Die UNESCO - Die neue Generaldirektorin oder für wen wir alles arbeiten müssen

politonline d.a. Liest man den nachfolgenden Bericht, so wird doppelt klar, warum der Parlamentsabgeordnete Atanas Atanasov im November 2008 zur Geschichte seines Landes bezüglich der politischen Korruption und der Gewalt folgendes erklärte:

»Andere Länder haben die Mafia, aber in Bulgarien besitzt die Mafia das Land.« Man kommt nicht umhin, sich darüber Gedanken zu machen, welche Art von Seilschaften im Hintergrund aktiv gewesen sein mussten, um diese Wahl durchzusetzen. Es stellt sich darüber hinaus auch immer wieder die Frage nach dem Grad der Informiertheit resp. dem Wissensstand unserer Parlamentarier, hat doch der Nationalrat soeben entschieden, für Bulgarien und Rumänien einen über eine Verpflichtungsperiode von 5 Jahren laufenden Rahmenkredit in Höhe von 257 Millionen Franken zu bewilligen, genauer: für Rumänien 181 Millionen und für Bulgarien 76 Millionen. Wie es hiess, soll der Schweizer Beitrag dazu beitragen, die wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten innerhalb der EU abzubauen. Es kann sich wohl jeder ausrechnen, dass zur Erreichung eines solchen Ziels wesentlich tiefgreifendere  Massnahmen gehörten; darüber hinaus dürfte es ersichtlich sein, dass der Bulgarien zugedachte Kredit ohnedies zu gering ist, um an den Grundfesten dieses Landes, wie Trojanow sie schildert, zu rütteln, allein schon deswegen, weil die Korruption in Bulgarien einen wirtschaftlichen Schaden in Milliardenhöhe anrichtet. Es erstaunt immer wieder, wie unsere Steuererträge angesichts der vermutlich nie mehr zu tilgenden Nationalschuld, die auf jedem von uns lastet, ausser Landes fliessen, was dazu führt, dass man letztlich versucht ist, diese Einstellung nur noch als totale Unbekümmertheit zu betrachten. Wie es heisst, würden die Abkommen jedoch erst dann unterzeichnet, wenn der Bundesrat überzeugt sei, dass die entsprechenden Verwaltungs- und Kontrollsysteme in Bulgarien und Rumänien funktionieren. Das wäre ja immerhin noch ein Aufschub, denn bis dieser Zustand erreicht ist, dürfte noch eine rechte Spanne Zeit verfliessen. Im Juli letzten Jahres hatte die EU die Finanzhilfen für Bulgarien wegen Korruption und krimineller Machenschaften gesperrt, da nach der Erkenntnis Brüssels die Massnahmen gegen letztere und gegen die organisierte Kriminalität 18 Monate nach dem EU-Beitritt immer noch überfällig seien. »Bulgarien und Rumänien -  Enttäuschend für alle«, so lautet der Titel einer Bestandsaufnahme von Horst Bacia, der u.a. folgendes darlegt: »Inzwischen ist kaum noch umstritten, dass es ein Fehler war, Bulgarien und Rumänien den EU-Beitritt zum 1. Januar 2007 verbindlich zuzusagen, obwohl die politischen Bedingungen dafür nicht erfüllt wurden. Die für beide Länder geschaffene Sonderregel, die einen Aufschub des Beitritts um ein Jahr ermöglicht hätte, wurde nicht angewendet« 1. Was darauf schliessen lässt, dass ein ohne Wissen der EU-Bürger im Hintergrund ausgeübter Druck auch hier zum Tragen kam. So schrieb Réseau Voltaire: Bulgarien wurde aus geopolitischen Erwägungen 2004 in die NATO und 2007 in die EU aufgenommen und bildet somit, zusammen mit dem »Neuen Europa«, nämlich Tschechien, Slowakei, Polen, Ungarn und Rumänien, einen  «cordon sanitaire», also eine Staatenkette gegen Russland. Im übrigen brachte die Opposition Anfang April 2008 ihren 5. Antrag ein, in dem der amtierenden Regierung eine «Beteiligung am organisierten Verbrechen» vorgeworfen wurde. Zuvor waren zwei führende Polizeibeamte wegen Machtmissbrauchs und Verrats von Staatsgeheimnissen an Anführer von Verbrechersyndikaten angeklagt worden. Ein grundlegender Bericht über die Mafia in Bulgarien ist auf  http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1106 einsehbar.
 
Neue Generaldirektorin -Warum die Unesco-Wahl ein Skandal ist - Von Ilija Trojanow
 
24. September 2009: In diesen Wochen, da wir eines epochalen Ereignisses gedenken, des Zusammenbruchs der totalitären Herrschaft in Osteuropa vor zwanzig Jahren, wird manch eine bewegende Sonntagsrede gehalten und manch ein Fest gefeiert werden. Man wird sich beglückwünschen, den Totalitarismus überwunden zu haben. Leider hat man ihn auch ad acta gelegt und die Erinnerung weggesperrt. In Ländern wie Rußland wortwörtlich, andernorts in den Köpfen von Funktionären und Politikern aus Ost und West, wie die Wahl der Bulgarin Irina Bokowa zur Unesco-Generaldirektorin beweist. Denn es ist nicht anzunehmen, daß jene Regierungen, die sich für ihre Wahl einsetzten, von ihrer Biographie nichts wußten. Ihr Vater, Politbüromitglied Georgi Bokow, war als Chefredakteur von Rabotnitschesko Delo (der bulgarischen Prawda) der oberste Propagandist des Landes und ein eifriger Sykophant des Diktators Todor Schiwkow. Nach dem Einmarsch der Roten Armee 1944 verfolgte er in den Rhodopen [Gebirge im Süden Bulgariens an der Grenze zu Griechenland] Oppositionelle und war laut Zeugnis von Michail Satew, der als Politischer Akteur fünfzehn Jahre in Haft saß, auch an Volksgerichtsexekutionen beteiligt.
 
