Mythos und Mahnung - 60 Jahre nach der atomaren Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki: Es wird immer schwieriger, zwischen Fakten und Fiktion zu trennen - von Josef Oberländer

Immer mehr setzt sich die Washingtoner Sicht durch, nach der die Atombombe den Zweiten Weltkrieg in Asien beendet hat. Der japanische Mythos, unschuldig Opfer der Bombe geworden zu sein, nährt sich davon. In Peking und Seoul werden die Bombenabwürfe hingegen als Symbol der Befreiung gesehen. Das ist einer unvoreingenommenen Aufarbeitung der gemeinsamen Geschichte nicht unbedingt dienlich. Die Überlebenden von Hiroshima und Nagasaki sitzen derweil zwischen allen Stühlen - noch sind sie am Leben und stellen sich gegen die nukleare Aufrüstung der Region.

»Hoffentlich sehe ich nicht genauso aus! Das war mein erster Gedanke, als ich die anderen Opfer sah, denen die Haut in Fetzen vom Leib hing«, sagt Kim Il Jo. Die nach Japan zwangsverpflichtete Koreanerin war 18, als die Bombe auf Hiroshima fiel. »Am Montag, den 6. August gab es morgens zuerst Luftalarm, danach Entwarnung«, erinnert sich Kim Il Jo. Dann warf die »Enola Gay«, ein B-29-»Superfortress«-Bomber der US-Luftwaffe, die Atombombe mit dem zynischen Namen »Little Boy« über der Stadt ab. »Um 8.15 Uhr sahen wir zuerst dieses gleißende Licht, dann hörten wir einen Knall und es wurde dunkel. Alles brach zusammen. Die meisten Koreaner lebten in Holzhütten«, erzählt Kim Il Jo. »Meine Mutter hatte einen Schädelbruch. Ich packte meine Geschwister und wir rannten zu einem Militärgelände, auf dem wir sicher zu sein schienen.«

Daß rund zehn Prozent der Opfer der Atombomben von Hiroshima und Nagasaki koreanischer Herkunft waren, ist in Japan und Korea gleichermaßen weitgehend unbekannt. Kim Il Jo wurde 1944 zur Arbeit in einer Fabrik des Militärs zwangsverpflichtet. Ihre Eltern wollten sie schnell verheiraten, um zu verhindern, daß sie in einen weit entfernten Ort versetzt wird. Deshalb blieb Kim Il Jo in Hiroshima. Im Oktober 1945 ging sie mit ihrem Mann nach Südkorea. »Es gab Gerüchte, daß die Japaner alle Koreaner umbringen wollten, die bleiben.« In Korea hatte sie keine Hilfe zu erwarten. Die Überlebenden der Atombomben wurden erbarmungslos ausgegrenzt. Mancherorts hielt man sie für Leprakranke. Zudem galt Hiroshima als Symbol der Befreiung. Wer aus Japan zurückkehrte, stand unter Verdacht, mit den verhaßten Kolonialherren zusammengearbeitet zu haben. Heute lebt Kim Il Jo in einem Altersheim, das mit japanischem Geld in Hapcheon gebaut worden ist, einer armen Bergregion im Norden von Pusan, aus der die meisten südkoreanischen Atombombenopfer stammen.

»Ich war drei Tage tot«
»Was ist das?«, dachte Matsuyama Tadahiro, als er das näherkommende Flugzeug etwas abwerfen sah. Dann wurde er vom Blitz der Explosion geblendet. »Wo ich nicht durch meine Mütze und mein kurzärmliges Hemd geschützt war, verbrannte meine Haut. Dann wurde es stockfinster. Ich rannte und rannte und plötzlich merkte ich, daß mein Rücken brennt.« Matsuyama Tadahiro war mit 21 im September 1944 zur japanischen Armee zwangsrekrutiert worden und landete bei der 5. Division in Hiroshima. Sein wirklicher Name: Kwak Kwi Hoon, auch er ist koreanischer Herkunft. »Ich wußte nicht, was geschehen war. Zuerst dachte ich, daß jemand in der ganze Stadt Benzin ausgeschüttet habe, das dann durch die Bombe in Brand gesetzt wurde.« Nachdem er drei Tage durch die zerstörte Stadt geirrt war, kam er in einem Armeelazarett unter, das in einer Schule untergebracht war und verlor das Bewußtsein. »Ich war drei Tage tot«, sagt Kwak Kwi Hoon. Am 15. August erfuhr er von der Kapitulation Japans. »Alle haben geweint. Ich vor Freude über die Befreiung und die Japaner, weil sie den Krieg verloren hatten.« Manche warfen sich auf die Erde und schlugen mit Fäusten auf den Boden. Bis dahin hatte Kwak Kwi Hoon seine wahren Gefühle verheimlichen müssen. »Ich konnte ja nicht sagen, was ich denke. Ich mußte japanischer sein als die Japaner. Sonst hätten sie mich umgebracht.« Heute ist Kwak Kwi Hoon Vorsitzender des südkoreanischen Atombombenopferverbands.

