Die Schweiz und ihre Politik 06.05.2012 21:53
Gemischtwarenhändler Christophe Darbellay, so Christoph Mörgeli, bringt es als
CVP-Präsident
weder je zum Regierungsrat noch zum Bundesrat. Die Walliser haben ihn schon
einmal verschmäht und würden es noch fünfmal tun. Das Bundesratsmandat dürfte Parteikollegin Doris
Leuthard weitere zwanzig Jahre lang versitzen, um dereinst ihren Atomausstieg
zu feiern. Und bei der CVP, die 2011 fast jeden fünften Wähler verlor, sucht
Darbellay langsam aber sicher den Abgang. Darum hat der Berufspolitiker
beschlossen, künftig wenigstens noch etwas Geld zu verdienen. Darbellay
betätigt sich als Jäger, lieber aber noch als Sammler. Als Sammler von
lukrativen Mandaten; neben dem Nationalratsjob und dem Vorsitz des
Eidgenössischen Schützenfestes präsidiert er folgende Gremien: Interessen- Gemeinschaft
Mineralwasser, Weine Robert Gilliard SA, Car Tourisme Suisse. Ferner ist er
Verwaltungsrat der Fotovoltaik EnAlpin SA und der Gastronomie Enclos de Valère.
Doch den fettesten Coup hat er eben erst gelandet: Darbellay wird Präsident des
Schweizer Casino-Verbands (SCV). Nach dem Motto: Ein C im Namen tönt immer gut.
Das Glücksspiel ist staatlich bis zum Exzess
reguliert. Und darum besonders filzanfällig. Und darum besonders
CVP-kompatibel. Auf den Gipfel des Casino-Verbands wurde Darbellay aber
nicht von der schwarzen Madonna getragen, sondern vom schwarzen Anwalt Benno
Schneider (CVP), dem Präsidenten der Spielbanken-Kommission. Also doch irgendwie
von einem Allmächtigen. In CVP-Gebieten fielen die Casino-Konzessionen wie
Glückstaler vom Himmel. Etwa in Baden, Luzern, Lugano, St.Gallen. Oder in
Pfäffikon SZ, Freiburg, Crans-Montana, Locarno oder Mendrisio.
Ein Kaff
wie Zürich musste zehn Jahre lang warten. Nun wird also der oberste
Christdemokrat gleichzeitig der oberste Geldspieler. Gemischtwarenhändler
Darbellay dürfte sich auch über die Diskretion des Casino-Verbands freuen: »Das
Jahreseinkommen wird nicht kommuniziert«. Denn es steht geschrieben: »Ihr könnt
nicht Gott dienen und dem Mammon« (Matthäus 6,24). Und dies sagte Papst
Benedikt XVI. am katholischen Weltjugendtag: »Das Leben ist kein Glücksspiel«.
Für Darbellay aber gibt es keine Widersprüche. Man lese nur sein
CVP-Parteiprogramm. Es lässt sich in den Worten zusammenfassen: »Ich bin nicht
krumm, ich bin nicht grad, ich bin ein Christlichdemokrat«.
Das Fanal von Genf - Die Schweiz und ihre
Forschungsplätze - Von
Ulrich Schlüer
Hatten
Sie, geehrte Leserin, geehrter Leser, je Gelegenheit, das Forschungszentrum eines
in der Schweiz niedergelassenen grossen Konzerns zu besichtigen, zum Beispiel
eine Forschungsabteilung einer unserer grossen Chemie- oder Pharmakonzerne? Ein
Forschungszentrum also, wo sich Labor an Labor, Forschungsstation an
Forschungsstation reiht und wo man Dutzende Wissenschafter an der Arbeit
verfolgen kann, wie sie mit ihren Apparaten die Versuche einrichten. All diese
Apparate benötigen Energie ….. Selbst wenn die in den Forschungszentren laufenden
Geräte, Computer und Bildschirme ein Produkt der neuesten Generation und somit
im einzelnen auf eine sehr sparsame Energienutzung ausgerichtet sind, so ist
deren gesamter Energieverbrauch dennoch gigantisch; die Energiekosten mögen
zwar in der Regel nicht die höchsten Ausgabenposten darstellen, doch
verursachen sie zweifellos einen zu hohen Aufwand, als dass dieser als
Bagatelle abgetan werden könnte. Von Roche und Novartis hat man schon mehrfach
vernommen, dass die beiden Konzerne allein für ihre auf dem Boden der Schweiz
installierten Forschungszentren jährliche Kosten von je über 1 Milliarde
Franken tragen, selbst für Weltkonzerne gewaltige Beträge.
