Syrien: Hintergründe und Fakten - Von Doris Auerbach

Auf welche Weise Revolutionen in einem nicht zu unterschätzenden Ausmass im Hintergrund entfacht und gesteuert werden, sollte der Öffentlichkeit inzwischen bewusst geworden sein.

Wenigstens hat sich der Kenntnisstand hinsichtlich der Eingriffe der Geheimdienste und der Stiftungen insofern vergrössert, als diese ihre Machenschaften längst nicht mehr so erfolgreich verdecken können, wie dies über Jahre hinweg der Fall war. Diesbezüglich liegen nun auch nach Tunesien, Ägypten, Libyen und dem Jemen Hinweise zu Syrien vor.  

 

Die dort vor allem vom Ausland ausgehende Anheizung der Proteste ist augenfällig. Bereits am 29. 4. dieses Jahres erging über die Facebookseite »Syrische Revolution 2011« der Aufruf zu einem landesweiten »Tag des Zorns«; der Betreiber des Facebooks ist der in Schweden sitzende Fidaad-Din Tariif As-Sayyid Isa, der Vertreter der in Syrien verbotenen Muslimbruderschaft. Es hiess, die Protestbewegung solle »mit einer Stimme nach Freiheit und Würde« rufen. Die Meldungen sind noch immer widersprüchlich. So sollen Berichte ausländischer Fernsehkanäle gefälscht oder zumindest nicht hinterfragt worden sein, wobei einige der gezeigten Bilder offenbar aus Tunesien und Libyen stammten, andere seien in Chatrooms wie Paltalk vorfabriziert worden. Aussagen des syrischen Chirurgen Ammar Agha aus Jableh zufolge hätte sich beispielsweise ein Augenzeuge gegenüber dem Fernsehsender Al-Dschasira als Chirurg Ammar Agha aus Jableh ausgegeben und über Ereignisse berichtet habe, die dort gar nicht stattgefunden hätten. Andere Augenzeugen hatten aus ihren Wohnungen oder von Hausdächern aus telefoniert, ohne die Geschehnisse tatsächlich vor Ort zu verfolgen. Der Büroleiter von Al-Dschasira in Beirut, der tunesische Journalist Ghassan Ben Jeddo, trat aus Kritik an der Berichterstattung des Senders von seinem Posten zurück. Der Einfluss des Auslands auf die Geschehnisse in Syrien, schreibt Karin Leukefeld, »wird an dem Exilaktivisten Ammar Abdulhamid deutlich, der aus dem US-Bundesstaat Maryland mit seiner Webseite Syrian Revolution Digest täglich neue Berichte in Umlauf bringt. Seinen Angaben zufolge habe man mindestens 100 Satellitentelefone, Hunderte von Kameras und Laptops an Mitstreiter in Syrien verteilt, die in jeder Provinz über ein Netzwerk von Leuten verfügten. Finanziert werde man von Geschäftsleuten. Abdulhamid selber betreibt eine Stiftung zur Förderung der Demokratie im Größeren Mittleren Osten und in der Region Nordafrika1

 

Wie einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu entnehmen war 2, »unterstützt Washington Regimekritiker in muslimischen Ländern durch den Aufbau alternativer Mobilfunknetze, über welche auch Zugang zum Internet möglich ist. Wie die New York Times unter Berufung auf Regierungsmitarbeiter berichtete, wurde mit Mitteln des Washingtoner Außen- und Verteidigungsministeriums allein in Afghanistan für bis zu 50 Millionen $ ein unabhängiges Mobilfunknetz geschaffen. Für die Montage von Transpondern würden Türme auf amerikanischen Militärstützpunkten genutzt. Washington finanziere auch den Aufbau paralleler Mobilfunknetze für Oppositionelle in Ländern wie Libyen, Syrien und Iran. Bis vor wenigen Wochen hatte sich Washington auf die Überwindung von Zugangssperren und Zensurfiltern in Festnetzleitungen konzentriert. Der Aufbau paralleler Mobilfunknetze mit Zugang zum Internet kam hinzu, nachdem der frühere ägyptischen Präsident Mubarak kurz vor seinem Sturz den Zugang zum Internet über Landleitungen vollständig sperren lassen hatte. In den vergangenen Monaten hatten Regimekritiker in Nordafrika und im Nahen Osten soziale Netze wie Facebook und den Dienst Twitter genutzt, um Proteste zu koordinieren.« Bereits 2003 hatten US-Militärs öffentlich Militärschläge gegen Syrien in Betracht gezogen, um die dortige Regierung zu disziplinieren; 2004 hatte Washington Wirtschaftssanktionen verhängt; US-Präsident George W. Bush verschärfte Ende 2005 den Kurs erneut. Die USA zahlte spätestens seit 2006 ausweislich interner Berichte Millionensummen an Gruppen der syrischen Exilopposition, um einen Umsturz in Damaskus zu fördern. 3   

