Presseerklärung der »Internationalen Liga für Menschenrechte« zur Lage in Gaza

Die Internationale Liga für Menschenrechte verurteilt jegliche Anschläge auf Zivilisten, seien sie palästinensisch oder israelisch, und appelliert an beide Seiten, die Militärangriffe umgehend einzustellen. Das massive Bombardement des israelischen Militärs im gesamten Gazastreifen muß umgehend gestoppt werden. Ebenso die unzähligen Raketen, die zum Teil mit großer Reichweite aus Gaza auf israelische Ortschaften abgeschossen werden.

Der Vorstand der Internationalen Liga für Menschenrechte stellt mit Entsetzen und großer Sorge fest: Das gegenwärtige Blutbad ist die logische Konsequenz einer von Israel seit dem Wahlsieg der Hamas am 29. Januar 2006 praktizierten und mit Billigung der Regierung der Vereinigten Staaten sowie der Europäischen Union fortwährend verschärften Politik der Selbstjustiz und Gewalt im Gazastreifen. Die offenkundigen und inzwischen von Vertretern der israelischen Regierung vor aller Welt öffentlich verkündeten  Ziele sind: Härteste Kollektivstrafen gegen Mitglieder und Anhänger von Hamas sowie der Sturz der von der Hamas gestellten Regierung. Das Internationale Recht verbietet beides: Sowohl Kollektivstrafen als auch die Einflußnahme auf die politische Selbstbestimmung eines anderen Landes. Die Hamas hatte vor Ablauf der mit Israel vereinbarten Waffenruhe am 19. Dezember dieses Jahres erklärt, daß eine bedingungslose Verlängerung angesichts einer bereits 18 Monate währenden und zunehmend verschärften Blockade des Gazastreifens durch Israel nicht möglich sei. Noch am 16. Dezember 08 allerdings bot Ismail Haniye Verhandlungen über die Bedingungen für die Neuvereinbarung eines Waffenstillstands an. Dieses Angebot wurde von der Regierung Israels, aber auch von den Mitgliedern des Nahost-Quartetts ignoriert. Vor diesem Hintergrund kritisiert die Liga die öffentliche Erklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, in der diese - in Übereinstimmung mit dem israelischen Premierminister Ehud Olmert - die Verantwortung für die Entwicklung in der Region »eindeutig und ausschließlich« der Hamas zuschreibt. Diese einseitige Sicht auf die Wirkungszusammenhänge in Nahost, die letztlich das Bombardement auf Gaza legitimiert, ist nicht nur längst widerlegt. Sie bestärkt zudem das israelische Militär und die israelische Regierung, weiterhin Kriegsverbrechen in Gaza zu begehen und Staatsterror gegenüber der Zivilbevölkerung des Gazastreifens auszuüben. Eine solche Politik der doppelten Standards ist inakzeptabel und mit jeglichem Verständnis von Rechtsstaatlichkeit und völkerrechtskonformen Beziehungen zwischen Staaten unvereinbar. Die Bundesregierung trägt hier eine klare Mitverantwortung, wenn sie einseitig der Logik der israelischen Regierung folgt, die für das völkerrechtswidrige Ziel, die Hamas-Regierung zu stürzen, Opfer und Schäden in Gaza und in der Folge weitere Opfer unter der israelischen Zivilbevölkerung in Kauf nimmt - und damit auch die weitere Destabilisierung der gesamten Region. Das bekundete politische Ziel der Bundeskanzlerin, »alles« zu tun, »um zivile Opfer zu vermeiden«, kann nicht erreicht werden und ist heuchlerisch, wenn Israel zugleich darin bestärkt wird, Verhandlungen mit der Hamas auszuschlagen und weiterhin auf militärische Überlegenheit und militärische »Lösungen« zu setzen. Die Internationale Liga für Menschenrechte fordert deshalb die Bundesregierung im Interesse eines sofortigen Waffenstillstands auf, jetzt auf die israelische Regierung politischen Druck auszuüben.  Andernfalls machen sich Kanzlerin und Bundesregierung schuldig, selbst an der Gewaltspirale mitzudrehen.
 30./31.12.2008