Von Rettungspaketen und Sparplänen

d.a. Folgt man der in dem nachfolgenden Artikel dargelegten Argumentation, so wird ersichtlich, dass sich nicht nur die Worte von Ralf Dahrendorf, .

dem früheren Leiter der London School of Economics, erfüllen, sondern auch von Seiten des IWF ergangene Vorschläge ihre Umsetzung erfahren. So sagte Dahrendorf am 31. März 2009 in einem mit dem Corriere della Sera geführten Interview offen: »Es ist kein Geheimnis, daß die G-20-Beschlüsse hyperinflationär sind. Tatsächlich ist das sogar Absicht. Einige Ökonomen sprechen von einer »kontrollierten Inflation« und pochen darauf, daß einige Jahre mit einer Inflation von 6 bis 10 % ausreichen werden, um die Staatsschulden abzubauen. Das Problem ist, daß eine solche Inflation von den Armen und Alten bezahlt werden soll.« Ferner: »Die Erholung wird langwierig und langsam sein, und sie wird nicht ausreichen, um die Schulden zu bedienen, die die Staaten unterdessen ansammeln.« Die langfristige Konsequenz der Krise sei, »daß wir am Ende alle einen wenigstens um 20 % reduzierten Lebensstandard haben werden. Wir werden auf ein Niveau zurückgehen, wie wir es vor Reagan und Margaret Thatcher hatten - in mancher Hinsicht zu einer Lebensweise ähnlich jener der fünfziger und sechziger Jahre, zwar mit viel mehr Technik, aber ohne den Optimismus jener Jahrzehnte.« 1
 
Was den IWF betrifft, so hatte dieser bereits im Juli 2003 verlauten lassen, dass er ein höheres Renteneintrittsalter in Verbindung mit einem niedrigeren Rentenniveau für sinnvoll halte. Im Gesundheitssystem sei eine höhere Selbstbeteiligung der Patienten angezeigt 2. Ende September 2009 hatte der IWF-Chefökonom Olivier Blanchard in einem Interview mit L’Express dazu aufgerufen, sofortige Einschnitte im Gesundheitswesen und bei der Altersvorsorge zu treffen. »Dies sei notwendig, damit die Defizite nicht zu stark anwüchsen! .…  Reformen seien absolut notwendig, da sonst die Märkte das Vertrauen in die Kreditwürdigkeit der Staaten verlören. Dies bedeute für Frankreich das Anheben des Rentenalters und in der USA die Reform in der Krankenversicherung.« Beides wurde inzwischen vollzogen. Damit hatte, führte die Bürgerrechtsbewegung Solidarität 3 aus, Blanchard die Linie vorgegeben, die beim G-20-Treffen verabschiedet wurde: »Solange man nicht bereit ist, den Giftmüll abzuschreiben, und diesen immer weiter in den Büchern (ob in Bad Banks oder sonstwie) behält, müssen die Steuerzahler bezahlen. Die Hyperinflation, die zur Rettung des spekulativen Kasinos in Gang gesetzt wurde, trifft mit einem gigantischen Kollaps der Realwirtschaft, dem Einkommen der Bevölkerung und der Steuereinnahmen zusammen. Die Logik in diesem System führt geradewegs zu faschistischer Austerität«, was, wie bereits vermerkt, Dahrendorf voraussagte. Selbst am diesjährigen WEF in Davos betonte der Gründer und Direktor des Forums, Klaus Schwab, »dass nach der globalen Krise die weltweite Wirtchaftsordnung neu aufgebaut werden müsse. Durch die gewaltigen Bankenrettungsaktionen hätten sich die Staaten hoch verschuldet und müssten an den Sozialwerken sparen, während gleichzeitig immer mehr Leute ihre Arbeit verlören.« All wird durch die Ausführungen von Fricke belegt:
  
»Schwarzer Freitag« - Von Hans Fricke
Freitag, der 26. November 2010, wird als der Tag in die Geschichte eingehen, an dem die schwaz-gelbe Bundestagsmehrheit nach ihrem jahrelangen Sozialraub unter massivem Polizeischutz die grösste soziale Kürzungsorgie in der bundesdeutschen Geschichte beschloss und damit die Prekarisierung, Verarmung und Ausgrenzung von Millionen Bundesbürger weiter vorantrieb. Unter Missbrauch ihrer Regierungsverantwortung und ihres Amtseides hat sie die Folgen der vom Finanzkapital verursachten Krise den ärmsten Teilen
der Bevölkerung aufgebürdet, während sie gleichzeitig ihre Klientel, die Grossverdiener, Banken und Konzerne in Fortsetzung ihrer bisherigen Politik schont. Über die Hälfte aller bis 2014 geplanten Einsparungen (zirka 80 Milliarden €) entfallen auf den Sozialbereich (über 30 Milliarden €) und die Verwaltung (über 13 Milliarden €). Damit hat sie eine weitere Verschärfung der Teilung unserer Gesellschaft mit allen sich daraus ergebenden Folgen für die Zukunft unseres Landes zu verantworten.
 
