USA: Das Ende der Geschichte? - Von Paul Craig Roberts 30.10.2011 19:01
Jetzt, da die CIA-Stellvertreterarmee Gaddafi ermordet hat, was hat Libyen wohl als Nächstes zu erwarten? Ist Washington bei der Durchsetzung
seiner
Pläne erfolgreich, wird Libyen ein weiterer amerikanischer Marionettenstaat [1].
Durch die Luftangriffe der USA und der NATO-Marionetten Washingtons wurde der
Großteil der Städte, Gemeinden und der Infrastruktur zerstört. Amerikanische
und europäische Unternehmen können sich jetzt beim Wiederaufbau Libyens, der
auch aus amerikanischen Steuermitteln finanziert werden wird, eine
goldene Nase verdienen. Der Grundbesitz und andere Eigentumswerte
werden sorgfältig neu verteilt, um so eine neue, von Washington handverlesene
herrschende Klasse zu schaffen. Damit würde Libyen fest unter amerikanischer
Knute stehen.
Nach der
Eroberung Libyens wird AFRICOM [das 2007 unter Präsident Bush eingerichtete Oberkommando
für die US-amerikanischen Militäroperationen in Afrika] damit beginnen, gegen
andere afrikanische Länder vorzugehen, in denen China in die Energie- und
Rohstoffwirtschaft investiert hat. Obama entsandte bereits amerikanische
Soldaten unter dem Vorwand nach Zentralafrika, die sogenannte »Widerstandsarmee
des Herrn« (LRA), eine kleinere, gegen den auf Lebenszeit herrschenden dortigen
Diktator kämpfende Rebellenorganisation, zu zerschlagen. Der republikanische
Mehrheitsführer des Repräsentantenhauses John Boehner begrüßte diese Aussicht
auf einen neuen Krieg mit der Erklärung, die Entsendung von US-Truppen
nach Zentralafrika »diene den nationalen amerikanischen außen- und
sicherheitspolitischen Interessen«. Der republikanische Senator James Inhofe
fügte noch mit einem moraltriefenden Wortschwall hinzu,
der Einsatz rette »ugandische Kinder«; eine Anteilnahme, die der Senator
gegenüber libyschen, palästinensischen, irakischen, afghanischen oder
pakistanischen Kindern gegenüber bisher vermissen ließ. Washington will wieder
beim großen Spiel um die Macht an vorderster Stelle mitmischen und sieht dabei
besonders China als Konkurrenten. Während China in Afrika investiert und als
Geschenk auch Infrastrukturprojekte mitbringt, entsendet Washington Soldaten, bombardiert
und errichtet Militärstützpunkte. Früher oder später wird sich die aggressive
Haltung Washingtons gegenüber China und Rußland bitter an uns allen rächen.
Woher soll
das Geld kommen, mit dem Washington sein afrikanisches Empire finanzieren will?
Wohl kaum vom libyschen Erdöl - der Löwenanteil wurde bereits den Franzosen und
Engländern versprochen, weil sie diesem jüngsten unverhohlenen Aggressionskrieg
Washingtons Rückendeckung gaben. Aber
diese imperialen Ambitionen lassen sich auch nicht aus den Steuereinnahmen
einer zusammenbrechenden amerikanischen Wirtschaft finanzieren, deren
Arbeitslosigkeit, wenn sie korrekt berechnet wird, jetzt bei 23 % liegt.
Angesichts der extremen Höhe des Haushaltsdefizits kann das Geld eigentlich nur
aus der Druckerpresse kommen. Washington hat die Gelddruckmaschinen
bereits so auf Fahrt gebracht, daß der städtische Verbraucherpreisindex (CPI-U)
gegenüber dem Vorjahreswert (Ende September 2010) um 3,9 %, der
Verbraucherpreisindex für städtische Arbeitnehmer und Büroangestellte (CPI-W)
um aufs Jahr gerechnete 4,4 % und der Produzentenpreisindex ebenfalls aufs Jahr
gerechnet um 6,9 % anstiegen. Der Statistikexperte John Williams www.shadowstats.com hat bewiesen, daß die offiziellen
Inflationsberechnungen manipuliert sind, um die davon abhängigen Anpassungen
der Höhe der Sozialleistungen so gering wie möglich zu halten, damit noch genug
Geld für die Kriege Washingtons übrigbleibt. Eine korrekt berechnete
US-Inflationsrate läge derzeit bei 11,5 %.
Welche
Zinsen können Sparer bekommen, ohne damit ein hohes Risiko bei griechischen
Staatsanleihen einzugehen? Amerikanische Banken zahlen derzeit 0,5 % auf von
der amerikanischen Bundeseinlagenversicherung FDIC abgesicherte Spareinlagen.