 

Westlichen Diplomaten zufolge übt US-Staatssekretär Jeffrey D. Feltman Druck auf die Vereinigten Arabischen Emirate und Kuwait aus, damit sich diese von Syrien fernhalten. »Die US-Regierung«, schreibt Karin Leukefeld, »verfügt über ein großes Arsenal an entsprechenden Mitteln, die ihre Diplomaten und Geheimdienstler je nach Situation einsetzen: von politischer oder wirtschaftlicher Erpressung über Unterstützung von Regierungsgegnern, Sanktionen, Sicherheitsratsresolutionen der UNO, bis hin zu verdeckter Sabotage und völkerrechtswidrigen Angriffskriegen. Als  selbsternannter Weltpolizist kennt man in Washington keine Skrupel. …..  Besser, Sie distanzieren sich von Präsident Assad, die Zeit arbeitet gegen ihn, das soll Feltman Medienberichten zufolge seinen politischen Gesprächspartnern in der libanesischen Hauptstadt Beirut gesagt haben«, wo er sich bei seinem Streifzug durch die Region aufgehalten hatte. »Feltman (Jg. 1959) hat eine steile Karriere hinter sich. Den Posten als Staatssekretär für den Nahen Osten im US-Außenministerium übernahm er 2008. Davor war er jahrelang US-Botschafter im Libanon; von 2003 bis 2004 leitete er das Büro der Provisorischen Koalitionsbehörde CPA in Erbil, im nord­irakischen Kurdengebiet. Die CPA bescherte dem Land nach dem Sturz von Saddam Hussein 2003 neben der religiösen Spaltung und bürgerkriegsähnlichen Zuständen eine gigantische Korruption. Von 2001 bis 2003 war Feltman an der US-Botschaft in Israel, dessen zionistischer Führungselite er seit seiner ersten Mission in Tel Aviv (1995–1998) stets als treuer Freund zur Seite stand.« 4   Ende Juni hatte der syrische Präsident Baschar al-Assad für die landesweiten Unruhen Saboteure verantwortlich gemacht. Diese kleine Gruppe würde die legitimen Forderungen nach Reformen ausnutzen, sagte Assad am 20. 6. in einer Fernsehansprache. 5  Wie der kanadische Professor Michel Chossudovsky darlegt, ist das, was sich in Syrien abspielt, ist ein bewaffneter Aufstand, der von ausländischen Mächten verdeckt unterstützt wird, u. a. von der USA, der Türkei und Israel.

[siehe http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1769 ]

 

Eigentlich sollte man annehmen, dass die über Jahre hinweg missbrauchten, zeitweilig an glatte Lügen grenzende Verdächtigungen, die missliebige Staaten treffen, inzwischen derart abgenutzt und daher unglaubwürdig geworden sind, dass man sich eines anderen Themas bedienen sollte. Nichts dergleichen. Syrien hat nach den am 24. 5. 11 in Wien gemachten Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), so die Basler Zeitung, mit hoher Wahrscheinlichkeit an einem geheimen Atomprogramm gearbeitet, die damit zu dem gleichen Schluss wie die USA kam. Bei einem vor 4 Jahren von Israel bombardierten Ziel in Syrien habe es sich sehr  wahrscheinlich um einen fast fertiggestellten, heimlich gebauten Atomreaktor gehandelt, erklärte die IAEA. Syrien, das den Vorwurf bestritt, erlaubt den Inspekteuren mittlerweile keinen Zutritt mehr. 6  Am  6. September 2007 hatte Israel eine geheime Kommandoaktion in Syrien ausgeführt. Israelische Kampfflugzeuge zerstörten im Osten des Landes eine Nuklearanlage, die Syrien nach Angaben aus Mossad-Kreisen zusammen mit Nordkorea dort errichtete. Damaskus hat den Bau der Anlage stets abgestritten. 7