Den Beteuerungen der Bundeskanzlerin und Mitgliedern ihres Kabinetts von angeblicher sozialer Ausgewogenheit des »Sparpakets« - wobei sich die Guido Westerwelle, Rainer Brüderle und Philipp Rösler erwartungsgemäss besonders hervortun - hält Michael Klundt, Professor für Kinderpolitik, Fachbereich für Angewandte Humanwissenschaften der Hochschule Magdeburg-Stendal, Fakten entgegen, die das schon peinliche Gerede ersterer der Lächerlichkeit preisgeben: »Mit ihren Haushalts-, Gesundheits- und Hartz lV-Beschlüssen«, so der Professor in seinem Beitrag Merkels Raubzug in der jungen Welt vom 26. 11. 2010, »beschleunigt die Bundesregierung die Verarmungstendenzen und sagt dem im Grundgesetz verankerten Sozialstaatsgebot den Kampf an. Die Kosten der Wirtschafts- und Finanzkrise sollen vor allem die »kleinen Leute« übernehmen, die Produzenten und Profiteure der Krise bleiben unbelastet. An einer Anhebung des Spitzensteuersatzes, eine Vermögenssteuer, eine wirksame Erbschafts- und Finanzmarktsteuer, denkt die Regierung erst gar nicht. Durch den Wegfall der Zuschläge beim Übergang vom Arbeitslosengeld I resp. II fallen Erwerbslose nun direkt auf Hartz lV-Niveau herunter. Die Kürzung (um 800 Millionen €) macht Beschäftigte und Erwerbslose noch erpressbarer für Leiharbeit und Niedriglohn. Die Abschaffung jeglicher rentenrechtlichen Absicherung für Langzeitarbeitslose ist ein Programm für noch mehr Altersarmut. Bis 2014 werden dadurch 7,2 Milliarden € in der Rentenkasse fehlen. Das Sparen bei Wiedereingliederungsmassnahmen der Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 4,5 Mrd. € bedeutet, dass es für ältere oder gesundheitlich beeinträchtigte Erwerbslose noch schwerer als bisher wird, einen neuen Job zu finden. Zudem führen die geplanten 16 Mrd. € an Kürzungen im Sozialbereich (SGB) ll und lll durch den Ersatz von Pflichtleistungen durch Ermessensleistungen zu einer weiteren Einschränkung von Rechtsansprüchen im demokratischen Sozialstaat zugunsten eines verschärften Willkürregimes nach Spardiktat im neoliberalen Wettbewerbsstaat. Mit der Streichung des Zuschusses für die  Heizkosten bei Wohngeldbeziehern um 400 Millionen € trifft die Regierung ausserdem vor allem einkommensschwache Familien und ältere Menschen mit geringen Renten. Schliesslich beinhaltet das Sparpaket die vollständige Anrechnung des Elterngeldes auf Leistungen nach dem SGB ll und damit dessen faktische Streichung für Familien in Hartz lV. Gemeinsam mit der gesenkten Nettolohnersatzrate von 67 auf 65 % macht das etwa 2,4 Milliarden € bis 2014. Der symbolische, durch die Elterngeldstreichung bei ein paar Reichensteuer zahlenden Spitzenverdienern erzielte Betrag von 3,8 Millionen €  erscheint dagegen lächerlich und ist auch nicht als lndiz für irgendwelche Ausgewogenheit zu werten«.
 
