Eingriffe ins Währungsgefüge - Die Überschuldung ist das Hauptproblem - Von Ulrich Schlüer

Wer Entscheide an der Währungsfront mitbeurteilen will, ist auf eine exakte Lagebeurteilung angewiesen.

Die durchaus erkennbaren Ursachen der hektischen, kaum mehr überblickbaren Ausschläge der Wechselkurse und an den Börsen sind tatsachengerecht offenzulegen. Ausflüchte in der Tonart, dass das, was da vorgeht, »für den Laien zu kompliziert sei«, müssten eigentlich alle Alarmglocken in Funktion setzen. Wer so argumentiert, versucht lediglich, seine schwere Mitverantwortung an dem eingetretenen Desaster zu verleugnen. Die in die Katastrophe mündenden Entwicklungen haben nicht nur erkennbare Ursachen. Auch ihre Urheber lassen sich identifizieren.

Keine Wirtschaftskrise - eine Überschuldungskrise
Nicht eine Wirtschaftskrise, vielmehr eine von den Verantwortlichen herbeigeführte Verschuldungskrise hat den Zerfall von Dollar und Euro ausgelöst. Es ist die von Regierungen - der USA und der Euro-Länder - verursachte Überschuldung, welche die Weltwirtschaft jetzt in den Abgrund zu reissen droht. Spekulanten versuchen zwar, aus den Turbulenzen Gewinne zu erzielen, sie sind aber nicht die Verursacher der Überschuldung. Wie es zu letzterer gekommen ist, ist leicht zu durchschauen: Die heute hoffnungslos überschuldeten Staaten, allen voran die USA, haben seit Jahrzehnten schlicht und einfach wesentlich mehr verbraucht als erwirtschaftet. Ihre Leistung hinkt ihren Ausgaben meilenweit hinterher. Zukünftiges Eigentum mehrerer Generationen wurde bereits verprasst. Luxus in der Sozialversorgung und ausufernde, längst nicht mehr bezahlbare Bürokratie sind Fässer ohne Boden, und die USA können sich die Weltrolle, die sie spielen, längst nicht mehr leisten. Der Staatsbankrott droht nicht bloss einzelnen Ländern. Es droht den seit Jahrzehnten über ihre Verhältnisse lebenden, ihre industrielle Leistung zunehmend vernachlässigenden westlichen Staaten vielmehr eine Staatsbankrott-Epidemie. Auch das exportstarke Deutschland ist bedroht. Die Last, den völlig im Dreck steckenden EU-Karren allein aus dem Sumpf ziehen zu müssen, kann Deutschland allein niemals tragen.

Aus Selbsttäuschung erwächst keine Besserung
Die für die ganze Welt einsehbare Tatsache ist heute, im Jahr 2011, diese: Solange die überschuldeten Staaten versuchen, ihre unabsehbar tiefen Schuldenlöcher nur mit neuen, noch grösseren Schulden - die als «Garantien» getarnt sind, welche von faktisch längst zahlungsunfähigen Nationen scheinbar bereitwillig geleistet werden - zum Schein zu überdecken, solange kann keine Besserung eintreten. Sowohl der ›EU-Rettungsfonds‹ als auch der Internationale Währungsfonds (IWF) sind Konstrukte, die allein aus Schulden bestehen. Wer Geld in diesen die Überschuldung lediglich vertiefenden Instrumente verlocht, wirft dieses Geld zum Fenster hinaus. Er vertieft die Krise, weil er die Probleme nur unendlich verschleppt und damit verschlimmert, die wirklichen Probleme aber nicht anpackt. Nicht diejenigen, die heute gebieterisch das Ende der Verschuldungspolitik fordern, zum Beispiel die Tea-Party-Bewegung in den USA, sind die Bösen und die Verantwortungslosen. Schuldig machen sich jene, welche die zur Tatsache gewordene Überschuldung ständig durch eine noch grössere, als ›Rettung‹ etikettierte Neuverschuldung aus der Welt schaffen zu können behaupten.

Wirtschaft im Kern bedroht
Bei aller Offenlegung der Ursachen muss allerdings auch erkannt werden, dass die durch die Verschuldungskrise hervorgerufenen Turbulenzen an der Währungsfront neuerdings Ausschläge bewirken, welche Konzerne, die weltweit operieren, kaum mehr überblicken und nicht mehr bewältigen können. Das gilt auch für die Schweizer Exportwirtschaft. Wenn sowohl der Dollar als auch der Euro in einer einzigen Woche gegenüber dem Franken zehn oder noch mehr Prozente an Wert verlieren, dann wird die Entwicklung für Exporteure nicht mehr beherrschbar. Da müsste die Nationalbank eingreifen können.

