Arabische Welt - alarmierende Verarmung und falsche Sozialpolitik

Laut einem Bericht über die soziale Situation in den arabischen Ländern, der in diesem Jahr von arabischen Experten mit Unterstützung der UNO verfaßt wurde,

lebt fast jeder fünfte Einwohner der arabischen Region (insgesamt 65 Millionen) unter der Armutsgrenze, d. h. von höchstens 2 US-$ am Tag. In Ägypten leben 41 % der Bürger unter der Armutsgrenze. In Syrien und im Libanon liegt diese Kennzahl bei 28,6 bzw. 30 %. Im Jemen sind knapp 60 % der Einwohner verarmt. Eine der Hauptursachen der Armut und des drastisch absinkenden Niveaus der Wirtschaftssicherheit in der arabischen Welt sei die Arbeitslosigkeit, die seit Ausbruch der weltweiten Finanzkrise gestiegen ist. Die Forscher bemängeln ferner die falsche Sozialpolitik der Behörden, die zum Sinken des Lebensniveaus führe, obwohl die Region insgesamt keinen Mangel an Finanzressourcen habe. Ein besorgniserregendes Signal ist laut den Verfassern die Tatsache, daß die Behörden in mehreren arabischen Ländern vor dem Hintergrund des sinkenden Lebensniveaus und der zunehmenden sozialen Spannungen scharfe Gesetze zur Terrorbekämpfung annehmen, die unter anderem die Beeinträchtigung der Menschenrechte bis hin zur Legalisierung von Folter und willkürlichen Inhaftierungen vorsehen. Als unannehmbar bezeichnen die Verfasser die sich in den letzten Jahren abzeichnende Tendenz verminderter Bemühungen um den Umweltschutz und um den Kampf gegen die vorrückende Wüste. Nach Angaben der Wissenschaftler sind mehr als 2,9 Millionen Quadratkilometer Land (20 % der Territorien der arabischen Länder) durch die Verwüstung bedroht. Dies sei um so bedrohlicher, als in der arabischen Region gegenwärtig ein stetiges Bevölkerungswachstum (fast 4 Kinder je geburtsfähiger Frau) zu beobachten sei. Die Bevölkerung der arabischen Länder beträgt gegenwärtig sind es 330 Millionen 1.
 
Inzwischen gehen in Dubai die Umzugskartons aus: Wenn ein Ausländer arbeitslos wird, verliert er seine Aufenthaltserlaubnis und muss innerhalb von 30 Tagen das Land verlassen. Tausende von arbeitslos gewordenen sind schon weg, denn wer Schulden hat, kann im Gefängnis landen. Auch mehr und mehr gut ausgebildete Fachleute aus dem Westen verlieren ihren Arbeitsplatz. Mit ihnen schwindet die Kaufkraft. So stehen mittlerweile auf vielen Baustellen die Kräne still und die Nachfrage nach Immobilien geht zurück. Paul Dyer von der Dubai School of Government meint hierzu: »Der Golf hatte immer schon diesen flexiblen Nachschub an Arbeitern. In guten Zeiten konnte man ungelernte Arbeiter ins Land holen, die Häuser errichteten und die Infrastruktur schufen. Bei einem Abschwung konnte man diese Menschen wieder exportieren, ohne daß man selbst die Kosten der Arbeitslosigkeit oder andere soziale Kosten tragen mußte.« Von den rund anderthalb Millionen Einwohnern Dubais sind mindestens 90 % Ausländer und die Emiratis fühlen sich bereits als schwindende Minderheit im eigenen Land 2.
  
Einst war Dubai Sehnsuchtsort, schillernde Metropole, schrieb die Badische Zeitung am 26. 2. dieses Jahres 3. Da es jedoch jetzt kaum noch Jobs in Dubai gibt, seit die Weltwirtschaftskrise alle hochfliegenden Träume mit einem Schlag zerdepperte und »nur noch Drogengeld aus Afghanistan in die Kassen tröpfelt, müssen Millionen asiatischer Gastarbeiter heimkehren. In ihrer Heimat drohen soziale Unruhen und Armut. Das Ende der Fata Morgana von Dubai, Bauvorhaben in Höhe von 260 Milliarden US-$ (204 Mrd. €) wurden aufgeschoben oder verschwanden in Schubladen sowie in anderen einstigen Wirtschaftswunderländern entlang des Golfs von Arabien hat katastrophale Auswirkungen auf Asien. Von Pakistan bis zu den Philippinen hängen die Volkswirtschaften wie Süchtige von den Devisen ab, die ihre Gastarbeiter nach Hause schicken. Elf der 13 Millionen Gastarbeiter in den Golfstaaten stammen aus Asien.« Die 5 Millionen Inder, die in den Golfstaaten arbeiten, überwiesen 2008 ein Fünftel der 30 Milliarden US-$ (23,5 Milliarden €), die von Gastarbeitern nach Hause geschickt werden. Zum Vergleich: Die Exporte der IT-Industrie am Ganges machten letztes Jahr 40 Milliarden US-$ aus. Die Philippinen stünden ohne die 16,4 Milliarden US-$, die die Overseas Filipino Workers in die Heimat schicken, vor dem finanziellen Ruin. Selbst Thailand, das zwei Millionen illegaler Wanderarbeiter aus den südostasiatischen Nachbarländern mit Niedriglöhnen ausbeutet, freut sich über stolze 1,8 Milliarden US-$, welche die Thailänder in ihre Heimat schicken. Nach Schätzungen der Weltbank dürften diese  Überweisungen in diesem Jahr um 9 % schrumpfen. Die sozialen Folgen sind kaum absehbar. Denn viele der Gastarbeiter verschuldeten sich in der Heimat, um Agenten für eine Vermittlung im Ausland zu bezahlen. Die 150 Rückkehrer, die alleine der indische Bundesstaat Kerala gegenwärtig wöchentlich verzeichnet, stehen deshalb vor dem Nichts. Und ihre Familien, die dank der Überweisungen einen besseren Lebensstandard genossen, müssen sich ebenfalls einschränken. »Asien könnte vor einer Welle radikaler sozialer Unruhe stehen«, fürchtet Walden Bello, Soziologieprofessor in Manila. »Denn die Heimkehrer kommen zu einem Zeitpunkt, in dem das exportorientierte Wachstumsmodell des Kontinents ebenfalls zerbricht.  Der Verlust der Überweisungen wird Millionen wieder unter die Armutsgrenze drücken«, warnt der Gelehrte.
 
Inzwischen leidet der Wüstenstaat Dubai unter den fallenden Immobilienpreisen; laut Morgan Stanley fielen diese seit September 2008 um 25 %. Hinzu kommt die hohe Schuldenlast. Ende Februar 2009 hatte die Zentralbank der Vereinigten Arabischen Emirate, VAE, seinem Mitglied Dubai Schulden im Umfang von 10 Mrd. $ abgekauft, um so eine Liquiditätskrise abzuwenden. Das entspricht der Hälfte der 20 Mrd. $ großen Emission, mit der Dubai seine hohe Schulden refinanzieren will. Dubais Wirtschaftswunder ging im Zuge des weltweiten Absturzes zu Ende, wodurch es auf die Hilfe durch seine Nachbarn angewiesen ist. Wuchs die Volkswirtschaft in den vergangenen Jahren durchschnittlich um 15 %, so wird für 2009 nur noch mit einem Plus von 6 % gerechnet. Nach Schätzungen von Moody's werden dieses Jahr 15 Mrd. $ an Verbindlichkeiten fällig; insgesamt belaufen sich die Schulden auf 80 Mrd. $, das entspricht 110 % des Bruttoinlandsprodukts. Angesichts der schwierigen Situation an den Kreditmärkten gestaltet sich die Refinanzierung schwierig. Das ließ die Kreditausfallkosten zuletzt deutlich anschnellen und belastete die Aktienkurse vieler Unternehmen. Auch die Ratingagenturen schauen kritisch hin. So senkte Standard & Poor's Mitte Dezember den Ausblick für sechs Unternehmen des Landes auf negativ. Dabei handelte es sich um DIFC Investments, DP World, Dubai Holding Commercial Operations Group, Dubai Multi Commodities Centre Authority, Jebel Ali Free Zone und JAFZ Sukuk. Das finanziell stärkste Scheichtum der VAE ist dank großer Ölvorkommen Abu Dhabi. Bereits letzten November übernahm das Emirat mit Amlak Finance und Tamweel zwei in Schieflage geratene Hypothekenfinanzierer Dubais. Zudem setzte es eine Kreditfazilität im Umfang von 13,6 Mrd. $ auf und kündigte an, mit 19 Mrd. $ das Bankensystem zu unterstützen 4.
 
Trotz besagter Schuldenlast war am 21. November 2008 war die erste sogenannte Palmeninsel, The Palm Jumeirah, eingeweiht worden: eine Sandaufschüttung im Meer mit Unterkünften für Superreiche, deren  Baukosten: 1,5 Milliarden US-$ betrugen. Die 20-Millionen-$ teure Eröffnungsparty fand im Hotel Atlantis The Palm statt, das auch Unterwasserzimmer anbietet; zum Auftakt waren 100.000 Feuerwerksraketen abgefeuert worden 5. Auch die Bau-Entwicklungsgesellschaft Nakheel, die so spektakuläre Immobilienprojekte wie The Palm Jumeirah angestoßen hat, drücken massive Zahlungsprobleme. Wie das Handelsblatt vom 28. 7. 09 vermerkte, hat das Unternehmen unbestätigten Berichten aus der Finanzszene zufolge seine Gläubiger aufgefordert, auf 30 % ihrer Außenstände zu verzichten 6
 
Auch in Saudi-Arabien gegebene Zahlungsschwierigkeiten zweier Familienunternehmen bedrohen den gesamten arabischen Raum, da sie 120 Banken weltweit mehrere Mrd. US-$ schulden 7. Die Saad- und Algosaibi-Konglomerate versuchen seit Tagen, ihre Schulden zu verringern und Anleger zu beruhigen. Für die Gläubigerbanken steht damit sehr viel Geld auf dem Spiel. Finanzinstitute im Land selbst haben Kredite in Höhe von 4 bis 7 Mrd. US-$ ausstehen. Insgesamt geht es laut Analystenschätzungen um 15,7 Mrd. US-$. Die beiden Firmenimperien sind weit verzweigt - und eng miteinander verbunden. Die Familie der Gosaibis begann in der Landwirtschaft und der Perlenzucht und verdient ihr Geld inzwischen im Finanzgewerbe mit Immobilien, Schiffen und dem Abfüllen von Pepsi. Die Saad-Gruppe gehört dem ehemaligen Luftwaffenoffizier Maan al-Sanea, der in Kuwait geboren wurde. Er heiratete in die Gosaibi-Familie ein. Das Unternehmen ist nach seinem verstorbenen Sohn benannt und weltweit an zahlreichen Firmen beteiligt, unter anderem an dem britischen Hausbauer Berkeley. Was Dubai selbst betrifft, so glaubt der Wirtschaftsfachmann Eckhart Woertz indessen nicht an ein Ende des Traums: Dubai hat sich als Handels- und Dienstleistungszentrum in einer ölreichen Region positioniert, in einer Region, die zwischen Asien und Europa liegt, mit den ganzen Warenströmen; insofern würde ich erwarten, daß Dubai nicht im Meer verschwindet. Für etliche seiner Immobilieninvestoren, meint er, wird es allerdings schon zwei blaue Augen geben.
 
Es gibt indessen noch einen anderen gewichtigen Grund, der Dubai vor dem Absturz bewahren dürfte: Die neue Steueroase, führen Herbert Klar und Ulrich Stoll aus 8, ist Dubai, nachdem die Schweiz und Liechtenstein für Steuerhinterzieher nicht mehr so interessant sind. Frontal21 hat sich die Mühe gemacht, mehrere sogenannte Finanz-Dienstleister in Dubai mit versteckter Kamera aufzusuchen. Das Emirat »ist ein Gründerland im Morgenland«, sagt Steuerfahnder Reinhard Kilmer. »Das hängt damit zusammen, daß diese Steueroase in der Tat sehr stark boomt«. So habe es dort im vergangenen Jahr 20.000 Gründungen von Firmen, Trusts und Holdings gegeben, »die eigentlich nur das Ziel haben, inkriminiertes Geld zu verwalten, ein sicherer Hort für Anlagen zu sein, die auch durchaus kriminellen Hintergrund haben«, sagt der Fahnder. Mit Hilfe von dubiosen Beratern und Banken verstecken immer mehr deutsche Steuerflüchtlinge Geld in den Emiraten, in sogenannten Offshore-Firmen in einer der zahlreichen Freihandelszonen. Und das funktioniert trotz des neuen Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten, meint Werner Rügemer von Business Crime Control. »Die Einrichtung einer solchen Offshore-Firma in einer Freihandelszone von Dubai ermöglicht es wohl, daß ein Doppelbesteuerungsabkommen ausgehebelt, der Name des Berechtigten anonym bleibt, und das Vermögen dem Zugriff der deutschen Steuerbehörden entzogen wird«, so Rügemer.  
    
Druck zugunsten Dubais
Die Frontal21 zeigen mit versteckter Kamera, wie leicht man dort Schwarzgeldgeschäfte machen kann. So wäre es für die Reporter kein Problem gewesen, Hunderttausende von Euros bar bei Banken in Dubai einzuzahlen. Eine Unternehmensberatung mit Niederlassungen in Deutschland und Dubai wollte den Frontal21-Reportern sogar dabei helfen, 350.000 € Bargeld von Deutschland nach Dubai zu schmuggeln. Die verdeckten Reporter hätten auch bei einer großen arabischen Privatbank in London Hunderttausende von € in bar einzahlen können. Der Aufstieg Dubais zu einer der beliebtesten Steueroasen begann nach der sogenannten Liechtenstein-Affäre, so daß Dubai jetzt von der Schwäche der Steuerfluchtburgen Schweiz und Liechtenstein profitiert.
 
Anmerkung: Wie schrieb doch Mathias Bröckers so treffend: »Ohne die Schnittstelle der Geldwäsche wären die virtuellen Raubritterburgen der Neuzeit  - ob sie nun terroristische Assassinen, mafiose Drogen- und Waffenschieber oder korrupte Schlips-und Kragen-Betrüger beherbergen -  von der Aussenwelt isoliert. (....)  Man könnte also die Raubritter von der Verwendung ihres dreckigen Geldes ohne weiteres abschneiden. Warum geschieht das nicht? Diese Frage läßt wohl nur eine einzige Antwort zu: Wir werden nicht von unseren gewählten Regierungen, sondern von diesen Raubrittern regiert.«
 
 
Siehe auch http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=972 5. 7. 08 Zum Thema offshore centres, Steuerbegünstigung und Steuerhinterziehung
* Mathias Bröckers in »Verschwörungen, Verschwörungstheorien und die Geheimnisse
des 11.9.«, Seite 138
1http://www.berlinerumschau.com/index.php?set_language=de&cccpage=23072009ArtikelPolitikRIA1  23. 7. 09 Arabische Welt - alarmierende Verarmung und falsche Sozialpolitik
2http://www.swr.de/nachrichten/-/id=396/nid=396/did=4746516/173fyl3/index.html
18.4.09 Dubai gehen die Umzugskartons aus - Von Carsten Kühntopp ARD-Hörfunkstudio Amman
3 Badische Zeitung vom 26. Februar 2009 – Willi Germund -Wenn die Überweisungen in die Heimat ausbleiben
4 http://www.ftd.de/politik/international/:Liquidit%E4tsengpass-In-Dubai-geht-das-Zittern-weiter/478432.html  24.2.09
5 http://www.jungewelt.de/2008/11-22/039.php  22.11.08
6 http://www.handelsblatt.com/politik/international/dubai-kaempft-gegen-schuldenberg;2436656  28. 7. 09 7http://www.hintergrund.de/20080209173/kurzmeldungen/kurzmeldungen/kurzmeldungen.html#555  18. 7. 09
8 http://frontal21.zdf.de/ZDFde/inhalt/7/0,1872,7529959,00.html   10. 3. 09
Steueroase Dubai - Der Boom nach dem Boom von Herbert Klar und Ulrich Stoll