Nicht alle sitzen im gleichen Boot - Von Christoph Mörgeli

Heutzutage heissen Geheimnisverletzungen vornehm «Quellen».

Gleich zwei Informanten spielten neulich Zapfsäule für die Sonntagszeitung: Aus dem Bankrat sickerte durch, die Revisorin KPMG sei bei den Geschäftskonten von Kashya Hildebrand, Ehefrau des Ex-Nationalbankpräsidenten, auf keine weiteren heiklen Transaktionen gestossen. Der zweite Schwätzer aus dem Hildebrand-Umfeld bestätigte, Kashyas Konten seien unproblematisch. Es wurden nur jene Devisen- und Vermögensdeals geprüft, die 100.000 Franken übersteigen. Seltsam. Bei Philipp Hildebrand veröffentlichte die KPMG Summen, die weit tiefer lagen. Die Begründung stinkt zum Himmel: Sonst hätte es ordnerweise Belege zu prüfen gegeben. Dann wären wir noch monatelang mit dieser Affäre beschäftigt gewesen. Sorry, aber ein erfahrener Prüfer ackert sich problemlos durch einige Ordner – und zwar innert Tagesfrist. Und er würde die folgenden Daten auflisten, deren Zeitpunkt Rückschlüsse auf Interventionen der Nationalbank ermöglichte: das Gesamtvolumen der Devisen- und Wertschriftentransaktionen im fraglichen Zeitraum. Die Anzahl der Transaktionen in Cash und in Devisenderivaten. Das Gesamtvolumen dieser Derivate. Gerade bei Termingeschäften, die eine erhebliche Hebelwirkung entfalten, macht die Begrenzung auf 100.000 Franken pro Transaktion keinen Sinn. Wenn die KPMG nicht genau diese Zahlen liefert, muss der Bankrat den Revisionsbericht zurückweisen. Denn alles andere wäre unprofessionell und käme einer Untersuchungsverweigerung gleich. Wer bei uns eine Bank gründen will, muss der Finanzmarktaufsicht auf fünf Jahre zurück sämtliche Bankunterlagen, Börsengeschäfte und Kreditkartenauszüge einreichen. Da findet offenbar keiner diese ordnerweisen Belege unzumutbar.

Früher ging es noch anders zur Sache. Bundesrat Adolf Ogi forderte im Fall von Ex-Oberst Friedrich Nyffenegger eine rasche lückenlose Aufklärung ohne Rücksicht auf Personen. SP und Grüne verlangten eine PUK. Generalstabschef Arthur Liener trat zurück. Nyffenegger hatte einige CD-ROMs verlaueret. Er erhielt sechs Monate Abstrafung. Philipp Hildebrand erhielt eine Million Franken Abfindung. Den Grossen ergeht’s besser als den Kleinen. Die Hildebrands steuern eben eine schnittige Jacht. Fritz Nyffenegger segelte bloss in einem Böötli über den Thunersee.

 
Zur Frage der Gemeindefusion

Klein aber fein: Lob den Gemeinden - Von Patrick Freudiger

Gemeinden haben es heute nicht einfach: Die Vorgaben von Bund und Kantonen nehmen zu, ausgebaute Beschwerdemöglichkeiten fordern von Gemeinden viel juristischen Sachverstand und gleichzeitig nimmt die Attraktivität von politischen Ämtern auf Gemeindeebene ab. Die Schwierigkeiten schlagen sich in der abnehmenden Anzahl von Gemeinden nieder: 1990 zählte die Schweiz 3021 Gemeinden, im Jahr 2000 noch 2899. Am 1. Januar 2011 gab es noch 2551 Gemeinden. Zwischen den beiden letzten Volkszählungen 2000 und 2010 verschwanden ganze 312 Gemeinden oder durchschnittlich 30 pro Jahr. In Erinnerung bleibt namentlich der Fall Glarus, wo per Federstrich die bisherigen 25 Gemeinden zu 3 Gross-Körperschaften zwangsfusioniert wurden. Nicht selten werden Gemeindefusionsprojekte noch zusätzlich von oben gefördert. Ein Kanton kann eben einfacher regieren, wenn er mit weniger Gemeinden verhandeln muss. Im Kanton Bern z.B. sollten mit finanziellen Anreizen die bestehenden knapp 400 Gemeinden auf 300 reduziert werden. Das amtlich alimentierte Fusionsfieber wollte indes nicht so recht Wirkung entfalten. Nach wie vor zählt der Kanton Bern 382 Gemeinden. Das Kantonsparlament setzte deshalb kürzlich nach: In Zukunft soll der Kanton unter bestimmten Umständen Gemeinden auch gegen ihren Willen zwangsfusionieren können: Zwangs-Ehen für Gemeinden also. Wo nicht gleich solches Scharia-Gemeinderecht zum Zug kommt, droht Berner Gemeinden ein Autonomieverlust durch regionale Zwangskörperschaften, sogenannten Regionalkonferenzen, die gegen den Willen einzelner Gemeinden errichtet werden können. Ein Austritt ist unmöglich. Das Muster für die gemeindeübergreifende Aufgabenerfüllung ist bekannt: Politiker verkünden die Binsenwahrheit, dass es gewisse Aufgaben gebe, welche eine Gemeinde nicht selbst erledigen könne. Das Problem hierbei ist das, was nicht gesagt wird: Dass nämlich nicht nur die Gemeinden entscheiden, welche Aufgaben sie angeblich nicht mehr selbst lösen können. So kann der Kanton den Regionalkonferenzen durch Gesetz jederzeit neue Kompetenzen zu Lasten der Gemeinden übertragen, sei es in Bereichen Ortsplanung, Bildung, Soziales oder Kultur. Schutzmechanismen zu Gunsten der Gemeindeautonomie bestehen nicht. So werden im Kanton Bern seit Jahren Infrastrukturen zentralisiert, ob Poststellen, öffentlicher Verkehr, Gesundheitsversorgung, Gerichte oder Verwaltungsbehörden: Verlierer sind die kleinen Landgemeinden. Die Regionalkonferenz leistet dieser Zentralisierung Vorschub, wie ein Blick auf die bereits bestehende Regionalkonferenz Bern-Mittelland zeigt. Vertreter aus Kleingemeinden beklagen sich, dass mit der Regionalplanung die wirtschaftliche Entwicklung (Ansiedelung von Unternehmen, Verkehrsverbindungen) einseitig in die Zentren gelenkt wird. Gleichzeitig werden aber für alle die Gemeindebeiträge erhöht.

