»Händler des Todes« - Der Sieg des Viktor Bout - Von Matthias Rüb

Die Drug Enforcement Administration DEA, die für den Kampf gegen Drogenschmuggel und -konsum zuständige Behörde des US-Justizministeriums, war schon lange hinter diesem »großen Fisch« her.

Der Mann war schwer zu fassen, er war erfahren und gerissen, und er hatte nicht nur sehr viel Geld, sondern zudem offenbar auch mächtige Beschützer. Dann aber ging er den Beamten doch ins Netz. Es heißt, man habe damals, am 6. März 2008, als Viktor Bout in einem Luxushotel in Bangkok von der thailändischen Polizei festgenommen wurde, in den Büros der verantwortlichen DEA-Mitarbeiter buchstäblich vor Freude getanzt. Heute dürfte man sich dort die Haare raufen: Sollte alles umsonst gewesen sein? Jedenfalls hat ein Richter in Bangkok am 11.8.09 entschieden, daß dem Auslieferungsbegehren der amerikanischen Regierung nicht entsprochen werden kann und daß der 42 Jahre alte russische Staatsangehörige Viktor Anatoljewitsch Bout drei Tage nach dem Urteil freigelassen werden muß. Bout, der »Händler des Todes«, ist der vielleicht mächtigste und fähigste Waffenhändler unserer Tage. Von ihm heißt es, er könne alles sofort überallhin liefern - von Boden-Luft-Raketen und AK-47-Sturmgewehren samt Munition über Frachtflugzeuge und Drohnen bis zu Gefrierhähnchen und Schnittblumen. Seine Laufbahn soll der in Duschanbe in der damaligen tadschikischen Sowjetrepublik geborene Bout bei der Luftwaffe begonnen haben, andere Quellen bringen ihn mit Spezialeinheiten der Sowjetarmee oder dem Geheimdienst KGB in Verbindung. Bout hat das Fremdspracheninstitut der Streitkräfte absolviert und soll neben Russisch und Englisch fließend Französisch, Portugiesisch und Arabisch sprechen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion machte er in den neunziger Jahren mit Dutzenden verschiedener Unternehmen für Luftfracht ein Vermögen. Zu seinen Kunden gehörten der frühere liberianische Präsident Charles Taylor, der sich derzeit in Den Haag vor dem Internationalen Sierra-Leone-Tribunal verantworten muß, allerlei Rebellenbewegungen in Afrika (zumal in Angola und im damaligen Zaire), im Nahen Osten (unter ihnen nach Überzeugung der CIA die libanesische Hizbullah) sowie schließlich in Afghanistan die einstige Nordallianz von Schah Massud sowie die Taliban, die er für deren Krieg gegeneinander gleichermaßen aufrüstete - oftmals mit den gleichen Waffen, die aus den gleichen Flugzeugen abgeworfen wurden. Der bald als »Händler des Todes« bekannte Bout flog aber auch im UNO-Auftrag Blauhelme in den Sudan, stellte afrikanischen Staatsoberhäuptern Charterflugzeuge zur Verfügung und transportierte nach der amerikanisch geführten Invasion vom März 2003 Waffen für die neuen irakischen Streitkräfte - wohlgemerkt im Auftrag Washingtons, wo man zu spät erkannte, wer hinter der beauftragten Firma steckte. In der Regel kamen die Waffen aus ehemaligen Ostblockstaaten wie Bulgarien, der Ukraine und Moldau, die Abnehmer fanden sich in aller Welt. Bout leugnet die Waffenlieferungen nicht, er bestreitet aber, jemals etwas Illegales getan zu haben.
 
Lebenslange Haft
Fast zum Verhängnis wurde Bout, der wegen Ermittlungen von Interpol und einer Anklage wegen des Verdachts der Geldwäsche in Belgien nur noch selten von Rußland aus ins Ausland reiste, die verdeckte Operation der amerikanischen DEA. Diese hatte einen Agenten namens »El Comandante« angeheuert, der sich als führendes Mitglied der »Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens« (Farc) ausgab und sich an Luft-Boden-Raketen, Drohnen,  Raketenwerfern sowie an Tausenden von AK-47 samt Tonnen von Munition interessiert zeigte. Dem Agenten gelang es - offenbar in Zusammenarbeit mit dem thailändischen Geheimdienst - Bout aus der Reserve und zum Abschluß des Geschäfts nach Bangkok zu locken. Die Farc wollten mit den Waffen Stützpunkte der kolumbianischen Armee sowie auch der mit diesen verbündeten amerikanischer Streitkräfte in dem südamerikanischen Land angreifen, ließ »El Comandante« den Waffenhändler Bout wissen. Und der bot nicht nur die prompte Lieferung der Waffen mittels Abwurf an Fallschirmen an, sondern zeigte sich erfreut, beim Töten von Amerikanern mitzutun, die auch seine Feinde seien. Die Verkaufsverhandlungen in dem Hotelzimmer wurden mitgeschnitten und sollen als Beweismittel für eine vor einem Bundesgericht in New York im vergangenen Jahr eingereichte Anklage wegen des Verdachts der Verschwörung zur Tötung amerikanischer Bürger und drei anderer Vergehen »wasserdicht« sein. Im Falle einer Verurteilung vor dem New Yorker Gericht würde Bout lebenslange Haft drohen.
 
