Grand Strategy - Erstschläge mit Atomwaffen

politonline d.a. Die nachfolgenden Aufzeichnungen von German Foreign Policy zeugen in unseren Augen von einer derart enthemmten, menschenverachtenden und gefährlichen Einstellung, dass sie sämtliche EU-Politiker auf den Plan rufen müsste, damit gegen ein Gedankengut dieser Art, das nur noch als abartig empfunden werden kann, etwas unternommen wird.

Berlin (German Foreign Policy - eigener Bericht) - Der deutsche Heeresgeneral Naumann und andere Militärpolitiker der NATO rufen zu Erstschlägen mit Atomwaffen auf, sollte die weltweite Dominanz des Westens und seiner »Lebensart« in Frage gestellt werden. Der atomare Erstschlag müsse im »Köcher« jeder Eskalationsstrategie sein, schreibt der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr Naumann. Im Militärausschuss der NATO war Naumann zeitweise deutscher Dezernatsleiter für Nuklearstrategie. In den vergangenen Jahren betätigte sich der höchst dekorierte deutsche Soldat als Aufsichtsratsmitglied des Rüstungskonzerns Thales. Naumann ist außerdem Vorsitzender des Aufsichtsrats eines deutschen Unternehmens für atomare Entseuchung (Odenwaldwerke Rittersbach/OWR AG). Die atomare Erstschlagsstudie verfasste Naumann gemeinsam mit einem weiteren Firmenmitglied der OWR AG. Auftraggeber der angeblich privaten Atomfirma, in der auch Bundeswehrgeneral Klaus Reinhardt beschäftigt war, sind die deutschen Streitkräfte und die US-Armee. Die Studie »Towards a Grand Strategy for an Uncertain World« kursiert seit Januar in der EU und ruft zu einer permanenten Kriegsbereitschaft des NATO-Bündnisses auf. Neben dem deutschen Heeresgeneral Klaus Naumann zeichnet für das 152 Seiten umfassende Pamphlet Naumanns OWR-Firmenpartner, der britische General Lord Inge, verantwortlich. Die Studie verdankt ihre Finanzierung einer Investment-Stiftung, an der der dritte Autor, ein niederländischer Militär, als Aufsichtsratsmitglied wirkt. Er ist Träger des Großen Verdienstkreuzes mit Stern und Schulterband des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. [1] Ein weiterer Mitverfasser kommt aus dem Milieu georgischer SS-Veteranen und gehört heute den United Defense Industries (USA/GB) an. [2]
 
Gewohnheitsrecht
Die Studie postuliert das Ende des Westfälischen Systems, das als Kodex des modernen Völkerrechts gilt und für eine weltweite Friedensordnung (pax universalis) grundlegend ist. Notwendig sei stattdessen eine »Anpassung des internationalen Rechts an gewandelte Bedingungen«. Wie die Verfasser ausführen, bedürfen Kriege gegen andere Nationen keiner Ermächtigung der UN, wenn man sie als Eingriffe zum Schutz vor »Völkermord« deklariere und auf das »Gewohnheitsrecht« verweise. Dieser Weg stehe seit dem NATO-Krieg gegen Jugoslawien und den Überfällen auf Irak und Afghanistan offen [3], behaupten die Verfasser, unter denen der deutsche General Naumann eine Sonderstellung einnimmt: An den Planungen des Kosovo-Kriegs war er führend beteiligt [4] und beruft sich jetzt auf den  völkerrechtswidrigen, vermeintlich rechtsprägenden Charakter seiner eigenen Handlungen.
 
ABC-Ausrüstung
Die Militärstudie verlangt eine Totalisierung des Waffenarsenals, das für den nuklearen Ersteinsatz bereit sein müsse. Nur so könnten USA, NATO und EU ihre »Eskalationsdominanz« sichern. Der atomare Erstschlag wird ausdrücklich als »unverzichtbar« bezeichnet. Als weitere Mittel empfehlen die NATO-Militärs Schläge gegen das Cyber-System fremder Staaten, denen die Kontrolle über das Informationswesen genommen werden müsse. Dem »Sieg durch Paralysierung«, »Zerstörung und Okkupation« folgt die Errichtung einer »Übergangsregierung«, deren Polizei- und Justizgewalt vom Sieger diktiert wird. Wie eine solche Eroberung unter den Bedingungen atomarer Verstrahlung durchführbar sein soll, lässt die Studie unbeantwortet. Tatsächlich bereiten sich NATO-Stäbe auf den Einmarsch in kontaminierte Gebiete vor. Entsprechende ABC-Ausrüstung liefert die Firma OWR AG, in deren Aufsichtsrat der Nuklearplaner Naumann sitzt.
 
Media Strategy
Wie die Militärs betonen, lässt sich eine bis zum Atomkrieg steigerbare Eskalation nur durchsetzen, wenn sie die Zustimmung der Bevölkerung findet. Dabei darf es nicht zu »Debatten« an der Heimatfront kommen, in deren Folge die militärische Bereitschaft leiden müsste. Eventuelle »Eingriffe« zwecks Wahrung der Wehrbereitschaft könnten unverzichtbar werden, drohen die Autoren. Dabei geht es vor allem um Mediendominanz: Ziel ist es, mit einer »first strike media strategy« als erster die Schlagzeilen zu besetzen.
 
Militärdiktatur
Die Studie schlägt vor, das totalisierte Gesellschaftssystem einem politischen Direktorat aus USA, NATO und EU zu unterstellen. Das anvisierte Konzept einer faktischen Militärdiktatur wird gegenwärtig in mehreren europäischen Hauptstädten auf seine Brauchbarkeit geprüft.
 
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57169 25.02.2008
[1] Henk van den Breemen
[2] John Shalikashvili
[3] "customary law set in motion 1999 in Kosovo and 2001". Towards a Grand Strategy for an Uncertain World. Renewing Transatlantic Partnership, Lunteren 2007. Die Studie erschien beim Center for Strategic and International Studies (CSIS): www.csis.org/component/option,com_csis_events/task,view/id,1468/
[4] Als Vorsitzender des NATO-Militärausschusses
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