Arbeitswelt: Der Horror - Die Kehrseite der »EU-Werte-Demokratie«

politonline d.a. Wir veröffentlichen hier einen dem newsletter des bekannten Autors Jürgen Roth entnommenen Beitrag [1] über Arbeitsbedingungen, die jene des Zeitalters der Industrialisierung weit in den Schatten stellen. Wie der Verfasser richtig bemerkt, ist diese Form der Ausbeutung erst durch die enthemmte Liberalisierung des gesamten Wirtschaftssystems ermöglicht worden.

Man sollte erwarten, dass die brutale Beschaffenheit von Arbeitskonditionen, wie sie in Teilen der EU immer wieder zu konstatieren ist und auch Gegenstand schwerster Klagen in Spanien war, angesichts eines Riesenparlaments in Strassburg, einer zahlenmässig unfassbar hohen Postenvergabe in Brüssel und einer Reihe von hochdotierten Kommissaren erst gar nicht eintreten. Was Polen betrifft, so ist zu hoffen, dass die Erfassung der nachstehend geschilderten, in der Tat grauenhaften Zustände die Regierung dazu veranlasst, eine breite, quer durch die Bevölkerung laufende Aufklärung zu starten, damit die apulische Mafia nicht länger Sklaven der geschilderten Art zur Verfügung hat. Jürgen Roth ist der Autor des Buches »Ermitteln verboten« sowie der auf unserer Bücherseite vorgestellten Werke »Der Deutschland-Clan« und Mitautor von »Anklage unerwünscht - Korruption und Willkür in der deutschen Justiz«, deren Lektüre wir unausgesetzt empfehlen, um sich ein Bild von den gerade in der Justiz herrschenden unglaublichen Zuständen machen zu können.
 
Sklavenarbeit in Europa - Was interessiert uns das?
La terra promessa - das gelobte Land schien für viele Wanderarbeiter und Erntehelfer aus Polen dort zu sein, wo die Tomaten reifen, die zu den besten der Welt gehören, die aus Foggia. La terra promessa liegt in Apulien, am Stiefelabsatz Italiens, Hoheitsgebiet der Sacra Corona Unita, der apulischen Mafia. Die Gegend gilt als das Gemüseanbaugebiet Nummer eins in Italien. Nachdem einheimische Arbeitskräfte entweder nicht vorhanden oder für die Landwirte und Großgrundbesitzer zu kostspielig waren, öffnete Italien, wie andere europäische Länder, seine Grenzen, um billige Arbeitskräfte anzulocken. Seitdem herrscht ein grenzenloser und teilweise tödlicher Arbeitsvermittlungsmarkt. Die Ernte läuft unter unmenschlichen Bedingungen ab und mehr als jeder zweite Landwirt rund um Foggia beschäftigt illegale Erntehelfer. »Die Arbeiter werden wie Sklaven gehalten und zwar von denjenigen Landwirten, die gleichzeitig EU-Subventionen erhalten«, klagte Stephen Huges, ein britischer Europa-Abgeordneter. »Aber es ist nicht alleine ein italienisches Problem.« Am Straßenrand liegt die verkohlte Leiche eines 45jährigen Mannes, nicht weit davon entfernt stirbt ein 25jähriger Pole an seinen Kopfverletzungen, nachdem er von einem Auto überfahren wurde. In einem verlassenen Schweinestall wird die  Leiche eines verbrannten Mannes entdeckt. Um seinen Hals hängt sein Pass. Er kam aus Polen. Ein 35jähriger Litauer stirbt durch Erstickung, andere Erntehelfer aus Polen sind wegen unbehandelter Krankheiten elend krepiert. »Vielleicht hängt diese Krankheit mit schlechten Arbeitsbedingungen zusammen«, meinte ein Carabinieri. Geschätzt wird, dass jährlich rund tausend in Polen oder anderen osteuropäischen Ländern angeworbene Erntehelfer Sklavenarbeit auf süditalienischen Plantagen leisten. Untergebracht sind sie in primitiven Unterkünften, die von der Staatsanwaltschaft in Bari als »Lager sowjetischen Charakters« bezeichnet wurden. Die Arbeiter und Arbeiterinnen mussten auf der nackten Erde schlafen oder in primitiven Zelten. Flüchten konnten sie nicht, da bewaffnete Capos, häufig Polen oder Ukrainer, sie ständig im Auge behielten. Wer zu flüchten versuchte wurde erschossen oder brutal zusammengeschlagen. Als ein Arbeiter es wagte, unerlaubt in der Stadt einzukaufen, wurde ihm mit einer Eisenstange auf den Kopf geschlagen, einem anderen unbotmäßigen Arbeiter wurden beide Arme gebrochen. Andere sind an Erschöpfung gestorben und wurden irgendwo auf den Feldern verscharrt. Die Frauen wurden vergewaltigt und teilweise zur Prostitution gezwungen. Und noch immer werden polnische Arbeiter vermisst. Befürchtet wird, dass sie ermordet wurden. In einem abgehörten Telefongespräch ist folgendes protokolliert: »Ich gehe jetzt ins Feld. Ich lasse nicht zu, dass sie sich so verhalten. Ich habe gesagt, dass ich heute einen oder zwei töten werde, um ein Exempel zu statuieren.« Der Capo hatte erfahren, dass einige Arbeiter flüchten wollten. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen sagte zu diesen Zuständen: »Ich habe nicht erwartet, so etwas in Italien anzutreffen. Die Situation bewegt sich am Rand einer Notlage, wie wir sie zum Beispiel im Kongo oder in Angola antreffen.« Der Einsatz osteuropäischer Erntehelfer ist ein blühendes Geschäft in einer Region, in der nichts ohne die Duldung durch die regionalen Mafiafürsten von der Sacra Corona Unita möglich ist. Die Capos sind häufig Osteuropäer, Caporali genannt. Sie leisten die Schmutzarbeit für die italienischen Landwirte. Abführen müssen sie einen bestimmten Prozentsatz ihrer Einnahmen an die örtlichen Mafiafamilien.
 