»Wir waren selbst Militaristen«
Tsuboi Sunao hätte einer derjenigen sein können, die im Lazarett vor Enttäuschung weinten. Der Generalsekretär des Verbandes der Atombombenopfer von Hiroshima studierte in der Stadt Maschinenbau. »Wir wollten Triebwerke für unsere Kampfflugzeuge entwerfen. Wir lebten damals für den Krieg«, sagt der bis heute von der Bombe gezeichnete Mann. »Damals habe ich auch Hitlers ›Mein Kampf‹ gelesen. Wir fühlten uns dem sehr nahe. Wir waren selbst Militaristen. So sehr ich heute gegen den Krieg bin, so sehr war ich damals auf der Seite der Militaristen.« Als die Bombe fiel, war Tsuboi Sunao auf dem Weg zur Uni. »Die Wucht der Explosion schleuderte mich etwa zehn Meter durch die Luft. Ich wurde fast am ganzen Körper verbrannt, und meine beiden Ohren wurden fast abgerissen. Meine Kleidung hing in Fetzen an mir herunter. Ich verlor das Bewußtsein.« »Als ich wieder zu mir kam, war es so dunkel, daß ich keine 100 Meter weit sehen konnte. Ich rannte zur Universität. Der Campus war voller Leichen, andere atmeten noch schwach oder liefen umher wie Schlafwandler.« In den Stunden nach der Explosion hatte sich die Stadt in ein Flammenmeer verwandelt. »Ich rannte davon, um dem Feuer zu entgehen. Ich brauchte fast zwei Stunden bis zur Miyuki-Brücke. Dort sah ich eine blutüberströmte Schülerin. Ihre Haare waren verbrannt. Ihr rechtes Auge hing herunter. Ein alter Mann, dessen Lunge von einem Stück Holz durchstochen wurde, kämpfte um Luft. Bei jedem Atemzug quoll ein Stück der Lunge aus der Wunde. Ich sah Menschen mit Glassplittern in den Händen und im Haar, Menschen wie ›lebende‹ Geister. Ich war zum Sterben bereit.«

»Ein Militärlastwagen sammelte Verletzte ein. ›Wir nehmen nur junge Männer mit‹, schrie jemand in Uniform vom Lkw herunter. Für Frauen, Kinder und Alte gab es keine Hilfe. ›Es ist Krieg. Nur einsatzfähige junge Männer werden versorgt.‹« Tsuboi Sunao wurde mitgenommen. Der Transport endete im Hafen Ujina, rund vier Kilometer vom Zentrum der Explosion entfernt. Dort traf er einen Kommilitonen, der ihn aufmuntern wollte. »Er sagte: ›He, Tsuboi, das sieht schlimm aus. Aber der Krieg ist noch nicht vorbei. Er hat erst angefangen. Halte durch!‹ Zu diesem Zeitpunkt hatte ich längst aufgegeben. ›Ich habe einen letzten Wunsch. Vernichte den Feind! Tu es für mich‹, sagte ich. Er wollte mich nicht im Stich lassen und trug mich bis zum Bootsanleger. Von dort setzten wir nach Ninoshima über, wo sich ein Feldlazarett befand.« Tsuboi Sunao fiel für 40 Tage ins Koma. Daß der Krieg zu Ende war, erfuhr er erst später.

