Die Korruption - nicht auszumerzen

d.a. Dass diese auch in Afrika ein weites Feld besetzt, ist hinlänglich beschrieben worden. Schauplatz einer der neueren Blüten ist die Demokratische Republik Kongo.

Die dem Bund gehörende deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) leistet dort Entwicklungshilfe. »Doch Korruption und windige Geschäftemacher« berichtet Thomas Scheen aus Johannesburg, »treiben sie in den Ruin - auf Kosten des Steuerzahlers.« [1] Der Kongo ist für die deutsche Entwicklungshilfe ein sogenanntes Schwerpunktland. 70 Millionen € fliessen jedes Jahr nach Kinshasa. Fast die gesamte Summe dient der Finanzierung von Projekten, die von der GTZ betreut werden. Diese ist unter anderem in Naturschutzprojekten engagiert, in der Stärkung des Gesundheitssystems, bei der Aids-Bekämpfung sowie bei der Förderung der privaten Wirtschaft und der Zivilgesellschaft. Doch jetzt sind die 44 Konten der GTZ im Kongo gepfändet und ihr für 800.000 $ mit deutschem Steuergeld erworbene Bürogebäude in Kinshasa ist enteignet worden. Daneben droht ihr - neben weiteren Forderungen - ein Strafbefehl von mehr als 1.5 Millionen $. Hinter der Angelegenheit stecken nicht nur windige Geschäftemacher, sondern auch korrupte Richter. Einer der Gründe für das Chaos ist Tabura Kashali, ein Holzhändler aus der  ostkongolesischen Stadt Goma, der die GTZ wegen einer Ladung Brennholz, die er 1994 für ein Flüchtlingslager liefern sollte, auf  sozusagen unglaubliche 243.000 $ verklagt hat. Die Geschichte ist wahrhaft abenteuerlich: Von den damals bestellten 3400 Raummeter Brennholz kamen 2820 Raummeter nie an. Der Kongolese behauptete, das Holz sei beim Transport gestohlen worden, und verlangte den vollen Kaufpreis von 47.000 $ . Die Transportsicherung indessen war seine Sache. Trotzdem schloss die GTZ 2003 einen Vergleich und zahlte Kashali 8.500 $ zur Abgeltung aller Ansprüche. Vier Monate später erhob Kashali vor einem Gericht in Goma Forderungen in Höhe von 15.000 $, doch der offensichtlich gewinnbeteiligte Richter sprach ihm sogar 150.000 $ zu. Die GTZ legte Einspruch ein, Kashali ging abermals zu seinem Richter und dieses Mal forderte er einen Kaufpreis für das Holz von 33.800 $, dazu 80.000 $ für entgangenen Gewinn sowie 190.000 $ Schadenersatz nebst Zinsen, womit der Streitwert innerhalb von zwei Jahren von 15.000 auf 280.000 $ gewachsen war. Wieder bekam er Recht. Die GTZ wurde jetzt zu einer Zahlung von insgesamt 303.804 $ verurteilt, womit sie vermutlich das teuerste Brennholz in der Geschichte Afrikas erstanden hatte. Rechtsmittel wurden abgelehnt. Das Urteil wurde im Mai 2006 rechtskräftig. Immerhin erklärte sich die kongolesische Regierung bereit, den Streitwert zu begleichen, um einen Eklat mit Deutschland abzuwenden. Sie überwies dem Geschäftsmann im Oktober 2007 die Hälfte der Summe, nämlich 150.920 $ - dies auf Kosten des kongolesischen Steuerzahlers. Im Mai dieses Jahres liess Kashali die GTZ wissen, dass er nun erst recht die andere Hälfte der Summe erwarte - zuzüglich 91.150 $ Zinsen - und drohte mit der Zwangsvollstreckung des GTZ-Eigentums. Die Entwicklungshelfer wandten sich an die deutsche Botschaft, die wandte sich an den kongolesischen Kooperationsminister, doch der hatte nicht einmal Zeit, einen Vertreter der Botschaft zu empfangen. Kashali teilte der GTZ mit Schreiben vom 2. Juni dieses Jahres mit, dass er nunmehr eine pauschale Schadensersatzforderung von 1,5 Millionen $ plane. Die Machenschaften haben sich herumgesprochen. »Den Belgiern oder den Franzosen wäre das nicht passiert«, sagt ein mit dem Fall vertrauter Geschäftsmann aus Kinshasa. Die Deutschen gelten als wehrlos, also als leichte Beute. Ein ehemaliger Angestellter klagt deshalb auf 1,9 Millionen $ Schadenersatz, seine Frau nach Eigenkündigung auf 51.000 €. Keine schlechten Zahlen für kongolesische Verhältnisse!
 
