Drängen auf offenen Krieg in Syrien

Da die von der USA, Europa und Saudi-Arabien gestützten Dschihadisten in Syrien außer Blutvergießen keines ihrer Ziele erreichen,

konzentrieren sich die westlichen Mächte auf zwei Themen: Auf den Aufschrei, Damaskus könne womöglich chemische Waffen einsetzen, sowie auf Vorstöße zur Einrichtung von Sicherheitszonen in Syrien an der Grenze zur Türkei, um von dort aus eine ähnliche Intervention wie in Libyen zu unternehmen, als Benghazi zur NATO-kontrollierten Sicherheitszone erklärt wurde. Auf der letzten Sondersitzung des UNO-Sicherheitsrats über die humanitäre Krise in Syrien war es dem türkischen Außenminister Ahmed Davutoglu nicht gelungen, diesen zur Einrichtung von Pufferzonen in Syrien zu überreden. Er wird sein Anliegen daher voraussichtlich Ende September der UNO-Vollversammlung vorlegen.

In der Türkei ist Außenminister Ahmet Davutoglu der größte Unterstützer der Weltkriegspolitik des Empire und seiner Marionette Barack Obama. So ist die türkische Republik zum erstenmal Teil einer von Briten und Saudis geleiteten sunnitischen Allianz, die in Syrien die Opposition bewaffnet, darunter extremistische Salafisten und Al-Kaida-Terroristen, die meistens keine Syrer sind. In der gegenwärtigen geopolitischen Lage ist die Türkei der Schlüssel zu allen britisch inspirierten Kriegsplänen in der Region, weil sie NATO-Mitglied ist und gemeinsame Grenzen mit Syrien und dem Iran hat. Das sunnitische Bündnis hat die Türkei im Innern ernsthaft destabilisiert, jüngsten Umfragen zufolge wird es von 67 % der Türken abgelehnt. Es widerspricht den Grundlagen der türkischen Gesellschaft, die traditionell ein Mosaik verschiedener islamischer Richtungen von konservativen Sunniten bis hin zu Schiiten und Sufis bildet, die von sehr unterschiedlichen ethnischen Gruppierungen praktiziert werden. Wie EIR von einem türkischen Geheimdienstexperten erfuhr, unterstützt Davutoglu diese Politik trotzdem, weil er einem extrem konservativen Islam anhängt, wie er in Saudi-Arabien praktiziert wird. Ein Ausdruck davon waren Davutoglus Vorlesungen als Universitätsprofessor vor 20 Jahren, die dieser Zeitzeuge selbst miterlebte. Die Überzeugungen des Außenministers gehen auf den islamischen Gelehrten Ibn Tajmija (Taymiyyah) im 13. - 14. Jahrhundert zurück, der eine der konservativen religiösen Schulen vertrat, welcher heute die saudischen Wahhabiten anhängen. Diese Schule erkennt nur diejenigen als wahre Gläubige an, die einen gewissen ontologischen Abstand zwischen dem Schöpfer und seinen Geschöpfen akzeptieren. Dies ist allen Fundamentalisten gemeinsam, Davutoglu nennt es die ontologische Hierarchie; er glaubt, das Osmanische Reich sei ein Religionsimperium in diesem Sinne gewesen, was erklärt, warum sich die Türkei heute an dieser seltsamen sunnitischen Allianz beteiligt. Davutoglu ist der Auffassung, das Osmanische Reich »habe gute Politik und schlechte Politik gemacht, aber Gott der Allmächtige hätte die guten Resultate der guten Politik vervielfacht und die schlechten Resultate der schlechten Politik unterdrückt. Auf diese Weise sei es dem Reich gelungen, 600 Jahre lang zu bestehen und zu herrschen.« Deshalb könne man die imperiale Macht wiedergewinnen, wenn eine politische Gruppe oder die Türkei als ganze Nation  - oder wenigstens deren Führung -  an die ontologische Hierarchie glaube und entsprechend handle. »Nach Davutoglus Überzeugung braucht man politische Bündnisse mit mächtigen Partnern, die der Türkei zu Macht verhelfen, um weiterzukommen. Es ist irrelevant, ob diese Mächte gut oder böse sind. Die Türkei könnte sogar einen Faustischen Pakt eingehen, aber dank ihres Glaubens und des Allmächtigen Gottes wird die Türkei am Ende triumphieren.« Es ist nicht klar, wie lange Davutoglu in der Regierung noch das Sagen haben wird, aber die Instabilität wird mit Sicherheit zunehmen.