Eines dieser Arbeitslager bei Foggia, in denen sie quasi Gefangene waren, um Tomaten zu ernten, wurde im Sommer 2006 von der Polizei gestürmt. Aber erst nachdem der polnische Honorarkonsul massiv Druck auf die örtlichen Behörden ausgeübt hatte. Auf die Frage, warum die Polizei in Foggia bislang nichts gegen die Sklavenhalter unternommen habe, erklärten Zeugen, dass sie bei der Polizei zwar um Hilfe nachsuchen wollten, aber Angst bekamen, als sie dort die gleichen Gesichter sahen, die mit den Capos ihres Arbeitslagers zusammengearbeitet hatten. Die Carabinieri befreiten 90 Polen und 15 Slowaken aus dem Arbeitslager. Das Gelände war mit Stacheldraht umzäunt und durch bewaffnete Capos bewacht. Bei ihrer Anwerbung in polnischen Zeitungen wurde ihnen ein Lohn von 6 bis 7 €  pro 200 Kilo geernteter Tomanten  versprochen. Anstatt des versprochenen Lohnes erhielten sie 3 € pro Tag, für Einkäufe in den umliegenden Ortschaften. Die Arbeitszeit war von vier Uhr am frühen Morgen bis spät in die Nacht hinein. Wer nicht gehorchte, wurde brutal zusammengeschlagen. Die Flucht war unmöglich, auch weil ihnen die Reisepapiere abgenommen worden waren und keiner italienisch sprach. Für jede Kleinigkeit mussten die Arbeiterinnen und Arbeiter aus Polen zahlen. Die Fahrt zum Tomatenfeld kostete 1,50 €, die Unterkunft 5.50 € pro Tag in einer fensterlosen Baracke, oder 15 € pro Woche im Zelt. Als Nahrung erhielten sie Wasser und Brot, für das sie ebenfalls bezahlen mussten. Bereits in Polen hatten sie 50.- € für die Vermittlung und 200 € für die Busfahrt von Warschau nach Süditalien gezahlt. Sie wollten ihrer Armut entkommen. Im Juni 2007 griffen die Carabinieri erneut zu. Diesmal befreiten sie 113 polnische Arbeiterinnen und Arbeiter. Zeitgleich wurden 15 Verdächtige, davon elf Polen verhaftet. Der italienische Untersuchungsrichter beschuldigt sie der Teilnahme an einer Verbrecherbande mafiosen Charakters. Der Run nach billigen Arbeitskräften, ihre Vermittlung, ob in Italien, Spanien oder anderswo, ist ein Geschäftsfeld sowohl skrupelloser Geschäftemacher wie der Mafia gleichermaßen. Nichts unterscheidet sie in ihrer Skrupellosigkeit. Werden diese kriminellen Machenschaften aufgedeckt, greift der demokratische Rechtsstaat ein. Der hat diese Form der Ausbeutung durch die enthemmte Liberalisierung des gesamten Wirtschaftssystems jedoch erst ermöglicht. Das nutzen jene aus, die das archaische Klientelsystem der Mafia vielleicht nicht geklont, sondern vielmehr perfektioniert haben. - Am 15. 9. 08, sendet der WRD 3 in der Reihe »Die Story« um 22.00 Uhr einen grandiosen Filmbeitrag von Thomas Giefer über diese Vorgänge.
 