Im steten
Bemühen, die Kosten im Hinblick auf erschwingliche Endprodukte möglichst tief
zu halten, stehen – eine Binsenwahrheit – Kostenstellen mit hohen Beträgen auch
in internationalen Konzernen immer im Fokus der auf Kosteneinsparung getrimmten
Kontrollstellen; somit sind die Energieverbrauchskosten der Forschungszentren
stets Gegenstand laufender Überprüfungen, selbst wenn
hierzu der Einwand zu vernehmen ist, dass Investitionen in Forschungszentren
immer Investitionen »in die eigene Zukunft« seien, so dass einige Franken
mehr oder weniger nicht so stark ins Gewicht fielen. Einer jener Weltkonzerne,
die jetzt dringend Kosteneinsparungen durchsetzen müssen, ist der deutsche
Biotechnologie-Konzern Merck, welcher in den letzten Jahren in Genf einen
bedeutenden Forschungsplatz unterhalten hat. Jetzt wird Genf aufgegeben. Die
bisher dort betriebene Forschung wird einem andern, nicht in der Schweiz
liegenden Merck-Forschungszentrum angegliedert. Ein Kostenentscheid: aus Sicht
des Konzerns nachvollziehbar, für Genf jedoch eine Katastrophe. Von Kostenentscheiden,
wie er nun Genf trifft, werden vor allem solche Länder und Standorte
heimgesucht, wo in Vergessenheit geraten ist, dass die Wirtschaft nun einmal
dort produziert, wo die Rahmenbedingungen für Produktion und Forschung am
günstigsten sind.
Energiewende
Die
rot-grüne Classe politique der Schweiz erträumt sich derzeit die »grosse
Energiewende«. Sie weiss schon recht genau, was sie an funktionierenden,
zuverlässigen und die Produktion (und somit auch die Forschung) im Hochlohnland
Schweiz zu erträglichen Kosten ermöglichenden Energieanlagen in den kommenden
Jahren stilllegen, ja unter hohen Kosten gar schreddern will. Sie vermag die
Milliarden-Kosten dieser Abbruchübung schon recht genau vorauszusagen. Was
anstelle dieser heute funktionierenden und die Versorgungssicherheit
gewährleistenden Energieproduktion entstehen soll – dazu gehen die Ideen freilich
meilenweit auseinander. Eine immer strahlende Energieministerin, gestern
noch Anwältin kostengünstiger Kernenergie, präsentiert plötzlich die
Idee von neu zu erstellenden Gaskraftwerken. Auf lautstarken Protest sogenannter
Umweltfreunde hin revidiert sie ihre diesbezüglichen Träume allerdings umgehend
und flieht ins Unverbindliche. Städte, die bereits tief in den roten Zahlen
stecken, träumen von grossen Windkraftwerken weit weg in der Nordsee und
schicken aus leeren Kassen bereits viel Geld dorthin. Von diesen
Windkraftwerken weiss man bisher allerdings nur, dass sie, sollten sie je
erstellt werden, unendlich viel höhere Kosten verursachen werden als bisher je ›angedacht‹ worden ist.
Fern jeglichen
Kostendenkens
Man weiss
hier also genau, wie und wo man bestehende Anlagen stilllegen will. Aber man
weiss nichts Konkretes über die zukünftige Energieversorgung – insgeheim wohl
vor allem auf Importe aus französischen Atomkraftwerken und
polnischen Kohlekraftwerken zählend. Vor allem weiss man nichts Konkretes,
was die anfallenden Kosten betrifft. Aber man will Bestehendes so rasch als
möglich stilllegen. Eines könnte man jedoch durchaus wissen, wenn man
die Fakten etwas sorgfältiger und realistischer einzuschätzen bereit wäre: Das
Hochlohnland Schweiz kann für sehr viele Firmen nur dann ein Produktionsstandort
bleiben, wenn es diesen Betrieben relativ günstige Energiekosten garantieren
kann. Das gilt insbesondere auch für die Energie-intensiven Forschungszentren
der grossen Konzerne.
Ob der ›Fall Merck‹ die Leute, zumindest einige politisch Verantwortliche, aus ihren
unrealistischen Träumen wachzurütteln vermag? Ob insbesondere jene ›auf die Welt kommen‹, für die die Stromversorgung bis
heute einfach an der Steckdose beginnt? Ob auch jene durchgeschüttelt werden,
welche in unserem Land den Glauben zu verbreiten suchen, es lasse sich in der
Schweiz, wenn Produktionsbetriebe weniger Arbeitsplätze anbieten könnten, auch
vom ›staatlich garantierten
Mindestlohn‹ von Fr. 2.500.– recht
gut leben, wodurch sie glauben, sich davon dispensieren zu können, denjenigen,
die hier eine wertschöpfende Leistung für Arbeit und Wohlstand erbringen, Rahmenbedingungen
der Art zu bieten, dass sie hier in der Schweiz bleiben und eben nicht anderswo
produzieren und forschen.
An der
Frage gesicherter und kostengünstiger Energieversorgung wird sich entscheiden,
ob die Schweiz ein Hochlohnland bleiben kann. [1]
[1] Der aktuelle Freitags-Kommentar der
«Schweizerzeit» vom 4. Mai 2012
http://www.schweizerzeit.ch/cms/index.php?page=/News/Die_Schweiz_und_ihre_Forschungsplaetze-590
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