Doppelmoral - Israel kauft iranisches Öl und seine Lobby überwacht den Anti-Iran-Boykott

Aktuell steht, wie Shraga Elam schreibt, die Schweiz wegen einem Erdgasdeal mit Teheran am Pranger [1]. Sie wird von der USA, vor allem aber von Israel, wegen des Erdgasvertrags mit dem Iran massiv attackiert. Im Zentrum der Kritik steht dabei die Außenministerin der Schweiz, Micheline Calmy-Rey, die bei der Vertragsunterzeichnung zwischen der Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg (EGL) und der iranischen Gasexport-Gesellschaft im vergangenen Monat dabei war.

Der Deal sieht die Lieferung von jährlich 5,5 Milliarden Kubikmeter Gas an die EGL ab 2011 vor. »Wir glauben nicht, daß es die Zeit für Investitionen im Iran ist, nicht nur im Öl- oder Gasbereich, sondern grundsätzlich in die iranische Wirtschaft«, monierte seinerzeit der stellvertretende Sprecher des US-Außenministeriums, Tom Casey. Die US-Botschaft in Bern unterstellte, das Geschäft verstoße gegen den Geist der wegen des Atomstreits anhaltenden Iran-Sanktionen, was Calmy-Rey umgehend zurückwies. Die Attacken der in Washington ansässigen »Anti-Defamation League« [ADL], des jüdischen Weltkongresses und der israelischen Regierung gegen die Schweiz sind heuchlerisch und haben überdies das Ziel, Bemühungen um eine Deeskalationspolitik gegenüber dem Iran zu sabotieren.  
 
Es ist erstaunlich, daß die Enthüllung des zuverlässigen israelischen Newsletters EnergiaNews kein großes Medienecho auslöste: Israel, die treibende Kraft hinter den anti-iranischen Maßnahmen, importiert demnach im grösseren Stil iranisches Erdöl. Exklusiv berichtete EnergiaNews am 18.3.2008: »Trotz wachsender Spannung zwischen Israel und dem Iran sowie des in Israel existierenden Boykotts von Kontakten mit diesem Staat und dessen Produkten, erreicht Israel regelmäßig in Europa gekauftes iranisches Erdöl. EnergiaNews erfuhr aus raffinerienahen Kreisen in Haifa, den Oil Refineries Ltd, daß alles ganz legal abläuft: Iranisches Öl komme regelmäßig nach Europa, hauptsächlich nach Rotterdam und werde dort gekauft. Die Begleitdokumente samt Versicherung würden angepaßt, und das Schiff laufe nach Israel aus.« Irgendwie schlüpfte diese Meldung durch die israelische Zensur, und die kleinen Änderungen der Behörden erhöhten die Glaubwürdigkeit des von Chefredakteur Moshe Shalev verfaßten Artikels. Trotzdem durften andere israelische Medien die Enthüllung offensichtlich nicht übernehmen; auch nicht, nachdem der EnergiaNews-Bericht mit zusätzlichen Informationen am 30. März im Schweizer Sonntag veröffentlicht worden war, und auch nicht, als sie am 4. April im britischen Guardian ein brisante Thema wurde.
 
In Ergänzung zu den Darlegungen von Shraga Elam seien hier noch Auszüge aus einem Artikel von Thomas Immanuel Steinberg angefügt: »Nicht nur hat der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad die ihm zugeschriebenen Drohungen gegen Juden und Israelis nie erhoben. Sein Land beliefert Israel, dessen Regime Jerusalem besetzt hält und in der Tat verschwinden muß, mit Erdöl. Das iranische Öl geht über Rotterdam an die Eilat Ashkelon Pipeline Co. Ltd (EAPC), Betreiberin der Trans-Israel-Pipeline, kurz: Tipline, ein iranisch-israelisches Bauwerk aus der Zeit, als im Iran noch der Prügel-Schah herrschte (a). Die doppelzüngigen Mullahs wissen mit Sicherheit, wen sie da mit ihrem süßen Öl stärken: das Regime, mit dem sie auch in den Jahrzehnten zuvor immer wieder Geschäfte gemacht haben (b).  Die Jerusalem-Besatzer kennen ihren Reklame-Feind und Geschäftsfreund natürlich ebenfalls, wie Shraga Elam belegt. Der israelische Energieminister Benjamin Ben Elieser erklärte die israelischen Ölkäufe beim Gott-sei-bei-uns Iran völlig überraschend zu dem, was sie auch tatsächlich sind: ein kleiner Beitrag zur Entspannung. Ben Elieser 2006: Jeder Kontaktversuch mit einem Feindesstaat, der den geschäftlichen und ökonomischen Interessen Israels dient, festigt die Stabilität in der Region. Die Holocaust-Industrie allerdings (c), durch  die US-amerikanisch-zionistische Anti-Defamation League vertreten, will ebenfalls im Geschäft bleiben: Sie schaltete riesige Anzeigen in der Neuen Zürcher Zeitung, der New York Times und dem Wall Street Journal gegen den jüngsten Schweizer Erdgasvertrag mit dem Iran. Die Ausbeuter jüdischen Leids, an die Schweizer Regierung gewandt, schreiben wörtlich: Wenn Sie einen terroristischen Staat finanzieren, finanzieren Sie Terrorismus.
Die Aktion wird den Zustrom von Spendengeldern aus der US-amerikanisch-israelischen Rüstungsindustrie anschwellen lassen, zumal die Anti-Defamation League Massenmörder wie den US-Vizepräsidenten Richard Cheney und Irakkriegsförderer wie den Mussolini-Verharmloser Silvio Berlusconi zu Männern des Jahres wählt (d).
 
