Waffen und Angriffe - Eine ungebremste Gedankenwelt

politonline d.a. Das Schlusswort des von uns leicht gekürzten Berichtes von German Foreign Policy: »Die Barbarisierung des Krieges, die mit dem Einsatz höchstentwickelter Technologien einhergeht, schreitet mit den deutsch-amerikanischen Kampfeinsätzen voran«, sei am besten gleich vorangestellt. Die Selbstverständlichkeit, mit der generell von neuen Kriegen und der Entwicklung von hierfür tauglichen Waffen gesprochen wird, lässt in unseren Augen an Perversität nichts zu wünschen übrig.

Ob die dafür Verantwortlichen, die den Friedenswillen der Mehrheit der Völker dieses Globus offensichtlich kalt übergehen, überhaupt noch soweit denken können, dass ihre Vorhaben angesichts des wachsenden Widerstands der Angegriffenen, die sich vor allem in einer steigenden Zahl von Selbstmordattentaten manifestiert, mit geballter Gewalt im eigenen Land auf sie zurückschlagen könnte, ist für uns mehr als fraglich. Man beachte auch, zu was servicefreudige »Auftragsdienstleister« in den mit Vorliebe als Krisengebiete bezeichneten Kriegsherden herangezogen werden.
 
Killerdrohnen
Von Protesten begleitet endete am 10. 9. 08 eine prominent besetzte militärpolitische Konferenz der Wirtschaftszeitung Handelsblatt. Im Mittelpunkt des Treffens, das bereits zum fünften Mal stattfindet und Verteidigungsminister mehrerer NATO-Staaten in der deutschen Hauptstadt versammelt, stehen neue Rüstungsvorhaben für die westlichen Kriege. Die Tagung, die die zunehmende Annäherung der deutschen Wirtschaftseliten an das Militär erkennen lässt, hat sich in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen Kooperationstreffen deutscher Militärs mit Managern der deutschen Rüstungsindustrie entwickelt. Zu den Themen der Zusammenkunft gehören zentrale Desiderate der deutschen Afghanistan-Truppen sowie die Kriegführung mit unbemannten Flugkörpern (Drohnen). Diese werden derzeit vom Westen in Afghanistan und Pakistan eingesetzt - mit verheerenden Folgen. Erst am 8. 9. 08 starben bei dem Angriff einer Killerdrohne auf ein pakistanisches Dorf erneut mehrere Zivilisten. Deutsche Forscher bereiten indessen die eigenständige Entwicklung europäischer Killerdrohnen vor.
 
Minister, Manager, Militärs
Zur Konferenz »Sicherheitspolitik und Verteidigungsindustrie«, die am 10. 9. 08 endete, trafen die Verteidigungsminister aus drei NATO-Staaten (Türkei, Norwegen, Kanada) sowie der stellvertretende NATO-Generalsekretär Bisogniero in Berlin ein. Anwesend waren zudem einflußreiche deutsche Militärs, etwa der stellvertretende Generalinspekteur der Bundeswehr Dora, aber auch Soldaten mit Afghanistan-Erfahrung wie Brigadegeneral Warnecke, der im letzten Jahr den ersten Kampfeinsatz mit deutscher Beteiligung am Hindukusch befehligt hat. Neben Praktikern deutscher Kriege, die die Rüstungswünsche der Truppe en détail kennen, traten auf der Tagung der »Hauptabteilungsleiter Rüstung« aus dem BRD- Verteidigungsministerium und Vertreter der deutschen Rüstungsindustrie auf, darunter Manager von Großkonzernen wie EADS, Rheinmetall, Kraus-Maffei Wegmann oder Thales Deutschland. Außerdem anwesend war ein Außenpolitiker höchsten Ranges - Christoph Heusgen, außen- und militärpolitischer Berater der Bundeskanzlerin.
 
Entscheider, Meinungsführer
Die hochrangig besetzte Konferenz, die im Jahr 2004 zum ersten Mal durchgeführt wurde und seitdem jährlich stattfindet, wird von der Tageszeitung Handelsblatt organisiert. Das Blatt ist laut eigenen Angaben die größte Wirtschafts- und Finanzzeitung in deutscher Sprache 1. Es gibt an, in hohem Maße »Entscheider und Meinungsführer der deutschen Wirtschaft und Gesellschaft« zu seinen Lesern zu zählen. Von rund 289.000 »Entscheidern«, die regelmäßig das Handelsblatt läsen, seien 88 %  Selbständige und leitende Angestellte. Dass die Tageszeitung mit Sitz in Düsseldorf sich seit 2004 mit einer eigenen Tagung der Militärpolitik widmet, ist Ausdruck der zunehmenden Annäherung der deutschen Wirtschaftselite an die Bundeswehr; die Annäherung reflektiert den Umfang und die wachsende Bedeutung der machtpolitisch motivierten deutschen Militärinterventionen 2. Im Hintergrund stehen dabei steigende Kriegsgewinne der Rüstungsindustrie und der relativ jungen, boomenden Militärdienstleister, welche die westlichen Armeen in ihre weltweiten Kampfgebiete begleiten, wofür das 1998 gegründete Düsseldorfer Unternehmen Ecolog AG ein Beispiel ist. Die Firma übernimmt Dienstleistungen wie Abfallbeseitigung, Wäscheservice, Treibstoffversorgung und Catering und stellt Trink- und Nutzwasser sowie logistische Systeme zur Verfügung. Vor allem bedient die Firma deutsche Truppen in Afghanistan und britisches sowie US-amerikanisches Militär im Irak. »Auf den Service der hiesigen Ecolog Dependance konnte ich mich (...) jederzeit zu 100 % verlassen«, schrieb der damalige deutsche Kommandeur im afghanischen Camp Warehouse vor drei Jahren. Die Referenz half: Das Kriegsgeschäft boomt und hat Ecolog dazu veranlasst, im vergangenen Jahr eine Filiale in der USA zu eröffnen.
 