Inzwischen hat Deutschland auf die Pfändung aller 44 Konten der GTZ und die Beschlagnahmung ihres Gebäudes reagiert. Die Bundesregierung droht dem Kongo, die Entwicklungshilfe auszusetzen. Ende Oktober sollen neue Regierungsverhandlungen zwischen dem Kongo und Deutschland stattfinden. Im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) heisst es, dass die anhängigen Rechtsfälle gegen die GTZ mit Sicherheit nicht spurlos an den Verhandlungen vorübergehen würden und der
Sprecher von Entwicklungsministers Niebel erklärte, dass die Verhandlungen ausgesetzt würden, bekäme die GTZ ihr Vermögen nicht wieder. Unterdessen investiert die öffentliche Hand weiter im Kongo. In der vergangenen Woche hielt sich eine Delegation der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) im Kongo auf, um im Auftrag des BMZ zu prüfen, ob Deutschland die Finanzierung einer neuen Stromturbine im Wasserkraftwerk von Inga nahe Kinshasa übernehmen soll. Dabei geht es - je nach Turbine - um eine Investitionssumme zwischen 15 und 40 Millionen Dollar.
 
Sollte sich noch jemand die Frage stellen, wieso die Verschuldung der Geberländer unaufhaltsam steigt, dann sind die Milliarden an Steuergeldern, die allein nach Afrika gewandert sind - und dies ganz offensichtlich mit wenig Wirkung - mit einer der Gründe.
 
Zu der auch in der BRD bekanntlich beheimateten Korruption vermerkt Professor Hans-Joachim Selenz folgendes:  [2]
 
Korruptions-Oasen
»Es gibt Länder auf dieser Welt, in denen steht die Bekämpfung von Bestechung und Untreue nicht auf der Prioritätenliste. Das ist der perfekte Nährboden für Korruption und Klüngel. Kriminelle Strukturen in Politik und Wirtschaft sind die zwangsläufige Folge. Gemeinhin denkt man in diesem Zusammenhang an Bananenrepubliken in Mittelamerika. Doch Recht und Gerechtigkeit haben nicht nur in Äquatornähe einen schweren Stand. Oasen des Unrechts finden sich auch in kälteren Zonen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD bezeichnet beispielsweise Österreich als eine solche ­›Korruptions-Oase. Das Land sei in der Bekämpfung von Bestechung und Untreue zu nachlässig, so Mark Pieth, OECD-Korruptionsexperte. Österreich befinde sich in der Korruptionsbekämpfung im unteren Drittel aller Staaten. Woraus besteht der Nährboden der alpinen Korruptions-Oase? In Österreich hängen Staatsanwälte direkt an der Kette der Politik. Polit-Kriminalität steht damit unter Polit-Schutz. Dies trifft in gleicher Weise auf Deutschland zu. Auch bei uns kriechen die Anwälte des Staates nach Weisungen der Politik. Kein Wunder also, daß  Ermittlungen zu Polit-Kriminalität stets im Sande verlaufen. Wie von Geisterhand gesteuert. Die Staatsanwälte gehorchen in diesen Fällen nur ihren Polit-Anweisern. Die Folgen dieses offenen Krebsgeschwürs unseres Rechtssystems sind zum Teil grotesk.
 