»Little Boy« tötete bis Dezember 1945 zwischen 140000 und 150000 Menschen. Am 9. August 1945 warfen die USA die zweite Atombombe, »Fat Man«, auf Nagasaki. Hier starben 70000 bis 80000 Menschen bis zum Ende des Jahres. Die Zahl derjenigen, die unter den Spätfolgen der atomaren Verseuchung zu leiden hatten, wird auf bis zu 350’000 in Hiroshima und 270’000 in Nagasaki geschätzt. Am 15. August 1945 kapitulierte Japan.

Die Sowjetunion im Hintergrund
»Washington glaubt seitdem, daß die Atombombe Japan zur Aufgabe gezwungen hat«, schreibt der Historiker Herbert P. Bix. »Aber der Faktor Sowjetunion hatte in den Augen des Kaisers und der meisten militärischen Führer ein größeres Gewicht. Eine Kapitulation vor der Sowjetunion hätte mit Sicherheit das Ende der Monarchie bedeutet. Die Potsdamer Erklärung, deren Unterzeichnung durch Stalin der damalige US-Präsident Harry Truman absichtsvoll verhindert hatte, bot dagegen eine geringe Chance zu ihrem Erhalt.« In dieser Erklärung vom 26. Juli 1945, am Rande der Potsdamer Konferenz verfaßt, forderten Großbritannien, China und die USA Japan dazu auf, bedingungslos zu kapitulieren. Andernfalls stehe dem Land die »sofortige und totale Vernichtung« bevor. Japans Kaiser Hirohito lehnte die Forderungen ab. Das Ultimatum enthielt keine Andeutung, daß der Einsatz einer neuen Waffe von bis dahin unvorstellbarer Wirkung bevorstand.

Die Sowjetunion wurde über die Potsdamer Erklärung erst nach ihrer Veröffentlichung informiert. US-Außenminister James Byrnes begründete dieses unter Verbündeten ungewöhnliche Vorgehen damit, daß »wir die Lage der Sowjetunion nicht komplizieren wollten, indem wir ihr eine Erklärung zuleiteten, die ein Land betraf, mit dem sie sich noch nicht im Kriegszustand befand.« Daß sich die Sowjetunion auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 zu einem Kriegseintritt bereit erklärt hatte, überging Byrnes dabei geflissentlich.
Zwei Tage nach dem Abwurf der Bombe auf Hiroshima kam die Sowjetunion ihren in Jalta übernommenen Pflichten nach und erklärte Japan den Krieg. In der US-Sicht der Atombombenabwürfe wird gerne ausgeblendet, daß die Rote Armee am 9. August eine gemeinsame Offensive mit der chinesischen Volksbefreiungsarmee begann, die noch im selben Monat mit der totalen Niederlage der japanischen Besatzer in China, Korea, auf Südsachalin und den Kurilen endete. Der Einsatz der Atombombe habe Kaiser Hirohito die Möglichkeit gegeben, bei der Kapitulation sein Gesicht zu wahren, schreibt Bix, dessen Biographie Hirohitos zum Standardwerk avanciert ist. »Hätte er angesichts des russischen Vordringens und des nahezu erschöpften Potentials für hinhaltenden Widerstand nicht unmittelbar gehandelt, wäre die Monarchie, die er mit dem Staat gleichsetzte, vernichtet worden.« Als er sein Volk am 15. August dazu aufforderte, »das Untragbare zu ertragen«, sei es ihm in erster Linie darum gegangen, seinen Thron durch einen »ehrenvollen« Frieden zu sichern. Mit Erfolg: Japans Kaiser wurde für den Krieg nie zur Rechenschaft gezogen.

»Friedensfürst« Hirohito
Hirohito konnte sich als Friedensfürst gerieren, der sein persönliches Schicksal in die Hände der verhaßten US-Amerikaner legte, um seinem Volk weiteres Leid zu ersparen. »Das Problem des historischen Bewußtseins, das die Beziehungen Japans mit seinen Nachbarländern heute belastet, begann mit der Kapitulationserklärung des Kaisers«, konstatiert Bix. »Indem sie die japanische Bevölkerung dazu drängte, sich der neuen Situation anzupassen, ließ sie keinen Platz dafür, die Verantwortung ihrer Führer für die Unterdrückung der Meinungsfreiheit und den rücksichtslosen Krieg klarzumachen.« Aus »egoistischen Motiven heraus« hätten Truman und der alliierte Oberkommandierende in Japan, Douglas McArthur, Hirohito und andere Institutionen, die den Krieg befürwortet hatten, mit Nachsicht behandelt. Im Gegenzug habe die japanische Seite nie eine Entschuldigung oder ein Zeichen von Reue für Hiroshima und Nagasaki gefordert.