Wer angesichts dieses Zahlenmaterials von sozialer Ausgewogenheit faselt, beleidigt den lntellekt der Bundesbürger. Merkels sozialer Raubzug bei den »kleinen Leuten« und die fortgesetzte grosszügige Subventionierung ihrer Klientel bei Banken und Konzernen aus Steuermitteln sind gewollte und gezielte Massnahmen nicht nach Kassen- sondern eindeutig nach Klassenlage. Die Bundeskanzlerin unterstreicht mit dem »Sparpaket« erneut, dass sie den Namen »Kanzlerin der Monopole« in der Tat verdient. Laut Angaben des Deutschen lnstituts für Wirtschaftsforschung (DlW) sind in Deutschland etwa 14 % der Bevölkerung oder 11,5 Millionen Menschen von relativer Einkommensarmut bedroht. Vor allem Haushalte mit Kindern und jungen Erwachsenen sind davon betroffen, während Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern bei über 40 % weit überdurchschnittliche Armutsrisiken aufweisen (DlW-Wochenbericht Nr. 7/2010). Mehr als ein Viertel aller Erwachsenen (27 %) verfügen über keinerlei persönliches Vermögen oder waren sogar verschuldet. »Die
unteren 70 % besitzen nur 9 % des Gesamtvermögens, dagegen verfügt das reichste Zehntel der Bevölkerung über mehr als 60 % des Gesamtvermögens von 6,6 Billionen €. Die Kluft hat sich seit 2002 deutlich vergrössert.« (Frankfurter Rundschau vom 21. 1. 2009). Kein Wunder also, wenn 4 von 5 (79 %) Bundesbürgern das »Sparpaket« nicht für sozial ausgewogen halten. Selbst aus der Union sind relativ viele kritische Stimmen zu hören: »Wenn man die höheren Einkommen einbezogen hätte, wäre die soziale Balance deutlich geworden«, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende im nordrhein-westfälischen Landtag, Karl-Josef Laumann, der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Auch der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Weiß, bezeichnete das »Sparpaket« als »sozial unausgewogen.«. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler wandte sich in einem Beitrag für den Münchner Merkur dagegen, »hierzulande den armen Leuten das Heizungsgeld zu streichen und für Griechenland und seine sozialpolitischen Exzesse 23 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen.« Damit befindet er sich in Übereinstimmung mit einem der rund 5 000 Demonstranten gegen das»Sparpaket«; der Bund der Steuerzahler bezeichnet dieses kurz und bündig als »Etikettenschwindel«.
 
