Unsere Welt - Landkauf in Afrika 07.07.2011 22:25
Ein Bericht des «Oakland Institute» prangert westliche Finanzkreise an - Ausländische Investoren haben im Jahr 2009 60 Millionen Hektar Land in Afrika aufgekauft. Hedgefonds und Pensionskassenfonds sind mitverantwortlich für die Volatilität der Preise für die Grundnahrungsmittel, und zwar nicht durch massive Eingriffe auf den Finanzmärkten, sondern durch den Kauf und die Pacht von riesigen Landflächen in Afrika. Dies ist das Ergebnis eines Berichts, der am 8. Juni publiziert wurde und im Rahmen einer ausgedehnten Untersuchung über in Afrika realisierte Investitionen ausgearbeitet wurde.
Frederic
Mousseau, politischer Direktor des ›Oakland
Institute‹ in Kalifornien, erklärte
anlässlich der Veröffentlichung des Berichts mit dem Titel «Understanding Land
Investment Deals in Africa», dass 2009 nicht weniger als 60 Millionen Hektar
Land in
ausländische Hände gelangt seien, was etwa der Fläche Frankreichs
entspricht. In den Jahren zuvor waren es im Durchschnitt weniger als 4 Millionen
Hektar pro Jahr. Auch wenn zahlreiche indische und chinesische Firmen einen
Teil dieser Landflächen erstanden haben, so sind es doch westliche Konzerne,
reiche amerikanische und europäische Privatpersonen und Investitionsfonds mit
Verbindungen zu den grossen Banken wie JP Morgan und Goldman Sachs, die
den Grossteil dieser Böden aufgekauft haben. Im Bericht wird auch
angeführt, dass grosse amerikanische Universitäten wie Harvard, Spelman oder
Vanderbilt ihre Gelder im englischen Investitionsfonds ›Emergent‹ plaziert
haben und Besitzer eines Teils dieser Ländereien seien. Frederic Mousseau hielt
auch fest, dass «die Verhandlungen mit den Staaten meist im völligen Dunkel stattfinden,
zum grossen Nachteil von Millionen von Kleinbauern, die von ihrem angestammten
Grund und Boden vertrieben werden- dies auf Kosten der Umwelt und der
politischen Stabilität des Landes». Die neuen Besitzer ersetzen die
traditionellen Kulturen durch industriellen Anbau, vor allem zur Produktion von
Biotreibstoffen und Schnittblumen. Indem sie das Angebot reduzieren, haben sie
einen direkten Einfluss auf die weltweite Nahrungsmittelproduktion und auf
deren Preise. «Die gleichen Finanzunternehmungen, die auf Grund der
amerikanischen Immobilienkrise und gefährlicher und undurchsichtiger
Finanztransaktionen eine weltweite Rezession ausgelöst haben, beeinflussen mit
einem ähnlichen Vorgehen die weltweite Nahrungsmittelproduktion», ergänzt
Frederic Mousseau.
Wie solche
skandalösen Transaktionen abgewickelt werden, berichtete Anuradha Mittal,
Direktor des ›Oakland Institute‹: «Ein Investor erzählte, dass es sehr
leicht sei, zu Land zu kommen, manchmal genüge eine Flasche Johnny Walker und
das Versprechen der Schaffung von Arbeitsplätzen und positiven Entwicklungen,
um mit einem Stammesführer ins Geschäft zu kommen. Diese Versprechen würden
aber kaum je gehalten.» In dem Bericht werden auch Einzelheiten über zahlreiche
Länder, namentlich Äthiopien, Mali, Sierra Leone, Mosambik, Tansania und Sudan
aufgeführt. Oft werden die Landflächen für lange Zeiträume verpachtet, die bis
99 Jahre betragen können. Manchmal sind sie gratis wie in Mali oder
sehr günstig. In Sierra Leone kostet ein Hektar 2 $ pro Jahr, in Äthiopien 6,75
$. In Brasilien oder Argentinien hingegen sind die Pachtkosten 5000 bis 6000
Dollar pro Hektar. [1]
Nun
hat sich der tschechische Präsident Vaclav Klaus, ein bekannter Euroskeptiker,
in einem Gastkommentar für die deutsche Wirtschaftszeitung Handelsblatt vom 7. 2. 11 erneut gegen die globale Klimakabale
gewendet: »Insbesondere der heutige ganz irrationale
Kampf gegen die angebliche Aufheizung der Erdatmosphäre hat die europäischen
Effizienzprobleme noch verstärkt. Ich würde sogar so weit gehen, dem für seine
Klimapolitik weltweit gefeierten Al Gore und seinen Anhängern eine Mitverantwortung
für die jüngsten Entwicklungen in Tunesien und Ägypten zu geben. Dort wird
nicht nur für die Demokratie demonstriert, sondern auch gegen zu stark
gestiegene Lebensmittelpreise. Und das liegt auch an der neuen Klimapolitik,
die die Handschrift von Al Gore trägt. Wenn die Felder weltweit immer häufiger für
Biotreibstoffe und nicht für Lebensmittel verwendet werden, dann hat das seine Folgen. Und die EU hat diesen falschen
Umweltgedanken unkritisch aufgenommen.« Zwei Tage später veröffentlichte das
US-Landwirtschaftsministerium neue Zahlen, die klar belegen, dass
Biotreibstoffe eine von zwei Hauptursachen der akuten Welternährungskrise sind
- die
andere ist die Spekulation mit Nahrungsmitteln und anderen Rohstoffen.