Aber auch für die Nationalbank muss unausweichlich gelten: Massnahmen, welche die Nationalbank als Währungshüterin trifft, dürfen auf keinen Fall unsere noch gesunde, weltweit Vertrauen geniessende Währung auch noch mit den tödlichen Keimen der Überschuldungsseuche anstecken. Es darf nicht sein, dass der weltweit als gesund eingestufte Franken - das Fundament schweizerischer Stabilität und Eigenständigkeit - durch schuldentreibende Massnahmen ebenfalls in den Strudel der Überschuldungskrise hineingerissen wird. Der Franken darf nicht der gleichen Qualitätseinbusse ausgeliefert werden, von der der Dollar und der Euro heute selbstverschuldet in die Tiefe gestürzt werden. Die rasch geäusserte Beteuerung, »ein bisschen Inflation« - die Folge unmässiger Flutung der Geldmärkte mit Franken - schade nichts, überzeugt nicht. Eine Inflation hat immer die massive Enteignung der soliden Sparer zur Folge. Ein Staat, der seine Währung bewusst inflationiert, enteignet seine Sparer und untergräbt damit das Fundament seiner eigenen Stabilität. Ein Staat, der glaubt, sich die Geldschöpfung aus dem Nichts leisten zu können, verstärkt die Überschuldungskrise, verlängert also die Not der Wirtschaft gegenüber den Turbulenzen an der Währungsfront. Hervorgerufen wurde die Krise von Dollar und Euro durch die Überschuldung: Eine Franken-Schwächung löst diese Krise nicht!

Nationalbank selbstverschuldet geschwächt
Wer an der Währungsfront wirksam intervenieren will, muss zwingend über ausreichende Reserven verfügen. Wer heute angesichts der Vorgänge an der Währungsfront nicht zu unrecht von ›Wirtschaftskrieg‹ spricht, muss sich folgendem bewusst sein: Niemand kann einen Krieg gewinnen, der ohne einigermassen ausreichende Reserven in den Krieg zieht. Damit ist das heutige Problem der Schweizerischen Nationalbank (SNB) angesprochen: Sie leidet massiv darunter, dass sie ihre einst äusserst starken Reserven innert nur gerade 10 Jahren auf leichtfertigste Art verantwortungslos verspielt hat. Einerseits durch ihren ›Jahrhundert-Fehler‹, vor zehn Jahren plötzlich von ›überflüssigen Goldreserven‹ daherschwadroniert zu haben, welche dann - immerhin volle 1‘300 Tonnen - zu Niedrigstpreisen regelrecht verschleudert worden sind. Dabei hätte der Ausdruck ›überflüssig‹ bloss das Einknicken von SNB und Bund vor amerikanischem Druck, welcher damals auf den starken, weil solide mit Gold unterlegten Finanzplatz Schweiz schliesslich erfolgreich ausgeübt wurde, tarnen sollen.

Diesem Jahrhundertfehler folgten leider weitere Fehlleistungen: Das Schweizer Engagement beim Internationalen Währungsfonds (IWF) mit heute 18 Milliarden, deren Ausdehnung auf 30 Milliarden vom Departement Widmer-Schlumpf bereits versprochen wurde, ist ein Grundfehler, der die Nationalbank als Folge der vom Bankrott bedrohten Staaten um diese 30 Milliarden erleichtern könnte. Auch die vor gut Jahresfrist erfolgte ›Stützungsaktion‹ für den Euro mit gut 200 Nationalbank-Milliarden gehört in diese Fehlerkette einer verantwortungslosen Reservenvernichtung. Denn der völlig verunglückten Intervention lag nicht die Sorge um die Wirtschaft und Stabilität der Schweiz zugrunde. Sie erfolgte aus internationaler Renommiersucht. SNB-Direktionspräsident Philipp Hildebrand träumte davon, als ›Retter des Euros‹ auf der Weltbühne auftreten zu können. Tatsächlich bescherte diese Intervention der Schweizerischen Nationalbank einen Verlust von gut 50 Milliarden Franken - 50 Milliarden, die heute schmerzlichst fehlen.

