Die Mafia auf den Weltmeeren

Beutezüge außer Kontrolle - Eines von vier Meerestieren auf unseren Tellern wird illegal gefangen. Bewaffnet und maskiert, so durchkämmen sie die Ozeane und rauben Küstenbewohnern die Nahrung. Sie agieren weltweit und wo Kontrollen die Ausnahme sind, wildern sie am liebsten:

in entlegenen Gebieten wie dem Südpolarmeer oder dem Südpazifik, auf hoher See und in Küstenbereichen von Ländern, die nicht in der Lage sind, Überwachungsfahrten zu finanzieren. Sie rauben den Fischergemeinden dringend benötigte Nahrung und Einkommen und verwüsten die betroffenen Meeresgebiete. Greenpeace hat den Begriff für dieses Phänomen geprägt: Piratenfischer.
 
Illegal ist normal
In Filmen hissen Piraten stolz die schwarze Flagge mit dem Totenkopf. In der Realität segeln sie unter der Flagge von sogenannten Billigflaggenländern oder ganz ohne Nationalitäten-Kennzeichen, Flagge und Namenszug am Schiff umher. Die häufigsten Anbieter von Billigflaggen (engl. Flags of Convenience, FOC) sind Panama, Belize, Honduras, St. Vincent und die Grenadinen: Sie stellen zusammen etwa 80 % der unter einer Billigflagge fahrenden industriellen Fischereifahrzeuge. Aber auch EU-Staaten wie Malta, Zypern und die Slowakei bieten Billigflaggen an. Ein Mausklick im Internet, knapp 500 US-$ und schon ist man im Besitz einer Billigflagge (http://www.flagsofconvenience.com/).
 
Das flaggengebende Land tritt den zuständigen Fischereiabkommen nicht bei und hat somit keine Fangquote zu beachten. Es vergibt Lizenzen und stellt keine Fragen hinsichtlich Art und Ausmaß der Fänge. Diese Länder bieten damit jeder Fischereifirma die Möglichkeit, die internationalen Regeln und Gesetze ihrer Heimatländer zu umgehen. Immer mehr Fischereifirmen in Europa (vor allem Spanien), Japan oder den USA entscheiden sich für diesen illegalen Weg. Ein weltweites Netz aus Briefkasten- und Scheinfirmen verschleiert oft die wahren Besitzverhältnisse. Die im Fachausdruck unregulierte, undokumentierte (IUU) und illegale Fischerei genannte Piratenfischerei umgeht auch Sicherheitsstandards und soziale Mindeststandards für ihre Besatzung. Im Vergleich zu 55.000 industriellen Fangschiffen gab es nach Greenpeace-Schätzungen weltweit bereits im Jahr 2001 mindestens 1.300 Schiffe, die Piratenfischerei in industriellem Maßstab mit Schiffen von über 100 Bruttoregistertonnen betrieben. Diese Zahl mag klein anmuten, doch die Piraten gehen auf die kostbarsten Arten los. Besonders begehrt und daher gefährdet sind Tunfisch, Meeräsche, Zackenbarsche, Seezungen, Garnelen, Shrimps oder der schwarze Zackenbarsch oder der schwarze Seehecht.
 
Das Milliardengeschäft
Die Fischerei-Mafia stellt eine milliardenschwere Realität für arme Länder dar, die sich am wenigsten gegen diesen Raub wehren können. Wie in Westafrika: Nach Angaben der UNO  verliert Somalia jährlich 300 Millionen US-$ an die Piratenfischer, Guinea 100 Millionen $. Weltweit entstehen für die ärmsten Länder der Welt jährlich 4 Milliarden US-$ an Verlusten durch die Piratenfischerei. Die Welternährungsorganisation FAO schätzt, daß in einigen Fischereien die illegalen Fischer über 30 % der gesamten Fangmenge abschöpfen. Es ist viel zu einfach, Piratenfischer zu werden und das Risiko, dabei erwischt zu werden, ist gering. 
 
