://www.voltairenet.org/article176397.html  28. 10. 12  
Die schlechten Verlierer der Syrien-Krise  -  von Thierry Meyssan