 

Nach mehrjährigen Bemühungen, die syrische Staatsspitze zu stürzen und durch ein prowestliches Regime zu ersetzen, hatten Berlin und Brüssel in Abstimmung mit Washington zuletzt den Versuch gestartet, Syrien durch stärkere Kooperation aus der Bindung an den Iran zu lösen. Damaskus ist der bedeutendste Partner Teherans in der arabischen Welt. Laut Topic ist die syrische Armee [Stand 2006] mit ihren 380.000 Mann fast ausschliesslich mit sowjetischem Militärgerät ausgestattet: Mit 4 600 Panzern, rund 600 MiG- und Suchoi-Kampfflugzeugen, 170 Hubschraubern und mindestens 2 U-Booten; etwa 10.000 syrische Offiziere erhielten auf sowjetischen und russischen Militärhochschulen Wissen und Schliff; Russlands einziger Flottenstützpunkt liegt im syrischen Tartus. 8

 

Die Zusammenarbeit mit repressiven Regimes

Was in der Tagespresse kaum in Erscheinung tritt, ist der Umstand, dass bundesdeutsche Stellen mit den jetzt kontinuierlich unter Anklage stehenden syrischen Repressionsapparaten seit Jahrzehnten kooperiert haben. 9  »So waren ehemalige Wehrmachtssoldaten am Aufbau der Streitkräfte Syriens beteiligt. Ihre Tätigkeit als Militärberater in Damaskus genoss die Zustimmung der früheren  Kriegsgegner USA, Frankreich und Großbritannien, da sie dem westlichen Einflußkampf gegen die Sowjetunion diente. In den frühen 1950er Jahren - die Bundesrepublik hatte noch keine eigenen Streitkräfte - begann Bonn, die Tätigkeit der deutschen Soldaten in Syrien zu lenken, was mit Zustimmung der westlichen Alliierten geschah: Amerikanern, Franzosen und Briten war durchaus an der Präsenz deutscher Militärberater gelegen.Die Ende der 1980er Jahre eingeleitete Zusammenarbeit der bundesdeutschen Auslandsspionage mit den Geheimdiensten Syriens galt als relativ eng und schuf die Grundlage für die Zustimmung des Regimes in Damaskus zum westlichen Krieg gegen den Irak im Jahr 1991. Die syrischen Geheimdienste sind schon lange für ihre Brutalität bekannt. Ein einstiger CIA-Mitarbeiter wird mit den Worten zitiert: Wenn man ein ernsthaftes Verhör will, schickt man einen Gefangenen nach Jordanien. Wenn man sie foltern lassen will, schickt man sie nach Syrien. Ganz wie in Ägypten war auch in Syrien die deutsch-US-amerikanische Kooperation besonders eng. 1949 war es Washington gelungen, den von der CIA ausgebildeten Militär Adib al Shishakli in Damaskus an die Macht zu bringen. Ihm arbeiteten die bundesdeutschen Militärberater verläßlich zu; doch gelang es ihnen, genug Eigenständigkeit zu bewahren, um nach al Shishaklis Sturz 1954 ihren Einfluß nicht wegen zu großer US-Nähe zu verlieren.  Später konnten sie ihre Stellung sogar nutzen, um einen pro-US-amerikanischen Putsch zu unterstützen. Letztlich half jedoch alles nichts: Syrien schloß sich, um die Unabhängigkeit der arabischen Welt von den früheren Kolonialmächten und deren Nachfolger USA zu sichern, 1958 für drei Jahre mit Ägypten zur Vereinigten Arabischen Republik zusammen. Auch nach deren Auseinanderbrechen blieb es auf einem prosowjetischen, gegen den Westen gerichteten Kurs. Schließlich verlor auch die Bundesrepublik in den 1960er Jahren weitgehend ihren Einfluß. ……  Erst 1987 wurde die bundesdeutsch-syrische Repressionskooperation wieder etabliert - mit der Entsendung eines Statthalters des Bundesnachrichtendienstes (BND) nach Damaskus. Hintergrund war, daß das syrische Regime sich in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre wegen des Niedergangs der Sowjetunion nach neuen Verbündeten umsehen mußte. Bonn nutzte dies, um an seine alten Verbindungen aus den 1950er Jahren anzuknüpfen, und preschte als erster westlicher Staat bei der neuen Zusammenarbeit mit Syrien voran. Die deutsch-syrische  Geheimdienstkooperation, so der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom,galt als höchst erfolgreich. Sie lieferte auch die Grundlage dafür, daß sich Syrien nach einer Zusage Bonns über die Zahlung von 200 Millionen DM 1991 im Zweiten Golfkrieg auf die Seite der Vereinigten Staaten schlug.« 10

