Der Verfassungsschutz - Staat im Staate - Von Prof. Hans-Joachim Selenz 04.12.2011 21:28
Die Mordserie der Thüringer Neonazi-Bande wirft ein grelles Licht auf unseren Verfassungsschutz. Was machten die Herren mit den Schlapphüten, die uns und unsere Verfassung schützen sollen?
Was haben sie von den Taten der braunen Mordbande gewußt?
Wie konnte es geschehen, daß einschlägig bekannte Täter
unter den Augen des Verfassungsschutzes für einige Jahre ganz plötzlich
untertauchten? Von einem Tag auf den anderen. Und das angeblich spurlos. Was
ist dran an der Information, daß ein Mitarbeiter des
Verfassungsschutzes bei einigen Morden in Tatortnähe gewesen sein soll. Alles
reiner Zufall? Unsere Schlapphüte komplett ahnungslos? Man muß
die ganz speziellen Strukturen des deutschen Verfassungsschutzes kennen, um die
Vorgänge, die nun eruptiv hochkochen, einordnen und verstehen zu können. Was macht der deutsche Verfassungsschutz?
Was kann der deutsche
Verfassungsschutz? Wie ist er
in unserem Rechtsstaat aufgestellt?
Die deutschen Verfassungsschützer haben sich um
mögliche Gefahrenquellen zu kümmern, die sie
- selbstredend - abwehren müssen. Dazu zählen beispielsweise ›extremistische Bestrebungen, die
zu direkten Schäden von Institutionen und ihren Repräsentanten führen können‹. Sie sind - selbst-verständlich
- auch dann zuständig, wenn ›fremde
Dienste geheimhaltungsbedürftige Informationen (unseres Staates) ausforschen
wollen‹. Für
das, was die Neonazis in den letzten Jahren taten, ist der Verfassungsschutz
natürlich ebenfalls zuständig. Keine Frage. Als besondere spezifische Stärke
bewerten die Verfassungsschützer selbst ›ihr
umfangreiches Wissen und ihre hohe analytische Kompetenz sowohl im Bereich des
politischen Extremismus als auch dem der Spionageabwehr‹. Um den Schutz der Bürger und
des Staates zu gewährleisten, hat man dem Verfassungsschutz einige ganz
spezielle Hilfsmittel an die Hand gegeben. Eine der ›spezifischen
Stärken des Verfassungsschutzes‹ ist nach
eigenen Angaben die Tatsache, daß man ›eigenständige
Vertraulichkeitszusagen‹ geben
kann.
Das heißt nichts anderes, als daß die Verfassungsschützer jedweden Ganoven anheuern können,
damit er fürderhin für sie und unseren Staat arbeitet.
Dazu bedarf es weder einer richterlichen Genehmigung noch der Zustimmung einer
übergeordneten Behörde. Die Herren sind völlig frei in der Entscheidung, wen sie für sich arbeiten lassen
wollen. Damit sie das alles mit reinem Gewissen tun können, gab man ihnen ein
weiteres, noch spezielleres juristisches Werkzeug an die Hand. Die Beschützer
unserer Verfassung haben ›keinen
Strafverfolgungszwang‹. Das ist
immer dann extrem praktisch, wenn der angeheuerte Ganove mal über die Stränge
schlägt und mit dem Gesetz in Konflikt kommt. Bei Lichte betrachtet, ist das zwar
nicht die Lizenz zum Töten, à la James Bond 007, kommt dem allerdings recht
nahe. Wer weiß denn schon, wer oder was die Zöglinge des Verfassungsschutzes
motiviert, wenn sie im Dienst für die Behörde auf kriminellen Pfaden wandeln?
Wer steuert die Informanten? Wer gibt die Ziele vor?
Das aus rechtsstaatlicher Sicht mehr als bedenkliche
Paket aus eigenständigen Vertraulichkeitszusagen und ausgeschaltetem
Strafverfolgungszwang wird von ›strengen
Geheimschutzvorschriften‹ und
einer ›großen
Datensicherheit‹ umrahmt. Unsere Schlapphüte sind damit quasi von unserem
Rechtssystem abgekoppelt. Sie können in der Folge tun - oder auch
lassen - was immer sie wollen. Eine wirksame staatliche Kontrolle ist vor
diesem Hintergrund nahezu unmöglich. Zum Schutz ihrer Informanten und zur
Einhaltung der Vertraulichkeitszusage sind die Verfassungsschützer
beispielsweise geradezu verpflichtet, zu
lügen. Hinzu kommt ›eine
familiäre Personalstruktur‹
innerhalb der Behörde, so ein hochrangiger Verfassungsschützer. Viele
Mitarbeiter dienten der Geheimbehörde von der Lehre bis zur Pensionierung.
Zuweilen gar über Generationen hinweg. Die Fluktuation sei außerordentlich
gering. Eine verschwiegene Truppe. Man kennt sich.
Kennen unsere Politiker diese Zusammenhänge? Ist
diese rechtsstaatlich geradezu unsittliche Kombination gewollt? Wurden bei der
Aufstellung des Verfassungsschutzes die Folgen dieser Struktur übersehen oder
hat sich der Gesetzgeber etwas dabei gedacht? Wenn ja, was? Kann eine solche
Organisation uns und unsere Verfassung schützen oder ist sie ein unheimlicher
Staat im Staate?
Peine, den 16. November 2011
Prof. Dr. Hans-Joachim ist 1. Vorsitzender von
CLEANSTATE e.V.
www.hans-joachim-selenz.de
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