Arbeitsmarkt Slowenien
Ein weiteres Beispiel dafür, wie man Arbeitskräfte entlöhnt, liefert das Billiglohnland Slowakei, dem die junge Welt einen Aufsatz widmete, den wir hier auszugsweise wiedergeben 2. So ist entlang der Achse Bratislava-Trnava-Zilina im Westen der Slowakei in den vergangenen 15 Jahren einer der weltgrößten Cluster der Autoindustrie entstanden: Volkswagen (in Bratislava), Peugeot-Citroën (in Trnava) und der südkoreanische Hersteller KIA (in Zilina). Diese sind in der Lage, mit einer Belegschaft von insgesamt 12’000 Industriearbeitern jährlich 1,1 Millionen Fahrzeuge zu produzieren. Bei einem geschätzten heimischen PKW-Markt von gerade einmal 60’000 kalkulieren die drei Konzernriesen damit, halb Europa mit Autos »Made in Slovakia« zu beliefern. Grundlage dieses höchst profitablen Hypes ist die billige Arbeitskraft an den Abhängen der Kleinen Karpaten. Ein durchschnittlicher Bruttolohn von 500 € bei hoher Produktivität zieht Automobilkonzerne magisch an. Ausgebildet wurde die Kernbelegschaft der westeuropäischen und ostasiatischen Konzerne zu tschechoslowakisch-sozialistischen Zeiten in den Metall- und Rüstungskombinaten der Mittelslowakei. Vaclav Havel, von 1989 bis 1992 letztes Staatsoberhaupt der Tschechoslowakei, hatte mit kräftiger Unterstützung der deutschen Politik diese alten Betriebe - mit vorgeblich friedenspolitischen und ökologischen Argumenten - schließen lassen und damit in den 1990er Jahren eine offizielle Arbeitslosenrate von 20 %  verursacht.
 
Am 4. Juli 2006 formierte sich auf dem Burgberg von Bratislava eine Regierungskoalition aus der sozialdemokratischen Smer (»Richtung«), der bürgerlich-nationalen HZDS (»Bewegung für eine demokratische Slowakei«) und der nationalistischen SNS (Slowakische Nationalpartei). Es war das erste Mal in postsozialistischen Zeiten, daß ein neuer EU-Staat eine Regierung erhielt, die explizit mit anti-liberalen Positionen die Abstimmung gewinnen konnte. Zuvor hatte acht lange Jahre hindurch eine christlich(!)-konservativ-ungarisch-nationale Koalition unter Mikulas Dzurinda aus der Slowakei ein neoliberales Musterland gemacht, in dem Sozialpolitik zum Schimpfwort, Steuerpolitik zum Unternehmergeschenk und Privatisierung zur Schnäppchenjagd geworden sind. »Investor’s paradise« titelte die Homepage der US-Botschaft in Bratislava im August 2003 einen Beitrag von Steve Forbes, in dem »die Slowakische Republik« als »der Welt nächstes Hongkong« gepriesen wurde: »Ihre Arbeitskraft ist qualifiziert, gebildet und ruhig. (...) Die Löhne sind spottbillig ...« Der heute 43jährige Smer-Führer Robert Fico hatte im Wahlkampf versprochen, die extremen sozialen Verwerfungen zu korrigieren, die Flat tax (Einkommenssteuer) mit ihrem einheitlichen Satz von 19 % durch Steuerprogression zu ersetzen und die Privatisierungen zu stoppen. Eine satte Mehrheit der Slowaken schenkte ihm (und seiner Koalition) das Vertrauen. Fico ist aus fast aussichtsloser Lage angetreten, um in einem Billiglohnland am Rande der EU der im Transformationsprozeß enteigneten und entwürdigten Mehrheit der slowakischen Gesellschaft eine Stimme zu geben. Mehr noch: er erdreistet sich, im Angesicht der mächtigsten Produktions-, Handels- und Bankkonzerne diese Politik machen zu wollen. Und bricht so mit dem ungeschriebenen Gesetz der Brüsseler Union, die sich angewöhnt hat, mit der Durchsetzung der vier kapitalistischen Freiheiten (derjenigen für die »freie« Bewegung von Kapital, Waren, Dienstleistungen, Arbeitskraft) jegliche politische Intervention als nationalistisch, kommunistisch oder zumindest als populistisch zu brandmarken.
 