 

Noch Anfang Februar 2011 hatte der deutsche Verkehrsminister Peter Ramsauer bei einem Besuch in Damaskus dafür plädiert, eine Eisenbahnverbindung von der Arabischen Halbinsel nach Syrien zu bauen und dort Waren vom Persischen Golf nach Hamburg einzuschiffen. Damit sollten nicht zuletzt die deutsch-syrischen Wirtschaftskontakte systematisch verstärkt werden. So war Ramsauer mit konkreten Vorschlägen in Damaskus eingetroffen: »Ich denke zum Beispiel an eine Eisenbahnverbindung, die den Persischen Golf mit dem Mittelmeer verbindet. Produkte aus dem Nahen und aus dem Mittleren Osten könnten in Zukunft auf neuen Schienenstrecken zu den großen syrischen Häfen gebracht und von dort aus nach Hamburg verschifft werden,« so Ramsauer. Insgesamt gehe es »um einen infrastrukturellen Ausbau auf breitester Front.« Dazu seien im neuen syrischen Fünfjahresplan rund 50 Milliarden $ vorgesehen. Über die Pläne zur infrastrukturellen Anbindung Syriens an Europa und zur engen Einbindung des Landes in den Handel zwischen der EU und den Diktaturen der Arabischen Halbinsel hatte Ramsauer erklärt: »Die syrische Führung wünscht sich eine größere Rolle Europas bei der Entwicklung Syriens (...).«  Hintergrund der Umsturzbemühungen wie auch der Einbindungsversuche ist das Bestreben, im mittelöstlichen Hegemonialkampf gegen den Iran Vorteile zu erzielen. 11

 

Um Syrien vom Iran zu lösen, strebt der Westen nun wahlweise einen Regimewechsel im Land oder dessen Einbindung in die westliche Hegemonialsphäre an. Anfang Februar also  galten Ramsauer die Menschenrechte in Syrien offensichtlich noch als nachrangig: »Unsere Vorstellungen von Demokratie und Menschenrechten«, erklärte er, »sind nicht einfach eins zu eins auf Länder in anderen Weltregionen übertragbar.« Seitdem hat sich die Lage geändert: Unter dem Druck anhaltender Proteste wankt die syrische Regierung, so daß ein Regimewechsel in Damaskus in Reichweite rücken könnte. Deshalb geriert sich die  Bundesregierung nur wenige Monate nach Ramsauers Erläuterungen als etwas, was sie nur gegenüber mißliebigen Regierungen spielt: als Vorkämpferin gegen staatliche Repression. 11

           

