Bilanz der Europäischen Zentralbank vor dem Bersten 01.04.2012 22:09
Der ehemalige Chefökonom der EZB, Jürgen Stark, der Ende 2011 sein Amt aufgab und der als wichtiger Gegner
der hyperinflationären
Politik der EZB bekannt ist, sorgte mit seinen Angriffen auf die Europäische
Zentralbank - dies einen Tag vor deren
monatlicher Pressekonferenz am 8.3. -
erneut für Schlagzeilen. In seinem Vortrag vor Versicherungen und damit
verbundenen Finanzinstituten erklärte er, die Bilanz des Eurosystems sei nicht nur
von der Dimension her gigantisch, sondern auch von der Qualität her
erschreckend, womit er sich auf die minderwertigen Papiere bezog, welche die
EZB als Sicherheit von den Banken akzeptiert. Die grenzenlose Vergabe von
Geldmitteln während der vergangenen drei Jahre - besonders die beiden
spektakulären Programme vom Dezember 2011 und Januar 2012 im Gesamtvolumen von
über 1 Billion € und einer Laufzeit von drei Jahren - habe die Bilanz der EZB
auf nicht weniger als 3 Billionen € in die Höhe getrieben. Starks Äußerungen
sorgten auf der Pressekonferenz der EZB für Unruhe, doch deren Chef Mario Draghi
behauptete ausweichend, die Zentralbank habe ›im öffentlichen Interesse‹
gehandelt, deshalb sollten die Regierungen der Eurozone der EZB bei der
Konsolidierung ihrer Bilanz nun helfen; das bedeutet, daß er für die EZB ein Rettungsprogramm mit Hilfe von Steuergeldern
will. Auf Nachfrage wollte Mario Draghi
einen weiteren Megakredit der EZB für die Banken nicht ausschließen. Zwei Tage
zuvor hatte der Präsident der Bundesbank, Jens Weidmann, warnend auf das als ›Target 2‹ bekannte Zahlungssystem der EZB hingewiesen, durch das die
Bundesbank Forderungen von 547 Mrd. € gegenüber dem Rest des Eurosystems
angehäuft hat, darunter die höchst defizitären Zentralbanken von Griechenland,
Irland und Portugal, aber auch Frankreich und Italien. Da dieser Betrag genauso
wie die riesigen Bankenrettungsprogramme der EZB angesichts der Lage in diesen
Ländern als weitgehend nicht rückzahlbar einzustufen sei, verlangte
Weidmann Maßnahmen, um deutsche Interessen vor der Gefahr einer Hyperinflation
zu schützen und eine Rolle Deutschlands als ›finanzieller Retter letzter Instanz‹ für den Rest der Eurozone zu verhindern. [1]
EZB,
Fiskalpakt und ESM bringen Europa um
Während
die Realwirtschaft der gesamten Eurozone als Resultat der von der EU
aufgezwungenen Brüning-artigen Sparpolitik schrumpft, wird der spekulative
Finanzsektor von der EZB mit Geld überschwemmt. Die EZB akzeptiert jetzt für
ihre Kredite mit dreijähriger Laufzeit als BBB eingestufte Sicherheiten, das ist
nur noch eine Stufe über der ›Ramsch‹-Kategorie. Diese
gigantische Geldzufuhr hat in der Schuldenkrise der Eurozone zu einer
zeitweiligen Atempause geführt, da die Banken einen Teil des Geldes zum Kauf
von Staatsanleihen verwendet haben. Doch die Atempause ist nur vorübergehend,
und die EZB bereitet schon die nächste Geldspritze vor. Auf der obengenannten Pressekonferenz
hatte Draghi erklärt, die Regeln für Sicherheiten könnten ›viel freier‹ gehandhabt werden, um so darauf
hinzuweisen, daß es für finanzielle Abschöpfungs-Programme zugunsten der Banken
keine Grenzen gibt. Gleichzeitig sollen die Länder der Eurozone im Mai die
Prozeduren für die Ratifizierung des Fiskalpakts sowie des ESM (Europäischer
Stabilisierungsmechanismus), des neuen Rettungsfonds zugunsten der Banken,
abschließen. Es handelt sich dabei um eine bisher nicht dagewesene Kombination
aus drastischer Austeritätspolitik, Versklavung von Schuldnerländern und
Zerstörung von Verfassungsrechten. Eine derartige Monstrosität hat es
in der Geschichte bisher nicht gegeben, von Bedingungen, die einem im Krieg besiegten
Land auferlegt wurden, abgesehen. Während der Fiskalpakt den nationalen
Parlamenten das Haushaltsrecht nehmen wird, wird der ESM darüber hinaus noch
eine Neuheit einführen: völlige Immunität für seinen Stab und Weisungsrecht
gegenüber nationalen Regierungen. Damit würde ein über dem Gesetz stehendes
Gremium über die Verwaltung eines Fonds entscheiden, der bis zum Zehnfachen auf
6,2 Bio. Euro ›gehebelt‹ werden kann. Der
FDP-Finanzexperte Frank Schäffler warnte am 16. 3. vor den hyperinflationären
Folgen eines solchen Schrittes. Um die beiden Verträge zu ratifizieren, müssen
die Länder der Eurozone jedoch erst eine Änderung von Artikel 136 des
Europäischen Vertrags bestätigen, um eine Ausnahme von der Regelung zu
gestatten, die es verbietet, daß Staaten das Defizit anderer Staaten
finanzieren.
