Washington deckte Massenmorde in Südkorea - Dokumente über die Massaker wurden 50 Jahre lang geheimgehalten Von Knut Mellenthin

Nach Beginn des Korea-Krieges im Sommer 1950 wurden 100 000 Menschen, vielleicht auch 200 000, laut AP-Veröffentlichungen vom Wochenende im Auftrag des von den USA eingesetzten Militärregimes planmäßig ermordet. Die Aufklärung dieser Verbrechen wurde jahrzehntelang unterdrückt und verhindert. Südkoreanische Historiker und Journalisten, die sich dennoch mit diesem finsteren Kapitel zu beschäftigen versuchten, wurden eingeschüchtert, entlassen, verhaftet. US-amerikanische Akten, die die umfangreiche Kenntnis von einzelnen Massakern bezeugten, teilweise sogar mit Bildmaterial, wurden unter Verschluß gehalten.

Erst im Zuge der allmählichen Demokratisierung Südkoreas in den 1990er Jahren kam eine Erforschung der vier Jahrzehnte zurückliegenden Ereignisse in Gang. Im Dezember 2005 wurde nach südafrikanischem Vorbild eine Wahrheits- und Versöhnungskommission eingesetzt, die verbrecherische Taten in der Vergangenheit des Landes aufklären soll. Darunter neben der japanischen Herrschaft über Korea auch die Massenmorde der frühen 50er Jahre. Die mit einem Jahresetat von 19 Millionen Dollar ausgestattete Kommission soll voraussichtlich noch bis 2010 arbeiten und dann einen Abschlußbericht vorlegen. Der Hintergrund der Massenmorde ist außerhalb Koreas kaum bekannt: Nach der 1947 durch die USA erzwungenen Teilung des Landes und der Einsetzung des Marionettenregimes unter Diktator Syngman Rhee hatte es in der Bevölkerung des Südens starke Sympathien für die sozialistische Gesellschaftsordnung gegeben, deren Aufbau im Norden begonnen wurde. Das Regime ging dagegen mit großer Brutalität vor, was zu örtlichen Aufständen führte. 1950 waren mindestens 30’000 politische Gefangene in Haftanstalten und Lagern eingesperrt.
 
Als nach Beginn des Krieges am 25. Juni 1950 die Streitkräfte des Nordens rasch nach Süden vordrangen, begannen die organisierten Massenmorde. Die meisten Gefängnisinsassen, darunter auch viele unpolitische Straftäter, wurden mit LKWs zu improvisierten Hinrichtungsplätzen transportiert und dort am Rand ausgehobener Gruben durch Schüsse in den Hinterkopf getötet. Nicht anders erging es vielen Menschen, die nach 1947 zur politischen »Umerziehung« in eine Straforganisation gesteckt worden waren, deren Kartei zu Kriegsbeginn über 300’000 Namen umfaßte. Zu den im Sommer 1950 Erschossenen gehörten auch Zehntausende Dorfbewohner, die festgenommen wurden, weil Polizei und Militär sie pauschal verdächtigten, sie könnten vielleicht die Streitkräfte des Nordens und die mit diesen zusammenarbeitenden Partisanen unterstützen. Die nordkoreanischen Streitkräfte stießen bei ihrem Vormarsch auf zahlreiche Spuren der Massaker. Ihre Berichte wurden aber in den USA und Westeuropa als Propaganda abgetan. Als wohl erster westlicher Journalist hatte Alan Winnington, Korrespondent der kommunistischen britischen Tageszeitung Daily Worker, schon 1950 die Erschießung von mehreren tausend Gefangenen in der Großstadt Daejeon gemeldet. Die US-Botschaft in London sprach von »Greuelmärchen«, und die britische Regierung erwog sogar, Winnington wegen Landesverrat vor Gericht zu stellen.
 
Die inzwischen freigegebenen US-Akten belegen, daß amerikanische Militärs häufig Zeugen von Massakern waren. Einige US-Diplomaten wollten offenbar bei der südkoreanischen Regierung intervenieren, wurden aber durch den Oberbefehlshaber General Douglas MacArthur gebremst, der die Massenmorde als »innere Angelegenheit« Südkoreas bezeichnete.
 
