Atalanta endgültig versenkt - Netzwerk statt Neutralität

Nach mehreren Beratungsdurchgängen hat der Nationalrat das Projekt «Atalanta» endgültig verworfen: Die Seeräuberjagd im Golf von Aden

wird nicht zur Aufgabe der Schweizer Armee werden. Die Versenkung dieses Prestige-Projekts von Aussenministerin Micheline Calmy-Rey ist ein wichtiger Etappensieg. Ihr Versuch, sich Verfügungsgewalt über künftige Armee-Einsätze zu erkämpfen, ist fürs erste gescheitert.
 
Aussenpolitischer Bericht
Doch mehr als ein Etappensieg ist dieser (gegen den Ständerat durchgesetzte) Entscheid des Nationalrats nicht. Fast zur gleichen Stunde, da »Atalanta« versenkt wurde, erschien der neue »Aussenpolitische Bericht« - vom Departement Calmy-Rey verfasst und vom Bundesrat verabschiedet. Dass darin - mit Worten, die an Agit-Prop aus den Zeiten des untergegangenen Ostblocks erinnern - »Atalanta« noch einmal beweihräuchert wird, mag manche eher amüsieren. Weniger amüsant, dafür um so beunruhigender ist, dass der Bericht eine grundlegende Neuausrichtung der Schweizer Aussenpolitik anvisiert: »Netzwerk statt Neutralität« heisst Calmy-Reys neues Motto. Von Neutralität ist in ihrem Aussenpolitik-Programm höchstens noch am Rande die Rede. Sich ins weltweite »Netzwerk« einbinden: das ist das Ziel, das die linke Aussenministerin ins Zentrum stellt. Das heisst im Klartext: Überall dabei sein wollen - mit viel Geld, mit Soldaten, mit Heerscharen von Entwicklungs-Funktionären, mit allem, was andere von uns begehren. Denn von solcher »Politik der splendiden Hand« verspricht sich Aussenministerin Calmy-Rey das, was sie vor allem anderen anstrebt: Vermeintlich glänzende Auftritte auf der Weltbühne. Für solche Politik greift sie skrupellos in die Geldbeutel der Bürger.
 
Selbstdarstellung statt Interessenwahrnehmung 
»Netzwerk statt Neutralität« - Das heisst Selbstdarstellung statt Interessenwahrnehmung. Dass echte Aussenpolitik darin besteht, die Interessen der Schweiz und des Schweizervolks wirksam - nicht unbedingt spektakulär - gegenüber anderen Staaten, gegenüber internationalen Organisationen, gegenüber dem Ausland insgesamt zu vertreten und durchzusetzen, diesen Grundauftrag der Eidgenossenschaft hat Egomanin Calmy-Rey offensichtlich liquidiert.
 
Alarmierend ist, dass ihr eine Mehrheit im Bundesrat - gegen deutlich angemeldeten Widerstand einer klar identifizierbaren Minderheit - grünes Licht für solch »aktive Aussenpolitik« zu erteilen bereit ist. Die Rückschläge gegenüber der OECD, gegenüber der US-Steuerbehörde, gegenüber den bezüglich der Schweiz ohne Rechtsgrundlage handelnden G-20, oder auch die Demütigungen seitens Libyen scheinen Berns Appetit auf »Tanz auf allen Hochzeiten« nicht dämpfen zu können.  
 
Ulrich Schlüer, Chefredaktor der «Schweizerzeit» 25. 9. 09
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