In der Zwischenzeit verfolgt nun die Türkei zusammen mit Frankreich, der USA und Großbritannien u.a. das Ziel einer Schaffung von sogenannten befreiten Zonen in Syrien, in die Unterstützung gelenkt werden kann. Der französische Außenminister Laurent Fabius hat bereits angekündigt, daß Frankreich für Gebiete in Syrien, die von der Freien Syrischen Armee erobert werden, 5 Millionen € spenden werde. Rußland indessen bemüht sich weiterhin um eine Entschärfung der Lage. Außenminister Sergej Lawrow sprach am 31. 8. die westliche Einmischung in den Krieg in einer  Rede an der Moskauer Staatsuniversität für Auswärtige Angelegenheiten offen an und forderte, die syrische Krise unter Einhaltung des Völkerrechts zu lösen. »Unsere westlichen Partner und einige Nationen in der Region drängen nahezu offen auf eine Intervention von außen«, so Lawrow. Diese  ausländischen Mächte, die unbeirrbar die Opposition anstacheln, »arbeiten nicht im Interesse des syrischen Volkes. Sie sind von ihren eigenen geopolitischen Interessen motiviert.«

US-Präsident Barack Obama hat in der bisher klarsten Form damit gedroht, die US-Streitkräfte einzusetzen, um die syrische Regierung zu stürzen. Seine Äußerungen erinnern an die Lügen des damaligen US-Vizepräsidenten Dick Cheney, die dieser im Vorfeld der Irakinvasion 2003 über Atompilze aus dem Irak äußerte. Obama erklärte, wenn Beweise dafür auftauchten, daß die syrischen Chemiewaffen durch das Land transportiert würden, dann müsse er die gesamte US-Politik für Syrien grundlegend überdenken. Kurz zuvor hatte er ausführlich mit dem britischen Premierminister David Cameron telefoniert und beide waren sich darin einig gewesen, daß Präsident Assad unbedingt gehen müsse, ungeachtet des russischen und chinesischen Vetos im UNO-Sicherheitsrat und ungeachtet der militärischen Niederlagen der syrischen Rebellen. Während Obama und Cameron mit einem direkten militärischen Eingreifen zur Errichtung einer Flugverbotszone und eines humanitären Korridors an der syrisch-türkischen Grenze drohten, verschärfte parallel dazu der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu seine Drohung, in den kommenden Wochen einen präventiven Militärschlag durchzuführen. General Gabi Aschkenasi, der bis 2011 israelischer Generalstabschef war, hat sich dagegen dem wachsenden Chor aktiver und ehemaliger Führungsleute aus Streitkräften, Mossad, Schin Bet und Militärgeheimdienst angeschlossen, die sich öffentlich gegen die wiederholten Drohungen Netanjahus und seines Verteidigungsministers Ehud Barak, iranische Ziele zu bombardieren, stellen. Israelischen Sicherheitsexperten ist es nicht entgangen, daß der US-Generalstabschef Martin Dempsey Israel mehrfach vor einem solchen einseitigen Vorgehen gewarnt hat, daß aber der einzige, der Netanjahu und Barak mit Sicherheit zum Nachgeben zwingen könnte, nämlich Obama, beharrlich schweigt. In einem Editorial von Ha’aretz hieß es in der vergangenen Woche [vom 20. 8.], Netanjahu und Barak nähmen dieses Schweigen als grünes Licht für ihre Pläne. Tatsächlich gibt es eine ganze Reihe von schwelenden schweren Krisen in der Region, die alle eine Konfrontation der USA mit Rußland und China auslösen könnten. Die Lage in der Türkei hat sich zu einem Krisenpunkt zugespitzt, z.B. führen Armee-Einheiten offene Gefechte gegen die reaktivierte Kurdische Arbeiterpartei (PKK). Der frühere israelische Likud-Verteidigungsminister Mosche Arens forderte Mitte August vorbeugende Luftangriffe auf unterirdische Raketenstellungen der Hisbollah im Südlibanon, weil diese ein gefährliches Potential für Gegenschläge wären, falls Israel den Iran angreift. Überall im Nahen Osten, am östlichen Mittelmeer und am Persischen Golf schwelt die Kriegslunte, und jede dieser Krisen kann sich zu einem größeren Krieg ausweiten. In der russischen und chinesischen Führung sieht man diese Gefahr deutlich; diese sehen auch hochrangige Vertreter der Streitkräfte und Sicherheitspolitik in der USA. Letztere haben in einem neuen Bericht eine größere wirtschaftliche und strategische Zusammenarbeit mit Rußland gefordert. Obama hat diesen Kurs jedoch klar abgelehnt, und Mitt Romney hat sich bisher nicht besser verhalten.

