Eveline Widmer-Schlumpf und Philipp Hildebrand - Also doch ein Komplott ? Von Ulrich Schlüer

Gemäss geltendem Reglement könne Philipp Hildebrand für seine Devisen-Spekulationen

mit Insider-Wissen strafrechtlich nicht belangt werden. Kein Reglement habe dem obersten Chef der Nationalbank solche Geschäfte ausdrücklich verboten. So verkündet der Bankrat der Nationalbank das Ergebnis der verlangten, bezüglich Hildebrand lückenhaften Untersuchungen und beeilt sich, nachzuschieben, dass das Reglement jetzt zügig geändert werde. Denn Devisen-Spekulationsgeschäfte müssten für den obersten Entscheidungsträger für die Festlegung des Franken-Kurses ausgeschlossen werden.

 

«Reglementskonform»

Das erinnert an Standpunkte des Vorgängers von Philipp Hildebrand im SNB-Präsidium, Jean-Pierre Roth, zum gleichen Sachverhalt: Als Direktoriums-Präsident der Nationalbank habe er, Jean-Pierre Roth, sein gesamtes Privatvermögen immer und ausschliesslich in Franken angelegt. Private Devisengeschäfte hätte er in dieser Position nicht einmal in Erwägung gezogen. Jean-Pierre Roth benötigte für diese Haltung, die Verantwortungsbewusstsein und Anstand ausstrahlt, kein spezielles Reglement. Er wusste ohne Reglement, was er als SNB-Präsident dem Land schuldig war.

 

Interessant auch die nationalen und internationalen Reaktionen auf den seinerzeit unerwartet rasch erfolgten Rücktritt Hildebrands. Alle Notenbanker ausländischer Zentralbanken stellten unisono fest, dass Devisen-Spekulationen für einen Notenbank-Präsidenten tabu seien. Dulde die Schweiz solche Geschäfte des obersten Verantwortlichen für die Landeswährung, dann werfe dies Schatten auf die Glaubwürdigkeit der Schweizerischen Nationalbank. Diametral gegenteilig reagierten die hiesigen Medien mitsamt Classe politique: Hildebrands Abgang wurde wortreich beklagt. Man stilisierte ihn zum Opfer böser Machenschaften empor, lobte seinen Abgang als den eines Mannes von Welt und beweihräucherte ihn als jemanden, der die Grösse selbstloser Entschlussfassungdemonstriert habe. Hildebrands Tun blieb ausgeklammert. Schrankenlose Bewunderung der Auftritte Hildebrands hatte den Zorn ob der misslungenen endgültigen ErledigungChristoph Blochers zu tarnen, dessen Einflussnahme Hildebrands untolerierbare Spekulationen ans Tageslicht befördert hatten.

 

Hildebrands Freiwilligkeit

Einmal mehr: Ist irgendein Vorgang in der Schweiz mit dem Namen Blocherin Verbindung zu bringen, setzt bei denen, die notorisch in die Medien drängen, alsbald der Verstand aus. Ob sich das ändert, wenn es die weiteren Ergebnisse aller Recherchen zu den Vorgängen um Hildebrands Rücktritt zu beurteilen gilt? Heute ist nämlich jeder Zweifel darüber ausgeräumt, dass Hildebrand  - der sich anlässlich seines Rücktritts wortreich als derjenige etikettierte, der im Unterschied zur Gegenseite nie gelogen habe -  die Öffentlichkeit bezüglich der seinen Rücktritt auslösenden Umstände dreist belogen hat. Sein Rücktritt erfolgte keineswegs aus eigener freier Entscheidung. Ihm wurde vielmehr seitens Bankrat und SNB-Direktorium in offenbar dramatischer Auseinandersetzung das Vertrauen entzogen. Er trat zurück, als der Abwahlantrag des Bankrats an den Bundesrat greifbar war.

 

Wer zog die Fäden?

Schockierend ist, was dabei über die Handlungsweise der Finanzministerin, Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf aus Tageslicht gefördert wurde: Der SNB-Bankrat hatte Hildebrand das  Vertrauen entzogen, nachdem Hildebrands persönlicher Bankberater die Unhaltbarkeit der Schuldzuweisung Hildebrands an seine Frau, die angeblich ohne sein Wissen über sein Konto mit Devisen spekuliert haben solle, offengelegt hatte. Nach Aufdeckung dieser Lüge und dem daraus der Nationalbank drohenden Schaden forderten Direktorium und Bankrat Hildebrand unmissverständlich zum Rücktritt auf. Dieser wäre schliesslich dazu bereit gewesen – hätte nicht Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf höchst persönlich interveniert und Hildebrand zum Rücktritt von seinem Rücktritt veranlasst. Bankrat und Direktorium mussten ihre grösste Kanone auffahren: Würde Hildebrand nicht gehen, würden der Bankrat in corpore sowie beide Vize-Direktoren der Nationalbank miteinander zurücktreten.