Die Regionalkonferenz hat gravierende strukturelle Mängel: Die Geschäftsleitung, die Regierung der Körperschaft, wird nicht durch das Volk gewählt. In der Konferenz fehlen zudem wichtige regionale Unternehmen. Nun sind autonome und selbstverantwortliche Gemeinden weder Prinzipienreiterei noch Werte von gestern. Mit ihnen stellt und fällt die Freiheit im ganzen Staat. Der bekannte Schweizer Historiker Adolf Gasser hat es treffend formuliert: »Gemeinschaft in der Freiheit ist nur dort wahrhaft lebensfähig, wo eine Organisation ein übersichtliches Gebilde darstellt, wo man einander persönlich kennt und sich gewohnt ist, die Menschen und die selbstgewählten Behördemitglieder nicht allein nach ihrer Parteizugehörigkeit, sondern vorab nach ihren Fähigkeiten und mehr noch nach ihrem Charakter zu beurteilen. Eine solche lebendige Bürgerschule, in der täglich verschiedene Auffassungen und Sonderinteressen miteinander um einen vernünftigen Ausgleich ringen müssen, ist immer nur in der freien kommunalen Selbstverwaltung gegeben«. 

 
Blick auf Italien
Es sollte als gegeben angenommen werden, dass einschneidenden Schritten jeweils grundlegende Planungen vorausgehen, die nicht das Mindeste mit dem jeweils argwöhnisch betrachteten Begriff Verschwörung zu tun haben. So ist dem Aufruf von Liliana Gorini, der Vorsitzenden des Movimento Solidarietàder durchaus interessante Fakt zu entnehmen, dass Mario Montis Sparpakete und seine Liberalisierungen Teil eines Britannia-II-Planes sind, der nach dem Vorbild des Ausverkaufs der italienischen Staatsindustrien und nationalen Banken im Kontext der Schaffung von Finanzmärkten in Italien 1992 bei einem Geheimtreffen auf der Jacht der britischen Königin Elizabeth II. vor der Küste von Civitavecchia beschlossen worden war. An diesem hatte auch der jetzige EZB-Chef Mario Draghi teilgenommen. Dies gab Claudio Giudici, Vorsitzender des Taxifahrerverbandes Uritaxi in der Toskana und führendes Mitglied von Movisol in verschiedenen Interviews im nationalen Fernsehen bekannt. »Dieser Plan zielt darauf ab, alles zu verramschen, was von den nationalen wirtschaftlichen Werten noch übrig ist, so dass eine wirkliche Erholung der Wirtschaft unmöglich wird.« Corrado Passera, seit November 2011 neuer italienischer Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Infrastruktur und Verkehr, gab dies in Davos auch offen zu, als er den versammelten Bankiers versicherte, Italien werde bis 2014 selbst dann einen ausgeglichenen Haushalt erreichen, »wenn es sich in einer vollen Rezession befindet.«   

