Drängen auf offenen Krieg in Syrien 09.09.2012 23:07
Da die von der USA, Europa und Saudi-Arabien gestützten Dschihadisten in Syrien außer Blutvergießen keines ihrer Ziele erreichen,
konzentrieren
sich die westlichen Mächte auf zwei Themen: Auf den Aufschrei, Damaskus könne
womöglich chemische Waffen einsetzen, sowie auf Vorstöße zur Einrichtung von ›Sicherheitszonen‹ in Syrien an der Grenze zur Türkei, um
von dort aus eine ähnliche Intervention wie in Libyen zu unternehmen, als
Benghazi zur NATO-kontrollierten Sicherheitszone erklärt wurde. Auf der letzten
Sondersitzung des UNO-Sicherheitsrats über die ›humanitäre Krise‹ in Syrien war es dem türkischen Außenminister Ahmed Davutoglu
nicht gelungen, diesen zur Einrichtung von Pufferzonen in Syrien zu überreden.
Er wird sein Anliegen daher voraussichtlich Ende September der UNO-Vollversammlung
vorlegen.
In
der Türkei ist Außenminister Ahmet Davutoglu der größte Unterstützer der
Weltkriegspolitik des Empire und seiner Marionette Barack Obama. So ist die
türkische Republik zum erstenmal Teil einer von Briten und Saudis geleiteten
sunnitischen Allianz, die in Syrien die Opposition bewaffnet, darunter
extremistische Salafisten und Al-Kaida-Terroristen, die meistens keine Syrer
sind. In der gegenwärtigen geopolitischen Lage ist die Türkei der Schlüssel zu
allen britisch inspirierten Kriegsplänen in der Region, weil sie NATO-Mitglied
ist und gemeinsame Grenzen mit Syrien und dem Iran hat. Das sunnitische Bündnis
hat die Türkei im Innern ernsthaft destabilisiert, jüngsten Umfragen zufolge
wird es von 67 % der Türken abgelehnt. Es widerspricht den Grundlagen der
türkischen Gesellschaft, die traditionell ein Mosaik verschiedener islamischer
Richtungen von konservativen Sunniten bis hin zu Schiiten und Sufis bildet, die
von sehr unterschiedlichen ethnischen Gruppierungen praktiziert werden. Wie EIR
von einem türkischen Geheimdienstexperten erfuhr, unterstützt Davutoglu diese
Politik trotzdem, weil er einem extrem konservativen Islam anhängt, wie er in
Saudi-Arabien praktiziert wird. Ein Ausdruck davon waren Davutoglus Vorlesungen
als Universitätsprofessor vor 20 Jahren, die dieser Zeitzeuge selbst
miterlebte. Die Überzeugungen des Außenministers gehen auf den islamischen
Gelehrten Ibn Tajmija (Taymiyyah) im 13. - 14. Jahrhundert zurück, der eine der
konservativen religiösen Schulen vertrat, welcher heute die saudischen Wahhabiten
anhängen. Diese Schule erkennt nur diejenigen als ›wahre Gläubige‹ an, die einen gewissen ›ontologischen Abstand‹ zwischen dem Schöpfer und seinen Geschöpfen akzeptieren. Dies ist
allen Fundamentalisten gemeinsam, Davutoglu nennt es die ›ontologische Hierarchie‹; er glaubt, das Osmanische Reich sei
ein Religionsimperium in diesem Sinne gewesen, was erklärt, warum sich die
Türkei heute an dieser seltsamen sunnitischen Allianz beteiligt. Davutoglu ist
der Auffassung, das Osmanische Reich »habe gute Politik und
schlechte Politik gemacht, aber Gott der Allmächtige hätte die guten Resultate
der guten Politik vervielfacht und die schlechten Resultate der schlechten
Politik unterdrückt. Auf diese Weise sei es dem Reich gelungen, 600 Jahre lang
zu bestehen und zu herrschen.« Deshalb könne man die imperiale Macht
wiedergewinnen, wenn eine politische Gruppe oder die Türkei als ganze Nation - oder wenigstens deren Führung - an die ontologische Hierarchie glaube und
entsprechend handle. »Nach Davutoglus Überzeugung braucht man
politische Bündnisse mit mächtigen Partnern, die der Türkei zu Macht verhelfen,
um weiterzukommen. Es ist irrelevant, ob diese Mächte gut oder böse sind. Die
Türkei könnte sogar einen Faustischen Pakt eingehen, aber dank ihres Glaubens
und des Allmächtigen Gottes wird die Türkei am Ende triumphieren.« Es ist nicht klar, wie lange Davutoglu in der Regierung noch das
Sagen haben wird, aber die Instabilität wird mit Sicherheit zunehmen.
