Landnahme im grossen Stil - Von Pierre Heumann

Israelische Investoren kaufen massiv Schweizer Geschäftsliegenschaften ein. Sie besitzen Immobilien im Wert von vier Milliarden Franken. Ein «Mega-Deal» mit Jelmoli steht bevor. Sie kommen, sehen und kaufen. Von Genf bis Zürich reissen sich Investoren aus Israel die besten Geschäftshäuser und Einkaufszentren gleich reihenweise unter den Nagel.

Immobilienexperten sind sich einig: Die Israelis sind momentan die auffälligste ausländische Käufergruppe am Schweizer Markt für kommerzielle Liegenschaften. In den vergangenen drei Jahren haben sie sich mit bis zu vier Milliarden Franken in diesem Segment engagiert. Sollte der «Mega-Deal» mit Jelmoli noch zustande kommen, würden es gar mehr als sechs Milliarden Franken sein. Dabei geht es um ein Immobilienportefeuille, das zwei Israelis für 3,4 Milliarden Franken erwerben wollen. Der Vertrag ist zwar bereits unterschrieben. Doch wegen der Kreditkrise an den Finanzmärkten fordern die Geschäftsleute aus dem Nahen Osten einen Preisnachlass von Jelmoli. Das prüft nun der Schweizer Detailhandelskonzern. Aber auch ohne dieses Portefeuille spielen die Israelis mittlerweile in derselben Liga wie angelsächsische Anleger.
 
Was zieht sie in die Schweiz?
Die Namen der israelischen Immobilieninvestoren sind der Öffentlichkeit hierzulande zwar noch kaum bekannt. Aufgrund ihrer Relevanz sollten sie jedoch mindestens so geläufig sein wie diejenigen von ausländischen Grossanlegern wie August von Finck, Georg Stumpf oder Viktor Vekselberg. Den israelischen Geschäftsleuten Igal Ahouvi, Yitzhak Tshuva, Alfred Akirov oder Nathan Hetz - um nur die bedeutendsten zu erwähnen - ist nicht bloss der blaue Pass mit dem siebenarmigen Leuchter gemeinsam. Sie verstehen sich als internationale Immobilieninvestoren, die nun in der Schweiz globale Massstäbe setzen wollen - sprich hohe Renditen erzielen möchten - und mit einzelnen Objekten gezielt spekulieren. Damit übernehmen die Israelis eine Vorreiterrolle. «Sie denken unternehmerisch und entscheiden sehr rasch», sagt Matthias Arioli vom Immobilien-Beratungsunternehmen Wüest & Partner in Zürich. Das unterscheide sie von traditionellen Pensionskassenverwaltern, die für jede Investition eine Reihe von Instanzen anfragen müssten. «So akzeptieren sie auch höhere Risiken als andere Anleger», folgert Roger Marks von der weltweit führenden Maklerfirma Jones Lang LaSalle.
 
Möglich ist das Engagement ausländischer Kapitalgeber in der Schweiz bereits seit 1998. Damals wurde die Lex Koller gelockert, womit eine wichtige Schranke fiel: Das Kaufverbot für Ausländer gilt seither nur noch bei Wohnliegenschaften. Doch erst seit drei bis vier Jahren nutzen Investoren ohne Schweizer Pass die neuen Möglichkeiten - in den vergangenen Monaten zunehmend intensiv. Zu den prominentesten Israelis am Schweizer Immobilienmarkt gehört Nathan Hetz, Chef der Firma Alony Hetz aus Ramat Gan, einer hektischen Vorstadt Tel Avivs. Alony Hetz ist bei PSP Swiss Property eingestiegen, einer der grössten börsenkotierten Immobilienfirmen der Schweiz. Mit einem Anteil von derzeit 16 % ist die Firma Alony Hetz die bedeutendste Einzelaktionärin bei PSP. Das Schweizer Unternehmen besitzt hierzulande mehr als zweihundert Geschäftsliegenschaften, darunter etwa das Hürlimann-Areal in Zürich oder das Lugano-Paradiso-Areal im Tessin. Beachtlich sind auch die Aktivitäten der Firma Electra Real Estate, die der Israeli Gershon Salkind präsidiert. Sie hat im März an der Genfer Rue Ferdinand für zwanzig Millionen Franken die Hälfte eines siebenstöckigen Bürohauses erworben, das renoviert und später vermietet werden soll. Vor einem Jahr sicherte sich die Gruppe auch die Mehrheit am Fernmeldezentrum der Swisscom an der Aargauerstrasse in Zürich und mobilisierte dafür 110 Millionen Franken.
 
