Atomkrieg, unterirdisch - von Rainer Rupp

Während die UNO in New York den Atomwaffensperrvertrag behandelt, setzt das Pentagon auf Führbarkeit begrenzter Atomkriege. Die US-Army fordert neue Waffen. Ausgerechnet an dem Tag, an dem in New York die UNO-Konferenz zur Überprüfung des Atomwaffensperrvertrags begann, veröffentlichte die Japan Times Details der neuen US-Doktrin für Nuklearwaffeneinsätze. Demnach sollen Atomwaffen miniaturisiert und somit genauso einsatzfähig gemacht werden wie konventionelle Waffen. Über diesen Plan kam es inzwischen zu Kontroversen zwischen Washington und seinen westlichen Bündnispartnern. Diese vermuten dahinter offenbar das Vorhaben Washingtons, begrenzte atomare Erstschläge vorzubereiten.

Auf der am Montag eröffneten internationalen Grosskonferenz bei der UNO, die bis Ende Mai über die weltweite atomare Abrüstung verhandeln soll, wollen die 188 Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrags (NVV) darüber debattieren, wie das seit 35 Jahren geltende Vertragswerk effizienter umgesetzt werden kann. Dabei wurde bereits im Vorfeld deutlich, dass es massive Kritik an den USA gibt. Insbesondere, so eine britische Nachrichtenagentur, wird kritisiert, dass "die USA zu wenig tun, um ihr eigenes Nuklearwaffenarsenal zu reduzieren". Die Intention seitens der Washingtoner Regierung und ihrer engsten Partner, die Nuklearprogramme des Irans und Nordkoreas verurteilen zu lassen, ist heftig umstritten.
 
Derweil verbreitete die Japan Times am gestrigen Montag den von den Stabschefs der US-Army verfassten Entwurf eines Strategiepapiers mit dem Titel "Doktrin für vereinte Nuklearoperationen". Dabei handelt es sich um die Umsetzung von Empfehlungen des bereits vor drei Jahren von der Bush-Administration abgesegneten Berichts zur "Nuclear Posture Review" (Überprüfung der Nuklearstrategie). Der neue Entwurf erlaubt nun den regionalen Kommandeuren der US-Streitkräfte, bei "Präventivschlägen" gegen Massenvernichtungswaffen von sogenannten Schurkenstaaten auch taktische Atomwaffen einzusetzen. Für die Freigabe der Waffen können sich diese direkt an den US-Präsidenten wenden.
 
Zudem macht das Papier klar, gegen wen sich Atomschläge in Zukunft richten können. "Es gibt zahlreiche nichtstaatliche terroristische und kriminelle Organisationen und etwa 30 Staaten mit Programmen für Massenvernichtungswaffen", formulierten die US-Stabschefs wörtlich. Unter Verweis auf die angebliche Bedrohung durch Nordkorea, den Iran und einige andere Staaten führt das Dokument dann Eventualitäten auf, für die der Einsatz von Atomwaffen vorbereitet werden müsste. Dafür wird die Entwicklung von tief in den Boden eindringenden Atomwaffen zur Zerstörung unterirdischer Bunkeranlagen dringend gefordert. Dass bei der Explosion einer solchen Waffe riesige Mengen hochverstrahlter Partikel in die Luft geschleudert werden, spielt keine Rolle.
 
Und auch bei einer Anhörung vor dem US-Senat am vergangenen Mittwoch hatte Verteidigungsminister Donald Rumsfeld von Senatoren geäusserte Bedenken forsch beiseite gewischt. 70 Länder hätten inzwischen Bauprogramme für unterirdische Bunkeranlagen, so Rumsfeld. Deshalb mache das von ihm verlangte Entwicklungsprogramm für kleinere Atomwaffen zwecks Zerstörung dieser Anlagen "allen Sinn der Welt".
 
 
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http://www.jungewelt.de/2005/05-03/006.php