Ohne Reserven keine erfolgversprechende Intervention
Die Nationalbank hat ihre Reserven verspielt. Eine neue Intervention, wie sie jetzt gefordert wird, geschähe auf Pump. Die SNB-Bilanz kippt demnächst ins Minus. Wer immer eine Intervention von der Nationalbank fordert, muss daher einer neuen Reservenbildung der SNB höchste Aufmerksamkeit schenken. Die Nationalbank-Reserven - und diese sind schliesslich Volksvermögen - müssen werthaltig sein. Als werthaltige Reserve bietet sich heute einzig das Gold an, von dem die SNB derzeit noch 1040 Tonnen besitzt. Will sich die Nationalbank unabhängig ›interventionsfähig‹ halten, also allein den eigenen Landesinteressen verpflichtet sein, dann muss sie ihre Goldreserven äufnen. Nicht mit dem Ziel, um sie in irgendeinem ausgedachten oder auch eintretenden Notfallszenario auf den Markt werfen zu können, sondern als unveräusserliches Fundament der eigenen Währung, des soliden Frankens.

Auch der Bund ist gefordert
Wer jetzt nach Intervention ruft, muss auch konkrete Forderungen an den Staat stellen, damit dieser der Überschuldungsgefahr entrinnt: Eine starke Wirtschaft ist eine eigenständige Wirtschaft, eine auf die Eigenverantwortung der Unternehmer setzende Wirtschaft. Damit unsere Wirtschaft in den Turbulenzen der Gegenwart stark bleiben kann, ist die am Staatshaushalt schmarotzende, im Ernstfall versagende Staatsbürokratie endlich markant herunterzufahren. Die finanzielle Wirkung dieser unabdingbar einzuleitenden Massnahme ist mittelfristiger Natur. Der Staat braucht derzeit aber auch Sofort-Entlastung. Erreicht wird diese durch sofortige, spürbare Herabsetzung der Mehrwertsteuer. Davon profitieren die Konsumenten, alle Konsumenten und keineswegs nur, wie steuersüchtige Linke behaupten, ›die Reichen‹. Der damit rasch zu erzielende Einkommensspielraum der gesamten Bevölkerung muss auch an die Wirtschaft weitergegeben werden, damit diese um ihrer internationalen Konkurrenzfähigkeit willen eine Phase zurückhaltender Lohnpolitik einleiten kann, ohne dass die Mehrwertsteuer-entlasteten Lohnempfänger eine materielle Einbusse erleiden. Der Rückbau der Mehrwertsteuer darf allerdings nicht durch zusätzliche Verschuldung des Staates erkauft werden. Er ist durch eine markante Verkleinerung der Gleichschaltungs- und Bewilligungsbürokratie aufzufangen.  [1]

Das Wirtschaftsunterstützungspaket des Bundes: Zwei Milliarden
Dass der Bund 2 Milliarden zugunsten der Exportwirtschaft und des Tourismus, Hauptopfer des internationalen Währungszerfalls, aufbringen will, kann akzeptiert werden. Nicht die angebliche Aufwertung des Frankens bedingt diesen Einsatz. Der in unberechenbaren Schüben stattfindende Zerfall von Euro und Dollar ruft nach staatlicher Einflussnahme. Dabei muss aber mit Nachdruck die Frage gestellt werden, in welcher Form der angekündigte Zwei-Milliarden-Einsatz erfolgen soll. Was sollen diese zwei Milliarden Franken bewirken?

Bürokratie-Aufblähung ist der falsche Weg
Bern scheint sich entschieden zu haben: Ein Programm ausserordentlicher Sofort-Subventionen sollen der Exportwirtschaft und dem Tourismus Erleichterung verschaffen. Was genau subventioniert werden soll, das muss die Verwaltung noch herausfinden. Nur schon für diese Abklärung - einer Abklärung zugunsten einer improvisierten Umverteilungsoperation - ist zusätzliche Bürokratie erforderlich. Weil gleichzeitig die staatliche Einflussnahme auf Preise von Importgütern ausgedehnt werden soll, steht die Schaffung neuer Stellen in der Finanzverwaltung bereits fest - Kosten verursachende Stellen, die nie mehr wegzubringen sein werden. Was an Administration neu geschaffen wird, das pflegt in Bern zu überleben, auch wenn die Aufgabe, für welche die neue Administration ursprünglich geschaffen wurde, längst gelöst ist. Wenn eine Aufgabe abgeschlossen ist, finden Bürokraten immer neuen Bedarf für administratives Personal. Mit den 2 Milliarden erfolgt also, zumindest teilweise, Staatsausbau anstatt Förderung der auslandsabhängigen Wirtschaft.