Das Übliche: Sanktionen

Dass es bis heute nicht zu einem weiterreichenden Bündnis Syriens mit dem Westen kam, liegt hauptsächlich daran, dass Damaskus auf eine gewisse Eigenständigkeit bedacht blieb und dafür auch heftige Spannungen mit dem Westen in Kauf nahm. »Wir verurteilen die massive Gewalt der syrischen Führung gegen friedliche Demonstranten«, so eine Erklärung des deutschen Aussenministers. Die Kritik an den syrischen Repressionsbehörden, deren Praktiken Berlin sich bei Bedarf ohne Umstände zunutze machte, ist trotz allen Anscheins mehr als ein billiges PR-Manöver. Da sich Syrien nach wie vor nicht ohne Umstände dem Westen beugt und unter anderem mit dem Iran kooperiert - der möglichen zukünftigen Hegemonialmacht im Mittleren Osten - kann die Kritik Berlins durchaus auch als eine Waffe gegen Damaskus gelten, die zur Disziplinierung eingesetzt wird, bis das Regime sich beugt - oder bis es erneut für Handlangerdienste in Sachen Folter vom Westen in Anspruch genommen wird. 9

 

Mitte Juni hatte der israelische Aussenminister Avigdor Lieberman die EU aufgefordert, den Druck auf Syriens Präsidenten Baschar al-Assad zu erhöhen. 12 Nach einem Treffen mit Guido Westerwelle in Jerusalem legte er den EU-Staaten am 14. 6. nahe, ihre Botschafter aus Damaskus abzuziehen. »Wir sind über die unschuldigen Menschen, die dort leiden, besorgt«, erklärte Lieberman. Eine militärische Intervention gegen Assad lehnte er jedoch ab. »Es gibt genug andere Möglichkeiten, den syrischen Präsidenten dazu zu bringen, sein Amt niederzulegen.« Westerwelle betonte, es müsse »eine gemeinsame internationale Antwort« auf die Gewalt gegen das syrische Volk geben. Er verwies auf die Sanktionen, die bereits auf den Weg gebracht worden sind. »Wir sind davon überzeugt, dass politischer Druck und internationale Isolierung nicht wirkungslos bleiben.« Die jetzt gegen Syrien verhängten Sanktionen umfassen das Einfrieren von EU-Kooperationsprogrammen, Reisebeschränkungen für Funktionäre der Regierung in Damaskus, und das Verbot des Exports von Waffen und Produkten, die zur inneren Repression genutzt werden können. Die US-Regierung ihrerseits hat Strafmassnahmen gegen syrische Regierungsvertreter erlassen, die das Einfrieren von Auslandsguthaben umfassen und sich insbesondere gegen Funktionäre des Militärs und der Geheimdienste richten. Ausgenommen ist bislang allerdings Staatspräsident Assad. Es ist abzusehen, dass aus den bedrohten afrikanischen Staaten in Zukunft kein Cent mehr auf EU- resp. US-Bankkonten fliessen wird; noch bestehende offshore centres werden diese dagegen problemlos aufnehmen.

 

Auch wenn Obama einen stärker auf Kooperation ausgerichteten Kurswechsel gegenüber Syrien eingeleitet hatte, muss bezweifelt werden, ob die Unterstützung für die syrische Exilopposition inzwischen eingestellt worden ist. Berichte deuten darauf hin, dass zumindest letztes Jahr noch Gelder bereitgestellt wurden. Offenbar hält Washington unter Präsident Obama heute zwei Eisen im Feuer - nicht nur die Option, per Umsturz ein prowestliches Regime in Damaskus an die Macht zu bringen, sondern auch die Variante, Syrien per Kooperation in die westliche Hegemonialsphäre einzubinden. 11 

 

