Großkunde Pentagon

Deutsche Konzerne sichern ihre Millionengeschäfte mit dem Pentagon durch Sonderzuwendungen an Beschäftigte der US-Streitkräfte ab.

Dies berichten deutsche und US-amerikanische Nicht-Regierungsorganisationen. Demnach bezahlen vor allem Unternehmen der Pharma- und der Medizintechnik-Branche den Mitarbeitern von US-Militärkrankenhäusern Reisekosten zu Kongressen und zu Trainings; zu ersteren gehören Prothesen-Hersteller, aber auch Bayer und Siemens. Beide Konzerne gehören schon seit Jahren zu den Geschäftspartnern des Verteidigungsministeriums der USA. Die Ausgaben des Pentagons für die medizinische Versorgung der US-Soldaten sind mit den Kriegen in Afghanistan und im Irak stark gestiegen, Beobachtern zufolge könnten sich allein die Aufwendungen für Medikamente bis 2015 auf rund 15 Mrd. US-$ im Jahr verdoppeln. Zu den Firmen, die ihrer Lobbyarbeit beim US-Militär mit der Finanzierung von Reisekosten Nachdruck verleihen, gehören darüber hinaus Ausstatter wie der Sportartikel-Hersteller Adidas. Ein weiterer Interessent am Kriegsgeschäft, Boehringer Ingelheim, operierte bereits während des Krieges in Vietnam als Helfer des Pentagons und lieferte den Grundstoff für das Herbizid Agent Orange - mit bis heute fatalen Folgen für Hunderttausende von Vietnamesen.
 
Presentation of Product Line
Wie die konzernkritische Coordination gegen Bayer-Gefahren berichtet, wenden deutsche Unternehmen, darunter der Bayer-Konzern, beträchtliche Summen für Reisen von Mitarbeitern des Pentagons und von Angehörigen der US-Streitkräfte auf. Quelle des Berichtes ist ein Report der US-Organisation Public Integrity, die Unterlagen von  Regierungsstellen in Washington auswertet. Demnach ließen sich Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums und der US-Armed Forces im Zeitraum von 1998 bis 2007 mehr als 22.000 Reisen von Stellen außerhalb der US-Regierung bezahlen. Wert: mindestens 26 Millionen US-$. Fremde Regierungen, darunter die deutsche, stellten für Reisen, gewöhnlich zu Tagungen und zu Konferenzen, 2,6 Millionen US-$ bereit. Zu den Finanziers gehörten zudem Think tanks, etwa die Bertelsmann-Stiftung und die Clausewitz-Gesellschaft, sowie Einrichtungen aus Wissenschaft und Forschung, Universitäten und die Max-Planck-Gesellschaft, die zu Treffen einluden, aber auch Konzerne. Der Sportartikel-Hersteller Adidas etwa finanzierte mehrere Reisen von Pentagon-Einkäufern, um für seine Waren zu werben.
 
Prothesen-Spezialist
Der Schwerpunkt der interessegeleiteten Reisekostenerstattung lag in den Jahren von 1998 bis 2007 jedoch eindeutig in der Pharma- und Medizintechnik-Branche. Wie Public Integrityberichtet, bezahlten Unternehmen der Branche rund 8.700 von 22.000 fremdfinanzierten Reisen im Wert von mehr als 10 Millionen US-$. »Eine subtile Form des Marketings«, urteilt die Coordination gegen Bayer-Gefahren, CBG, mit Verweis auf rund 46.000 €, mit denen allein Bayer von 1998 bis 2007 Reisen von Pentagon-Mitarbeitern finanzierte. Wie die CBG berichtet, sind die Aufwendungen des Pentagons für Medikamente in der jüngsten Zeit erkennbar gestiegen und belaufen sich derzeit auf beinahe 7 Mrd. $ jährlich - rund 2 % des gesamten US-Verbrauchs.
 
Giftgas-Tradition
Geschäfte von Bayer mit dem Pentagon haben mittlerweile Tradition. Öffentliche Aufmerksamkeit erregte die Zusammenarbeit zuletzt im Frühjahr 2004; damals machten Berichte über heftige Auseinandersetzungen zwischen Washington und dem deutschen Konzern über das Arzneimittel Lipobay die Runde. Bayer hatte den Cholesterinsenker wegen mutmaßlicher Nebenwirkungen mit in zahlreichen Fällen tödlichem Ausgang schon 2001 vom Markt genommen. Ein gestoppter Lipobay-Liefervertrag zwischen der Firma und dem Pentagon war noch 2004 Gegenstand eines Streits zwischen den Vertragsparteien. Dabei beschränkt sich die Kooperation nicht auf Arzneien. »Auch das von der US-Armee bis heute verwendete Giftgas VX basiert auf einem Patent des Leverkusener Konzerns«, berichtet die CBG. Eine »unselige Tradition«, urteilt die Organisation, die auf die enge Verwandtschaft von Pestiziden - einer Bayer-Spezialität - mit Chemiewaffen verweist. Wie die CBG in Erinnerung ruft, haben Bayer-Forscher schon lange vor VX bei der Entwicklung chemischer Kampfstoffe »eine bedeutende Rolle gespielt«. »Fritz Haber entwickelte während des Ersten Weltkrieges gemeinsam mit Bayer-Generaldirektor Carl Duisberg das Senfgas und teste dieses erstmals an der Front. 1938 synthetisierte Gerhard Schrader Sarin«, berichtet CBG der Redaktion GFP: »Schrader leitete bis 1964 die Pflanzenschutzabteilung des Konzerns.«
 
Millionengeschäfte
Unter den deutschen Reisefinanziers findet sich schließlich mit Siemens auch ein Großkonzern, der sich um gute Beziehungen zu Medizintechnik-Spezialisten der US-Militärapparate bemüht - mit einigem Erfolg. So hat Siemens Medical Solutions USA beispielsweise im Februar 2007 einen umfangreichen Auftrag der US-Streitkräfte zur Lieferung von Geräten im Wert von 30 Millionen US-$ erhalten. Im April 2009 folgte ein Auftrag zum Verkauf von Röntgensystemen an US-Heer, Marine, Luftwaffe und Marine-Infanterie, diesmal sogar in Höhe von 267 Millionen US-$.
 
Die Millionengeschäfte von Siemens, Bayer und von anderen deutschen Firmen leben von den Kriegen, die Washington derzeit im Irak und in Afghanistan führt - und von der immer größeren Zahl US-amerikanischer [und anderer] Soldaten, die diesen Kriegen zum Opfer fällt.
 
Quelle: http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57593 25. 8. 09; auszugsweise