Gross eingestiegen in der Schweiz ist auch die Gruppe Alrov Properties, die dem israelischen Finanzmann Alfred Akirov gehört. Sie listet im Geschäftsprospekt ein knappes Dutzend Einkaufszentren auf - zum Beispiel den Tägipark in Wettingen AG, das Volki-Land in Volketswil ZH oder den Wiggispark in Netstal GL, zudem ein 75000 Quadratmeter grosses Logistikzentrum in der Westschweiz und (seit kurzem) Bauland mit Seeanstoss für ein luxuriöses Bürogebäude in Lausanne VD. Ebenfalls in Lausanne hat sich im Sommer einer der einflussreichsten israelischen Tycoons engagiert: Yitzhak Tshuva. Er kaufte, zusammen mit seinem Partner Igal Ahouvi, das World Trade Center in der waadtländischen Kantonshauptstadt. Insgesamt kontrolliert Tshuva ein Schweizer Immobilienportefeuille von knapp einer halben Milliarde Franken - dazu gehören mehrere Detailhandelsfilialen sowie Bürohäuser, die an so solvente Mieter wie die Universität Zürich, den Bund oder die Credit Suisse vermietet sind. Der grösste israelische Investor hierzulande ist jedoch der 54jährige Geschäftsmann Igal Ahouvi. Er hat in der Schweiz während der vergangenen zwei Jahre Transaktionen im Wert von mehr als einer Milliarde Franken abgewickelt, sagt sein Berater Andreas Wirz von der Firma Rossberg Capital in Zug. Erst vor Wochenfrist fand die Eigentumsübertragung für ein Swisscom-Gebäude in Ostermundigen BE statt, eine Investition von mehr als sechzig Millionen Franken.
 
Auslandinvestitionen sind erwünscht
Ebenfalls in Ostermundigen entsteht derzeit sein neuestes Projekt: das rund sechzig Millionen Franken teure Einkaufszentrum Mösli Ost, das 2008 eröffnet werden soll. Als Mieter konnte der Israeli bereits den deutschen Detailhandelskonzern Aldi sowie ein Zentrum der schweizerischen Post gewinnen. Unweit davon befindet sich der Sitz der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza); er gehört ebenfalls zum Imperium Ahouvis. Für den Beamtentempel aus Granit hat er mehr als 150 Millionen Franken bezahlt. Darüber hinaus hält er zahlreiche Minderheitsbeteiligungen an diversen Coop-Filialen sowie ein Hundert-Millionen-Franken-Objekt an der Binzmühlestrasse in Zürich-Oerlikon. Dort ist ein Teil der Universität Zürich eingemietet. In die Schlagzeilen geriet der medienscheue Ahouvi allerdings erst, als er, zusammen mit seinem Partner Tshuva, Ende Juli den Zuschlag für das Immobilienportefeuille des Jelmoli-Konzerns erhielt - «der grösste Immobiliendeal, den die Schweiz je gesehen hat», wie ein Zürcher Branchenkenner sagt. Seit der Vertragsunterzeichnung Ende Juli haben sich die Bedingungen auf den internationalen Kreditmärkten indessen grundlegend verändert. Das hat die Immobilienpreise vor allem in diesem Segment belastet. Bei Redaktionsschluss stand zwar noch nicht fest, ob Jelmoli mit einem tieferen Erlös einverstanden sein wird. Sicher ist aber, dass Ahouvi & Co. in den nächsten Monaten laufend neue Objekte aufspüren werden. Denn Israel, wo sie ebenfalls Milliarden investiert haben, ist ihnen zu klein geworden. Und nebenbei bemerkt: Aus der Sicht des israelischen Notenbankchefs sind die Auslandsinvestitionen sehr erwünscht, weil das Land einen hohen Zahlungsbilanzüberschuss aufweist. Investoren wie Ahouvi hätten schon vor einiger Zeit realisiert, dass der Immobilienmarkt zum Beispiel in England überhitzt sei, sagt ein Zürcher Banker. In seinem bisher einzigen Interview, das Ahouvi vor zwei Jahren dem britischen Magazin Property Week gab, sagte er: «Man kann in England nicht mehr kaufen. Vielleicht können es die Iren oder Araber, aber für mich ist es zu teuer geworden.» Als Alternative entschied er sich für die Schweiz; als attraktiv stufen er und seine Branchenkollegen mittlerweile auch West- und Osteuropa, Nordamerika sowie Indien ein. Oft spannen die Israelis zusammen: Ahouvi hat sich bei Firmen von Tshuva beteiligt. In anderen Fällen ist die Partnerschaft projektbezogen.
Fast täglich publiziert die israelische Presse Meldungen über neue Transaktionen in ausländischen Immobilienmärkten: Tshuva kauft das «Plaza Hotel» in New York und baut einen Luxustempel in Las Vegas, Ahouvi steigt im Hinblick auf die Olympischen Spiele von 2012 in London bei englischen Hotelketten ein und lässt sich ein Gebäude der Technischen Universität Berlin überschreiben. Electra Real Estate kauft Bürohochhäuser in Köln oder Toronto und treibt Projekte in Indien voran. In ihren Portefeuilles streben die global agierenden Hauswirte stets auch den geografischen Risikoausgleich an. Ein Kauf in Indien oder Bulgarien mag abenteuerlicher sein als ein Engagement in Westeuropa, doch dafür ist die Rendite höher und von den übrigen Märkten wenig beeinflusst. In der Schweiz setzen die israelischen Investoren auf langfristige Mietverträge und finanzieren die Investition mit einem hohen Fremdkapitalanteil von bis zu 95 %, sagt ein Zürcher Banker, der einige Käufe begleitet hat. Für beides eignet sich die Schweiz mit ihren stabilen und sicheren Verhältnissen bestens. «Nach zwei bis drei Jahren hat die Miete das eingesetzte Eigenkapital längst eingespielt - oftmals sogar noch mehr», sagt der Banker. Das schätzen die Israelis an der Schweiz.
 
Quelle: Weltwoche Nr. 42/07 vom 18. 10. 2007