Hochrangige US-Experten fordern Politik der Kriegsvermeidung mit Rußland

Eine Arbeitsgruppe des unabhängigen Internationalen Sicherheitsbeirats [ISAB] des US-Außenministeriums hat als dramatischen Gegenentwurf zur Konfrontationspolitik der Regierung Obama mit Rußland einen neuen Bericht veröffentlicht. Die Studie erschien am 14. 8. auf der Website des Ministeriums und trägt den Titel Gegenseitige gesicherte Stabilität: Wesentliche Komponenten und kurzfristiges Vorgehen. Sie enthält Vorschläge, um einen Atomkrieg mit Rußland zu verhindern und eine Weltordnung langfristiger Kriegsvermeidung zu schaffen, insbesondere durch eine Politik für die gemeinsamen Ziele der Menschheit, wie der Atomforscher Edward Teller es nannte. Diese Zusammenarbeit mit Rußland soll dann auf andere Länder, allen voran China, ausgeweitet werden. ISAB wird von dem früheren Verteidigungsminister unter Bill Clinton, William Perry, geleitet - damals Gegner des Irakkriegs und heute eines Irankriegs. Neben vielen anderen Experten aus Militär, Außen- und Sicherheitspolitik gehört diesem Beirat auch General a.D. Brent Scowcroft an, vormals Nationaler Sicherheitsberater zweier Präsidenten, der 2003 ebenfalls gegen den Irakkrieg war und heute auch gegen einen Irankrieg ist. Den Vorsitz der Arbeitsgruppe, die den Bericht erstellte, hatte Graham Allison von der Harvard-Universität, der für seine Studien über die Kubakrise von 1962 bekannt ist. Mitglieder von Allisons ISAB-Arbeitsgruppe waren Joseph Cirincione und fünf andere hochrangige Experten. Die Gruppe gibt in dem Bericht grundlegende Empfehlungen für die Außenpolitik. Eine der wichtigsten ist: Keine Seite gründet Entscheidungen über Struktur, Stellung oder Doktrin des Kernwaffenarsenals auf die Annahme, der andere sei ein Gegner oder werde wahrscheinlich einen nuklearen Konflikt beginnen. Eine weitere wichtige Empfehlung lautet, daß sich die Vereinigten Staaten und Rußland verpflichten, die globale Nuklearkriegsgefahr zu reduzieren, und sich dahingehend einigen, auf andere Einfluß zu nehmen, damit diese ihre Einstellung teilen. Weiter heißt es: »Ein kritischer Aspekt größerer strategischer Stabilität ist die Notwendigkeit, daß sowohl die USA als auch Rußland erkennen, daß die schrecklichen Folgen eines nuklearen Konflikts zwischen ihnen in keinem Verhältnis zu irgendwelchen plausiblen bilateralen Kontroversen stehen, die zwischen ihnen denkbar wären. Man sollte erkennen, daß sowohl das konzeptionelle Denken der USA hinsichtlich einer gegenseitig gesicherten Stabilität, als auch der Dialog der USA mit Rußland selbst mehr Klarheit in diesen Fragen schaffen muß.« Ein Beispiel für »eine Politik im gemeinsamen Interesse ist die Empfehlung einer Kooperation der beiden Länder bezüglich Fragen der öffentlichen Gesundheit, u.a. der Bekämpfung des Drogenschmuggels [besonders von Afghanistan nach Rußland] und des Drogenmißbrauchs, die Prävention ansteckender Krankheiten sowie die Bereitstellung einer erschwinglicher Krankenversorgung.« Die Autoren bieten in der Frage der Raketenabwehr eigene Alternativen an, die praktisch auf dem aufbauen, was Lyndon LaRouche schon seit 1977 als strategische Verteidigungsinitiative vertreten hat. Der erste Vorschlag besteht u.a. in der Durchführung einer gemeinsamen amerikanisch-russischen Bewertung in Bezug auf die Bedürfnisse auf dem Gebiet der nationalen und multilateralen Raketenabwehr in den kommenden Jahren  - wenn die Raketentechnik sich weiter ausbreitet -  um zu einem gemeinsamen Verständnis der Erfordernisse für eine wirksame Raketenabwehr zu gelangen. Dann wird die Studie deutlich konkreter: »Entwickeln von Vereinbarungen über den Austausch von Frühwarndaten mit Rußland und den Einsatz von Satelliten, um Abschüsse von Langstreckenraketen gemeinsam zu beobachten.« Graham Allison wendet sich auch an eine breitere Öffentlichkeit; so erschien am 21. 8. in der Financial Times Londonsein eindringlicher Gastkommentar zu der Konfrontation zwischen der USA und China als jetzt zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt mit der Überschrift Thukydides Falle im Pazifik ist zugeschnappt.  [1]