Passera hatte darüber hinaus kundgetan, dass es kaum eine Regierung geschafft hätte, in nur drei Monaten soviel zu tun. Er hat recht: Sie hat es geschafft, den Benzinpreis auf 1,80 € zu steigern, die Taxifahrer, die kleinen Läden, die Lastwagenfahrer und Fischer zu ruinieren, kleine Unternehmer in den Selbstmord zu treiben, weil sie von den Banken keinen Kredit mehr bekommen, und, als Folge der Streiks, die Supermärkte und allgemeinen Märkte zu leeren. Und jetzt plant sie eine Arbeitsreform, die u.a. die Beseitigung der automatischen Anpassung der Löhne an die Steigerung der Lebenshaltungskosten vorsieht und behauptet, dafür gebe es nicht genug Ressourcen. Das sind wirklich beispiellose Resultate. Es gibt also keine Mittel für die Anpassung der Löhne an die Lebenshaltungskosten, aber mit Sicherheit sind stets Mittel vorhanden, um die Banken und die Spekulanten zu retten. Und es war sicher kein Zufall, dass Monti als allererstes zur Londoner City pilgerte, um sich dort das Vertrauen jener spekulativen Märkte zu verdienen, welche die grosse Differenz zwischen den Zinsen für italienische Staatsanleihen und deutschen Bundesanleihen provoziert haben und nicht nur die italienische Wirtschaft ruinieren, sondern auch die transatlantische. Um den Euro zu verteidigen, erwürgen sie überall in Europa die Realwirtschaft, wovor der US-Ökonom Lyndon LaRouche immer wieder gewarnt hat. LaRouche  hatte die gegenwärtige Krise schon in den neunziger Jahren vorhergesagt.

Wie kommt es, fragt Gorini, dass die Regierung des früheren Goldman-Sachs-Direktors Monti keine Massnahmen gegen die Finanzspekulation plant? Wie kommt es, dass die EZB sich schon mehrfach gegen ein Trennbankensystem nach dem Vorbild des berühmten Glass-Steagall-Gesetzes ausgesprochen hat? Dieses hatte Roosevelt 1933 durchgesetzt, um der Macht der grossen Finanziers der Wall Street und der Londoner City eine Grenze zu setzen. Wie kommt es, dass die Parteien, die die Regierung Monti unterstützen  - PdL, UDC und PD -  »mehr Befugnisse für die EZB« fordern und diese diktatorische Regierung im Stile Brünings unterstützen, anstatt die berechtigten Forderungen der Demonstranten? Die italienische Solidaritäts-Bewegung Movimento Solidarietà unterstützt daher die berechtigten Forderungen der Taxifahrer, Lastwagenfahrer, Fischer und aller Gewerkschaften, die gegen dieses ungerechte Sparpaket kämpfen und schlägt vor, auf der Grundlage einer gemeinsamen Protestfront folgende Programmpunkte zu bilden:

1. Die sofortige internationale Einführung des Glass-Steagall-Gesetzes, also eines Trennbankensystems, wie es die Abgeordnete Marcy Kaptur im US-Kongress beantragt hat. Die Trennung der Banksparten würde dem Bankensystem die unbegrenzten Garantien entziehen, die die Regierung ihm gegeben hat, und den spekulativen Sektor seinem Schicksal überlassen. Das würde den ständigen Rettungs- und Sparpaketen ein Ende setzen und Ressourcen für Investitionen freisetzen. Präsident Obama ist zwar gegen ein Trennbankensystem, aber Italien muss sich energisch dafür einsetzen und damit drohen, es zur Not auch alleine einzuführen. Derivate, Leerverkäufe, CDS etc. sollten nicht besteuert, sondern verboten werden, und die Banken müssen wieder Kredite an Industrie, Landwirtschaft und die Realwirtschaft vergeben.  

2. Einen Plan für den Ausstieg aus dem Euro und die Rückkehr zu einer nationalen Währung, wie er in Deutschland und Frankreich bereits existiert. Niemand kann uns zwingen, für den Euro zu sterben. Die argentinische Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner hat demonstriert, dass es ein Leben nach dem Weltwährungsfonds und seinen Konditionen gibt: Im Gegensatz zu Europa hat Argentinien ein Wirtschaftswachstum von 7 %.

3. Grosse Infrastrukturprojekte wie NAWAPA, die Eurasische Landbrücke und das Transaqua-Projket 1, welche die reale Wirtschaft und Beschäftigung wieder in Gang bringen.  

4. Einen Marshall-Plan zur Entwicklung des Mittelmeerraums; ferner die Rückkehr zur Politik Enrico Matteis, direkte Beziehungen zu den ölexportierenden Ländern aufzubauen, um den Ölpreis, der durch die Spekulationen auf dem Spotmarkt und die Steuern auf Treibstoffe in die Höhe getrieben wurde, zu reduzieren.  

Wie Friedrich Schiller in seinem Drama Wilhelm Tell sagt: »Eine Grenze hat Tyrannenmacht«. Es ist Zeit, der Diktatur der EZB in Italien ein Ende zu setzen.


Quelle: http://www.bueso.de/node/5380    31. 1. 12 -  auszugsweise
Liliana Gorini, die Vorsitzende des Movimento Solidarietà, des italienischen Arms der LaRouche-Bewegung, veröffentlichte ihren Aufruf am 27. Januar

http://bueso.de/news/transaqua-projekt-afrikas-zukunft-im-21-jahrhundert  14. 9. 2010  Das Transaqua-Projekt: Afrikas Zukunft im 21. Jahrhundert