Die Bombe als Lebensretter?
»Was wir getan haben, war genau das, was wir unter den gegebenen Umständen tun mußten.« Damit gab der US-Kriegsveteran Frederick Ashworth in einem Interview mit dem US-Nachrichtenmagazin TIME vom 1. August 2005 den offiziellen Standpunkt Washingtons wieder. Ashworth war Waffenexperte auf der B-29 mit Namen »Bockscar«, die am 9. August 1945 die Atombombe »Fat Man« auf Nagasaki warf. »Es war ein wesentlicher Beitrag zur Beendigung des Krieges, und ich hatte das Glück, daran mitzuwirken.« Auch die direkte Konfrontation mit dem Schrecken der Bombe brachte diese Überzeugung nicht ins Wanken. »Bockscar«-Copilot Charles Albury flog kurz nach Kriegsende mit dem »Enola Gay«-Piloten ein C-54-Transportflugzeug nach Nagasaki. »Ich sah, wie uns die Leute aus den Fenstern ansahen. Ich habe eine Menge Haß in ihren Augen gesehen, aber ich sah auch, wie froh sie waren, daß der Krieg vorbei war«, erinnert sich Albury. »Im Krankenhaus sah ich einen Schatten an der Wand. Offenbar war jemand dort vorbeigegangen, als die Bombe explodierte… Alles, woran ich denken konnte, war, zu hoffen, daß es niemals wieder eine Zeit geben würde, in der wir eine davon einsetzen müssen.«

Der feste Glaube an die Notwendigkeit der Atombombenabwürfe speist sich unter anderem aus den hohen Opferzahlen, die das US-Militär für den Fall einer Invasion der japanischen Hauptinseln angesetzt hatte. Am 15. Juni 1945 kam das gemeinsame Kriegsplanungskomitee (Joint War Plans Committee) des Vereinigten Generalstabs zu dem Schluß, daß bei einem Angriff auf Japan in zwei Phasen rund 40’000 Amerikaner ums Leben kommen würden.
Immer wieder wurde von den USA darauf hingewiesen, wie viele Leben, amerikanische und japanische gleichermaßen, durch den Abwurf der Bomben und die angeblich damit verbundene schnellere Beendigung des Krieges gerettet worden seien. Immer höher wurde dabei die Zahl der so Geretteten. Ende 1945 waren es Truman zufolge bereits 250’000 »der Blüte unserer jungen Männer«, die so am Leben geblieben wären. Im kommenden Jahr erhöhte der US-Präsident seine Angaben auf 300’000, »vielleicht sogar eine halbe Million«, um am 28. April 1959 von »Millionen« Menschen zu sprechen. Dabei stand zu diesem Zeitpunkt eine Invasion der japanischen Hauptinseln gar nicht auf der Tagesordnung. Sie war unter dem Decknamen »Operation Olympic« frühestens für November geplant. Bis dahin, das wußten die US-Militärplaner, wäre allerdings die Rote Armee schon über die nördliche Hauptinsel Hokkaido hinaus nach Süden vorgedrungen.

Stalin zuvorkommen
»Habe gerade ein paar Stunden mit Stalin verbracht«, schrieb Truman am 17. Juli 1945 in sein Tagebuch. »Er wird am 15. August im Krieg gegen Japan dabei sein und die Japsen fertigmachen, wenn es dazu kommt.« Aus der Sicht Trumans war das allerdings nicht im Interesse der USA. Das geht aus dem Eintrag des folgenden Tages hervor: »P.M. (gemeint ist Churchill, d. Verf.) und ich haben allein gegessen. Wir sprachen über Manhattan (den ersten Atomwaffentest der USA am 16. Juli 1945, d. Verf.). Es ist ein Erfolg. Wir beschlossen, Stalin darüber zu unterrichten. Stalin hatte P.M. von einem Telegramm des japanischen Kaisers mit der Bitte um Frieden erzählt. Stalin las mir auch seine Antwort vor. Sie war zufriedenstellend. Ich glaube, die Japaner werden zusammenklappen, bevor Rußland dazukommt. Ich bin mir sicher, daß sie das tun werden, wenn Manhattan über ihrer Heimat erscheint. Ich werde Stalin zu gegebener Zeit darüber informieren.« Truman hatte sich also bereits im Juli dazu entschlossen, die Bombe gegen Japan einzusetzen - um den Krieg vor dem in Jalta zugesagten Eintritt der Sowjetunion zu beenden. Für Japan wurden in Potsdam keine Besatzungszonen festgelegt, was vor diesem Hintergrund nur folgerichtig erscheint.