Von »kleiner Welt« und »großer Politik«
Doch so weit ist es noch lange nicht, denn vor die Gerichtsverhandlung in der »kleinen Welt« eines New Yorker Bundesgerichts hat sich die »große Politik« geschoben. Dort gibt es einerseits ein globales Armdrücken zwischen den Vereinigten Staaten und Rußland, aber andererseits auch den Versuch einer Neuausrichtung der amerikanischen Rußland-Politik und einer Annäherung an Moskau unter Präsident Barack Obama und Außenministerin Hillary Clinton. In der Welt der »großen Politik« gibt es den amerikanischen Verbündeten Thailand, wo noch jüngst mutmaßliche Terroristenführer aus Afghanistan und Pakistan vom amerikanischen Auslandsgeheimdienst CIA in Geheimgefängnissen »harschen« Verhörmethoden unterzogen wurden, ehe sie ins Gefangenenlager Guantánamo Bay gebracht wurden; und wo man sich offenbar jetzt erheblichen Drucks aus Moskau ausgesetzt sieht und außerdem nicht abermals als willenloser Handlanger Washingtons erscheinen will. Manches spricht dafür, daß das Schicksal von Viktor Bout, des in der ganzen Welt tätigen »Händlers des Todes« mit guten alten Verbindungen zu den russischen Streitkräften, wahrscheinlich zum Geheimdienst KGB und wohl auch zum Kreml, von der »großen Politik «und nicht von einem »kleinen Gericht« in New York entschieden wird.
 
Bout zeigt sich siegessicher
In Washington hat man die Entscheidung des Richters in Bangkok mit Bedauern zur Kenntnis genommen, der zweite Mann an der amerikanischen Botschaft in Bangkok, James Entwistle, zeigte sich »enttäuscht und verwirrt«. Die russische Regierung nahm die Entscheidung dagegen »mit Zufriedenheit« auf; ein Sprecher des Außenministeriums in Moskau äußerte die Hoffnung, Bout werde »bald nach Hause zurückkehren« können. In Bangkok hat die Generalstaatsanwaltschaft nur noch wenige Stunden Zeit, um über mögliche Rechtsmittel gegen den überraschenden Richterspruch zu entscheiden. Im State Department und zumal im Kongreß, wo man eigentlich in den Sommerferien ist, hat man alle Räder in Bewegung gesetzt, um doch noch eine Überstellung Bouts zu erreichen. Ed Royce, der republikanische Abgeordnete aus Kalifornien, der sich im Repräsentantenhaus seit Jahr und Tag mit dem Fall Viktor Bout befaßt, hat vor möglichen »dramatischen Rückschlägen« für die amerikanisch-thailändischen Beziehungen gewarnt und die Entscheidung in Bangkok als Zeichen von »Verrottung« beschrieben. Man darf sich sicher sein, daß man in Moskau mit gleicher Energie dafür arbeitet, daß das Urteil Bestand hat. Bei seinem Besuch in Bangkok hatte sich Außenminister Sergej Lawrow im Juli persönlich für  Bout eingesetzt und eine »unparteiische« Entscheidung des Gerichts verlangt. Derweil zeigte sich der Angeklagte selbst siegessicher, sagte zu dem für ihn erfreulichen Urteil kein Wort und machte stattdessen das berühmte Sieges Zeichen: V wie victory oder auch V wie Viktor.
 
Anmerkung politonline d.a. Hierzu ein kurzer Auszug aus einem Artikel von Knut Mellenthin, der erklären mag, wieso das Urteil gegen Bout auf diese Weise gefällt wurde: »Der mit Abstand größte Zweig der Weltwirtschaft, die Rüstungsindustrie, mit allem, was an kriegsbedingten Nebengeschäften dazugehört, expandiert und steht auf Jahrzehnte hinaus vor gesichertem Absatz; das gilt vor allem für die USA selbst. Aber auch in Deutschland und in anderen mit der USA verbündeten Ländern profitieren viele Unternehmen dauerhaft von dem »neuen Dreißigjährigen Krieg«. Am stärksten an dessen Fortsetzung und Ausweitung sind die Unternehmen interessiert, die nur verdienen können, solange wirklich Krieg geführt wird. Traditionelle Rüstungskonzerne können grundsätzlich auch in Friedenszeiten riesige Profite einfahren. Lebenswichtig aber ist der Krieg für den stark expandierenden Sektor der »Sicherheitsunternehmen«, die Söldner, Hilfsdienste für das kriegführende Militär oder kriegsnahe »Beratung« anbieten. Es ist daher kein Zufall, daß viele führende Neokonservative gerade mit diesem aggressivsten Teil der Militärwirtschaft persönlich eng verbunden sind.«
 
Schliesslich sind Kriege wie sie derzeit in Somalia resp. in Afghanistan und in Pakistan geführt werden, oder im Irak und in Sri Lanka ausgetragen wurden, für den Waffenhandel ideal, auch deswegen, weil wir, die  ›Internationale Gemeinschaft, für die Folgen der Destruktion aufkommen müssen. Eigentlich können wir uns bereits als Leibeigene letzterer, von uns mitnichten legitimierter Institution betrachten.
 
Quelle: http://www.faz.net/s/RubDDBDABB9457A437BAA85A49C26FB23A0/Doc~E9865DF7C135E434F8C30450BFE2FF772~ATpl~Ecommon~Scontent.html  13. 8. 09 Text: F.A.Z.