 

Nicht einmal diese massive Willensbekundung der SNB-Verantwortlichen liess Eveline Widmer-Schlumpf von weiterer Intervention Abstand nehmen – nachdem sie an der Arenavor grossem Publikum mit himmelblauem Augenaufschlag und lammfrommer Miene die Rolle der völlig Unwissenden, allein von ihrer Sorge um die Stabilität des Landes Angetriebenen gespielt hatte. Inzwischen wurde offengelegt, dass sie per Telefonkonferenz den Bundesrat überreden wollte, auch Hildebrands zweite Rücktrittserklärung abzulehnen – wobei ihr auf solch präsidialem Husarenritt offenbar nur noch Johann Schneider-Ammann Gefolgschaft geleistet hat. Welch abgrundtiefer Vertrauensbruch zwischen den Verantwortungsträgern der Schweizerischen Nationalbank und der Schweizer Finanzministerin. Und welch ruchlose Skrupellosigkeit bei der Täuschung der Öffentlichkeit via Bildschirm

 

Die Kampfagentur

Weitere Details zum Abgang Hildebrands wurden inzwischen offengelegt: Jene landesweit bekannte, ihre Dienstleistungen notorisch äusserst teuer verkaufende Kampfagentur, die PR-Agentur Denzler, die Hildebrand engagiert hatte, auf dass sie ihn aus der Schlusslinie manövriere, arbeitete auf Kosten der Schweizerischen Nationalbank – nicht auf Kosten Hildebrands. Es war diese Agentur Denzler, die offenbar den Dreh vorschlug, eine eigentliche Diffamierungs-Kampagne - mit der «NZZ am Sonntag» und der «SonntagsZeitung» als Helfershelfer –  gegen Christoph Blocher als Überbringer der Informationen über die Spekulationsgeschäfte Hildebrands an die Bundespräsidentin zu entfesseln. Nach den Eidgenössischen Wahlen, nach der Bundesratswahl, so lautete offenbar das Kalkül dieser Katastrophenhelfer-Agentur, seien die Medien derart auf Christoph Blocher eingeschossen, dass sie wohl bereitwillig der von der SNB gezielt böswillig entfesselten Anti-Blocher-Kampagne aufsitzen würden….. Was, sieht man sich genötigt zu fragen, wusste Bundesrätin und Finanzministerin Widmer-Schlumpf  - die auf die von SNB-Chef Hildebrand versuchten Abwehrmanöver so intensiv Einfluss genommen hat, von dieser am 1. Januar  losgetretenen Ablenkungs-Attacke auf Blocher?

 

Verantwortungslos verratene Vertraulichkeit

Was zu den Transaktionen Hildebrands Ende 2011 entdeckt wurde, gelangte unter jederzeit eingehaltener, vollumfänglicher Verschwiegenheit über einen SVP-Kantonsrat aus dem Kanton Thurgau und Nationalrat Christoph Blocher an die Bundespräsidentin in ihrer Eigenschaft als Präsidentin der Wahlbehörde für das SNB-Präsidium. Auch das Departement Calmy-Rey hielt dicht. An die Öffentlichkeit gezerrt wurde das Geschehen durch die Kampfagentur Denzler, die, von Hildebrand persönlich angetrieben, für die SNB engagiert worden war. Ins Kreuzfeuer der Justiz geriet nach dieser bar jeder Verantwortung lancierten Attacke – nebst dem Bank Sarasin-Mitarbeiter – indessen der Thurgauer SVP-Kantonsparlamentarier. Alle andern sollen offenbar ungeschoren davon kommen.