Mangelnde Kontrollen
Obwohl sie verdeckt und korrupt agieren, ist es doch möglich, Piratenschiffe und deren Eigner auszuforschen. Sie agieren weltweit in rund 80 Ländern, unter anderem in der EU, Taiwan, Panama, Belize und Honduras. Die Durchsetzung internationaler Bestimmungen könnte diesen illegalen Handel beenden und damit den Küstengemeinden Nahrung und Einkommen zurückgeben. Doch es wird viel zu wenig getan und die langjährigen Forderungen von Umweltschützern und Menschenrechtsgruppen nach Maßnahmen gegen die Piratenfischerei stoßen auf taube Ohren. In den vergangenen Jahren wurden zwar zahlreiche internationale Abkommen und Maßnahmenpläne gegen die Piratenfischer beschlossen, die Umsetzung von Kontrollen erfolgt jedoch - selbst in der EU – nur mangelhaft. So sind die illegalen Aktivitäten nicht zurückgegangen, sondern sie haben im Gegenteil noch zugenommen. Bereits eines von vier Meerestieren auf unseren Tellern wurde illegal gefangen.
 
Mörderische Methoden
Opfer dieser rücksichtslosen Fischereipraxis sind wieder einmal die armen Länder, deren Familien vom Fischfang leben. Doch es geht nicht nur um Diebstahl: Weil sie bewußt alle Schutzbestimmungen umgehen und den Kontrollen entfliehen, verwenden Piratenfischer noch immer Fangmethoden, die alles Leben im Meer zerstören. Eine Jahrhunderte lang funktionierende nachhaltige Küstenfischerei wird durch einen Raubbau enormen Ausmaßes zerstört. So werden z.B. die Tunfischbestände vor Tansania, Somalia, Papua Neuguinea und Tuvalu alljährlich mit riesigen Netzen, die ganze Fischschwärme aufnehmen, dezimiert. Dabei werden auch alle Jungfische an Bord gehievt, die für die Fortpflanzung und die Weiterentwicklung des Bestandes wichtig wären. Jene Fische, die sich nicht so lukrativ verkaufen lassen - die aber dennoch Nahrung und Einkommen für die lokalen Fischer bedeutet hätten - werden tot ins Meer zurückgeworfen. Shrimps stellen einen weiteren lukrativen Fang dar. Aber die wahren Kosten der Shrimpsfischerei übersteigen deren Marktwert bei weitem. Feinmaschige Netze werden über den Meeresboden gezogen und lassen dort nur Zerstörung zurück. Eine Dokumentation über Shrimpsfang zeigt Fischer, die einige wenige kleine Kisten mit der gewünschten Beute füllen und Tonnen unerwünschter Fische und anderer Meerestiere - sogenannten Beifang - zurück ins Meer werfen. Für jedes Kilo Shrimps, das so angelandet wird, mußten tropische Meereslebewesen im Ausmaß von drei Kilo ihr Leben lassen. Der Shrimpsfang stellt mit etwa 3 bis 4 % nur einen geringen Prozentsatz der gesamten weltweiten Fangmenge dar. Dennoch ist er für mehr als 27 % des gesamten Beifangs verantwortlich, der sterbend oder tot wieder über Bord geworfen wird.
 
Die globalen Umweltschäden durch zerstörerische Fischereimethoden werden durch die Piratenfischer weiter verstärkt. Weltweit töten legale ebenso wie illegale Fischereiflotten als Beifang Hunderttausende Meerestiere, die nicht der Zielart angehören. Viele industrielle Fischer benutzen sogenannte Langleinen, über 100 Kilometer lange, mit Tausenden von Haken bestückte Angelleinen, die hinter dem Schiff hergezogen werden. Alles, was den Köder als Nahrung ansieht, wird gefangen - andere Fischarten, Wale, Delphine, Schildkröten, Haie und Albatrosse, die danach tauchen, sich nicht mehr von den Haken befreien können und ertrinken. Jährlich sterben so etwa 40.000 Schildkröten und Hunderttausende von Seevögeln. Viele dieser Arten werden nur durch diese skrupellose Praktik an den Rand der Ausrottung gedrängt.
 
Quelle: GREENPEACE Internet 29. November 2008