Am 19. September 2003 vermeldete Preussag/TUI-Chef-Lobbyist Zumpfort zur besten Sendezeit bei der ARD im Bericht aus Berlin wörtlich, er bringe »dem Abgeordneten oder Beamten mit guten opulenten Essen oder Veranstaltungen etwas Abwechslung in seinen sonstigen tristen Alltag. Aber die klassische Politik nämlich Geschenke machen, Geld in Umschlägen unter dem Tisch mit WG - das ist vorbei.« Was auf den ersten Blick beruhigend klingt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als klassisches Geständnis. Positiv war zwar zu vermerken, daß Herr Zumpfort Abgeordnete oder Beamte nicht mehr klassisch bestach, wie in der Vergangenheit. Politikerbestechung ist in Deutschland allerdings auch nur dann ein Straftatbestand, wenn der Bestochene dafür Leistungen erbringt. Das WG auf den Umschlägen unter dem Tisch legt Derartiges indes nahe. Beamtenbestechung ist hingegen stets eine strafbare Handlung. Es wäre daher gut zu wissen, welche Abgeordneten und Beamten Geldumschläge mit WG erhielten und was sie dafür taten. Hintergrund: Die Preussag/TUI »bewegte über eine Clearingstelle zur Umverteilung von Schwarzgeldern in Genf im Jahr so ungefähr 20 Millionen Mark«. »Wieviel davon zur Beatmung der Politik nach Deutschland floß, ist offen«, wie die Welt bereits am 14. März 2002 berichtete. Nachdem ein Bürger daraufhin eine Strafanzeige stellte, bekam er folgenden Bescheid: »Das auf Ihre Strafanzeige vom 28. Juni 2004 gegen Dr. Wolf-Dietrich Zumpfort und Unbekannt wegen Bestechung und Untreue eingeleitete Ermittlungsverfahren (2 Wi Js 214/04) habe ich eingestellt  (§ 170 Absatz 2 der Strafprozeßordnung). Die Staatsanwaltschaft nimmt Ermittlungen auf, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für verfolgbare Straftaten vorliegen (§ 152 Absatz 2 der Strafprozeßordnung). Bloße Vermutungen rechtfertigen es nicht, jemandem eine Tat zur Last zu legen. Aus den von Ihnen zitierten Äußerungen lassen sich die für weitere Ermittlungen erforderlichen konkreten Verdachtsmomente nicht entnehmen, da weder ersichtlich ist, daß der Beschuldigte selbst an derartigen - eine Bestechungshandlung nahelegende - Geldübergaben beteiligt war, noch daß es sich um Vorgänge in nicht rechtsverjährter Zeit handelt. Konkrete Hinweise auf etwaige unbekannte Täter bzw. auf strafbares Verhalten von Verantwortlichen der TUI lassen sich Ihrer Anzeige ebenfalls nicht entnehmen. Für bloße Verdachtsermittlungen gibt die Strafprozeßordnung jedoch keinen Raum. Hochachtungsvoll - Rebentisch - Staatsanwalt.«
 
In Frankreich wurden jüngst Vertraute der L‘Oréal-Erbin, die Geldumschläge am Tisch verteilt haben sollen, festgenommen. Dort will die Justiz tatsächlich wissen, wie und warum die Politik bestochen wurde. In Deutschland hingegen schaut sie offener Polit-Kriminalität untertänigst zu. Der Deutsche Richterbund sieht in der Weisungsgebundenheit ein Hindernis zur Aufklärung von Regierungskriminalität. Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger prangerte am 7. August 2009 diesen schweren Mißstand unseres Rechtssystems gar vor dem EU-Rat an. Mark Pieth von der OECD sollte sich auch die Korruptions-Oase Deutschland einmal etwas genauer ansehen.«
 
Der von Professor Selenz dargelegte Tatbestand der von Seiten der Politiker an die Staatsanwälte ergehenden Weisungen hat auch der Autor Jürgen Roth in seinen vier Werken ausführlich beleuchtet - siehe http://www.juergen-roth.com/  Es ist indessen anzunehmen, dass nur ein Bruchteil dieser Absprachen je an die Öffentlichkeit gelangt. Einem Bericht der Frankfurter Rundschau vom 30. April dieses Jahres zufolge sind zwei Polizisten in der Affäre um den Nürburgring-Ausbau nach eigener Einschätzung von ganz oben von Vorermittlungen abgehalten worden. Nach ersten Berichten einer polizeilichen Vertrauensperson (VP) aus Zürich hätte man noch weiter recherchiert, sagte der Ludwigshafener Kriminalbeamte Burkhard Wahl am 30. 4. 10 im Nürburgring-Untersuchungsausschuss in Mainz. Doch dann seien die Beamten nach eigener Aussage gestoppt worden - von hoher Stelle. »Es gab viele Fragen, die lagen einem auch auf der Zunge«, sagte der Ermittler. Aber dann sei die Anweisung des rheinland-pfälzischen Innenstaatssekretärs Roger Lewentz (SPD) gekommen, »man möge es dabei belassen«. Auf Nachfrage betonte der Zeuge ebenso wie sein Vorgesetzter Harald Frey, dass er das in seiner Laufbahn noch nie so erlebt habe. [3]
 
Fakt bleibt, dass es nicht ersichtlich ist, dass Offenlegungen dieser Art unsere Politiker dahingehend zu beeindrucken vermögen, dass dafür gesorgt würde, dieser Vorgehensweise den Boden zu entziehen.
 
Quellen:
1http://www.faz.net/s/RubDDBDABB9457A437BAA85A49C26FB23A0/Doc~E23E9FB0BE6534DCF96B38F11B3169711~ATpl~Ecommon~Scontent.html   8. 9. 10  Das teuerste Brennholz Afrikas - Von Thomas Scheen
2 Kommentar von Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Selenz, Peine, vom 10. August 2010                                               
www.hans-joachim-selenz.de
3 http://www.fr-online.de/politik/polizisten-fuehlten-sich-gestoppt/-/1472596/2855982/-/index.html   30. 4. 10 Polizisten fühlten sich gestoppt