Knuth Mellenthin von der jungen Welt verdanken wir eine ausführliche Besprechung des Buches von David Frum, der den Begriff die Achse des Bösenerfand, und Richard Perle: An End to Evil: How to Win the War on Terror. Perle, der Chefideologe der US-amerikanischen Neokonservativen, der sich seit seiner Mitarbeit in der Reagan-Regierung vor über 20 Jahren gern Fürst der Finsternis nennen lässt und auch an der diesjährigen Bilderberger-Konferenz in St. Moritz anwesend war, hatte sich damit zum Jahresanfang 2004 zurückgemeldet. »In provozierend aggressiver, primitiv schwarzweiß-malender, bewußt beleidigender Tonart«, schreibt Mellenthin, »beschuldigt er darin 99 % der amerikanischen Politiker und Meinungsmacher der Feigheit, der Blindheit und des Defätismus. Die Formel vom Krieg gegen den Terror kann nicht verdecken, daß sich der Haß Richard Perles in erster Linie gegen die islamischen Länder und die moslemischen  Bevölkerungsgruppen in der USA und in Europa richtet. Es geht Perle um alles, was in den  arabischen Ländern aus Sicht der Neokonservativen zu bekämpfen und im wörtlichen Sinn zu vernichten ist: Religiöse Extremisten und laizistische Militante, Sunniten und Schiiten, Kommunisten und Faschisten - im Nahen Osten verschmelzen diese Kategorien miteinander. Sie alle strömen aus demselben enormen Reservoir an leicht entflammbarer Leidenschaft. Der Krieg gegen den Terrorismus sei die größte Aufgabe unserer Generation, führt Perle aus und verlangt  außerdem den Sturz Baschar al-Assads und die Erzwingung einer generellen Westorientierung Syriens [schon damals, Anmerk. politonline]. Um das zu erreichen, soll gegen Syrien eine Wirtschaftsblockade verhängt werden. Vor allem soll es von der Ölzufuhr aus dem Irak abgeschnitten werden. Unter dem Vorwand der Terroristenbekämpfung sollen US-Spezialeinheiten auf syrischem Gebiet operieren. In Syrien und im Irak soll eine Demokratisierung entsprechend den wirtschaftlichen und strategischen Interessen der USA erzwungen werden. Perle macht in diesem Zusammenhang ausdrücklich klar, daß es Wahlen erst geben darf, wenn hinreichend sichergestellt ist, daß sie ein der USA genehmes Regime an die Macht bringen.« 13

  

Man erinnere sich:  Noch am 13. April dieses Jahres hatte Hillary Clinton auf dem amerikanisch-islamischen Weltforum in Washington die Staatschefs dazu aufgerufen, keine Gewalt anzuwenden und mit ausgestreckter Hand auf die Proteste zu reagieren.Was daraus geworden ist, haben wir täglich vor Augen.

 

 

1 http://www.jungewelt.de/2011/04-30/051.php   30. 4. 11  

Gesteuert per Facebook - Von Karin Leukefeld

2 F.A.Z. Nr. 136 vom 14. 6.2011, / Seite 7 - Mobiles Internet für Regimekritiker

3 U.S. secretly backed Syrian opposition groups, cables released by WikiLeaks show; www.washingtonpost.com  18. 4. 2011

4 http://www.jungewelt.de/2011/05-31/006.php  »Go home, Feltman« - Diplomatischer Druck, Drohungen, Sabotage, Krieg: Washingtons Umsturzexperte tourt durch den Nahen Osten - und ist dort alles andere als willkommen - Von Karin Leukefeld

5http://www.berlinerumschau.com/news.php?id=22625&title=Syrischer+Pr%E4sident+Assad+macht+%22Saboteure%22+f%FCr+Unruhen+verantwortlich&storyid=1308562901875

6 http://bazonline.ch/ausland/naher-osten-und-afrika/Syrien-soll-heimlich-an-Atomreaktor-gebaut-haben/story/26711196   24. 5. 11

7 http://www.jungewelt.de/2009/07-20/020.php   20. 7. 09 Kuhn-Report: Angriffsstunde X

8  Topic Nr. 8 vom August 2006

9 http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58039   30. 3. 11 

Der gemeinsame Nenner Repression (II)

10  Erich Schmidt-Eenboom: Der deutsche Geheimdienst im Nahen Osten. Geheime Hintergründe und Fakten, München 2007

11 http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58053   2. 5. 2011

Eine Frage der Taktik

12 http://nd-epaper.neues-deutschland.de/nd/2011/06/15/b/2/art-00214.html  15. 6. 11

Lieberman fordert stärkeren Druck der EU auf Syrien

13 Junge Welt vom 6. 2. 2004 - Buchbesprechung von Knut Mellenthin; »Sieg oder Holocaust« - Neokonservative wollen »vierten Weltkrieg« wieder ankurbeln. Richard Perles »Wie man den Krieg gegen den Terror gewinnt«

http://www.jungewelt.de/2004/02-06/003.php  Seite 10