In
der Zwischenzeit verfolgt nun die Türkei zusammen mit Frankreich, der USA und
Großbritannien u.a. das Ziel einer Schaffung von sogenannten ›befreiten Zonen‹ in Syrien, in die Unterstützung gelenkt
werden kann. Der französische Außenminister Laurent Fabius hat bereits
angekündigt, daß Frankreich für Gebiete in Syrien, die von der ›Freien Syrischen Armee‹ erobert werden, 5 Millionen € spenden werde. Rußland indessen bemüht sich weiterhin um
eine Entschärfung der Lage. Außenminister Sergej Lawrow
sprach am 31. 8. die westliche Einmischung in den Krieg in einer Rede an der Moskauer Staatsuniversität für
Auswärtige Angelegenheiten offen an und forderte, die syrische Krise unter
Einhaltung des Völkerrechts zu lösen. »Unsere westlichen
Partner und einige Nationen in der Region drängen nahezu offen auf eine
Intervention von außen«, so Lawrow. Diese ausländischen Mächte, die unbeirrbar die
Opposition anstacheln, »arbeiten nicht im Interesse des syrischen
Volkes. Sie sind von ihren eigenen geopolitischen Interessen motiviert.«
US-Präsident
Barack Obama hat in der bisher klarsten Form damit gedroht, die US-Streitkräfte
einzusetzen, um die syrische Regierung zu stürzen. Seine Äußerungen erinnern an
die Lügen des damaligen US-Vizepräsidenten Dick Cheney, die dieser im Vorfeld
der Irakinvasion 2003 über ›Atompilze‹ aus dem Irak äußerte.
Obama erklärte, wenn Beweise dafür auftauchten, daß die syrischen Chemiewaffen
durch das Land transportiert würden, dann müsse er die gesamte US-Politik für
Syrien grundlegend überdenken. Kurz zuvor hatte er ausführlich mit dem
britischen Premierminister David Cameron telefoniert und beide waren sich darin
einig gewesen, daß Präsident Assad unbedingt gehen müsse, ungeachtet des
russischen und chinesischen Vetos im UNO-Sicherheitsrat und ungeachtet der
militärischen Niederlagen der syrischen Rebellen. Während Obama und Cameron mit
einem direkten militärischen Eingreifen zur Errichtung einer Flugverbotszone
und eines ›humanitären‹ Korridors an der syrisch-türkischen
Grenze drohten, verschärfte parallel dazu der israelische Regierungschef
Benjamin Netanjahu seine Drohung, in den kommenden Wochen einen präventiven
Militärschlag durchzuführen. General Gabi Aschkenasi, der bis 2011 israelischer
Generalstabschef war, hat sich dagegen dem wachsenden Chor aktiver und
ehemaliger Führungsleute aus Streitkräften, Mossad, Schin Bet und
Militärgeheimdienst angeschlossen, die sich öffentlich gegen die wiederholten
Drohungen Netanjahus und seines Verteidigungsministers Ehud Barak, iranische Ziele
zu bombardieren, stellen. Israelischen Sicherheitsexperten ist es nicht
entgangen, daß der US-Generalstabschef Martin Dempsey Israel mehrfach vor einem
solchen einseitigen Vorgehen gewarnt hat, daß aber der einzige, der Netanjahu
und Barak mit Sicherheit zum Nachgeben zwingen könnte, nämlich Obama,
beharrlich schweigt. In einem Editorial von ›Ha’aretz‹ hieß es in der vergangenen Woche [vom 20. 8.], Netanjahu
und Barak nähmen dieses Schweigen als grünes Licht für ihre Pläne. Tatsächlich
gibt es eine ganze Reihe von schwelenden schweren Krisen in der Region, die
alle eine Konfrontation der USA mit Rußland und China auslösen könnten.