Desiderate
»Streitkräfte im Einsatz« lautet das Motto des Panels, in dem der Präsident von Ecolog USA, ein US-General im Ruhestand, am 10. 9. 08 über servicefreudige »Auftragsdienstleister« im »Krisengebiet« referiert. Ein Schwerpunkt ist der Bericht von Brigadegeneral Warnecke, der von seinen »Erfahrungen aus dem Einsatz« erzählt. Nicht mit allem sind die Bundeswehr-Kommandeure so zufrieden wie mit dem Service von Ecolog; vor allem verbesserte Fahrzeugpanzerungen gehören zu den Standarddesideraten der Militärs. Das Handelsblatt hat für das Panel einen Experten der deutschen Rüstungsschmiede European Land Systems (Tochter des US-Rüstungskonzerns General Dynamics) gewinnen können, der einen Vortrag über »Geschützte Fahrzeuge im Einsatz« hält. Der Hauptabteilungsleiter für Rüstung aus dem Bundesverteidigungsministerium informiert zuvor über »Aktuelle Rüstungsprojekte zur Unterstützung im Einsatz«. Nicht zuletzt sprechen Politiker und Industrielle über »Stellenwert, Akzeptanz und Unterstützung« für die Rüstungsindustrie in Deutschland: Ein Anliegen, dessen Förderung sich Bundeswehr und Wirtschaft seit geraumer Zeit mit einer Reihe von PR-Maßnahmen widmen.
[siehe auch: Es passt alles zusammen - oder »wie der Friede gefördert wird« 23. 12. 2007 http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=830]
 
Unbemannte Systeme
Zu den Schwerpunkten der Konferenz gehört nicht zuletzt ein Panel über unbemannte Systeme (Drohnen). Sie gelten als Aufklärungsmittel der Zukunft, bestätigt der Geschäftsführer der Firma EMT aus Penzberg (Bayern). EMT stellt die Aufklärungsdrohne LUNA her, die von ihrem Ersteinsatz im März 2000 bis zum März 2006 rund 1.800 Einsätze absolvierte - im Kosovo, in Mazedonien und in Afghanistan. Experten nennen sie »ungewöhnlich erfolgreich« 3. Der deutsche Hersteller ist inzwischen nicht nur in Afghanistan, sondern auch in Pakistan präsent: Die dortigen Streitkräfte verwenden ebenfalls LUNA-Drohnen, um Aufständische im Grenzgebiet zu Afghanistan zu orten. Avanciertere Geräte, sogenannte Killerdrohnen, nutzt die US Army seit Jahren im Irak, in Afghanistan und Pakistan, um mutmaßliche Aufständische zu eliminieren. Wegen der hohen Zahl ziviler Todesopfer werden die Angriffe mit Killerdrohnen scharf kritisiert. Einen Bericht der US-Defense Security Cooperation Agency (DSCA), demzufolge die Bundeswehr vier Killerdrohnen vom Typ MQ-9 Reaper kaufen will, hat das Bundesverteidigungsministerium kürzlich dementiert. Bereits in Vorbereitung ist allerdings der Bau einer eigenständigen deutsch-europäischen Killerdrohne. Entsprechende Forschungen betreibt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in einem Projekt (UCAV-2010), mit dem Technologien für unbemannte Kampfflugzeuge (Unmanned Combat Air Vehicles, UCAV) entwickelt werden. Als Einsatzzweck der Killerdrohnen nennt das DLR die Bekämpfung mobiler Ziele - zu Land sowie in der Luft. Mit einer Entwicklungszeit von acht bis zehn Jahren wird gerechnet. Laut DLR kann so den Bedarfsprognosen (!) des BRD-Verteidigungsministeriums entsprochen werden, das die Luftwaffe vom Jahr 2020 an mit Killerdrohnen aufrüsten gedenkt [Anmerk. poltionline: wobei es durchaus fraglich ist, ob sie überhaupt noch gebraucht werden, da sich der Wahnsinnsalptraum, das die Kriegsbereitschaft des Westens bis zu diesem Zeitpunkt ohnedies alles in Schutt und Asche gelegt haben könnte, durchaus vollziehen kann.] Einen Tag vor dem Beginn der Handelsblatt-Konferenz, den Kriegsgegner mit Protesten begleiteten, sind neue Berichte über den Einsatz von US-Killerdrohnen in Pakistan bekannt geworden. Sie feuerten Raketen auf ein pakistanisches Dorf, um das Haus eines islamistischen Kommandeurs zu vernichten. Der Mann hatte in den 1980er Jahren mit westlicher Unterstützung gegen sowjetische Truppen in Afghanistan gekämpft. Er überlebte den Angriff - anders als die sechs Zivilisten, die dabei zu Tode kamen. Zudem wurden rund 15 bis 20 Personen, die meisten davon Frauen und Kinder, verletzt. Die Barbarisierung des Krieges, die mit dem Einsatz höchstentwickelter Technologien einhergeht, schreitet so mit den deutsch-amerikanischen Kampfeinsätzen voran.
 
Quelle: http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57329 10.09.2008
[1] Handelsblatt. Substanz entscheidet; www.vhb.de
[2] s. dazu Geschlossener Personalkreislauf, Unerkannte Mittler und Schulterschluss
[3] LUNA. Eine Erfolgsgeschichte; Strategie und Technik Oktober 2007 - Alle Hervorhebungen durch politonline