Bundesregierung auf Kriegskurs: Kabul und Tübingen - zwei Seiten einer Medaille 03.08.2007 13:21
Brief aus Kabul - Am 13. Mai 2007 schrieb ein deutscher Offizier einen eindringlich warnenden Brief an Aussenminister Frank-Walter Steinmeier, der hier auszugsweise wiedergegeben ist: »Es gibt keine Entschuldigung für das durch unsere westlichen Militärs erzeugte Leid unter den unbeteiligten und unschuldigen Menschen.
Ich gerate zunehmend in Widerspruch zu dem, wie
die eigenen westlichen Truppen in Afghanistan agieren. Es ist unerträglich,
dass unsere Koalitionstruppen und die ISAF inzwischen bewusst Teile der
Zivilbevölkerung und damit erhoffte Keime der Zivilgesellschaft bekämpfen. Westliche
Jagdbomber und Kampfhubschrauber verbreiten Angst und Schrecken unter den
Menschen. Wir sind dabei, durch diese unverhältnismäßige militärische Gewalt
das Vertrauen der Afghanen zu verlieren. Ich stelle dabei zunehmend fest, dass
die militärische Lage unzulässig geschönt dargestellt wird. Auch deutsche
Generäle beschönigen oder verschweigen eigene Probleme. Das Militär droht sich
zu verselbstständigen und von den politischen und völkerrechtlichen Vorgaben zu
lösen. Sorgen Sie bitte mit Ihren politischen Verbindungen dafür, die Militärs
in die Schranken zu weisen!« Sechs Tage nach dem Verfassen dieses Briefes
fanden die gezielten Anschläge auf deutsche Soldaten in Afghanistan statt, bei
denen drei Bundeswehrsoldaten starben. Zwölf Tage später, am 31.05.2007,
berichtete das ARD-Magazin MONITOR über die tatsächliche Lage in Afghanistan
und zitierte dabei den Brief aus Kabul. Währenddessen rätselte die deutsche
Öffentlichkeit noch darüber, warum nun auch Bundeswehrsoldaten zur Zielscheibe
des afghanischen Widerstands wurden. Ihr Bild in den Medien war stets das von
„Entwicklungshelfern in Uniform”. Sie gingen der afghanischen Bevölkerung
praktisch zur Hand, sorgten für die Einrichtung sozialer Infrastruktur, bauten
Kindergärten oder reparierten Krankenhäuser. Und schnell waren die Leitmedien
zur Stelle, als es um die Frage der Hintermänner des Anschlags ging, um die
Taliban pauschal als gefährliche Steinzeit-Islamisten darzustellen. Der Aussenminister
wusste Bescheid. Und Verteidigungsminister Jung sicher auch. Sie hätten die
deutsche Öffentlichkeit darüber aufklären können, womit sich auch die Bundeswehrsoldaten
in Afghanistan unbeliebt gemacht hatten. Stattdessen haben beide Ministerien
bis heute nicht auf die dringende Warnung des militärpolitischen Beraters in
Kabul reagiert.
Dabei handelte es sich bei dem Verfasser
des ‚internen’ Briefes um keinen geringeren als einen erfahrenen Generalstabsoffizier,
der seit 2006 als militärpolitischer Berater der Bundesregierung in Kabul
arbeitet. Davor war er Leiter für Aufklärung und Sicherheit der Kabul
Multinational Brigade der ISAF (International Security Assistance Force). Das
beharrliche Schweigen der Herren Steinmeier und Jung ist verständlich. In
seinem Brief fährt der Generalstabsoffizier nämlich fort, dass »die ständigen
Forderungen nach Truppenverstärkung, die steigenden Kosten des militärischen Engagements,
das Anwachsen eigener Verluste und die wachsende Zahl ziviler Opfer eine eigene
Sprache« sprächen, mit der »die Ungeeignetheit und Ausweglosigkeit
militärischer Gewalt als Lösung der inneren und äusseren Probleme Afghanistans«
zum Ausdruck käme. Wenn die deutsche Regierung tatsächlich daran interessiert
wäre, die Bundeswehr nur zu friedlichen Zwecken im Ausland einzusetzen, hätte
dieser Brief zum sofortigen Kurswechsel in der Afghanistan-Politik führen
müssen. Der Bundestag hatte ganz eindeutig einen ausschliesslich ‚friedlichen’
Einsatz deutscher Truppen genehmigt. Doch der Bericht aus Kabul passt nicht in
die militärischen Ambitionen der deutschen Regierung, die schon längst ganz
andere als friedliche Ziele verfolgt. Man lässt bewusst die dringende
Warnung vor einer Verselbständigung des deutschen Militärs verhallen und
verschweigt die Loslösung von den politischen Vorgaben des Bundestagsmandats.
Das Verteidigungsministerium verdient seinen Namen nicht mehr. Es sollte längst
wieder ’Kriegsministerium’ heissen.
Quelle: http://politblog.net/krieg-terrorismus/bundesregierung-auf-kriegskurs.htm
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