Ein
so gewaltiger
Transfer von Verfassungsbefugnissen bedeutet für die meisten Länder
eine Verfassungsänderung, die durch eine Volksabstimmung bestätigt werden muß.
Dies besagt u.a. auch das entsprechende Urteil des deutschen
Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2011. Deshalb müssen die nationalen
Parlamente und die öffentliche Meinung mobil machen, um Fiskalpakt und ESM zu stoppen,
bevor
die EU-Oligarchie die Nationen Europas völlig ruiniert. Wie verrückt
und blind die EU-Führung ist, zeigte vor kurzem wieder EZB-Chef Draghi in
seiner Antwort auf eine Frage, ob die EZB an Plänen für den Fall des Austritts
eines Landes aus dem Euro arbeite, der ja jetzt nicht mehr auszuschließen ist.
Draghi: »Wir haben keinen Plan B. Ich habe es oft gesagt: Wenn man einen
Plan B hat, bedeutet das, die Niederlage einzugestehen, und wir wollen keine
Niederlage. Für mich ist das gleichbedeutend damit, sich eine Realität
vorzustellen, die jenseits des Vertrages liegt. Der EZB-Stab kennt sich mit
Risikomanagement aus, aber das ist keine Möglichkeit, mit der wir uns befassen.« Wer würde mit einem Schiff reisen, das keine Rettungsboote hat,
weil der Kapitän es für unsinkbar erklärt? Oder noch schlimmer, weil der
Kapitän sagt, Rettungsboote würden ein ›falsches Signal‹ setzen? Das ist genau die Mentalität, die bekämpft werden muß:
eine Titanic, die ohne Rettungsboote auf den Eisberg zusteuert. [2]
Tremonti: Trennbankensystem statt des verrückten ›Madoff-Systems‹ der EZB
Seit
mehreren Wochen wirbt der frühere italienische Wirtschaftsminister Giulio Tremonti
in Fernsehinterviews und bei der Vorstellung seines neuen Buches ›Notausgang‹ für eine
Glass-Steagall-Reform des Bankensystems. Im Fernsehsender Class CNBC sagte er
am 15. 3., die Refinanzierungsoperation (LTRO) der EZB, wodurch die Banken 1
Bio. (!) Euro zu 1 % Zinsen erhielten, sei ein Fehlschlag. »Die Krise ist nicht vorbei, alle Faktoren, die sie verursachten,
bleiben weiter vorhanden, und wir befinden uns lediglich in einer Phase der
Waffenruhe.« Die Zinsen auf italienische Staatsanleihen seien auf 3 % gefallen,
aber das sei immer noch weit mehr als vor zwei Jahren bei 1,2 %. »Die Lage ist keineswegs zur Normalität zurückgekehrt, wenn man
bedenkt, daß dies die Folge davon ist, daß die EZB eine Billion Liquidität
kostenlos liefert. Die Panzerfaust der EZB hilft nicht gegen das Krisenmonster.« Tremonti legte ferner dar: »Die EZB ähnelt
zunehmend einem Hedgefonds mit Sicherheiten ohne hohe Qualität.« In einer Buchvorstellung an der Lateran-Universität im Vatikan am
13. 3. warnte er davor, in Europa
das soziale Netz aufzugeben. »Man muß die Derivate,
diese teuflische Erfindung der jüngeren Zeit, verbieten. Heute hat eine
internationale Großbank im Durchschnitt eine Milliarde an Derivatkontrakten.