 

«Knallharte Aufklärung»

Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf forderte anlässlich ihres TV-Auftritts in der Arena am 6. Januar 2012 knallharte Aufklärung aller Vorgänge rund um das, was zur Affäre Hildebrand geworden ist. Ihrer Forderung ist vorbehaltlos beizupflichten. Zu erfüllen ist diese Forderung allerdings nur, wenn das Parlament zur Untersuchung der Affäre Hildebrand der Schaffung einer Parlamentarischen Untersuchungskommission, zustimmt. Allein diesem Untersuchungsorgan sind alle am Geschehen Beteiligten – inklusive Bundesrätin Widmer-Schlumpf, inklusive die Übermittler von Hildebrands Machenschaften, inklusive die Organe der Schweizerischen Nationalbank – zur vorbehaltlosen Offenlegung ihres Wissens verpflichtet. Wer Klarheit haben will, muss der Schaffung dieser PUK zustimmen. Nur eine solche garantiert jene knallharte Aufklärung, wie sie Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf gefordert hat. Wer Nein zur PUK sagt, der will vertuschen. Er würde insbesondere vertuschen, welche Rolle die heutige Bundespräsidentin in dieser Affäre, die den Rücktritt Philipp Hildebrands als SNB-Direktionspräsident unumgänglich werden liess, gespielt hat. Solche Vertuschung darf nicht stattfinden!

 

Nachspiel

Zu Philipp Hildebrand und seiner Gattin – zu den Personen also, welche die SNB-Untersuchung überhaupt erforderlich machten – seien, gibt der SNB-Bankrat jetzt bekannt, keine näheren Untersuchungen mehr angestellt worden – Hildebrand sei ja bereits zurückgetreten. Weil niemand für solche Schonungsmanöver Verständnis bekundet  - während, wie gesagt, einer der Aufdecker von Hildebrands Spekulationsgeschäften einer Strafuntersuchung ausgesetzt ist –  wird jetzt eilig wenigstens eine Nachuntersuchung mit Hildebrand und seiner Frau im Fokus erwogen. Nicht wegen Hildebrand, vielmehr deshalb, weil der Nationalrat kommende Woche den PUK-Entscheid zu treffen hat. Allein um ein Ja zur PUK zu vermeiden, erwägtder Bankrat gegenwärtig sogar eine Hildebrand-Untersuchung. Die Vertuscher sind am Werk   [1]

 

 

Bankverbandschef Patrick Odier fällt Wegelin-Partner, der als Einziger der USA die Stirn bietet, in den Rücken

Wer vom Sockel stürzt, hat nichts zu lachen. So ist die Schweiz. Am eigenen Leib erfährt dies Konrad Hummler. Der Chef der von der USA angeklagten Bank Wegelin ist zum schwarzen Schaf von Swiss Banking geworden. Für seine Branchenkollegen ist Hummler Freiwild. Übers Wochenende kühlten Spitzenleute ihr Mütchen an jenem Mann, der bis vor wenigen Wochen der unbestrittene Star von Helvetiens wichtigster Industrie war. Patrick Odier, Genfer Privatbankier und als Präsident der Bankiervereinigung der Oberhirte der hiesigen Finanzbranche, erklärte gegenüber der «Neuen Zürcher Zeitung»: «Bei der Bank Wegelin kann ich nur sagen, dass die Bank ganz klar im Widerspruch zur Strategie des Finanzplatzes gehandelt hätte, sollte sich die Anklageschrift bewahrheiten.» Dann setzte Odier noch eins obendrauf. «Ohne Kenntnis der genauen Faktenlage scheint mir das unverständlich, auch wenn es Einzelfälle waren», posaunte er hinaus.

 

Einzelfälle? Erstens stehen derzeit 11 Banken am US-Pranger, neben Wegelin sind das Credit Suisse, Julius Bär, Zürcher und Basler Kantonalbank und weitere honorigeFinanzunternehmen. Zweitens kursieren Gerüchte, dass die USA eine weitere Verdächtigen-Liste mit noch mehr Schweizer Banken führt. Wer auf dieser verzeichnet sein könnte, weiss niemand mit Sicherheit. Drittens ist praktisch der ganze Finanzplatz mit unversteuerten US-Geldern der UBS kontaminiert. Diese verwaltete rund 20 Milliarden $ von 20 000 US-Steuerhinterziehern. Wenn Wegelin als besonders aktive UBS-Profiteurin gut 100 US-Kunden aufgenommen hatte: Wo sind dann alle übrigen gelandet? Ginge es nurum die 11 Banken, müsste Bern nicht mit der USA über einen Globaldeal verhandeln. Letzterer will ein Ende der Angriffe auf den ganzen Finanzplatz. (Nota bene: Nur die Banken wären fein raus, nicht aber die Kundenberater, die Amerikaner mit unversteuerten Geldern betreut hatten.) Odier weiss das; als höchster Banker des Landes und Mitglied der Spitze von Lombard Odier, eine der wichtigsten Genfer Privatbanken, ist er im Bild.