Wie gegenseitige verbale Angriffe vonstatten gehen, beschreibt Knut Mellenthin in der Jungen Welt 1: Was die sozialliberale israelische Tageszeitung Haaretz gelassen als »neue Runde im Krieg der Worte zwischen Jerusalem und Teheran« meldet, wird von den Regierungen der USA und Israels als »weitere iranische Vernichtungsdrohung« vermarktet. Angefangen hatte die neue Runde mit einer Äußerung des israelischen Infrastrukturministers Benjamin Ben-Eliezer, der als Hardliner innerhalb der sozialdemokratischen Arbeitspartei gilt. Der Brigadegeneral der Reserve hatte in der vergangenen Woche gedroht, ein iranischer Angriff gegen Israel werde »eine harte Antwort« nach sich ziehen, »die zur Zerstörung der iranischen Nation führen wird«. (Übersetzung nach Haaretz) Irans stellvertretender Generalstabschef Mohammed Reza Aschtiani nahm in einer Rede am 15.4.08 den Ball auf: »Wenn Israel etwas gegen den Iran unternehmen will, werden wir Israel von der Weltbühne eliminieren.« So jedenfalls die Übersetzung der Nachrichtenagentur Reuters, die angeblich auf einer Meldung der iranischen Agentur Mehr beruht. Sie ist aber auf deren englischsprachigen Internetseiten nicht zu finden. Im Gegensatz zu Haaretz, die auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen den Äußerungen von Ben-Eliezer und Aschtiani hinwies, unterschlug die Zeitung Yedioth Ahronot diesen Kontext und begann ihren Bericht mit dem alarmierenden Satz »Im Iran ist erneut mit der Vernichtung Israels gedroht worden....« Eine deutsche Übersetzung dieses Artikels wurde den Medien am 15.4. von der israelischen Botschaft in Berlin zugespielt. Ebenfalls am 15.4. griff die US-Regierung den Iran wegen der Aschtiani zugeschriebenen Äußerung hart an, ohne ein Wort über die Vorgeschichte zu verlieren. Das sei »erneut eine unglaubliche Rhetorik der iranischen Regierungsführung über den Angriff auf ein Mitglied der Vereinten Nationen«, empörte sich der Sprecher des Außenministeriums, Sean McCormack. »Alle zivilisierten Menschen finden das bestürzend.« Die Drohung zeige, daß die »internationale Gemeinschaft« mit ihren Strafmaßnahmen gegen Iran im Recht sei.
 
Es ist mittlerweile ein eingespieltes Ritual, daß sich westliche Politiker und Medien lautstark über die iranische Rhetorik gegen Israel empören, aber alle israelischen Drohungen gegen Iran vollständig ignorieren. Die iranische Regierung hatte in der vergangenen Woche vergeblich versucht, sich beim UN-Sicherheitsrat über die von ihr als »skandalös« bezeichnete Äußerung Ben-Eliezers zu beschweren.
 
1 http://www.jungewelt.de/2008/04-16/023.php 16.4.08 Doppelmoral - Israel kauft iranisches Öl, und seine Lobby überwacht den Anti-Iran-Boykott. Aktuell steht die Schweiz wegen einem Erdgasdeal mit Teheran am Pranger Von Shraga Elam
2 http://www.steinbergrecherche.com/08israel.htm#Iran 9. 4. 2008 Geschäft bleibt Geschäft 
Israel, der Iran und die Holocaust-Industrie von Thomas Immanuel Steinberg
(a) Mehr über Tipline und EAPC unter Ashkelon - Eilat
(b)Ausführlich zu den iranisch-israelisch-US-amerikanischen Beziehungen Trita Parsi
(c) Norman G. Finkelstein: The Holocaust Industry: Reflections on the Exploitation of Jewish Suffering. Verso 2000 / Norman G. Finkelstein, postface par Rony Brauman: L'industrie de l'Holocauste. réflexions sur l'exloitation de la souffrance des Juifs, traduit de l'américain par Eric Hazan. Paris: La fabrique, éditions 2001/ Finkelstein, Norman: Die Holocaust-Industrie. Wie das Leid der Juden ausgebeutet wird. München (Piper 2001)
(d) Die Anti-Defamation League gibt vor, gegen Judäophobie anzukämpfen. Tatsächlich schürt sie Ressentiments, indem sie ständig Juden mit Israelis und Judentum und Jüdischkeit mit dem zionistischen Regime gleichsetzt. Ein Beispiel hier. Dieses giftige Amalgam beginnt auch die Schweizer zu schmerzen, die sich als jüdisch verstehen. Einige distanzierten sich laut Tagesanzeiger vom 8. April 2008 von der US-zionistischen Kampagne.     
3http://www.jungewelt.de/2008/04-17/035.php 17. 4. 08 Markt der Halbwahrheiten Von Knut Mellenthin