Regierungskriminalität in Deutschland

Christian Rath von der »Hannoverschen Allgemeinen Zeitung« stellte am 11. August 2003 folgende Fragen an Christoph Frank,

der heute Vorsitzender des Deutschen Richterbunds ist und zum Zeitpunkt des Interviews stellvertretender Vorsitzender war.
 
»Glauben Sie, daß Regierungskriminalität besser aufgeklärt würde, wenn die Politik der Staatsanwaltschaft keine Einzelfall-Weisung mehr geben dürfte?«
Antwort: »Davon bin ich überzeugt. Das zeigen auch Beispiele aus anderen Staaten ohne Weisungsrecht der Politik.«
Frage: »Wie häufig sind in Deutschland solche Einflußversuche der Politik? «
Antwort: »Schriftliche Weisungen sind selten. Weil aber das Weisungsrecht immer im Raume steht, kann informell Einfluß genommen werden. Es besteht die Gefahr vorauseilenden Gehorsams. Dabei sorgt schon die bloße Existenz eines Weisungsrechts der Politik für einen Bösen Schein und erweckt Mißtrauen bei Bürgen und Medien. Das schadet der Justiz.«
Frage: »Wie funktioniert die Einflußnahme?«
Antwort: »In Fällen von besonderem Interesse muß die Staatsanwaltschaft dem jeweiligen Justizministerium Bericht erstatten. Sie hat dabei mitzuteilen, ob sie Anklage erheben oder das Verfahren einstellen will. Wenn der Minister anderer Meinung ist, kann er intervenieren.«
Frage: »Die Gerichte sind schon immer weisungsunabhängig. Genügt das nicht?«
Antwort: »Ganz und gar nicht. Denn wenn ein Ermittlungsverfahren eingestellt oder nicht eröffnet wird, kommt es ja gar nicht erst zum Gericht.«
 
Die Bürger ahnen indes nicht einmal, daß deutsche Staatsanwälte an der Leine der Politik hängen. Diese Sollbruchstelle unseres Rechtssystems ist nahezu unbekannt. Die Bürger gehen fest davon aus, daß ein Staatsanwalt jeder Straftat nachgeht. Egal wer die Tat beging. Doch Christoph Frank spricht aus eigener Erfahrung als Staatsanwalt. Der deutsche Staatsanwalt ist Teil der Exekutive,  nicht der Judikative. Er ist Werkzeug der Politik. Politiker greifen über die angeblichen Anwälte des Staates ganz massiv in Staat und Justiz ein. Politiker entscheiden letztlich darüber, ob ein Fall zum Gericht geht oder nicht. Das hat in Deutschland leider eine unsägliche, tiefbraune Tradition: »Jeder Staatsanwalt hat als Vorgesetzten einen weisungsberechtigten Abteilungsleiter, der wiederum hat einen weisungsberechtigten Behördenleiter, der Behördenleiter unterliegt den Weisungen des Generalstaatsanwaltes und der Generalstaatsanwalt schließlich hat den Anweisungen des Justizministers zu folgen. Diese Anordnungsbefugnis der Exekutive gegenüber den Staatsanwälten hat in den Jahren ab 1933 dazu geführt, daß die Verbrechen der Nationalsozialisten nicht strafrechtlich geahndet wurden. Die weisungsgebundenen Staatsanwälte durften derartige Verbrechen nicht anklagen. Das Rechtssystem, das damals die Staatsanwälte an ihrer Arbeit gehindert hat, existiert als solches immer noch.« *
 
Deutsche Politiker können sich immer noch an den eigenen Haaren aus jedem kriminellen Sumpf ziehen. Wie weiland Baron Münchhausen. Der Deutsche Richterbund und die neue Richtervereinigung fordern daher seit Jahren die Abschaffung des externen Weisungsrechts im Einzelfall. Politiker beteuern derweil, diese Eingriffe fänden gar nicht statt. Doch wenn es sie nicht gäbe, könnte man problemlos auf das Weisungsrecht verzichten! Stattdessen wird aktiv vertuscht, wo der Bürger Aufklärung erwartet. Die Kriminalität in deutschen Landesbanken wird von den Anwälten des Staates derzeit lediglich verwaltet, nicht jedoch aufgearbeitet oder gar bekämpft. Viele Mißstände im Lande sind unmittelbare Folgen dieser Polit-Eingriffe. Dies betrifft auch Firmen, an denen der Staat beteiligt ist, wie z. B. VW. Auch dort findet man Regierungskriminalität pur.
 
Die deutsche Justiz ist von institutioneller Unabhängigkeit weit entfernt. Deutsche Richter werden immer noch vom Justizminister befördert. Der preußische Justizminister Adolf Leonhard sagte dazu: »So lange ich die Richter befördere, konzediere ich ihnen gerne ihre sogenannte Unabhängigkeit.« Eine schlechte Bezahlung der Richter steigert darüber hinaus die Korruptionsanfälligkeit. Eine Gefahr, auf die Frau Leutheusser-Schnarrenberger am 7. August 2009 vor dem Europarat hinwies. Doch dies zur Beruhigung: Deutschland ist keine Bananenrepublik! In einer richtigen Bananenrepublik wachsen die Früchte bekanntlich sichtbar für alle. Bei uns hingegen gedeihen sie lediglich in den Hinterzimmern der Justiz. Der Bürger muß sich also keine Sorgen machen…...
 
Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Selenz, Peine, den 14. März 2010    
www.hans-joachim-selenz.de
 
 * Die Abhängigkeit unserer Justiz N. Schlepp in Mehr Demokratie - Zeitschrift für direkte Demokratie -77- 1/08