 

Warum drischt er trotzdem öffentlich auf Hummler ein?

Zum einen stimmen viele in den Mainstream ein. Es gehört derzeit zum guten Ton, Hummler anzuschwärzen. Damit kann man sich selbst als Saubermann in der Öffentlichkeit präsentieren. Der Verlockung erlag auch Martin Senn von der Zürich-Versicherung. Aus dem Nichts heraus meldete sich der Versicherungs-CEO am Sonntag in der «Neuen Zürcher Zeitung» zur US-Anklage gegen die Bank Wegelin. «Ich bin nicht Richter über die Banken», begann Senn, um dann vom Leder zu ziehen. «Als Staatsbürger aber bin ich der Meinung, dass wir uns in allen Geschäften an die rechtlichen Vorgaben halten müssen. Wir können kein Interesse daran haben, mit einem Businessmodell, das gegen die Gesetze in anderen Ländern verstösst, Geschäfte zu treiben. Das ist weder im Interesse der Schweiz noch der Unternehmen.» Hinter der lauten Rhetorik stecken knallharte Ziele. Odier und wohl auch Senn wollen die Schuld möglichst einseitig Wegelin und den anderen angeschossenen Instituten in die Schuhe schieben, damit sie selbst beim grossen Reinemachen glimpflich davonkommen. Es geht um den grossen Preis eines Globaldeals. Einen solchen strebt Odier an, «dafür engagieren wir uns», betonte er in der «Neuen Zürcher Zeitung».

Die USA nannte einst die Zahl von 10 Milliarden $. Selbst wenn man bei der Hälfte landet, müsste der Finanzplatz eine Riesensumme leisten. «Wer zahlt?», lautet somit die zentrale Frage. Hummler & Co., meinen der Genfer Odier und der Zürcher Senn.

 

Doch sie machen die Rechnung ohne den schlauen Fuchs aus St.?Gallen. Im Militär brachte es Hummler bis zum Oberst. Er weiss, was es heisst, eine Bedrohungslage zu analysieren, die eigenen Handlungsoptionen zu prüfen, einen eiskalten Entscheid zu fällen und diesen in die Realität umzusetzen. Das ist Hummlers Welt, in ihr fühlt sich der gefallene Bankier in seinem Element. Sich von einem Funktionär wie Odier in die Enge treiben zu lassen, kommt nicht in Frage. Letzte Woche zeigte Hummler seinen Kampfgeist. Zuerst sistierte er sein Amt als Präsident der «Neuen Zürcher Zeitung», um sich den Rücken für den Showdown mit der USA freizuhalten. Am Freitag liess er dann den Gegner aus Amerika im Regen stehen. Ohne korrekt zugestellte Anklage erscheine kein Wegelin-Banker vor dem Richter, liess er Übersee wissen. Für Bankenpräsident Odier und seine Freunde in der Berner Verwaltung wird Hummler damit zum unberechenbaren Element. Die USA muss die Bank Wegelin nun via Rechtshilfe vor die Gerichtsschranken zerren. Doch Rechtshilfe kann nur Bern geben. Gibt der Bundesrat grünes Licht, wäre das ein Präjudiz im folgenden Sinn: «Wegelin verletzte nicht nur US-Recht, sondern auch Schweizer Gesetze.» Das wäre der Dammbruch. Alle beschuldigten Banken inklusive der «Too big to fail»-Credit Suisse und den zwei kantonalen Instituten mit ihrer Staatsgarantie würden von der obersten Schweizer Instanz zum Abschuss freigegeben.  [2]

 

 

 

[1]  http://www.schweizerzeit.ch/cms/index.php?page=/News/Also_doch_ein_Komplott-529

Der aktuelle Freitags-Kommentar der «Schweizerzeit» vom 9. März 2012  Von Ulrich Schlüer, Chefredaktor der «Schweizerzeit» Alle Hervorhebungen durch politonline

[2]  Quelle: Inside Paradeplatz vom 14. 2. 2012

http://www.zeit-fragen.ch/index.php?id=706  Alle kuschen, nur Hummler nicht

Zeit-Fragen   2012   Nr.9 vom 27.2.2012  Quelle: Inside Paradeplatz vom 14.2.2012