Anmerkung politonline d.a. Ähnliches ereignete sich in Indonesien. Die Neue Zürcher Zeitung Nr. 174 veröffentlichte am 30. 7. 2001 die folgende Meldung: »Die amerikanische Regierung hat ein Buch des US-Aussenministeriums [über die Indonesienpolitik des Landes], das sich mit der Rolle der USA im Kampf gegen den Kommunismus in Indonesien in den 60er Jahren befasst, zurückgerufen. Die Dokumente zeigen, dass Washington Mitte der 60er Jahre die Miliz Kap-Gestapu, deren Ziel die Zerstörung der PKI war, mit Zehntausenden von Dollar unterstützt hatte. Zudem lieferte die amerikanische Botschaft der Miliz Listen mit den Namen führender Kommunisten. Im April 1966 teilte die Botschaft Washington mit, sie wisse nicht, ob die Zahl der getöteten Kommunisten näher bei 100 000 oder aber bei einer Million liege. Die Möglichkeit der Entdeckung oder späteren Enthüllung unserer Unterstützung in diesem Fall ist so gering, wie sie in einer  Untergrundoperation nur sein können schrieb der damalige US-Botschafter.« An der Unzahl von Toten, die unter dem Regime des mit der USA fest verbündeten Regierungschefs Suharto zu verzeichnen sind, trifft die USA durch die Stützung dieses Diktators eine direkte Mitschuld. Der am 27.1.08 im Alter von 86 Jahren verstorbene Suharto  hatte das Land von 1967 bis 1998 wie ein Diktator regiert. In seiner Amtszeit verschwanden Hunderttausende Kritiker, die zum Teil jahrelang ohne Prozesse inhaftiert wurden, in den Gefängnissen oder wurden ermordet. 1975 ordnete er die Invasion der ehemaligen portugiesischen Kolonie Ost-Timor an, wo die Besetzer die Einheimischen brutal unterdrückten. Auch die Provinz Aceh im Norden der Insel Sumatra wurde von Suhartos Armee niedergeknüppelt. Suharto und seine Familie sollen bis zu 35 Milliarden $ beiseite geschafft haben. Die Gelder wurden nie gefunden. Die Behörden schafften es nicht, den Nachweis der Konten zu erbringen. Laut Angaben der Weltbank veruntreuten Suharto und dessen Clan bis zu 1.3 % des Bruttoinlandprodukts. Ein erster Prozess gegen Suharto wegen Korruption wurde wegen angeblicher Krankheit im Jahr 2000 eingestellt. Ein neuer, im September 2007 begonnener Prozess fiel jetzt mit seinem Tod dahin. Der britische Journalist und Autor John Pilger schreibt in seinem Werk Verdeckte Ziele: Der Labour Premierminister Harold Wilson befürwortete den amerikanischen Angriff gegen Vietnam ebenso, wie er und seine Nachfolger den Völkermord guthiessen, der, von der USA geschürt, in Indonesien stattfand, nachdem General Suharto Mitte der 60er Jahre die Macht übernommen hatten. Die Zustimmung der Briten zu den Morden in Indonesien, denen bis 1965 eine halbe Million Menschen zum Opfer fielen, kommt in einem Geheimdokument des Aussenministeriums zum Ausdruck, in dem es heisst: Solange die Lage derartig verworren ist, können wir kaum einen Fehler machen, wenn wir den Generälen stillschweigend den Rücke decken.« Als kaum weniger zynisch ist die Aussage des derzeitigen Präsidenten Susilo Bambang Yudhoyono zu betrachten, der es tatsächlich wagte, anlässlich der mit militärischen Ehren erfolgten Beisetzung Suhartos die Öffentlichkeit folgendes wissen zu lassen. »Wir haben einen der besten Söhne des Landes verloren.« Ebenso wenig fassbar ist der Umstand, dass, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 27. 1. 08 berichtete, zahlreiche Minister und ehemalige Staatschefs aus dem Ausland an das Krankenbett des ehemaligen Präsidenten gepilgert waren, um ihm eine letzte Ehre zu erweisen, obwohl Suharto wegen der Exzesse in seiner Amtszeit umstritten war, was allerdings eine mehr als schwache Kritik darstellt. Was die Angereisten dazu bewegte, diesen Schritt zu tun, ist nicht festgehalten; man kann allenfalls von Konzerninteressen resp. von Bestrebungen ausgehen, die Verbindung zu dem ressourcenreichen Land offenzuhalten, was in der Regel allein schon dazu führt, moralische Beweggründe beiseite zu schieben.   
 
Quelle: http://www.jungewelt.de/2008/05-22/043.php 22. 5. 08
John Pilger Verdeckte Ziele, Verlag Zweitausendeins Frankfurt am Main, 2004 ISBN 3-86150-632-7
Seite 266 - Aussenministerium an die britische Botschaft in Jakarta, 16. 10. 1965, zitiert von Mark Curtis im Ecologist, Jg. 26, Nr. 5, September/Oktober 1996