Nicht eine Milliarde investiert, sondern eine Milliarde Geschäfte.« In den Spätnachrichten von Rai
Tre am 15. 3. beschrieb Tremonti das Trennbankensystem als ›Notausgang‹ aus der Krise. »Das hängt nicht an einer einzelnen Regierung, an einem einzelnen
Land.... Der Notausgang ist einfach das, was 1933 nach der großen Krise Roosevelt
und andere auf ähnliche Weise in anderen Ländern getan haben: die
Banken zu trennen. Es ist eine Sache, produktive Aktivitäten zu
betreiben, Kredite an Unternehmen, Familienhaushalte, Gemeinden zu vergeben, spekulieren
jedoch ist eine andere. Gegenwärtig bürden die Banken uns allen die Kosten der
Verluste im Kasino und aus ihren Wetten auf. Was in der USA über die FED und in
Europa über die EZB geschieht, entspricht genau dem SINDONA-System [des
berüchtigten Mafia-Finanziers Michele Sindona] oder dem MADOFF-System. Das heißt,
daß man sagt, ich drucke Geld, gebe es den Banken, und die Banken sanieren sich
auf Kosten der Allgemeinheit.«
Jacques
Cheminade stellt in Frankreich die weithin unterstützte Forderung nach einem
Trennbankensystem in den Mittelpunkt seines Wahlkampfes; in Italien rechnet man
mit einer baldigen Initiative dazu in der Abgeordnetenkammer, ähnlich der
Resolution, die am 25. 1. in den Senat eingebracht wurde. In Deutschland wagt
sich die Regierung von Angela Merkel nicht so recht an die Frage der
Bankentrennung heran, ihre Partei hat aber eine Arbeitsgruppe zu dem Thema
eingerichtet, die vom finanzpolitischen Sprecher der CDU Klaus-Peter Flosbach
geleitet wird. Bei der Bankentrennung
geht es gerade darum, den spekulativen Sektor - auch durch Insolvenzen - zu
bereinigen, ohne daß die davon getrennten, staatlich geschützten
Geschäftsbanken betroffen sind. In der USA hat die Regierung Obama Anfang März
die Wiederinkraftsetzung des Glass-Steagall-Gesetzes offiziell abgelehnt. Da aber
eine Petition auf der Webseite des Weißen Hauses, die seit September 24.000
Unterschriften erhielt, die Wiederinkraftsetzung forderte, mußte die Regierung
antworten. Sie behauptet, Obamas ›Wallstreet-Reform‹ sei umfassender als Glass-Steagall gewesen. Wallstreet- Banker selbst geben
jedoch zu, daß ihnen diese Reform in keiner Weise schade. In Japan
setzte sich jüngst ein früherer Spitzenvertreter des Finanzministeriums und
ehemaliger japanischer Repräsentant beim IWF, Daisuke Kotegawa, für die Bankentrennung
ein. In einem Beitrag des ›Canon Institute for Global Studies‹, an dem er jetzt als Forschungsdirektor
tätig ist, bezeichnete er die Außerkraftsetzung von Glass-Steagall als ›den strukturellen Hauptgrund der Finanzblase in der USA und Europa
2002-07‹. Die falsche Reaktion von Politikern und Vertretern der
Banken in London und New York auf den Finanzkollaps 2008 habe wesentlich zur
Verschärfung der globalen Krise beigetragen, so Kotegawa. Er verglich dies mit
seiner Reaktion auf eine ähnliche Krise in Japan 1999, als er Direktor der
Wertpapierabteilung des Finanzministeriums war. Zunächst sorgte er für die
Abwicklung der das Ausland betreffenden Transaktionen der gescheiterten Firmen,
dann ließ er Japan die Kosten der Liquidation auffangen, statt den Rest der
Welt die Krise bezahlen zu lassen, brachte aber auch einige Banker ins
Gefängnis. Sein wiederholter Ratschlag an die USA und London, die
kriminellen Banker einzusperren, werde ignoriert. [3]
Quellen:
[1] Strategic Alert Jahrg. 25, Nr. 11 vom 14. März 2012
[2] Strategic Alert Jahrg. 25, Nr. 12 vom 21. März 2012
[3] Strategic Alert Jahrg. 25, Nr. 13 vom 28. März 2012
|