Abhängige EU-Peripherie
Mit hohen Wachstumsraten prahlen slowakische und EU-Ökonomieinstitute seit Jahren. Im dritten Quartal des Jahres 2007 hat Eurostat, das statistische Amt der Europäischen Gemeinschaften, für die Slowakei ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 9,4 %  (verglichen mit 2006) ausgewiesen, mehr als drei Mal so hoch wie die entsprechende Rate der gesamten EU-27. Bezeichnungen wie »osteuropäischer Tiger« kommen den sogenannten Analysten leicht über die Lippen. Diejenigen, die diesen Aufschwung bezahlen, werden volkswirtschaftlich hinter anderen Zahlen versteckt, beispielsweise hinter jener der Leistungsbilanz oder der Auslandsschulden. Mit minus 8,3 % des BIP (für 2006) fällt die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Auto-Cluster-Republik verheerend aus. In diesen im Vergleich zu den EU-15 (minus 0,15 %) gefährlich negative Abschluß sind auch die Gewinnrückführungen der großen Hersteller in ihre Mutterbetriebe einbezogen. Schon der Blick auf die Export-Import-Statistiken zeigt zudem, daß kein anderes osteuropäisches Land dermaßen auslandsabhängig ist wie die Slowakei. Anders ausgedrückt: Produziert wird als verlängerte Werkbank für den Weltmarkt, konsumiert werden die in Westeuropa oder Südostasien hergestellten Überschüsse. Wer sich unter volkswirtschaftlichen Zahlen nichts vorstellen kann, dem mag ein Blick auf die Lohn- und Preisverhältnisse im Land helfen. Letztere sind den vergangenen 10 Jahren in den meisten Bereichen an das westeuropäische Niveau herangeführt worden, sie liegen etwa 20 bis 25 % unter den in Ostösterreich üblichen. Die Einkommen allerdings sind weit von westlichen Vorstellungen entfernt. Sie betragen durchschnittlich umgerechnet 500 € brutto monatlich; am 1. Oktober 2007 ist der Mindestlohn auf 8100 slowakische Kronen (Sk, etwa 244 €) angehoben worden. »Wir verstehen es auch nicht ganz, warum die Mehrzahl unserer Mitglieder bei erster Gelegenheit das Angebot der Arbeitgeber annimmt, anstatt für substantiell höhere Löhne zu kämpfen«, sagte Anton Mifka, stellvertretender Vorsitzender der Metallarbeitergewerkschaft »OZ Kovo«, die für 60’000 Arbeiter Kollektivverträge aushandelt, gegenüber der jW. »Es tut uns selbst leid, wir suchen die Gründe dafür und denken schon daran, sie in der slowakischen Mentalität orten zu müssen«, lacht der etwa 50jährige. Lustig findet der Gewerkschafter diese Zurückhaltung bei den Löhnen freilich nicht. Aber sie entspricht den gesellschaftlichen Verhältnissen: Wenige sind in kürzester Zeit enorm reich geworden, gleichzeitig wächst die Zahl der Armen. Dies bestätigt auch eine Umfrage der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), deren brisante Ergebnisse Ende November in Wien präsentiert worden sind. Demnach schätzen 57,2 % der slowakischen Haushalte ihre finanzielle Lage Ende 2007 schlechter ein als 1989, immerhin dem absoluten Krisenjahr der sozialistischen Epoche, in dem selbige untergegangen ist. Vor solch gesellschaftlichem Hintergrund ist die Koalition aus Smer, HZDS und SNS angetreten, um soziale und regionale Verwerfungen zumindest unter Kontrolle zu halten.
 
