Minarettstreit: Die Schweiz am Pranger - Von Doris Auerbach

Erwartungsgemäss quollen die Zeitungsspalten von Kommentaren über, da es kaum einer der sich dazu berufen fühlenden Kritiker versäumen wollte,

über die dem Minarettbau abhold gesinnten Bürger zu Gericht zu sitzen, wobei nicht zu übersehen ist, dass die eine oder andere der gerne als Systempresse bezeichneten Tageszeitungen den sich über das Schweizer Volk negativ äussernden Stimmen unverhältnismässig viel Raum gewährte. Nun muss man sich einmal vor Augen führen, dass es nur einen einzigen Journalisten gab, dem es gelang, inmitten der nach der Abstimmung über die unbotmässigen Schweizer hereinbrechenden Anfeindungen zum Teil hässlichster Art einen gänzlich anderen Stil an den Tag zu legen, indem er den Titel seines Artikels auf eine die Anklagestufe hinter sich lassende, humorvolle Ebene verlagerte und uns die von mir als ausserordentlich originell eingestufte Überschrift »Kein Muezzin-Ruf aus der Toblerone« bescherte. Diese verdanken wir Thomas Pany von Telepolis. [1]

Dass manche Einmischungen von einer seltenen Dreistigkeit zeugen, lässt sich u.a. an der Stellungnahme des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan erkennen. Dieser sprach von »Faschismus« und forderte gar, der Entscheid zum Minarett-Verbot müsse korrigiert werden. Staatspräsident Abdullah Gül doppelte nach: Der Entscheid sei eine »Schande« für die Schweizer und zeige, wie weit die Islamfeindlichkeit in der westlichen Welt vorangeschritten sei. Man wirft uns vor, dass der Ausgang des Referendums den menschlichen Grundwerten und Grundfreiheiten widerspreche. Nun sei hier nochmals eingeflochten, dass es im Kern um nichts anderers als um eine Bauweise geht, die sich in den Augen der Mehrheit der Bürger nicht mit dem Architekturbild einer abendländischen Schweiz vereinen lässt. Die Gegenseite pocht bekanntlich beharrlich darauf, dass wir uns in allen Bereichen einer unbegrenzten Toleranz befleissigen; es müsste aber dort auch Verständnis dafür aufkommen, dass wir unsererseits wünschten, dass sie selbst ein Zeichen dieser Toleranz an den Tag legen. Es sollte begriffen werden, dass wir nun einmal kein islamisches Land sind und von daher gesehen wenig Neigung verspüren, die kirchliche Bauweise des Islams auf unser Land zu übertragen. Sieht man sich darüber hinaus die Lage der Christen in der Türkei an, so wird es völlig unverständlich, mit welchem Geschütz Erdogan in der Schweiz auffährt, während in dem die Anklage führenden Land eine, um das Mindeste zu sagen, wahrhaft unerquickliche Situation gegeben ist.
 
Die christlichen Kirchen in der Türkei sind nicht als eigene Rechtskörperschaften anerkannt, dürfen keine Immobilien besitzen, keine Bankkonten führen und ihre Priester nicht in der Türkei ausbilden. Verleumdungen, Benachteilungen und bürokratische Schikanen gehören zum Alltag  und die Übergriffe gegen Christen haben sogar zugenommen. Die christlichen Gemeinden sind dank totaler Benachteiligung und vielfältiger Diskriminierungen auf wenige Tausende Mitglieder geschrumpft. Kirchliche Bauvorhaben sind einem extrem komplizierten und langwierigen Genehmigungsverfahren unterworfen. Renovierungen müssen durch das Aussenministerium genehmigt werden. Da Kirchen keine juristischen Personen, geschweige denn, wie bereits vermerkt, Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, können sie auch keine Immobilien als Geschenk annehmen oder erben. Selbst das Mieten von Räumen ist ihnen verwehrt. So schrieb auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung Ende August 2007: Noch immer haben die nichtmuslimischen Gemeinden kein Recht auf Immobilienbesitz. Eine weitere erhebliche Beeinträchtigung kirchlichen Lebens ist das staatliche Verbot, Pfarrer und Religionslehrer auszubilden. In jüngster Zeit mehren sich gezielte Anschläge auf katholische Priester. Im Februar 2008 ging die Türkei bei ihrer Offensive gegen die PKK auf irakischem Gebiet gegen christliche Dörfer vor, in denen es nie militärische Einrichtungen gegeben hat. Dabei handelt es sich um Dörfer, die erst nach dem Sturz des Saddam-Regimes von christlichen Flüchtlingen aus allen Teilen des Iraks wieder besiedelt wurden. Nach Informationen des chaldäischen Bischofs von Ahmadia und Hewler wurden die Dörfer von mehreren Flugzeugen bombardiert.
 