Am 30. August sandte der Kongreßabgeordnete Walter B. Jones [Republikaner aus North Carolina] den folgenden Brief an das Weiße Haus; dieser ging auch als e-mail an das Büro für legislative Angelegenheiten des Weißen Hauses. Eine PDF des Originals kann hier herunterladen  werden.

Sehr geehrter Herr Präsident,
dieser Brief an Sie wurde aus der großen Sorge heraus geschrieben, daß Sie unsere Nation ohne eine Ermächtigung durch den Kongreß erneut in einen Krieg führen könnten. Während die Spannungen in Syrien und im Iran wachsen, liegt die Befugnis, einen Krieg zu erklären, weiterhin beim Kongreß. Keine Resolution der Vereinten Nationen oder der NATO kann diese Befugnis, die bewußt den Vertretern des amerikanischen Volkes übertragen wurde, ersetzen. Ob in Korea, Jugoslawien oder Libyen, die Präsidenten haben dort immer wieder die Verfassung mißachtet und die Amerikaner ohne Ermächtigung durch den Kongreß in den Krieg geschickt. Um weitere Übergriffe der Exekutive zu verhindern, habe ich die Resolution HCR 107 [House Concurrent Resolution]  eingebracht. In dieser Resolution heißt es: »Außer als Antwort auf einen tatsächlichen oder unmittelbar drohenden Angriff auf das Territorium der Vereinigten Staaten verletzt der Einsatz offensiver militärischer Gewalt durch einen Präsidenten ohne vorherige und klare Autorisierung durch ein vom Kongreß verabschiedetes Gesetz die ausschließliche Befugnis des Kongresses, Krieg nach Art. 1, § 8, Absatz 11 der Verfassung zu erklären; sie stellt daher ein schweres Verbrechen und Vergehen nach Art. II, Absatz 4 der Verfassung dar, das zur Amtsenthebung führt.« Das obige zitiert lediglich die Verfassung. Unsere Gründerväter waren den besonderen Umständen ausgesetzt, Kriege durchleben zu müssen, die von einem König nach Gutdünken geführt wurden. Wie James Madison schrieb, wäre es, wenn man es dem Präsidenten allein erlaubte, das Land in den Krieg zu führen, eine zu große Versuchung für einen einzelnen Mann.

Die alleinige Voraussetzung für einen Krieg, abgesehen von einem tatsächlichen oder unmittelbar drohenden Angriff auf Amerika, kann nur die Ermächtigung hierzu durch den Kongreß sein. Ich fordere Sie auf, sich an die Verfassung zu halten, und sich darauf zu verlassen, daß es die Vertreter des Landes sein werden, die einen Krieg beschließen, wenn dieser notwendig ist. Es gibt keine größere Verantwortung, als unsere Söhne und Töchter in den Krieg zu schicken. Diese Verantwortung liegt beim Kongreß der Vereinigten Staaten.  [2]

 

[1]  Quelle: Strategic Newsletter Jahrgang 25  Nr. 35 vom 29. 8. 12

[2]  http://www.bueso.de/node/5966  4. 9. 12 US-Abgeordneter Walter Jones warnt Präsident Obama: Halten Sie sich an die Verfassung!