Die Wiedereinführung der Invalidenrente, die Abschaffung der Ambulanzgebühren, die Erhöhung des Kindergeldes, die Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes für Medikamente und Bücher, stabil gehaltene Energiepreise ..... es ist die Politik der kleinen Schritte, die das Kabinett Fico betreibt. Viel mehr ist im EU-Umfeld nicht möglich. »Wir planen auch die Senkung der 19 %igen Mehrwertsteuer für Lebensmittel auf 10 %«, kündigte Robert Zanony vom Pressedienst der Regierung an, »aber die Einhaltung der Maastricht-Kriterien verzögert das Unterfangen.« Hinter der wiederentdeckten Sozialpolitik steckt indes System. So wurden im Juni 2007 Arbeitsrechte erlassen, die die Lohnabhängigen stärken. Prekäre Arbeitsverhältnisse, wie sie in slowakischen Industriebetrieben gang und gäbe sind, sollen damit eingedämmt werden. Zum Beispiel die erzwungene Selbständigkeit. »Da hat bis vor kurzem der Arbeitgeber seinen Personalchef einfach in die Schweißerei eines Großbetriebes geschickt«, weiß Gewerkschafter Anton Mifka, »und zu den sechs Schweißern gemeint, sie müßten jetzt selbständig werden.« Und das ging folgendermaßen: Der Unternehmer verkaufte seinen Arbeitern, bzw. seinen »Selbständigen«, Strom und Arbeitsmaterialien, vermietete ihnen den Raum und die Werkzeuge und bezahlte nicht die Arbeitszeit, sondern die erzeugten Produkte. Ein genauer Zeitplan sorgte dennoch dafür, daß sich die »Selbständigen« nicht aussuchen konnten, wann gearbeitet wird. Sozialabgaben waren für diese Schweißer nicht mehr zu leisten. Diese »Selbständigkeit« passierte oft Leiharbeitern, die in slowakischen Betrieben seit der »Wende« eine entscheidende Bedeutung haben. Das neue Arbeitsrecht legt nun wiederum fest, welche Arbeiten als »selbständig« gelten dürfen und welche nicht. Schweißen in Automobilkonzernen gehört nicht dazu. Auch zeitlich befristete Arbeitsverträge, die seit den späten 1990er Jahren oft nur von Monat zu Monat erneuert worden sind, haben ausgedient. Das koalitionär verabschiedete Arbeitsgesetz unterbricht diese »Kettenverträge« nach dem dritten Mal. Und Leiharbeiter müssen nach drei Monaten denselben Lohn erhalten, wie er am Standort des Arbeitseinsatzes üblich ist. Unternehmerverbände und neoliberale Opposition laufen Sturm gegen soviel »Populismus«. Aus Rache für die Novelle des Arbeitsgesetzes blockieren sie seither die Kollektivvertragsverhandlungen. Und die Metallarbeitergewerkschaft deutete erstmals die Bereitschaft zum Streik an. Die gesellschaftliche Kluft zwischen den neoliberalen, einseitig nach Westeuropa und der USA orientierten Kräften auf der einen und sozial und national agierenden Gruppen auf der anderen Seite ist mitnichten geschlossen. Ficos Regierungskoalition stößt im Land weiterhin auf harte Gegnerschaft, vor allem bei den Unternehmerverbänden und den Medien. Diese sind, sieht man vom staatlichen Fernsehen einmal ab, durchwegs rechts und neoliberal orientiert. Metallervertreter Mifka veranschaulicht, wie tief dieser Graben ist: »Es ist uns als Gewerkschaft nicht möglich, Inserate in Zeitungen zu schalten. Die nehmen sie einfach nicht an. Statt dessen verbreiten sie Panik, daß Arbeiterrechte zu Arbeitslosigkeit und Betriebsschließungen führten.«
 
1 http://www.juergen-roth.com/
2 http://www.jungewelt.de/2008/01-23/032.php Die Rückkehr der Politik - Im Billiglohnland Slowakei gerät der Neoliberalismus zusehends in die Defensive Von Hannes Hofbauer