Schliesslich wurde am »Schwarzen Freitag« des Jahres 2010 auch noch der Bundeshaushalt 2011 vom Bundestag verabschiedet, der die zweithöchste Neuverschuldung in der Geschichte der Bundesrepublik aufweist. Um die Ausgaben zu finanzieren muss der Bund voraussichtlich 48,4 Milliarden € an Schulden aufnehmen. Hinzu kommt, dass die Euro-Krise weiterschwelt. Erst musste Griechenland und jetzt lrland von den Steuerzahlem »gerettet« werden; Portugal, Spanien und Italien gelten als nächste Pleitekandidaten und niemand weiss, wohin die Entwicklung geht. Von den zahlreichen Antworten sind die wenigsten seriös, weil sie je nach lnteressenlage konstruiert wurden. »Wir haben den lren das Geld nicht aufgezwungen, weil wir die Währungsunion schützen wollen, sondern um Deutschland vor dem Bankrott eines Teils seines Bankensektors zu bewahren«, erklärte Wolfgang Münchau in der Financial Times Deutschland vom 25. 11. 2010. »Die lrland aufgezwungene Hilfe ist  auch ökonomisch unsinnig, sie ist wie ein Rettungsring aus Blei«, erklärt Die Linke im Bundestag. So werde das Land erst richtig nach unten gezogen. Das Beispiel Griechenland zeige, wohin solche Rettungsringe führen: Dieses Jahr werde die Wirtschaft dort mit fast 5 % einbrechen. ln ihrem Positionspapier Profiteure zur Kasse vom 24. 11. heisst es unter anderem: »Es geht in lrland nicht um die Sanierung des irischen Staates, sondern es geht um eine massive Bankenkrise, die das Resultat einer gigantischen, seit 2006 geplatzten  lmmobilienkrise ist. Für die Bewältigung der Bankenkrise müssen diejenigen herangezogen werden, die von diesen spekulativen Exzessen profitiert haben. Es ist vor allem eine sehr reich gewordene Oberschicht in lrland selbst. lhr Wohlstand basiert nicht nur auf Erträgnissen aus dem Immobilienboom. Vielmehr wurden seit langem mit einem Steuerdumping Hauptsitze von Unternehmen aus anderen Ländern ins Land gelockt. Diese Unternehmen haben dann für Gewinne, die in vielen anderen Ländern - auch in Deutschland - gemacht bzw. erarbeitet wurden, in lrland sehr niedrige Steuern gezahlt. Dies war für diese Unternehmen profitabel, aber auch für lrland selbst. So war es dann auch möglich, die irischen Unternehmen mit sehr niedrigen Steuersätzen zu begünstigen. [Hierzu vermeldete Le Figaro vom 24. 11. 10, offenbar als einzige Zeitung, dass die Regierung die schwer umstrittene Steuer für Unternehmen von 12.5 % nicht angetastet hat. 4 Anmerk. von politonline] Von diesen Exessen der Vergangenheit haben aber auch viele ausländische lnvestoren profitiert, für die der Boom des keltischen Tigers fast wie ein Goldrausch wirkte. Vor allem deutsche und britische Banken haben massiv investiert und sich am lmmobilienboom und
sonstigen Geschäften jahrelang eine goldene Nase verdient. Auch die inzwischen vollverstaatlichte HRE-Bank hat die irische Krise mit verursacht und davon profitiert. Vor allem deutsche und britische Banken haben an der Stabilisierung der irischen Banken grösstes lnteresse. Sie müssen zur Verantwortung gezogen werden und offenlegen, in welchem Umfang sie Forderungen gegenüber irischen Banken haben. Wie die Beteiligung der Banken im einzelnen aussehen kann, muss geprüft werden. Der einfachste Weg ist, dass die ausländischen Banken bei den laufenden Umschuldungen der irischen Banken teilweise auf ihre Forderungen verzichten. Von herausragender Bedeutung bleibt allerdings die längst überfällige Notwendigkeit der Regulierung der Finanzmärkte und Umverteilung von oben nach unten sowie Schritte zur europäischen Koodinierung der Wirtschaftspolitik….. « Alles ursächliche Sachverhalte, von denen man weder in Erklärungen der Bundesregierung noch in den Konzernmedien ein Wort hört. Die Linke bezieht aber gleichzeitig noch eine andere, nicht minder wichtige Position, indem sie hinzufügt: »Die irische Bevölkerung durch Kürzungsauflagen in Haftung für die Bankenkrise zu nehmen, ist ein Skandal. Jetzt soll bei den Kindern, beim Arbeitslosengeld, bei den Renten zusätzlich gespart werden. Die Gehälter im öffentlichen Dienst wurden bereits um 15 % gekürzt. Hingegen soll das irische Steuerdumping weiterhin bestehen bleiben. Die Linkesteht solidarisch an der Seite derjenigen, die sich gegen diese Verschlechterungen wehren.«  Entschlossener Widerstand gegen diese Politik zum Nachteil der Mehrheit unseres Volkes ist also das Gebot der Stunde. lmmer dringender wird ein Generalstreik, der den Regierenden die Grenzen ihrer Macht sowie der Geduld unseres Volkes zeigt und das alte Arbeiterwort Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will! verwirklicht. Leider handelt die Opposition Deutschlands nicht geschlossen. Ideologische Vorbehalte verhindern ein gemeinsames machtvolles Vorgehen. Der DGB unter Mathias Sommer weigert sich nach wie vor hartnäckig, von den französischen Gewerkschaften zu lernen und den Generalstreik als das wichtigste Kampfmittel der Lohnabhängigen einzusetzen. Offenbar vertraut er darauf, dass unser Land nach der nächsten Bundestagswahl wieder von einer gewerkschaftsfreundlichen rot-grünen Koalition regiert wird. Er sollte dabei aber keinesfalls die bittere Lehre verdrängen, dass der beispiellose soziale Raubzug, den wir derzeit unter schwaz-gelb erleben, von der rot-grünen Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) eingeleitet worden ist. Es war kein Linksradikaler, schreibt Fricke ferner, sondern Augustinus, der vor Hunderten von Jahren fand, dass Staaten nichts als grosse Räuberbanden seien, wenn sie die Gerechtigkeit preisgeben.

 
1 http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1188  11. 4. 09
Zeit aufzuwachen: Wer zahlt und wer profitiert
2 IWF begrüßt Strukturreform in Deutschland – 15. 7. 2003 www.imf.org
3 http://www.bueso.de/news/iwf-fordert-faschistische-austeritat  27. 9. 09
IWF-Chefökonom: drastische Haushaltskürzungen, weitere Rettungspakete
4 http://www.lefigaro.fr/conjoncture/2010/11/24/04016-20101124ARTFIG00523-l-irlande-s-inflige-un-plan-de-rigueur-de-15-milliards-d-euros.php  24. 11. 10 
Le gouvernement irlandais va couper dans les dépenses mais également augmenter la TVA. Il n'a pas touché la très controversée taxe sur les sociétés à 12,5%.
Siehe auch http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1413
Finanzkrise: Ein Anti-Korruptionsbeamter redet Klartext
 
Der Beitrag von Hans Fricke, Rostock, den wir auszugsweise wiedergegeben haben, ging uns vom Autor direkt zu. Fricke ist ferner der Autor von »Eine feine Gesellschaft - Jubiläumsjahre und ihre Tücken«, eine kritische Betrachtung der Wiedervereinigung, das zur diesjährigen Leipziger Buchmesse erschien. Verlag GNN, GNN-Schkeuditz@t-online.de - ISBN 978-3-8981 9-341 -2