Erst schießen, dann fragen - Von Rüdiger Göbel

Die israelische Armee agiert im Gazastreifen mit rücksichtsloser Brutalität. Das geht aus einem Bericht der britischen Zeitung »The Times« vom 14. Januar hervor, die mit Soldaten sprach, die in den vergangenen Tagen im Kriegsgebiet im Einsatz waren.

Jeder der 1,5 Millionen Palästinenser in Gaza wird demnach als »Feind« wahrgenommen und behandelt. »Uns wurde gesagt, wir sollen nichts riskieren und lieber schießen, als Fragen zu stellen«, zitiert die Zeitung einen Israeli, der im Flüchtlingslager Dschabalija im Norden Gazas war. Der nur mit dem Vornamen »Alon« genannte Leutnant sprach vom »aggressivsten Vorgehen«, das im Kampf gegen die Palästinenser jemals an den Tag gelegt wurde. Wörtlich: »Wir haben die Handschuhe ausgezogen.« »Alon«, der von sich sagt, kein »Anfänger« in der Armee zu sein, erklärte gegenüber der Times, er sei selbst schockiert gewesen über einige der Szenen, die er in Gaza gesehen habe. Ganze Straßenzüge seien dem Erdboden gleichgemacht. »Es sieht nicht so aus, als ob wir ein paar Wochen dagewesen wären, man sieht Zerstörungen und Verwüstungen, als ob wir das Gebiet mehrere Jahre lang bombardiert hätten.« Niemand könne sich vorstellen, »welchen Schaden wir angerichtet haben«. Die israelische Armee bombardierte am 14. 1. 09 nach eigenen Angaben etwa 60 Ziele im Gazastreifen, darunter Wohngebiete. Palästinensischen Angaben zufolge wurde der Friedhof Scheich Radwan in Gaza getroffen. Zahlreiche Gräber seien zerstört worden. »Leichenteile wurden über ein weites Gebiet verstreut«, berichtete AP. Der Angriff galt nach israelischen Angaben einem Waffenlager in der Nähe des Friedhofs. Angesichts der wachsenden Zahl ziviler Opfer appellierte das Kinderhilfswerk UNICEF, das Blutvergießen zu stoppen. Bislang wurden mehr als 950 Palästinenser getötet, darunter über 300 Kinder, und mehr als 4200 verletzt. Auf israelischer Seite starben seit Beginn der Offensive »Gegossenes Blei« am 27. Dezember vier Zivilisten und neun Soldaten, vier von ihnen durch Beschuß aus den eigenen Reihen.
 
Anwälte aus Spanien und dem Libanon erstatteten am 14. 1. beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag Anzeige gegen die israelische Regierung und Armeeführung wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Juristen forderten den Erlaß von Haftbefehlen und die Einleitung von Gerichtsverfahren. Die Palästinenser in Gaza würden in einer Art Käfig ohne Fluchtweg gehalten und massakriert, heißt es in der 25 Seiten umfassenden Anzeige. Die EU-Parlamentarier Francis Wurtz (KP Frankreich) und Feleknas Uca (Die Linke, BRD) kritisieren in einem Entschließungsantrag der linken Fraktion GUE/NGL den Krieg Israels und die Blockade des Gazastreifens als »kollektive Bestrafung«, die gegen das humanitäre Völkerrecht verstoße. Sie fordern eine Aussetzung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Israel. Der Vertreter der EU-Kommission in Israel, Ramiro Cibrian-Uzal, sagte am 14. 1. in Jerusalem, angesichts der Angriffe im Gazastreifen werde eine »Pause« beim Prozeß zur »Verbesserung der bilateralen Beziehungen« eingelegt. Diplomatisch korrekt hieß es, dies hätten beide Seiten gewünscht und hielten den Moment dafür für »angemessen«. EU-Entwicklungskommissar Louis Michel hatte Israel vorgeworfen, das humanitäre Völkerrecht zu mißachten.
 
