Die Rattenfänger sind los

Am 7. März 2010 soll über die Anpassung des BVG-Umwandlungssatzes, dass heisst über eine massive Rentenkürzung, abgestimmt werden.

Bereits jetzt schon wird im Internet - offenbar vom Ja-Komitee - ein Kuchenback-Video verbreitet. Er kommt zwar süss daher, ist aber eine perfide, hinterhältige Spin Doktoren-Manipulation: Der Kuchen, den eine Nationalrätin, das FDP-Kürzel wird nicht eingeblendet, weil man vermutlich bürgerliche und linke Wähler übertölpeln will, in den Ofen schiebt, kommt nach der Backzeit drei Mal so gross (!) aus dem Ofen *. Die Zahl 100 auf dem Geburtstagskuchen soll wohl suggerieren, dass die Rente für alle bis 100jährig reichen würde.
 
In Wirklichkeit wird aber der Rentenkuchen massiv kleiner, sollten wir Ja stimmen. Ehrlich wäre, wenn man dem Stimmbürger mitteilen würde, um wie viele Franken seine Rente kleiner wird: Der BVG-Umwandlungssatz, der das gesparte Altersguthaben in jährliche Renten umrechnet, soll bis 2015 stufenweise von heute 7,05 % für Männer und 7,0 % für Frauen auf 6,4 % für Frauen und Männer angepasst werden. Damit würde die Rente um fast 10 % kleiner, was zum Beispiel der Senkung einer Monatsrente von 4230 um 390 Franken auf 3840 Franken entspricht.
 
Die gleiche Nationalrätin ist auch an einer ebenso perfiden Werbung auf der Homepage der Neuen Europäischen Bewegung Schweiz (NEBS) beteiligt, wo das europäische Stimmrecht für die Schweizerinnen und Schweizer gefordert wird, womit aber der rasche EU-Beitritt der Schweiz gemeint ist. Dabei können die EU-Völker (mit Ausnahme des zum Ja gezwungenen Irlands) nicht einmal über ihre Verfassung (Vertrag von Lissabon) abstimmen. Für diejenigen, die das Zuckerbrot nicht verstehen, wird mit der Angst operiert: EU-Mitgliedschaft von Island - Nicht auf die Katastrophe warten! heisst es unter dem Bild eines untergehenden isländischen Schiffes. Während locker Milliarden für die UBS, den Autobahnbau, den Ausbau der SBB-Hochleistungsstrecken wie die NEAT oder an die EU ausgegeben werden, soll bei den Rentnern, die ein Leben lang einbezahlt haben, oder im Gesundheitswesen gespart werden.
 
Peter Aebersold, Zürich
 
Mit folgenden, teils irreführenden Argumenten, wird für ein Ja, also für massive Rentenkürzungen, geworben. Worüber abgestimmt wird: Anpassung des BVG-Umwandlungssatzes.
 
Die Stimmberechtigten entscheiden über die Anpassung des Umwandlungssatzes in der 2. Säule unserer Altersvorsorge. Mit der Anpassung soll die berufliche Vorsorge nachhaltig gesichert werden. Weil die Lebenserwartung der Bevölkerung steigt, muss das individuell angesparte Kapital länger reichen. Damit das Kapital länger reicht, soll - wie oben bereits aufgezeigt - der Umwandlungssatz, also der Satz, der das gesparte Altersguthaben in jährliche Renten umrechnet, bis 2015 stufenweise von heute 7,05 % für Männer und 7,0 % für Frauen auf 6,4 % für Frauen und Männer angepasst werden. Wird der Umwandlungssatz nicht angepasst, sind die Vorsorgeeinrichtungen gezwungen, ihren Bezügern mehr auszuzahlen, als gespart worden ist. Dadurch entstehen zwangsläufig Löcher in den Pensionskassen. Die müssen gestopft werden. Für den Ausgleich müssten Erwerbstätige und Arbeitgeber geradestehen. Damit käme es zu einer finanziellen Umverteilung von Erwerbstätigen zu Rentnern. Das ist in der zweiten Säule so nicht vorgesehen und alles andere als im Interesse der Versicherten, deshalb ist die Vorlage dringend anzunehmen.
 