Die Kirche in Tarsus - Tarsus war bis 1922 eine der wichtigsten christlich geprägten Städte im Südosten Kleinasiens und ist der Geburtsort des Apostels Paulus - wurde 1943 vom türkischen Staat beschlagnahmt, als Militärlager genutzt und dient heute als Museum. Eine Rückgabe an die katholische Kirche schliesst die türkische Regierung aus. Da 2008/2009 das Paulusjahr gefeiert wurde, erlaubte das türkische Kultusministerium im Juni 2008, dass die Kirche bis Juni 2009 von christlichen Pilgern für Gottesdienste genutzt werden durfte. Mitte Dezember 2008 liess sich der Kölner Erzbischof Meisner im Zusammenhang mit dem geplanten Bau eines christlichen Pilgerzentrums in Tarsus wie folgt vernehmen: »Wie wir behandelt werden, finde ich skandalös.« Die Chancen für eine Verwirklichung des Vorhabens sind inzwischen deutlich gesunken. Die Türkei will der Kirche lediglich ein Grundstück auf dem Gelände einer benachbarten ehemaligen Fabrik zur Verfügung stellen, auf dem sie ein Gotteshaus bauen könnte, das aber nach 30 Jahren wieder an den Staat zurückfallen würde. Meisner kündigte an, er werde trotzdem in seinen Bemühungen »nicht lockerlassen«, auch »um den Europäern die Augen zu öffnen, dass hinter den türkischen Worten keine Taten stehen«. Er zeigte sich zudem über die mangelnde Unterstützung der Türkisch-Islamischen Union Ditib, der Bauherrin der Kölner Zentralmoschee, enttäuscht. Während also in der EU Moschee um Moschee entsteht, sollte man annehmen dürfen, dass den Christen das gleiche Recht gewährt wird. Die deutsche Staatsministerin Maria Böhmer verlieh jetzt Anfang November der Hoffnung Ausdruck, dass die christliche Minderheit in der Türkei ihren Glauben sichtbar praktizieren darf, was den Muslimen in allen EU-Ländern längst gestattet ist. Sie reagierte damit auf Äusserungen des Präsidenten des Amtes für Religiöse Angelegenheiten der Türkei, Ali Bardakoglu, und des türkischen Ministers Faruk Celik am 7. 11. in Köln, die anlässlich der Grundsteinlegung für die Moschee im Kölner Stadtteil Ehrenfeld versichert hatten, vor dem Hintergrund der Diskussion um die geschlossene Paulus-Kirche in Tarsus auf die christliche Minderheit in der Türkei zugehen zu wollen 2. Böhmer mahnte, die Religionsfreiheit in der Türkei dürfe nicht nur auf dem Papier existieren, sondern müsse auch im Alltag garantiert werden. »Der Umgang der türkischen Regierung mit der Pauluskirche ist der Lackmustest für die Türkei bei der Religionsfreiheit«, erklärte sie. Sie appelliere mit Nachdruck an die türkische Regierung, ihre Ankündigungen wahrzumachen »und an einer Lösung mitzuwirken, die auch in Tarsus Bestand hat«. Wieso fand sich auf Seiten der Politiker oder in den Redaktionen der Tagespresse niemand, der Erdogan unmittelbar nach seiner Anklage gegenübertrat, um ihn mit den Verhältnissen im eigenen Land zu konfrontieren?
 