Heute konzentrieren sich Historiker auf die Versuche Hirohitos, die Sowjetunion als Vermittler für einen Verhandlungsfrieden einzuspannen. Wie aus Trumans Tagebucheintrag hervorgeht, waren den westlichen Verbündeten Stalins diese Bemühungen durchaus bekannt. Japan war sogar zu territorialen Zugeständnissen an die Sowjetunion bereit. Um sich den Rücken freizuhalten, bot Hirohito Stalin die Mandschurei und den Süden von Sachalin an. Die Sowjetunion war aber an Japans letzten Winkelzügen nicht interessiert. Diese Versuche Japans werden oft als Beleg für die Verhandlungsbereitschaft der japanischen Seite herangezogen. Dabei wird vergessen, daß es der japanischen Seite bei diesen Gesprächen in erster Linie darum ging, einen Keil zwischen die Alliierten zu treiben und internationale Garantien für den Fortbestand der kaiserlichen Herrschaft zu erlangen. Die an den Verhandlungen Beteiligten sahen dies als Hinhaltetaktik, mit der die unabwendbare Niederlage Japans hinausgezögert werden sollte. Der sowjetische Botschafter in Japan, Jakob Malik, brach die Gespräche mit dem ehemaligen japanischen Außenminister Hirota Koki im Juli ab. Der japanische Botschafter in Moskau, Sato Naotake, appellierte am 20. Juli an Tokio, die Frage des Fortbestands der kaiserlichen Herrschaft als innere Angelegenheit zu behandeln und nicht weiter als Hindernis für eine Annahme der Potsdamer Erklärung zu sehen. Der Abwurf der Atombombe auf Hiroshima kam für Stalin überraschend. Truman hatte ihn nicht informiert. Ob ihr Einsatz militärisch notwendig war, um Japan zur Kapitulation zu zwingen, bleibt umstritten. Ohne Frage machte sie den Zeitvorteil der Roten Armee bedeutungslos. Japan fiel in die Hände der USA. Nach einer kurzen Säuberungsphase wurden die alten Herrschaftsstrukturen schnell wieder hergestellt.


Mahnung der Opfer
Die Opfer der Atombombeneinsätze klagen bis heute an. Für Tsuboi Sunao steht die Verantwortung des japanischen Kaisers für den Krieg nicht in Frage. Entsprechend heftig kritisiert er den Geschichtsunterricht an den japanischen Schulen. »Der ist wie vor 100 Jahren. Altertümlich!«, erregt er sich. Er fordert aber auch eine Entschuldigung der USA für den Einsatz der Bombe gegen die Zivilbevölkerung. Die Überlebenden der Bomben, die sogenannten »Hibakusha«, sprechen sich konsequent gegen eine weitere Aufrüstung Japans aus, die sich angesichts der aktuellen Spannungen mit Nordkorea abzeichnet.

In Südkorea setzen sich die Überlebenden für eine atomwaffenfreie koreanische Halbinsel ein. »Wir haben den 6. August 1945 nicht vergessen«, heißt es in einer Erklärung des südkoreanischen Opferverbandes. »Man muß an die USA appellieren, daß sie sich ihrer Verantwortung stellen«, sagt Kwak Kwi Hoon. Während die japanische Seite den koreanischen Opfern nach langen gerichtlichen Auseinandersetzungen die medizinischen Behandlungskosten und eine kleine Rente bezahlt, war aus Washington bislang kein Wort des Bedauerns zu hören. Die Vereinigten Staaten auf Entschädigung verklagen will Kwak Kwi Hoon aber nicht, obwohl er sich in Japan bereits das Recht auf medizinische Behandlung und eine Opferrente erkämpfen konnte. Die Erfolgsaussichten seien einfach zu gering: »Die USA sind das einzige Land, das nie für seine Kriegsverbrechen bezahlen mußte.«