Die Lage in der Türkei hat sich zu einem Krisenpunkt zugespitzt, z.B. führen Armee-Einheiten
offene Gefechte gegen die reaktivierte Kurdische Arbeiterpartei (PKK). Der
frühere israelische Likud-Verteidigungsminister Mosche Arens forderte Mitte
August vorbeugende Luftangriffe auf unterirdische Raketenstellungen der
Hisbollah im Südlibanon, weil diese ein gefährliches Potential für Gegenschläge
wären, falls Israel den Iran angreift. Überall im Nahen Osten, am östlichen
Mittelmeer und am Persischen Golf schwelt die Kriegslunte, und jede dieser
Krisen kann sich zu einem größeren Krieg ausweiten. In der russischen und
chinesischen Führung sieht man diese Gefahr deutlich; diese sehen auch hochrangige
Vertreter der Streitkräfte und Sicherheitspolitik in der USA. Letztere haben in
einem neuen Bericht eine größere wirtschaftliche und strategische
Zusammenarbeit mit Rußland gefordert. Obama hat diesen
Kurs jedoch klar abgelehnt, und Mitt Romney hat sich bisher nicht besser
verhalten.
Hochrangige
US-Experten fordern Politik der Kriegsvermeidung mit Rußland
Eine
Arbeitsgruppe des unabhängigen ›Internationalen Sicherheitsbeirats‹ [ISAB] des US-Außenministeriums hat als dramatischen Gegenentwurf
zur Konfrontationspolitik der Regierung Obama mit Rußland einen neuen Bericht veröffentlicht. Die Studie erschien am 14. 8. auf der Website des Ministeriums
und trägt den Titel ›Gegenseitige gesicherte Stabilität: Wesentliche Komponenten
und kurzfristiges Vorgehen‹. Sie enthält Vorschläge, um einen Atomkrieg mit Rußland zu
verhindern und eine Weltordnung langfristiger Kriegsvermeidung zu schaffen,
insbesondere durch eine Politik für ›die gemeinsamen Ziele der Menschheit‹, wie der
Atomforscher Edward Teller es nannte. Diese Zusammenarbeit mit Rußland soll
dann auf andere Länder, allen voran China, ausgeweitet werden. ISAB wird
von dem früheren Verteidigungsminister unter Bill Clinton, William Perry,
geleitet - damals Gegner des Irakkriegs und heute eines Irankriegs. Neben
vielen anderen Experten aus Militär, Außen- und Sicherheitspolitik gehört
diesem Beirat auch General a.D. Brent Scowcroft an, vormals Nationaler
Sicherheitsberater zweier Präsidenten, der 2003 ebenfalls
gegen den Irakkrieg war und heute auch gegen einen Irankrieg ist. Den Vorsitz
der Arbeitsgruppe, die den Bericht erstellte, hatte Graham Allison von der
Harvard-Universität, der für seine Studien über die Kubakrise von 1962
bekannt ist. Mitglieder von Allisons ISAB-Arbeitsgruppe
waren Joseph Cirincione und fünf andere hochrangige Experten. Die Gruppe gibt
in dem Bericht grundlegende Empfehlungen für die Außenpolitik. Eine der
wichtigsten ist: ›Keine Seite gründet Entscheidungen über Struktur, Stellung
oder Doktrin des Kernwaffenarsenals auf die Annahme, der andere sei ein Gegner
oder werde wahrscheinlich einen nuklearen Konflikt beginnen‹. Eine weitere
wichtige Empfehlung lautet, daß sich die Vereinigten Staaten und Rußland
verpflichten, die globale Nuklearkriegsgefahr zu reduzieren, und sich dahingehend
einigen, auf andere Einfluß zu nehmen, damit diese ihre Einstellung teilen. Weiter
heißt es: »Ein kritischer Aspekt größerer strategischer
Stabilität ist die Notwendigkeit, daß sowohl die USA als auch Rußland erkennen,
daß die schrecklichen Folgen eines nuklearen Konflikts zwischen ihnen in keinem
Verhältnis zu irgendwelchen plausiblen bilateralen Kontroversen stehen, die
zwischen ihnen denkbar wären. Man sollte erkennen, daß sowohl das
konzeptionelle Denken der USA hinsichtlich einer gegenseitig gesicherten
Stabilität, als auch der Dialog der USA mit Rußland selbst mehr Klarheit in
diesen Fragen schaffen muß.« Ein Beispiel für »eine Politik im gemeinsamen Interesse ist die Empfehlung einer
Kooperation der beiden Länder bezüglich Fragen der öffentlichen Gesundheit,
u.a. der Bekämpfung des Drogenschmuggels [besonders von Afghanistan nach
Rußland] und des Drogenmißbrauchs, die Prävention ansteckender Krankheiten
sowie die Bereitstellung einer erschwinglicher Krankenversorgung.« Die Autoren bieten in der Frage der Raketenabwehr eigene
Alternativen an, die praktisch auf dem aufbauen, was Lyndon LaRouche schon seit
1977 als strategische Verteidigungsinitiative vertreten hat. Der erste
Vorschlag besteht u.a. in der Durchführung einer gemeinsamen amerikanisch-russischen
Bewertung in Bezug auf die Bedürfnisse auf dem Gebiet der nationalen und
multilateralen Raketenabwehr in den kommenden Jahren - wenn die Raketentechnik sich weiter
ausbreitet - um zu einem gemeinsamen
Verständnis der Erfordernisse für eine wirksame Raketenabwehr zu gelangen. Dann wird die Studie
deutlich konkreter: »Entwickeln von Vereinbarungen über den
Austausch von Frühwarndaten mit Rußland und den Einsatz von Satelliten, um
Abschüsse von Langstreckenraketen gemeinsam zu beobachten.« Graham Allison wendet sich auch an eine breitere Öffentlichkeit;
so erschien am 21. 8. in der ›Financial Times London‹ sein eindringlicher Gastkommentar zu der Konfrontation zwischen
der USA und China als jetzt zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt mit der
Überschrift ›Thukydides Falle im Pazifik ist zugeschnappt‹. [1]
Am 30.