Fakt ist zudem, dass Christen in zahlreichen nichteuropäischen Ländern Repressionen ausgesetzt sind, obwohl die Religionsfreiheit weltweit als Menschenrecht anerkannt ist. Laut der UNO hat die Gewalt gegen Christen im Irak 2008 explosionsartig zugenommen, ein Exodus sei im Gange. Seit dem Einmarsch der Amerikaner 2003 ist die Zahl der Christen um mehr als die Hälfte gesunken und die Gesellschaft für bedrohte Völker warnt vor der Auslöschung der Volksgruppe der Assyro-Chaldäer im Irak, einer der ältesten christlichen Gemeinschaften weltweit. So handelt es sich auch bei den meisten Flüchtlingen, die in den vergangenen 6 Monaten in der BRD eintrafen, um Christen, die zuvor aus dem Irak nach Syrien oder Jordanien geflohen waren. 80 % aller Menschen, die aus religiösen Gründen verfolgt werden, sind Christen. Ihr Anteil an den Menschen, die wegen ihrer Religionszugehörigkeit ermordet werden, liegt weit über 90 %. Weder in Afrika noch in Asien kann von einer echten Glaubensfreiheit für Christen die Rede sein.
 
Natürlich durfte auch der nicht unumstrittene Islamwissenschaftler Tariq Ramadan in der Basler Zeitung zu Wort kommen. »Mit einer Kampagne, die auf Angst und Misstrauen ausgelegt gewesen sei, habe die SVP die Abstimmung zu ihren Gunsten entscheiden können«, erklärt Ramadan. Er verlangt, dass die Muslime in der Schweizer Politik, Kultur und Wirtschaft aktiver werden müssten. Es ist derselbe Ramadan, der sich in einer öffentlichen Debatte mit Nicolas Sarkozy, damals noch Innenminister Frankreichs, nicht eindeutig von der Steinigung von Frauen nach islamischem Recht distanziert hatte. Am 18. 11. informierte BBC online 3 darüber, dass eine 20jährige geschiedene und des Ehebruchs angeklagte Somalierin im Beisein von etwa 200 Leuten am Nachmittag des 17. Novembers gesteinigt wurde. Der Mitangeklagte 29jährige unverheiratete Somalier erhielt 100 Peitschenhiebe. Es wird, so  BBC, angenommen, dass dies der zweite Fall einer weiblichen Steinigung ist. Anfang November erlitt in der südlich von Mogadischu liegenden Hafenstadt Merka ein Mann  den Tod durch Steinigung. Auch hier war der Grund Ehebruch. Die Steinigung der Frau wird bis nach der Geburt des Kindes aufgeschoben. In Merka wurden diesen Oktober ferner zwei Männer gesteinigt, nachdem man sie der Spionage angeklagt hatte.
 
Von einem seltenen »Einfallsreichtum« zeugt die Stellungnahme von Daniel Cohn-Bendit. Man stelle sich vor: Er fordert eine neue Abstimmung! Hier ist wieder einmal der Beweis erbracht, wie das hochbezahlte EU-Parlament die Demokratie achtet. Gleichzeitig rät er vermögenden Muslimen, ihr Geld von den Schweizer Banken abzuziehen. »Dies wäre die grossartigste aller Antworten auf das Minarett-Verbot«, liess sich der Fraktionspräsident der Grünen vernehmen. »Die Kassen der Eidgenossenschaft leeren: Das ist es, was man tun müsste. Auf dass Saudiarabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate Euren Finanzplatz verlassen.« Cohn-Bendit scheint nicht ganz auf dem Laufenden zu sein und gerade von der mit den VAE bestehenden Verbandelung der EU - vor allem geschäftlicher Natur: immerhin spülte der Einstieg des Staatsfonds von Abu Dhabi bei Daimler fast 2 Milliarden € in die Kasse des Stuttgarter Autobauers - wenig bis keine Ahnung zu haben. Oder er denkt nicht in Zusammenhängen. So hat Frankreich diesen Juni den Arabischen Emiraten nuklearen Schutz angeboten und Ende Mai 2009 in Abu Dhabi eine eigene Militärbasis eröffnet. Insofern dürfte Cohn-Bendit, sollten seine hehren Vorschläge den Arabern zu Ohren kommen, allenfalls ein nachsichtiges Hohnlächeln ernten. Darüber hinaus stellt sich die Frage, warum dieser Mann eigentlich nicht der Verhetzung gezeiht wird. Für ausgesprochen dümmlich halte ich ferner seine Sicht, dass es die Aufgabe der politischen Elite sei, die Bevölkerung für eine neue Abstimmung zu mobilisieren, damit man nicht vor der Angst im Volk kapituliere. Das tönt sehr nach den Methoden, die die EU bezüglich des Lissabon-Vertrags in Irland praktiziert hat!  Man vergegenwärtige sich nun, dass Leute dieses Schlags die EU-Bürger in Strassburg vertreten. Es war keineswegs die Angst, die hier das Abstimmungsergebnis erbrachte, sondern die drohende Verfälschung der Schweizer Landschaft durch einen zu erwartenden gesteigerten Bau von Moscheen mit Minaretten. Was nun die »Elite« betrifft, so konstatierte der Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin anlässlich der Schweizer Volksabstimmung sehr richtig: Das Volksbegehren zeige, »dass in der Tiefe der Gesellschaft anders gedacht wird, als es die politische Klasse und die Mehrheit der Medien glauben wollen«, so Sarrazin im Handelsblatt.
 