Demographie verlangt Anpassung
Seit das Obligatorium für die zweite Säule 1985 eingeführt wurde, hat sich einiges geändert. Der damals festgelegte Umwandlungssatz von 7,2 % ist von der Realität längst überholt worden. Deshalb wurde 2003 im Rahmen der 1. BVG-Revision der Umwandlungssatz zwischen 2005 und 2014 schrittweise auf 6,8 % gesenkt. Es hat sich jedoch bald herausgestellt, dass diese Anpassung ungenügend ist. Schuld daran sind die steigende Lebenserwartung und die sinkenden Renditeerwartungen. Die zweite Säule muss auf einen Horizont von 40 Jahren angelegt werden. Das machte eine langfristige Perspektive unabdingbar. Eine vom Bundesrat eingesetzte Expertengruppe kam deshalb zum Schluss, dass es für eine solide und stabile 2. Säule notwendig ist, den Umwandlungssatz weiter an die realen Verhältnisse anzupassen.
 
Nein zu 10 Prozent Rentensenkung!
Das ist unverschämt: Schon zum zweiten Mal will das Parlament nun die Renten der 2. Säule kürzen. Bis 2015 würden sie um mehr als 10 % sinken. Das wäre krasser Sozialabbau. Die Bundesverfassung sieht vor, dass die Altersrenten mindestens 60 % des früheren Einkommens betragen, um einen Ruhestand in Würde zu ermöglichen. Dieses Ziel wird mit dem vorgeschlagenen Gesetz verfehlt.
 
Abzocker stoppen
Treibende Kraft hinter dem Rentenklau sind die Versicherungsgesellschaften. Sie haben in der Vergangenheit fette Gewinne mit der Altersvorsorge erzielt. Sie zahlen ihren Managern Millionengehälter (Zürich Versicherungen im Jahr 2007 6,3 Millionen Franken, Swisslife 1,6 Millionen). In Zukunft wollen sie weniger an die Rentnerinnen und Rentner auszahlen, um weiterhin hohe Renditen für Aktionäre und Manager zu ermöglichen.
 
Renten sichern statt spekulieren
Viele Versicherer haben das Geld hochriskant angelegt und dabei verloren. Jetzt sollen die Arbeitnehmenden mit tieferen Renten für die Fehler der Versicherer bezahlen. Vor 2 Jahren wurden die Renten wegen der höheren Lebenserwartung gesenkt, jetzt sollen sie nicht nochmals sinken. Wenn schon, dann braucht es zusätzliche Massnahmen, um eine würdige Altersrente weiterhin zu sichern. Siehe http://www.20min.ch/news/schweiz/story/28718756
 
Rentenklau-Referendum mit viel Unterstützung
Mit 205 000 Unterschriften dürfte das Referendum »gegen Rentenklau« die dritthöchste Unterschriftenzahl erreicht haben, die je für ein fakultatives Referendum gesammelt wurde. Die Unterschriften wurden inzwischen bei der Bundeskanzlei deponiert. Die Rentenkürzung in der zweiten Säule kommt damit vors Volk. Linke Parteien, Gewerkschaften, Rentner- und Konsumentenorganisationen wehren sich mit dem Referendum gegen den Entscheid des Parlaments, den Mindestumwandlungssatz in der zweiten Säule (BVG) bis 2015 schrittweise auf 6,4 Prozent zu senken. Statt rund 7000 Franken wie heute gäbe es dann pro 100 000 Franken Alterskapital nur noch 6400 Franken Rente, was einer Rentensenkung von rund 10 % entspricht. Die am Referendum beteiligten Organisationen sprechen in diesem Zusammenhang von »Rentenklau«. Sie verlangen, dass die Renten auch in konjunkturell schwierigen Zeiten nicht auf Vorrat gekürzt werden. Die Ergebnisse der Pensionskassen müssten an den langfristigen Renditen ihrer Anlagen gemessen werden. Bundesrat und Parlament begründen die Senkung des Umwandlungssatzes mit der stetig steigenden Lebenserwartung und den gleichzeitig sinkenden Renditen der Pensionskassen. Diesen geht es derzeit tatsächlich nicht rosig: Gemäss am 26.10. 09 veröffentlichten Zahlen des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) weisen fast 6 von 10 Vorsorgeeinrichtungen der zweiten Säule eine Unterdeckung auf.
 
* Das Kuchenback-Video mit Nationalrätin Christa Markwalder (FDP), die bei der Neuen Europäischen Bewegung [http://www.europa.ch/] ist und den EU-Anschluss für die Schweiz will, finden Sie unter  www.faire-renten.ch sowie auf youtube unter  http://www.youtube.com/watch?v=Q9xyfKkd2Q4
Markwalder erklärt die Vorlage auf spielerische Weise und bringt es treffend auf den Punkt: Wenn wir JA stimmen, dann stimmt’s für alle!
Siehe auch http://www.unia.ch/10-Rentensenkung.3714.0.html