August sandte der Kongreßabgeordnete Walter B. Jones [Republikaner aus North
Carolina] den folgenden Brief an das Weiße Haus; dieser ging auch als e-mail an
das Büro für legislative Angelegenheiten des Weißen Hauses. Eine PDF des
Originals kann hier
herunterladen werden.
Sehr geehrter Herr Präsident, dieser
Brief an Sie wurde aus der großen Sorge heraus geschrieben, daß Sie unsere
Nation ohne eine Ermächtigung durch den Kongreß erneut in einen Krieg führen
könnten. Während die Spannungen in Syrien und im Iran wachsen, liegt die
Befugnis, einen Krieg zu erklären, weiterhin beim Kongreß. Keine Resolution der
Vereinten Nationen oder der NATO kann diese Befugnis, die bewußt den Vertretern
des amerikanischen Volkes übertragen wurde, ersetzen. Ob in Korea, Jugoslawien
oder Libyen, die Präsidenten haben dort immer wieder die Verfassung mißachtet
und die Amerikaner ohne Ermächtigung durch den Kongreß in den Krieg geschickt. Um
weitere Übergriffe der Exekutive zu verhindern, habe ich die ›Resolution HCR 107‹ [House Concurrent Resolution]
eingebracht. In dieser Resolution heißt es: »Außer
als Antwort auf einen tatsächlichen oder unmittelbar drohenden Angriff auf das
Territorium der Vereinigten Staaten verletzt der Einsatz offensiver
militärischer Gewalt durch einen Präsidenten ohne vorherige und klare
Autorisierung durch ein vom Kongreß verabschiedetes Gesetz die
ausschließliche Befugnis des Kongresses, Krieg nach Art. 1, § 8, Absatz 11 der
Verfassung zu erklären; sie stellt daher ein schweres Verbrechen und Vergehen
nach Art. II, Absatz 4 der Verfassung dar, das zur Amtsenthebung führt.« Das
obige zitiert lediglich die Verfassung. Unsere Gründerväter waren den
besonderen Umständen ausgesetzt, Kriege durchleben zu müssen, die von einem
König nach Gutdünken geführt wurden. Wie James Madison schrieb, wäre es, wenn
man es dem Präsidenten allein erlaubte, das Land in den Krieg zu führen, ›eine zu große Versuchung für einen
einzelnen Mann.‹
Die alleinige
Voraussetzung für einen Krieg, abgesehen von einem tatsächlichen oder
unmittelbar drohenden Angriff auf Amerika, kann nur die Ermächtigung hierzu
durch den Kongreß sein. Ich fordere Sie auf, sich an die Verfassung zu halten,
und sich darauf zu verlassen, daß es die Vertreter des Landes sein werden, die
einen Krieg beschließen, wenn dieser notwendig ist. Es gibt keine größere
Verantwortung, als unsere Söhne und Töchter in den Krieg zu schicken. Diese
Verantwortung liegt beim Kongreß der Vereinigten Staaten. [2]
[1] Quelle: Strategic Newsletter
Jahrgang 25
Nr. 35 vom 29. 8. 12
[2] http://www.bueso.de/node/5966 4. 9. 12 US-Abgeordneter Walter Jones warnt
Präsident Obama: Halten Sie sich an die Verfassung!
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