Rußland tritt der Desinformation über das Genfer Syrien-Treffen entgegen

In der Abschlußerklärung des Treffens der Syrien-Aktionsgruppe am 30. 6. in Genf

wird kein Sturz des syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad gefordert; dies hat der russische Außenminister Sergej LAWROW betont, um falschen Behauptungen westlicher Medien und Politiker entgegenzutreten. In einer Stellungnahme gegenüber Itar Tass am Ende des Treffens sagte Lawrow: »Das Dokument verlangt keinen Rücktritt. Die erste Version enthielt den Satz, daß Personen, die den Frieden verhindern, ausgeschlossen werden sollen. Das widerspricht dem Prinzip eines umfassenden politischen Dialogs in Syrien wie auch dem Prinzip der UN-Charta über die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten souveräner Staaten. Es widerspricht der Logik, der zufolge die Syrer ihr Schicksal selbst bestimmen sollten. Deshalb wurde auf unser Beharren hin eine Formulierung über die Notwendigkeit, irgend jemanden vom Friedensprozeß auszuschließen, aus dem Text herausgenommen.« Bei einer weiteren Gelegenhit bestand Lawrow darauf, daß die Länder damit aufhören müßten, oppositionelle Terroristen oder Kämpfer zu ermuntern, zu finanzieren oder zu bewaffnen, und man müsse alle beteiligten Gruppen zu Friedensverhandlungen zwingen. In die gleiche Richtung gingen die von der syrischen Nachrichtenagentur Sana  berichteten Äußerungen des chinesischen Außenministers Yang Jiechi, der den Reportern in Genf erklärte, daß China die Vereinbarung unterstütze und daß »der Übergangsplan für Syrien nur von Syrern und mit der Zustimmung aller wichtigen Seiten in Syrien ausgeführt werden kann.« China begrüße die Resultate des Treffens für den Übergang in Syrien. So lange beide Seiten zu neutralen, geduldigen und in die Tiefe gehenden Gesprächen entschlossen seien, lasse sich ein Ausgleich erzielen. Der Text der Übereinkunft selbst bestätigt, was Lawrow sagte: es gibt darin keinerlei Erklärung über einen Regimewandel. Doch der britische Außenminister William Hague, der nicht als Mann bekannt ist, den die Wahrheit abschreckt, versicherte: »Der syrische Präsident Baschar Al-Assad würde als Teil eines neuen Friedensplans für das Land von der Übergangs-Einheitsregierung ausgeschlossen«, so jedenfalls zitierte ihn der Independent am 2. 7. 12.

Die syrische Opposition wies alle Vereinbarungen des Genfer Treffens zurück. Ihr geht es allein darum, den von den Briten und Obama angestrebten gewaltsamen Regimewechsel durchzusetzen. Die in London erscheinende saudische Tageszeitung Asharq al Awsat veröffentlichte eine Erklärung des Oppositionspolitikers Haitham Maleh, die Schlacht werde vor Ort vom syrischen Volk entschieden, und »nicht von Leuten, die in Genf, in New York oder sonstwo sitzen«. Und der Syrische Nationalrat ließ verlauten, er werde nicht mit Assad oder Mitgliedern seines mörderischen Regimes verhandeln.  [1]


Wissen, woher der Gegenwind weht  -  Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait
Der ARD-Wochenspiegel vom 1.7. um 12.45 Uhr hat eine bedauerliche falsche Darstellung der Position Rußlands verbreitet: Völlig daneben und propagandistisch unsachlich sagte der Moderator Rußland hätte hoch gepokert. Offensichtlich versteht die ARD-Redaktion nicht, worum es bei dem Treffen in Genf am 30. 6. 12 eigentlich ging und worin die substantielle Differenz zwischen der USA und Rußland bzw. zwischen der USA und dem Kofi-Annan Plan besteht.

US-Außenministerin Hillary Clinton machte in Genf klar, daß Washington weiterhin auf dem Rückzug des syrischen Präsidenten beharrt. Nicht ohne Grund mußte sich US-Außenministerin Hillary Clinton nach dem von Kofi Annan bestimmten Protokoll zur Konferenz weitab isoliert in eine Ecke setzen, während ihr Kollege aus Rußland, Sergej Lawrow, zwischen dem Außenminister Großbritanniens, William Hague, und dem Außenminister Frankreichs, Laurent Fabius, Platz nahm. Auffällig ist auch, daß der britische Außenminister seinen russischen Kollegen oft konsultiert, nicht aber die Amerikanerin. Man muß darauf aufmerksam machen, daß London nach Moskau das zweite europäische Land war, das sich für eine politische Lösung in Syrien auf der Grundlage des Kofi Annan Plans äußerte; so auf einer gemeinsamen Pressekonferenz beider Außenminister, William Hague und Sergej Lawrow, Ende Mai. Ein erfahrener Diplomat wie Kofi Annan weiß, woher der Gegenwind hinsichtlich seiner Friedensmission weht und konfrontierte deshalb sofort nach seiner Reise in die arabischen Länder Hillary Clinton in Washington ( am 8. 6.), wohl wissend, daß sie die ganze Regie zur Destabilisierung Syriens unter zionistischem Druck führt.