Rückschlüsse, die das Abstimmungergebnis deuten sollen, sind mitunter von recht »farbiger« Natur. So erklärte der irakischstämmige Schweizer Filmemacher Samir, dass das Ergebnis eine »Ohrfeige für die Schweizer Bourgeoisie und die Quittung für den Regierungsstil der Verdrängung« sei; er vermutet hinter der Misstimmung gegenüber den Muslimen den Frust über die  wirtschaftliche Öffnung der Schweiz, die nicht allen mehr Wohlstand gebracht habe. »Die nicht integrierten Schweizer Unterschichten, Opfer der Globalisierung, stimmen Ja und trampeln damit auf ihren angepassten Kollegen aus dem Balkan und der Türkei herum, meinen aber eigentlich die Politik ihrer Chefs«, sagt Samir. Ferner: »Die studierten Kleinbürger aus den Fachhochschulen stimmten Ja, weil sie irgendwie ihren Unmut über die hochqualifizierte Konkurrenz aus den EU-Ländern loswerden wollten«. Im Prinzip erübrigt sich bei einer derartigen, in meinen Augen hochgradig undifferenzierten Beurteilung jeglicher Kommentar. Der Arzt Adel Abdel-Latif bezeichnet das Abstimmungsresultat gar als »Schweizer Tragödie«. Er will laut aussprechen, was viele seiner Meinung nach nur zu denken wagen. »Das ist Rassismus in seiner Reinstform. Eine Religionsgemeinschaft wird ganz bewusst von einem sozialen Gemeinschaftsgedanken ausgeschlossen«, so Abdel-Latif. Es ist schwer verständlich, was ein Minarett mit letzterem zu tun haben soll. Eigentlich haben wir längst zwei Labels, mit denen jeweils nach Bedarf ganz unverblümt hantiert wird, in dem Versuch, die Gegenseite niederzuringen. Das eine ist der Terror, das andere der Rassismus. Einfacher kann man es sich gar nicht mehr machen. Persönlich halte ich es für sehr bedauerlich, dass Aussagen der zitierten Art, die ich effektiv als Verfälschung der Gegebenheiten betrachte, und die eigentlich an eine Beleidigung der Schweizer insgesamt grenzen, von den Redaktionen mit soviel Platz bedacht werden. Durchaus interessant ist auch die in einer Stellungnahme der türkischstämmigen Basler Grossrätin Sibel Arslan enthaltene Feststellung, die eigentlich einen Widerspruch in sich selbst bedeutet: »Für die meisten islamischen Vereine ist ein Minarett gar kein Thema und war auch nie eins«. Kann sie uns dann erklären, wieso auf dem Bau der Minarette offenbar mit aller Macht bestanden wird? - titelte doch die Basler Zeitung am 1. Dezember riesengross auf der Hauptseite: Jetzt geht’s vor Gericht - Langenthaler Muslime bestehen auf dem Bau ihres Minaretts.
 