Die einstige Nomenklatura herrscht wieder
Seine Tochter durchlief alle Kaderschmieden bis hin zum Institut für internationale Beziehungen in Moskau, das unter der Kontrolle des KGB junge Apparatschiks aus dem gesamten Ostblock auf zukünftige Aufgaben als Diplomaten und Agenten vorbereitete. Danach machte sie schnell Karriere im Außenamt in Sofia, sowie als Gesandte bei den Vereinten Nationen in New York, eine Position, die nur den Allerverläßlichsten übertragen wurde. Kurz nach der Wende wurde sie von ihrer Partei, inzwischen in Bulgarische Sozialistische Partei umbenannt, als unverbrauchtes Gesicht in die Politik geschickt, wo sie bis zur Außenministerin aufstieg.
 
Man könnte einwenden, das sei zwar nicht besonders schön, aber man dürfe doch nicht die Kinder für ihre Eltern haftbar machen und man müsse Frau Bokowa zugestehen, daß sie sich zu einer überzeugten Demokratin gewandelt habe. Doch dann würde man den Clancharakter der bulgarischen Machtverhältnisse verkennen. In allen Bereichen der Gesellschaft ist weiterhin entscheidend, aus was für einer Familie man stammt. Das Who’s who liest sich teilweise wie ein Reprint einstiger Ausgaben, nur mit vertauschten Vornamen. Das gilt für die Politik (der langjährige, erst vor kurzem abgewählte Ministerpräsident Stanischew war der Sohn eines anderen Politbüromitglieds) ebenso wie für die Justiz (der Generalstaatsanwalt von 1999 bis 2006, Nikola Filtschew, war der Sohn eines Stasi-Offiziers, der für die Aufsicht über die politischen Gefängnisse und den GULag zuständig war). Das sind nur zwei Beispiele unter Tausenden, auch in der Wirtschaft, die nach 1989 von der einstigen Nomenklatura gekapert wurde. Deswegen herrscht in Bulgarien Korruption, sind Mafia und Staat eine Symbiose eingegangen, die inzwischen selbst die trägen Bürokraten der EU erschreckt hat.
 
Offener Zynismus
Entlarvend ist auch, daß Frau Bokowa sich (so wie ihre Partei) niemals von den Verbrechen der totalitären Zeit distanziert hat. Die sozialistische Nachfolgepartei hat weder Verantwortung noch Schuld akzeptiert und sich nicht einmal bei den Opfern entschuldigt. In einer Parlamentsdebatte ergriff der Bruder von Frau Bokowa, Philip Bokow, das Wort und erlaubte sich einen Witz auf die Doppeldeutigkeit des bulgarischen Wortes vina (Schuld, aber auch Weine): Schuld nehmen wir zu den Vorspeisen. Ob es irgendwo auf der Welt nach einer Diktatur einen solch offenen Zynismus gegeben hat? Philip Bokow fungierte in der Folge als Berater des amtierenden Präsidenten Georgi Parwanow (IM-Deckname: Gotze), bevor er sich so sehr in Drogengeschäfte und Frauenhandel verwickelte, daß er nicht mehr tragbar war.
 
Die neue Unesco-Generaldirektorin gehört zu einer kleinen mächtigen Schicht, die Bulgarien ruiniert hat und die das demokratische Spiel nur mitspielt, solange ihre unrechtmäßig erworbenen Privilegien nicht gefährdet sind. Der Auschwitz-Überlebende Elie Wiesel hatte erklärt, Hosnis Wahl wäre eine Schande für die internationale Gemeinschaft. Gestern erklärten zwei GULag-Überlebende aus Bulgarien, die Wahl Bokowas sei beschämend für uns alle. Die Unesco mag einer Schande entgangen sein, aber um welchen Preis!
 
 
Quelle: 1http://www.faz.net/s/Rub117C535CDF414415BB243B181B8B60AE/Doc~EB2DBE163CDE1427F8D94F93D9E1F864E~ATpl~Ecommon~Scontent.html  24. 9. 09 FAZ 24. 7. 08 Bulgarien und Rumänien  Enttäuschend für alle - Von Horst Bacia
http://www.faz.net/s/Rub7FC5BF30C45B402F96E964EF8CE790E1/Doc~E7C5685C320D94F03BBC1EF48EC68795E~ATpl~Ecommon~Scontent.html
2 http://www.voltairenet.org/article150470.html  1.8.07 Le passage du socialisme d’Etat au néolibéralisme - La Bulgarie est en train de devenir un pays du tiers-monde par Peter Bachmaier
 
Atanas Atanasov im Time Magazine Vol. 172 Nr. 18 vom 3. 11. 2008: »Other countries have the mafia. In Bulgaria, the mafia has the country.« Der 1965 in Sofia geborene deutsche Schriftsteller Ilija Trojanow veröffentlichte zusamen mit Juli Zeh die Streitschrift Angriff auf die Freiheit. Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte