Die Krankheit mit dem Namen Privatisierung

Nun hat Bahnchef Mehdorn endlich das Handtuch geworfen.


Die Liste der Übergriffigkeiten, der Rechtsverstöße und des undemokratischen Agierens des Reserveoffiziers und Schröder-Intimus war einfach zu lang geworden, selbst für einen seinerseits wenig agilen Minister Tiefensee. Nun wurde Mehdorn von der Kanzlerin noch einmal als »Sanierer« gewürdigt. Und man faßt sich, nicht nur wegen der derzeit vehement steigenden Erwerbslosenzahlen, an den Kopf. Was heißt denn hier »Sanierung«? Im Klartext bedeutet das Agieren des Ex-Bahnchefs die Einstellung vieler Nebenstrecken, die Abschaffung des (wundervollen) Interregio, die extreme Reduzierung des Service in der Bahn und auf den Bahnhöfen und vieles mehr. Alles zugunsten des goldenen Kalbs namens ICE. Und mit der Folge, daß in den Bahn-ausgedünnten Regionen Hunderttausende aufs Auto umgestiegen sind, daß noch mehr Frachtverkehr auf die eh bereits überlasteten Straßen verlagert worden ist. Immerhin wurden 40.000 Arbeitsplätze von Mehdorn vernichtet, weg-saniert. Auch die Kanzlerin weiß, was dies bedeutet. 40.000 Erwerbslose, von denen viele langfristig auf der Strecke blieben. Zig-tausende, die aus den Kassen der Sozialversicherung gezahlt werden mußten und müssen, zig-tausende Unglücklicher überdies.

 

Mehdorns Aufgabe war die Herstellung der Börsentauglichkeit eines Grundversorgungs-Unternehmens der deutschen Bevölkerung. Der erste Schritt hierzu war die Privatisierung gewesen. Und Privatisierung in ihren verschiedenen Formen ist immer mit sozialer Demontage, mit schlechteren Vertragsbedingungen, niedrigeren Löhnen (man frage nur einmal die Marburger Busfahrer!), mit dem Zerlegen von funktionierenden Unternehmen, der Auslagerung (outsourcing) von Betriebsteilen und ihren Aufgaben zum Niedrigst-Bietenden verbunden - so einfach. Dabei gehen die soziale Kontrolle wie die Qualität des Produktes verloren - und nicht nur die.

 

Übrigens war in Köln bis 2002 ein städtisches Amt für Brücken- und Stadtbahnbau für den U-Bahn-Bau zuständig. Dann wurde dieser Betrieb nach 40 Jahren Existenz und Erfahrung outgesourct…..…

 

Johannes M. Becker lehrt Politikwissenschaft an der Philipps-Universität Marburg

Der Beitrag erschien in der Oberhessischen Presse vom 6. 4. 09 sowie auf http://www.steinbergrecherche.com/becker.htm#Privatisierung  15.4.09

Siehe auch http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1181

Zum Rücktritt von Hartmut Mehdorn und anderes