Der dritte im Bund mit Terror und Rassismus ist bekanntlich die Sicherheit, die inzwischen zu einem kaum mehr wegzudenkenden Schlagwort der Politiker jeglicher Couleur mutiert ist, gewissermassen als Grundpfeiler der sich schleichend erweiternden Überwachung der Bevölkerung. »Jeder Angriff auf die Koexistenz verschiedener Kulturen und Religionen gefährdet auch unsere Sicherheit«, erklärte BR Calmy-Rey am Aussenministertreffen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa am 1. 12. 4 Auch hier stösst man auf die nahezu unisono vorgebrachte Behauptung, dass das Abstimmungsergebnis die »Freiheit zur Ausübung der muslimischen Religion in der Öffentlichkeit einschränkt«. Dies trifft ganz einfach nicht zu, wird uns aber ständig vor Augen gehalten. Ich sehe nicht, wie eine bauliche Komponente in einen direkten Zusammenhang mit dem Gebet als solchem zu bringen ist. Auch Calmy-Rey schwenkt ganz offensichtlich auf den Pfad ein, der dazu führen soll, übergeordnete Institutionen letztlich über nationale Entscheidungen zu stellen, indem sie erklärt: »Möglicherweise werde es aber Sache des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sein, eine Entscheidung in der Frage zu treffen.« Warum ergeht nicht gleich der Vorschlag, sich in Zukunft alle eigenen Instanzen zu ersparen oder aber das Land allen Hereinströmenden und ihren Sonderwünschen anheimzugeben?
 
Dass sich die UNO nicht abseits stellen würde, war vorauszusehen. Laut Navi Pillay, UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, ist das durch das Schweizer Stimmvolk beschlossene Minarett-Verbot, »klar diskriminierend«, was ebenfalls zu erwarten war. Der Entscheid sei »ganz schlecht« für die Schweiz, heisst es in ihrem Communiqué ferner. Die Schweiz laufe Gefahr, sich in Konflikt mit ihren internationalen Verpflichtungen zu bringen. Ein solcher, dies kann man der Kommissarin zu hundert Prozent versichern, kann gar nicht eintreten, bestehen diese Verpflichtungen doch praktisch ausschliesslich in der Mitfinanzierung aller kostenverschlingenden UNO-Institutionen, der Bereitstellung von Finanzen auf den Geberkonferenzen, um die Folgen der von der UNO nicht verhinderten Kriegen zu schultern, sowie darin, einen Beitrag zum Unterhalt der Millionen, die infolge der Kriege entwurzelt umherirren, zu leisten.
 
Es ist nicht unerheblich, die Art und Weise, wie bei Interviews vorgegangen wird, zu betrachten. So lautet eine der von Michael Meier von der Basler Zeitung 5  an den Theologen Hans Küng gerichteten Fragen doch tatsächlich: »Die Schweiz als Vorreiterin des Antiislamismus?« Wo hier noch eine Sachlichkeit herrschen soll, ist für mich nicht mehr ersichtlich. Vorhersagen bedrohlicher Natur sind natürlich auch in diesem Interview enthalten. So meinte Küng: »Das wird die Schweiz noch teuer zu stehen kommen.« Laut ihm verstösst diese, wie er sagt, unbegreifliche Annahme einer Initiative nicht nur gegen die Religionsfreiheit, sondern auch gegen die in der Schweiz hoch angesehene Toleranz. Wie wäre es, wenn Herr Küng einmal darüber nachsinnen wollte, dass man Toleranz auch bis zur Aufgabe der eigenen Identität betreiben kann. Auch in dem in der Basler Zeitung vom 29. 11. veröffentlichten Interview 6, das Claudio Habicht mit dem Muslimvertreter Farhad Afsha führte, wird angetönt, dass das Verbot kaum eine Chance hat, was man Habichts Frage »Experten sagen, dass ein Minarettverbot rechtlich gar nicht durchsetzbar ist«, entnehmen kann. Die Antwort Afshas lautete dann wie folgt: »Ja, das wird sich nun schnell zeigen. Die Initiative verletzt das Völkerrecht und internationale Verträge, an welche die Schweiz gebunden ist; zum Beispiel die Menschenrechtskonvention. Möchte die Schweiz die Initative umsetzen, könnte das dazu führen, dass sie gewisse Verträge kündigen müsste.« Es scheint, dass diese Rechte überall da herhalten müssen, wo man sie gerade für die eigenen Zwecke bemüht. Ansonsten ist ganz offensichtlich keine der genannten Verträge machtvoll genug, wenn es darum ginge, den unaussprechlichen Atrozitäten, die sich auf diesem Globus unausgesetzt abspielen, ein Ende zu bereiten.
 