Auf kurzfristige amerikanische Staatsanleihen spezialisierte Anlagefonds zahlen
praktisch keine Zinsen mehr. Aus den offiziellen Statistiken der amerikanischen
Regierung läßt sich also ableiten, daß die amerikanischen Sparer jährlich
zwischen 3,9 und 4,4 % ihres Sparkapitals verlieren. Legt man die von John
Williams berechnete tatsächliche Inflationsrate zugrunde, verlieren sie sogar
11,5 % ihrer aufgelaufenen Rücklagen. Da amerikanische Rentner in der Regel
keine Zinsen auf ihre Einlagen erhalten, müssen sie auf ihr Kapital
zurückgreifen. Angesichts der negativen Zinsen (also eines realen
Kaufkraftverlustes) für ihre Einlagen und der inflationsbedingten Senkung aller
Renten, die sie erhalten, wird die Überlebensfähigkeit selbst der
vorsichtigsten und sparsamsten Rentner in Frage gestellt, sobald alle Rücklagen
oder andere Vermögenswerte einmal aufgebraucht sind. Mit Ausnahme der
von Washington so sehr begünstigten Superreichen, jenen ein Prozent der
Bevölkerung, die praktisch alle Einkommensverbesserungen der vergangenen Jahre
eingestrichen haben, wird der Rest der amerikanischen Bevölkerung selbst sehen
müssen, wie er zurechtkommt. Seit Ausbruch der Finanzkrise im Dezember 2007
wurde nichts für sie unternommen. Bush und Obama, Republikaner und Demokraten,
haben sich gleichermaßen darauf konzentriert, das eine Prozent zu retten und haben
den 99 % der restlichen Bevölkerung zynisch und beleidigend ihre Verachtung und
Mißachtung gezeigt. Endlich haben einige Amerikaner, wenn auch noch nicht
genug, begriffen, daß sie der fähnchenschwenkende Hurra-Patriotismus auf dem
Abfallhaufen der Geschichte landen läßt. Sie wollen nicht kampflos untergehen
und besetzen die Straßen. Die Bewegung »Occupy Wall Street« breitet sich aus.
Wie wird das weitere Schicksal dieser Bewegung aussehen? Werden der Schnee und
die Kälte des Winters die Proteste zum Erliegen bringen oder werden sie einfach
in öffentliche Gebäude ausweichen? Wie lange werden die Behörden vor Ort, so
unterwürfig sie gegenüber Washington sind, die offensichtliche Botschaft
[dieser Bewegung] tolerieren, daß die Bevölkerung keinerlei Vertrauen mehr in
die Regierung hat? Wenn die Proteste anhalten, und vor allem, wenn sie wachsen
und keineswegs an Zahl abnehmen, werden die Behörden damit beginnen, die
Protestbewegung mit Polizeiprovokateuren, die zum Beispiel auf Polizisten
schießen könnten, zu unterwandern. Dies lieferte dann den Vorwand, die
Protestaktionen gewaltsam abzubrechen und die »Überlebenden« als »Terroristen« oder »extremistische
politische Aktivisten« zu verhaften und sie in eines der extra für den Fall
innerer Unruhen gebauten Internierungslager zu bringen, die
für 385 Millionen Dollar von dem Unternehmen Halliburton, dessen Vorstandschef Cheney
lange Jahre war, errichtet wurden. Der amerikanische Polizeistaat wird sich
dann in einem weiteren Schritt in den amerikanischen Konzentrationslager-Staat
verwandeln. In den bisher nur wenigen Jahren des 21. Jahrhunderts hat
Washington die Prinzipien der amerikanischen Verfassung - der Gewaltenteilung,
des Völkerrechts und die Verantwortlichkeit von Regierungen - in den Staub
getreten und auch das allerletzte moralische Prinzip geopfert, um eine
scheinbar absolute Vormachtstellung in der Welt einzunehmen. Diese ehrgeizigen
Ziele versucht Washington zu erreichen, während es gleichzeitig die Wall
Street, das Zentrum rücksichtsloser Gier, von allen Regulierungen befreite und
es den kurzfristigen Interessen der Wall Street ermöglichte, die amerikanische
Wirtschaft zugrunde zu richten, auch wenn sie damit die wirtschaftliche
Grundlage des amerikanischen Griffs nach der Weltmacht vernichtete. Werden die
USA im wirtschaftlichen Chaos versinken, bevor sie die Welt beherrschen?