Nach
dem jetzigen Stand wird ein Rekordanteil von 40 % der nächsten US-Maisernte der
Ethanolherstellung dienen. Die Unmoral der Biotreibstoffe zeigt sich bei Mais
besonders deutlich, aber bei Weizen, Reis, Zucker und anderen
Grundnahrungsmitteln ist das Bild ähnlich schlecht. Nationen und
Grossverbraucher (so Viehzüchter und Lebensmittelindustrie) versuchen inmitten
der allgemeinen Spekulation und Knappheit dringend an Getreide, Zucker und
andere Lebensmittel heranzukommen. In der USA, auf die 30 % der
Weltmaiserzeugung entfallen, werden die Lager zum Ende des Maishandelsjahres am
31. 8. 11 fast leer sein. Der Anteil der Reserven gegenüber dem Verbrauch wird
damit bei 5 % liegen, während sonst über 13 % üblich sind. Die
massenmörderischen Folgen der Klimapolitik, die wir in Strategic Alert immer wieder angeprangert haben, lassen sich nicht
länger ignorieren.
Umso
grotesker war der Auftritt von Prinz Charles vor Europaparlamentariern in
Brüssel am 7. 2. 11, wo er Kritikern der mörderischen
Klimaschutzpolitik vorwarf, sie betrieben ›ein verantwortungsloses
Roulettespiel mit dem künftigen Erbe derer, die nach uns kommen‹ und unterhöhlten die öffentliche Meinung. [2]
Die
jüngsten Zahlen bezüglich der von chronischem Hunger betroffenen Menschen sind
alarmierend: sie nähern sich einer Milliarde. Das letzte Mal wurde diese Grenze
bei der Hungerkrise 2007/2008 erreicht. Die Preise für Getreide, vor allem für
Mais, Soja und Weizen sind teilweise bereits über dem Niveau dieser Jahre.
Damals hatte dies in verschiedenen Entwicklungsländern blutige Hungerrevolten
zur Folge. Auch die aktuellen Unruhen im arabischen Raum sind teilweise auf
rasch gestiegene Lebensmittelpreise zurückzuführen. Die Basler Zeitung [3] nennt für diese Entwicklung die nachfolgenden
Gründe: In Schwellenländern wie China, aber auch Brasilien, ist die Wirtschaft
schneller gewachsen als erwartet, so dass die Menschen besser essen wollen, vor
allem mehr Fleisch. Die Getreideproduktion stagniert: so ist beispielsweise in
Asien in den letzten Jahren kaum mehr Reis geerntet worden. Nahrungsmittel
werden zunehmend als Treibstoffersatz missbraucht. Die Menge Mais, die
in der USA für Ethanol verwendet wird, könnte rund 240 Millionen Menschen
ernähren. Europa seinerseits importiert massenhaft Palmöl, das für Biodiesel
gebraucht wird. Rekordernten in den 80er und 90er Jahren hatten darüber hinaus
dazu geführt, dass viel zu wenig in die Modernisierung und in die
landwirtschaftliche Forschung investiert wurde.
Es
gibt verschiedene Massnahmen, so die Basler
Zeitung ferner, die zu einer Linderung der Krise beitragen könnten.
Kurzfristig wäre ein Mechanismus sinnvoll, der dafür sorgt, dass bei sich
anbahnenden Preisexplosionen wertvolles Getreide nicht mehr für Biotreibstoff
verwendet werden darf. Gleichzeitig muss die Wertschöpfungskette der
Landwirtschaft auf allen Stufen verbessert werden. In Afrika, aber auch z.B. in
der Ukraine, wird pro Hektar Ackerboden immer noch ein Vielfaches weniger
geerntet als in der USA oder in Westeuropa. Die Forcierung der industriellen
Landwirtschaft ist keine gute Idee, es müssten vielmehr die Kleinbauern gefördert werden. Erstere Form der
Landwirtschaft hat dazu geführt, dass heute rund 40 % des fruchtbaren
Ackerlandes zum Teil schwer beschädigt sind. Die St. Galler Ökonomin Linda
Karrer führt hierzu aus:
»Nicht die Agrokonzerne, sondern die Kleinbauern
müssen gefördert werden. Die Regierungen der armen Länder müssen die Bedeutung
der Landwirtschaft für ihre Entwicklung
erkennen und die Kleinbauern konsequent unterstützen«, so Karrer. [3]
1 http://www.zeit-fragen.ch/index.php?id=273 Zeit-Fragen
Nr.
26 vom 27.6.2011 jpv
Quellen: Le Temps und Les Echos.fr vom 9. Juni 2011
2 Strategic Alert
Jahrgang 25, Nr. 7 vom 16. Februar 2011 Al Gore, der Wahnsinn der
Biotreibstoffe und Nahrungskrisen in Nordafrika
3 http://bazonline.ch/wirtschaft/konjunktur/Eine-Milliarde-Menschen-hungern/story/26819182
19.
2. 11 Eine Milliarde hungert – Von
Philipp Löpfe
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