Es ist ferner erstaunlich, wie wenig Gespür all diejenigen besitzen, die sich beeilt haben, den Schweizern die Leviten zu lesen, um zu erkennen, dass sie bei den für ihr Land einstehenden Bürgern lediglich eine tiefe Missbilligung, wenn nicht gar Verachtung hervorrufen. Die Vorsitzende der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, Karin Göring-Eckardt, zeigte sich über das Schweizer Votum gar erschrocken. Dieses sei ausgrenzend und stehe im Widerspruch zu den Werten, auf die die europäischen Gesellschaften zu Recht stolz sind. Diese Wertetritt Europa im Verbund mit der USA auf allen Schlachtfeldern, die die Infernos im Irak auflodern liessen und in Afghanistan sowie jetzt auch in Pakistan fortgesetzt werden, doch unausgesetzt mit Füssen! Es kann doch fast nicht mehr anders sein, als dass man gerade daherredet, was einem so in den Sinn kommt, ohne darüber nachzudenken, dass sich die europäischen Werte inzwischen weitgehend selbst entwertet haben, vor allem angesichts der fortschreitenden Militarisierung. Am 2. 12. veröffentlichte nun Le Figaro die Ergebnisse einer Umfrage 7, laut der die Franzosen den Moscheen immer feindlicher gegenüberstehen. 41 % der Befragten sprachen sich gegen die Bau muslimischer Gebetsstätten aus. 2001 lag diese Ziffer noch bei 22 %. Wie es in dem Bericht heisst, sind 46 % der an der Umfrage teilnehmenden für ein Verbot von Minaretten. Es seien nicht nur die Minarette, die die Franzosen erzürnen, sondern auch die Moscheen als solche. Nur 19 % sind damit einverstanden, dass Moscheen errichtet werden können, wenn die muslimischen Gläubigen dies verlangen. Nach dem unerwartet klaren Nein der Schweizer zu Minaretten haben es auch die Deutschen,  man ist versucht zu sagen, gewagt, ihre Ablehnung gegenüber dem Islam kundzutun - zumindest online, wobei sich offenbar viel aufgestauter Ärger über die zunehmende Überfremdung ihres Landes Luft gemacht hat.
 
Es sei noch einmal betont, dass es mitnichten um die Beschneidung der Religionsfreiheit oder um die Ausgrenzung der Muslime geht. Das Minarett stellt im wesentlichen eine bauliche Komponente dar, ungeachtet der Implikationen religiöser Natur, die ihm von vielen beigemessen wird.
 
  
 
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/31/31615/1.html    30. 11. 09
Kein Muezzin-Ruf aus der Toblerone
2 http://www.jungefreiheit.de/Single-News-Display.154+M5f55dc7f811.0.html  11. 11. 09
Böhmer hofft auf bessere Lage für Christen in der Türkei
3 http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/8366197.stm  18. 11. 09
4 http://bazonline.ch/schweiz/standard/MinarettVerbot-gefaehrdet-unsere-Sicherheit/story/12741443  1. 12. 09
5 http://bazonline.ch/schweiz/standard/Das-wird-die-Schweiz-noch-teuer-zu-stehen-kommen/story/17096546   30. 11. 09  Von Michael Meier
6 http://bazonline.ch/schweiz/standard/Das-Ergebnis-ist-der-Schweiz-unwuerdig/story/23314932   29. 11. 09 Interview Claudio Habicht
7 http://www.lefigaro.fr/actualite-france/2009/12/02/01016-20091202ARTFIG00629-les-francais-de-plus-en-plus-hostiles-aux-mosquees-.php    2. 12. 09