Gründe für Dollar- und Euro-Zerfall
Welche Gründe - so ist weiter zu fragen - haben eigentlich den dramatischen Zerfall von Euro und Dollar ausgelöst? Die Antwort ist klar: Die USA hat sich insbesondere mit äusserst kostspieligen Kriegen (Irak und Afghanistan) finanziell überfordert. Die EU hat mit dem (inzwischen faktisch gescheiterten) Projekt Einheitswährung den weniger leistungsfähigen Süd-Mitgliedländern derart attraktive Verschuldungsmöglichkeiten eröffnet, dass diese Staaten der Versuchung massiver, sie heute bei weitem überfordende Überschuldung nicht widerstehen konnten. Es war der mit immer aufwändigerer Bürokratie inszenierte Harmonisierungswahn, der es den EU-Südländern erlaubte, sich komfortable Sozialapparate zuzulegen, die sie heute nicht mehr im entferntesten finanzieren können. Die daraus resultierende Überschuldung hat das Euro-Desaster in Brüssel ausgelöst.

Rettung kann nur ein massiver, der Bevölkerung allerdings nur schwer zumutbarer Abbau der Staatstätigkeit bringen. Die EU versucht allerdings genau das Gegenteil: Jene Staatslenker und Funktionäre, die das dem Zentralismus verschriebene Harmonisierungsdesaster verschuldet haben, versuchen jetzt die Flucht in den Super-Zentralismus - nämlich die von Brüssel zentral kontrollierte Wirtschaftslenkung für ganz Europa. Machtballung statt Dezentralisierung auf der Grundlage von Selbstverantwortung, zentralisierte Umverteilung statt föderalistischer Wettbewerb: Genau der Weg, welcher die Europäische Union an den Rand des Zerfalls geführt und das Fundament des Euros untergraben hat, genau dieser Weg wird zum Rettungsweg erklärt: eine Einbahnstrasse in den Abgrund!

Erkannte Fehler nicht wiederholen
Die Schweiz ist zum Glück nicht Mitglied der Europäischen Union und somit nicht an den Euro gekettet. Mit blosser Nicht-Mitgliedschaft ist es heute allerdings nicht getan. Wichtiger ist, die tödlichen Fehler, denen die EU heute zum Opfer fällt, hierzulande nicht auch noch zu begehen. Die europäischen Staaten haben ihre Schwächung durch den nicht mehr finanzierbaren Zentralismus herbeigeführt. Die Alternative zur EU heisst nicht nur Nicht-Beitritt. Sie muss auch Selbstverantwortung statt Zentralisierung heissen. Entlastung der Staatsapparate statt Herbeiführung immer neuer Staatslasten.

Steuer-Entlastung statt Subventionen
Wie also soll die Schweiz die im Prinzip bereits gesprochenen 2 Milliarden richtig einsetzen? Gewiss nicht für zusätzliche Subventionen, die den Bürgern mittelfristig neue Steuern aufladen und die den Staatsapparat mit Sicherheit weiter aufblähen werden. Angesichts des Währungsdesasters im Euro- und Dollar-Raum ist vielmehr die Staatsentlastung das Gebot der Stunde. Statt 2 Milliarden neue Subventionen auszuschütten, müsste Bundesbern im Dringlichkeitsverfahren bereits auf Ende September 2011 die Mehrwertsteuer um insgesamt 2 Milliarden senken. Dies hätte sofort spürbare Auswirkungen auf sämtliche Haushalte, weil sämtliche Haushalte von der Mehrwertsteuer betroffen sind. Die Betriebe bekämen, ohne dass die privaten Haushalte Kaufkraft verlieren würden, mehr Spielraum für eine zurückhaltendere Lohnpolitik - mit dem Ziel des Erhalts ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Nicht Bürokratie aufblähende Subventionen sind vonnöten. Das richtige Rezept heisst vielmehr: Steuerabbau. Eine Entlastung bei der Mehrwertsteuer würde die rascheste Wirkung zeigen.  [2¨]

Quelle: Der aktuelle Freitags-Kommentar des Chefredaktors der Schweizerzeit http://www.schweizerzeit.ch/cms/index.php?page=/News/Die_Ueberschuldung_ist_das_Hauptproblem-265 12. 8. 11
http://www.schweizerzeit.ch/cms/index.php?page=/News/Zwei_Milliarden-279 19. 8. 11