Anmerkung politonline d.a. Warum sollte man sich im Gazastreifen auch zurückhalten, man kann ruhig alles zerstören, steht doch, worauf wir auch jetzt wieder in »Gaza - Vorhersehbar« hingewiesen haben, die internationale Gemeinschaft unverändert im Hintergrund, deren Repräsentanten sich erneut befleißigen werden, uns die Summen aufzubürden, die für den Wiederaufbau notwendig sind. Es fragt sich, wie lange es noch dauert, bis es wirklich einmal ins Bewußtsein unserer Abgeordneten dringt, daß wir als Bürger Kriegsschauplätze zu finanzieren haben, mit deren Ursachen und Entstehung wir nichts, aber auch gar nichts zu tun haben. Das hierfür bereitgestellte Geld fehlt ausnahmslos bei allen Gebern insbesondere für soziale Zwecke. Bezüglich dieser in unseren Augen gelinde gesagt schizoiden  Entscheidungen der Politik spricht niemand an der Spitze der Regierungen eine deutliche Sprache. Gerade aus letzterem Grund wird es auch auf der Ebene des öffentlichen Bewußtseins noch einige Zeit dauern, bis auch der Letzte erkennt, daß dieses »Steuereinziehungsverfahren« nichts anderes als den kalten Raub an der Arbeitskraft der Menschen darstellt, denn nicht sie entscheiden darüber, ob ein Krieg entfacht oder eine Krise losgetreten wird, nein, wie bislang auch ist es stets eine Handvoll von Entscheidungsträgern, die sich unserem Einfluß entziehen. Dies spielt sich in immer gleicher Form ab, egal, ob es um afrikanische ethnische Kämpfe oder etwa um die fortgesetzte Niederwerfung Afghanistans geht. Dies alles unter den Augen der UNO, deren Funktionäre sich jeweils darin überbieten, mit Worten des Bedauerns aufzuwarten, aber nie offen eingestehen würden, daß sie gegenüber der noch immer alles beherrschenden USA und ihren Vasallen weitgehend machtlos sind. Insofern sind die humanitären UNO-Einrichtungen, die uns Milliarden kosten, für unsere Begriffe zu einer kompletten Farce verkommen, was natürlich ebenfalls niemand wahrhaben möchte. Es steht zu vermuten, daß die beim Internationalen Strafgerichtshof eingegangenen Anzeigen schon jetzt als reine Makulatur zu werten sind, da es absehbar ist, daß es niemand wagen wird, auch nur einen der für den jetzigen Angriff auf Gaza Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. 
 
Es bleibt abzuwarten, auf welche Weise Israel auf den jetzt erfolgten Schritt der EU, die Beitrittsverhandlungen auszusetzen, reagieren wird 1: »Die Nachricht, daß das EU-Beitrittsgesuch Israels bis zum Ende von Krieg und Gaza-Blockade ausgesetzt sei, schlug, wie Daniel Neun schreibt, am 14. Januar in Jerusalem wie eine selbstgeworfene Bombe in Gaza ein. Die nach Israel gereiste EU-Delegation ließ die Olmert-Regierung wissen, daß die EU die Gespräche über eine neue, vertiefte Stufe der Beziehungenmit dem kriegführenden Staat aussetzt. Es gibt eine Aussetzung im Fortführen der Anhebung der bilateralen Beziehungen. Beide Seiten entschieden, es sei an der Zeit, eine Pause zu machen, erklärte der Chef der EU-Delegation, Ramiro Cibrian-Uzal. …. Wir müssen schauen, wie lang und wie tief diese Pause ist, …. wie sich der Konflikt stabilisiert und wie Israel als ein Partner der EU aus diesem Konflikt hervorgeht.Die weitere Entwicklung hinge u.a. von einem Ende der Blockade Gazas ab. Cibrian-Uzal: Wenn wir einen Prozeß hätten, der zur Öffnung der Grenzübergänge, zur wirtschaftlichen Entwicklung von Gaza und zu Bemühungen um einen Dialog führt, wäre das vorteilhaft.Gleichzeitig hieß es jedoch, [Anmerkung: vermutlich zur Abmilderung des Gesagten], daß das Ganze natürlich nicht als Sanktion zu verstehen sei. Man solle sich jetzt in Israel nicht irgendwie unter Druck fühlen. Das wäre schließlich ganz was Neues. Dieser Zug von Brüssel kam eine Woche nachdem die wichtigsten humanitäre Hilfsorganisationen in Europa wie Christian Aid UK and Ireland, Oxfam International und die International Federation for Human Rights (FIDH) den EU-Block genau zu diesem Schritt aufgefordert hatten, nämlich die Verhandlungen mit Israel auszusetzen. Daß die Europäische Union nun am 14. 1. nach 19 Tagen eines völlig sinnlosen und militärisch absurden Massakers im Gazastreifen die Aussetzung der Beitrittsverhandlungen verkündet hat, führt Neun aus, hat sie nicht freiwillig getan. Das hat sie unter dem Druck der öffentlichen Meinung getan
 
Quelle: http://www.jungewelt.de/2009/01-15/052.php
1 http://www.radio-utopie.de/2009/01/15/EU-Beitritt-Israels-bis-Ende-von-Krieg-und-Gaza-Blockade-ausgesetzt
EU-Beitritt Israels bis Ende von Krieg und Gaza-Blockade ausgesetzt – Von Daniel Neun