Das revidierte Epidemie-Gesetz - ein Wolf im Schafspelz?

Es geht hier um einen starken Eingriff in die Persönlichkeits- und Selbstbestimmungsrechte: Die Schweiz soll sich besser gegen übertragbare Krankheiten wappnen.

Aus diesem Grund wurde das Bundesgesetz über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Epidemiengesetz) total revidiert. Der Bundesrat stellte die Botschaft zum Gesetz Ende 2011 dem Parlament zur Genehmigung zu. Der Nationalrat wird es voraussichtlich diese Woche behandeln. 2013 soll es plangemäss in Kraft treten. Bei näherer Betrachtung des revidierten Gesetzes zeigen sich jedoch etliche Punkte, die Anlass zu Kritik geben.

Zwangsimpfung 
Artikel 6 Besondere Lage gibt dem Bundesrat in Absprache mit den Kantonen die Möglichkeit, gegenüber einzelnen Personen und der Bevölkerung generell besondere Massnahmen anzuordnen. Eine solche besondere Lage tritt ein, wenn beispielsweise die WHO, die UNO-Weltgesundheitsorganisation eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite feststellt. Artikel 7 hält fest, dass wenn es eine ausserordentliche Lage erfordert, der Bundesrat für das ganze Land oder für einzelne Landesteile die notwendigen Massnahmen anordnen kann. Was unter den besonderen oder notwendigen Massnahmen genau zu verstehen ist, wird nicht erwähnt. Artikel 22 sieht jedoch vor, dass die Kantone die Impfung von gefährdeten Bevölkerungsgruppen, von besonders exponierten Personen und von Personen, die bestimmte Tätigkeiten ausüben, für obligatorisch erklären kann.     

Förderung der Sexualpädagogik 
Artikel 5 des Epidemie-Gesetzes sieht nationale Programme vor: Das Bundesamt für Gesundheit erarbeitet unter Einbezug der Kantone themenspezifische nationale Programme zur Erkennung, Überwachung, Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten. Der Bundesrat kann nach Artikel 19 Institutionen des Bildungs- und Gesundheitswesens dazu verpflichten, Informationen über die Gefahren übertragbarer Krankheiten und Beratungen zu deren Verhütung und Bekämpfung anzubieten. Das BAG kann gemäss Artikel 50 Finanzhilfen an öffentliche und private Organisationen gewähren, welche nationale Programme umsetzen. Einen Vorgeschmack darauf liefert das Grundlagenpapier Sexualpädagogik und Schule, das vom Kompetenzzentrum Sexualpädagogik und Schule der Pädagogischen Hochschule Luzern im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) erarbeitet wurde. In einem uns vorliegenden Brief bestätigte Bundesrat Didier Burkhalter, dass das noch nicht in Kraft getretene Epidemien-Gesetz die gesetzliche Grundlage für das Sexualpädagogik-Papier bildet.   

Kein Schutz der Personendaten 
Ab Artikel 50 werden die Voraussetzungen für eine Weiterleitung von Personendaten definiert. Zur Identifizierung von kranken, krankheitsverdächtigen, angesteckten, ansteckungsverdächtigen und Krankheitserreger ausscheidenden Personen im Hinblick auf Massnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit können unter anderem folgende Daten bekanntgegeben werden: Name, Adresse, Geburtsdatum, berufliche Tätigkeit, Angaben über Reisewege, Aufenthaltsorte, Kontakte mit Personen, Tieren und Gegenständen, Ergebnisse von medizinischen Untersuchungen.  Besonders brisant dabei ist: Die Weitergabe von Daten ist nicht nur zwischen Bund und Kantonen vorgesehen. Artikel 62 des Epidemie-Gesetzes ermöglicht auch die Weitergabe von Personendaten an ausländische Behörden.  

Das Epidemie-Gesetz, wie es als Entwurf vorliegt, stellt einen starken Eingriff in die Persönlichkeits- und Selbstbestimmungsrechte dar. Sollte es ohne Anpassungen durchs Parlament gehen, wird ein Referendum unumgänglich werden.

 

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Der Autor, Pirmin Müller,  ist Assistent des Geschäftsführers der im Krankenkassen- und Lebensschutzbereich tätigen Pro Life.