Eine
genauere Schilderung der von Armut bedrohten Schicht enthält ein in der jungen Welt erschienener Artikel von Philipp
Schläger [2]. »Die Diskrepanz zwischen Reichtum und Armut hat in den
Vereinigten Staaten ein neues Rekordhoch erreicht. Seit Jahrzehnten waren nicht mehr
so viele Menschen so arm und so wenige so reich. Die Spaltung ist nach
Angaben des ›World Factbook‹ der CIA sogar größer als in
Entwicklungs- resp. Schwellenländern. Die Unterschiede sind besonders deutlich
in New York zu sehen. Nur wenige Straßen weiter nördlich der 96. befindet sich
die ›Yorkville Common Pantry‹. Die Kantine im Kellergeschoß in der
109. Straße, nur einen Steinwurf vom Central Park entfernt, schließt gerade
ihre Türen. An einigen Tischen sitzen vereinzelt Bedürftige, trinken Kaffee und
unterhalten sich leise. »Wir brauchen diesen Ort.« »Immerhin haben wir hier
jeden Tag etwas zu essen«, sagen Monica und Benjamin Rodriguez. Sie kamen aus
Cleveland, Ohio, nach New York. In New
York wollten die beiden neu anfangen. Aber einen Job fanden sie hier nicht. Nun
schlafen sie auf den Stufen der benachbarten Kirche, die auch die Vermieterin
der Räumlichkeiten der ›Yorkville
Common Pantry‹ ist. Die 200 $ in
»Food Stamps«, die vom staatlichen SNAP-Programm ausgegebenen Essensmarken,
seien schon Mitte des Monats aufgebraucht, erklärt Monica. Und die Marken
können nur gegen kaltes Essen eingetauscht werden. »Noch nicht einmal eine
Tasse heißen Kaffee dürfen wir damit kaufen.« Das bedeutet, daß man eine Küche
braucht, um die Lebensmittel zuzubereiten. Auf der Straße geht das nicht. Auch
Joseph Midgley hat das Frühstück gerade hinter sich, jetzt liest er Zeitung.
»Ziemlich trostlos« seien seine Aussichten, meint der 47jährige Afroamerikaner
aus der Bronx nachdenklich. Die Angebote der städtischen Arbeitsvermittlung ›Workforce1‹ seien nichts anderes als eine ›Drehtür‹. »Sie bieten
nur kurzzeitige Beschäftigungen, man ist schnell wieder draußen, ohne Arbeit.«
Seit Mai geht das so, nach Jahren seiner Tätigkeit als Marktforscher. Er
schüttelt den Kopf über die aggressiven Versuche der Republikaner, die
Sozialprogramme für Arme zu kürzen. »Viele Menschen sind auf sie
angewiesen.« Doch gleichzeitig sei es sehr schwer, für deren Erhaltung zu
kämpfen. Die Betroffenen hätten Angst, darüber zu sprechen, sich zu
organisieren und zu wehren, sagt er. »Viele hier haben aufgegeben.« Manche
seien in dieser Lage seit 5, 10 oder sogar 15 Jahren. »Da bleibt wenig
Energie.« Doch die wäre dringend nötig. Ohne eine starke Lobby sind es gerade
die Ausgaben für Arme, die den aktuell immer wiederkehrenden
Budgetverhandlungen zum Opfer fallen. Und das, obwohl die Zahl dieser Menschen
nach einer Untersuchung der US-Statistikbehörde im vergangenen Jahr einen neuen
Höchststand erreicht hat. 15,1 % der US-Bevölkerung leben offiziell in Armut.
In absoluten Zahlen sind das 46 Millionen Menschen, der höchste Wert seit
60 Jahren. In New York ist ein Fünftel der Bevölkerung laut jüngsten
Erhebungen mittellos, rund 1,6 Millionen Menschen. Allein zwischen 2007 und
2009 sind 75000 Menschen ins Elend abgerutscht. Und 1,8 Millionen sind auf
Lebensmittelmarken angewiesen. Die meisten von ihnen, rund 1,4 Millionen,
müssen zusätzlich die kostenlose Notversorgung der Suppenküchen nutzen. Dennoch
haben die das Repräsentantenhaus beherrschenden Republikaner im Frühjahr drastische
Einschnitte im »Emergency Food Assistance Program«
(TEFAP) in Höhe von 20 % beschlossen, das sind 51 Millionen $. Ihnen sind die
Sozialleistungen ein Dorn im Auge. Das Bundesprogramm sichert die Versorgung
der Suppenküchen mit Nahrungsmitteln und ist der größte Einzelposten unter den
Geldern für Lebensmittelversorgung der sozialen Einrichtungen. Sollte der
Senat, die zweite Kammer im US-Kongreß, diese Kürzungen absegnen, würde alleine
in New York ein Netzwerk von rund 1000 lokalen Einrichtungen ein Sechstel der
Mittel für Essen verlieren, sagt Daniel
Reyes, Programmdirektor der ›Yorkville
Common Pantry‹. Auch repressive
Maßnahmen verhinderten Widerstand. Empfängern von Lebensmittelmarken werden
ihre Fingerabdrücke abgenommen. Obdachlose in New York müssen einen
Lichtbildausweis mit sich führen. Viele von ihnen haben allerdings keinen und
können daher jederzeit festgenommen werden. Deshalb versuchen sie, möglichst
wenig aufzufallen. Hinzu kommt, daß ein großer Teil der Betroffenen im höheren
Alter ist. ›Sie glauben, daß sie
machtlos sind‹.«
[1] Quelle:
http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/geostrategie/paul-craig-roberts/das-ende-der-geschichte.html 27. 10. 11
- gekürzte Fassung
[2] http://www.jungewelt.de/2011/10-29/004.php Wochenendbeilage auf Seite 4
Nicht nur
die Ärmsten hungern - Von Philipp Schläger, New York - auszugsweise
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