Burma: Drohungen und Angriffspläne

politonline d.a.»Berlin«, berichtet GFP, »nutzt die Unwetterkatastrophe in Myanmar [Burma] zu einem neuen Angriff auf das Völkerrecht [1]. Anlass ist die Weigerung des Landes, den westlichen Bedingungen für Hilfslieferungen zu entsprechen. Eine »humanitäre Intervention« dürfe durchaus auch unter Bruch der myanmarischen Souveränität erfolgen, erklären mehrere Bundesminister.« Von deutsch-französischen Drohungen mit einer militärischen Intervention begleitet, brach der EU-Entwicklungskommissar Louis Michel am 13. 5. zu Verhandlungen nach Myanmar auf.

Laut GFP besteht das Ziel darin, »das Land möglichst umfassend für europäisches Hilfspersonal zu öffnen, darunter auch Mitarbeiter staatlicher deutscher Stellen. Die Aktivitäten, die offiziell lediglich den Opfern der Unwetterkatastrophe Beistand leisten sollen, sind tatsächlich Teil einer Kampagne gegen die Regierung in Naypyidaw.« Es ist ungeheuerlich, wo und wie man sich überall einzumischen gedenkt, wie dies auch aus der antichinesischen Tibet-Kampagne ersichtlich ist. »Hatte die deutsche Bundesregierung das Militärregime jahrzehntelang unterstützt - unter anderem mit Waffenexporten - um von China unterhaltene kommunistische Kräfte niederzuwerfen, so setzt sie seit Ende der 1980er Jahre auf einen Regierungswechsel in Myanmar, weil Beijing einen Ausgleich mit der Armee gefunden hat und seine Position in dem Land schrittweise stärkt.« Wie GFP ferner berichtet, »diskutieren außenpolitische Kreise in der USA bereits über Militärschläge gegen Ziele in Naypyidaw. Inzwischen ist das Technische Hilfswerk (THW), eine Bundesanstalt im Geschäftsbereich des Innenministeriums, nach Yangon unterwegs. Es soll sich dort um die Trinkwasserversorgung kümmern. Nun kann das THW, weil es direkter staatlicher Kontrolle untersteht, in keiner Weise als unparteiisch gelten, zudem es mit der Bundeswehr kooperiert.  So soll es in Afghanistan Aufgaben übernehmen, die bislang von Soldaten durchgeführt wurden, um die Armee bei ihrer direkten Kriegsführung zu entlasten. Die Öffnung Myanmars für westliche Organisationen, darunter das THW, wurde mit der Drohung durchgesetzt, andernfalls militärisch zu intervenieren - eine Drohung, die die International Crisis Group, eine einflussreiche Organisation westlicher Politikberatung, am 12. 5. 08 bekräftigt hat.
 
Ein Militäreinsatz in Myanmar soll einem allgemein gültigen Recht auf bewaffnete Intervention in fremden Staaten zum Durchbruch verhelfen 2. Dies verlangen westliche Pressure Groups mit Unterstützung prominenter Politiker aus Deutschland. Die Forderung bezieht sich auf ein Konzept (Responsibility to Protect - R2P), das im Jahr 2001 im Westen schriftlich fixiert worden ist und seit Jahren bei den Vereinten Nationen diskutiert wird - trotz des Widerstands von Staaten, die sich der westlichen Hegemonie widersetzen. Gegen ihre Absicht hat UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon einen R2P-Sonderberater ernannt, der die Einführung des Interventionsrechts vorantreibt. * Es legitimiert den Einsatz militärischer Gewalt für den Fall nicht näher definierter crimes against humanity. Ein solches Verbrechen liege bereits vor, wenn ein Staat nach einer Naturkatastrophe nicht sämtliche ihm angebotenen Helfer ins Land lasse, heißt es jetzt. Eine Genehmigung des UNO-Sicherheitsrates sei nicht erforderlich. Das Interventionsrecht können de facto nur die großen westlichen Staaten mit starken Armeen in Anspruch nehmen. An seiner Entwicklung war ein einflussreicher deutscher Militär beteiligt, der kürzlich atomare Erstschläge für zulässig erklärt hat.«
 
Die jetzigen Forderungen reichen von einer weitgehenden Öffnung des Landes für den Westen bis zum Sturz des gegenwärtigen Regimes. »Der tropische Zyklon Nargis war nicht nur eine Naturkatastrophe, er könnte auch politische Unruhen markieren«, schrieb vor wenigen Tagen The Irrawaddy, eine US-finanzierte Zeitung der myanmarischen Exil-Opposition. Myanmarische Exilkreise verbinden ihre Forderungen gegenwärtig mit einer Kampagne gegen China, die Myanmar vollständig isolieren soll; Anlaß sind die bevorstehenden Olympischen Spiele in Beijing. Neben dem Verlangen nach einem Olympia-Boykott weisen Oppositionelle auf den Umstand hin, daß die Spiele am 8. August beginnen - dem 20. Jahrestag der Niederschlagung der Unruhen von 1988. Im Umfeld des Jahrestages plant die myanmarische Opposition neue Proteste.
 
»Wie weit der Westen die Auseinandersetzung eskalieren lassen wird, ist noch unklar. Die kaum verdeckten Umsturzpläne rufen bei landeskundigen Beobachtern Fassungslosigkeit hervor. So herrscht - bei aller Kritik am Militärregime - Einigkeit darin, daß das Land mit seinen zahlreichen Sezessionskonflikten bei einer Entmachtung Naypyidaws vor dem totalen Zusammenbruch stünde. Mehrere Landesteile wären von einem unmittelbaren Aufflammen blutiger Bürgerkriege bedroht. So heißt es selbst bei der regimekritischen Heinrich-Böll-Stiftung (Bündnis 90/Die Grünen): Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es keine politisch organisierte, zivile Alternative zum Militär, die im Fall eines Umsturzes die Macht übernehmen könnte.« Die gleiche Stiftung empfahl im Oktober 2007 internationalen Druck zum Schutz der aufzubauenden Netzwerke. Wie die Organisation schrieb, sei nicht nur ein härteres Auftreten von EU und USA gegenüber China nötig; auch Indien und das südostasiatische Staatenbündnis ASEAN, insbesondere Singapur, müssten zu Maßnahmen gegen Myanmar verpflichtet werden. 3 Berlin eskaliert dennoch weiter - und riskiert dabei in Südostasien, um seinen chinesischen Rivalen auszubooten, einen neuen Flächenbrand.«
 
All diese Nachrichten erreichen auch grosse Teile des deutschen Bundestags und mit einiger Sicherheit das EU-Parlament in Strassburg sowie den derzeit tagenden Menschenrechtsrat in Genf. Keine Reaktion. Es ist ferner unfassbar, dass die BRD nach zwei katastrophalen Weltkriegen eine kriegerische Seite offenbart, die in keiner Weise von der Bevölkerung mitgetragen wird.
 
* Zur Person Ban Ki Moons siehe Notizen von politonline.ch vom 13.1.07 auf  http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=616
Zu Burma: http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=770 Burma 8.10.07
1 http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57233 12.05.2008 Im Schatten der Katastrophe III resp. http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57234 13.05.2008 Offen oder verdeckt
2 http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57238 15.5.08 Das Recht des Stärkeren
3 http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57021 1. 10. 07 Mit langem Atem