Mit der versteckten militärischen, finanziellen und geheimdienstlichen Unterstützung von mörderischen Terrorbanden in Syrien und anderswo muß Schluß sein. Hier gibt es eine konkrete Aufgabe für den deutschen Außenminister Guido Westerwelle, der   - unter der verhängnisvollen Regie von Hillary Clinton völlig aus der Bahn einer menschenfreundlichen Außenpolitik geworfen -  gemeinsame Sache mit den bewaffneten Aufständischen gemacht hat. Es ist gut möglich, daß Deutschland deshalb erst gar nicht zum Genfer Treffen eingeladen wurde. Ein Außenminister, der sich seiner Außenpolitik sicher ist, hätte sich jedoch zu der Genfer Konferenz angemessen geäußert und zu diesem extrem ernsthaften Konflikt Stellung bezogen. Berlin ist aufgefordert, alles in seiner Macht stehende zu tun, um den bewaffneten Gruppen und Oppositionellen jede Unterstützung zu entziehen und sie zur Unterzeichnung und Durchführung des Friedensplans von Kofi Annan zu bewegen. An diesen klaren Richtlinien eines außenpolitischen Verhaltens wird sich die politische Verantwortung Deutschlands messen lassen. Dringend ist auch, daß Berlin die diplomatischen Beziehungen mit Damaskus endlich normalisiert. Die deutsche Öffentlichkeit muß realistisch einsehen, daß bewaffnete Aufständische, die in Syrien gegen den Friedensplan von Kofi Annan agieren, zweifelsfrei brutale Terrorbanden sind, die vor Massaker und Mord nicht zurückschrecken. Die westlichen Regierungen, die solche Leute bewaffnen und die Spannungen dort zur Eskalation treiben, handeln wie Kriminelle und haben Blut an ihren Händen, wie der Journalist der Süddeutschen Zeitung, Wolfgang Koydl, die tadelnden Worte von Kofi Annan vor den westlichen Außenministern in Genf zutreffend realistisch versteht. In diesem Zusammenhang sind die Worte Annans auf der Genfer Konferenz als mahnende Worte und Anstoß zum Nachdenken hoch zu bewerten: Die Außenminister sollten ihre Interessen nicht über jene des syrischen Volkes stellen. Sie machten sich mitschuldig an den Morden in Homs, in Hula, in Damaskus und Aleppo: »Die Menschen in Syrien werden die größten Opfer sein und ihr Tod wird nicht nur die Folge der Taten der Mörder vor Ort sein, sondern auch die Konsequenz Eurer Unfähigkeit, die Gegensätze zwischen Euch zu überbrücken.«

Nach Annans Willen sollte gewährleistet werden, dass Syrien ein friedlicher Neustart, bei dem sich jede Einmischung von außen verbietet, ermöglicht wird. Das wollte auch Rußland, nicht aber die USA.  Rußland war von Anfang an für den UNO-Friedensplan. Um die Unterstützung für den Annan-Plan durch die westlichen und arabischen Regierungen zu erhalten, hatte Moskau die Initiative einer Konferenz zu Syrien unter dem Vorsitz von Kofi Annan bereits am 12. Juni in Moskau angemeldet. Problematisch war von Anfang an nur die Position der USA, die weiterhin um einen Regimewechsel in Syrien pokert und weiterhin auf diesem fragwürdigen Spiel besteht, wie Hillary Clinton nicht müde wird, aller Welt klarzumachen. Der Friedensplan von Kofi Annan sieht jedoch bekanntlich keinen Regimewechsel vor, sondern strebt Verhandlungen und Dialog zwischen Regierung und Opposition an. Die bewaffneten Aufständischen müssen gebremst werden. Hier sind die westlichen Akteure gefragt, um diese zu zähmen. Es gibt keine andere Lösung für Syrien als eine politische. Alles andere ist ein gefährlicher unverantwortlicher Weg ins Chaos und in die Anarchie. Sollten einige westliche Industriestaaten diesen unverantwortlichen gefährlichen Weg weitergehen, so kann die zivilisierte Welt Rußland dankbar sein, da es bis jetzt das einzige europäische Land ist, das dem Westen die Stirn bietet.

China und Rußland können Europa von der USA befreien; Europa muss mehr für sich tun. Es geht ganz ohne Amerika, der Wille hierzu muss sich aber in Europa entwickeln.  [2]  

[1]  Strategic Alert  Jahrgang 25, Nr. 27 vom 4. Juli 2012
[2]  Quelle: 
http://seniora.org/index.php?option=com_content&task=view&id=822&Itemid=59
Auszugsweise; Hervorhebungen durch politonline.

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait ist chilenische Rechtsanwältin und Diplomatin (a.D.)