Die EU - 50 Jahre Verhinderung von Demokratie und Freiheit in Europa - von Diethelm Raff

Die Entwicklung bis zur EWG: Verhinderung freiheitlicher Zusammenschlüsse und Neutralität als Grundlage von Friedenspolitik

Gemäss Brockhaus Enzyklopädie stand am Anfang der Europäischen Union der Marschallplan der USA, zu deren Durchführung die europäischen Staaten 1948 die Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC) gründen mussten. Sie stellte neben der 1949 gegründeten NATO (für die ehemaligen US-Alliierten) ein Mittel dar, die europäischen Staaten an die USA zu binden und die US-Interessen gegenüber der Sowjetunion als konkurrierender Grossmacht durchzusetzen. Die NATO verpflichtete zur politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit sowie zum militärischen Beistand. Die Bürger der europäischen Länder waren mit der geplanten europäischen politischen Union unter der Vorherrschaft von Deutschland und Frankreich nicht einverstanden. Deshalb legten sich die Akteure (z.B. der in der USA ausgebildete Franzose Jean Monnet unter Robert Schuman) auf einen Plan fest, nach dem zunächst die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (1951) gegründet wurde. Es war in keiner Weise ein Friedensprojekt wie uns das die EU heute weismachen will. Es ging nur darum, das bis dahin bündnisfreie Deutschland an Frankreich und damit auch an die NATO zu ketten. Was den USA geopolitischen Machtgewinn brachte, erschien den Westeuropäern lange als einziger Schutz vor dem Kommunismus. Mit diesem Schachzug wurden die europäischen Staaten daran gehindert, neutrale Staaten zu werden - ähnlich wie Belgien in der Zwischenkriegszeit und die Schweiz seit Jahrhunderten. Statt als Vasallen der USA oder der Sowjetunion zu dienen, hätten die europäischen Staaten damit für Jahrzehnte die Macht der zwei Weltmächte kleiner halten und halbwegs eigenständige Friedens- statt Machtpolitik praktizieren können. Nur zufällig entstand aus dem kalten Krieg kein heisser Krieg in Europa - statt dessen 50 Jahre lang Stellvertreterkriege in der ganzen Welt mit Millionen von Toten. Statt eine Friedenspolitik und die Lösung von Problemen wie Hunger, Armut und Krankheit auf der Welt in Angriff zu nehmen, wurden Milliarden Franken in den Aufbau von Waffenarsenalen gesteckt und der Verstand der Menschen auf Kriegsdrohung gelenkt.
 
An Stelle der gescheiterten Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) im Jahre 1954 und der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) wurden die Europäischen Staaten eng an die USA gebunden. Aus dem Brüsseler Pakt europäischer Staaten von 1948, mit dem sie sich zukünftig vor Deutschland schützen wollten, bildeten einflussreiche Personen 1954 die Westeuropäische Union (WEU) im Rahmen der NATO, der auch Deutschland eingegliedert wurde. Aus dem Wunsch eines grossen Teiles der europäischen Bevölkerung nach „Nie wieder Krieg“ wurde nichts. Auch Deutschland musste wieder Soldaten statt Botschafter des Friedens ausbilden. 
 
EU - Zwang zur Aufhebung der Selbstbestimmung
In Europa bestand in den 50er Jahren der Plan, die wirtschaftliche Entwicklung mit einem Freihandelsabkommen zwischen allen Ländern, die der OEEC angehörten, zu fördern. Die Souveränitätsrechte wären aber bei den Völkern, also den jeweiligen Bürgern in Europa, geblieben. Mit der Gründung der sogenannten EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) von 1957 durch die Römer Verträge wurden diese freiheitlichen Pläne hintertrieben. Die Strukturen verknüpften sichtbare wirtschaftliche Verbesserungen mit dem Zwang zur schrittweisen Entmündigung der Bürger in einer politischen Union. Laut Brockhaus Enzyklopädie (Band 6, S. 652) wurde dieser Plan von einflussreichen US-amerikanischen Theoretikern für die europäische Integration (Funktionalisten) ausgearbeitet: »Form follows function«, das heisst, einzelne staatliche Funktionen werden herausgebrochen, gemeinsam verwaltet, so dass Sachzwänge zur Vereinnahmung weiterer Funktionen in eine übergeordnete Verwaltung entstehen, die dann eine neue Struktur erzwingt. Mit der Folge, dass die europäischen Staaten nicht mehr in der Lage sind, wichtige soziale und ökonomische Bereiche selbständig zu steuern. Beispiele für diese Zusammenlegung sind der Wegfall der Zollgrenzen (Europäischer Binnenmarkt) und die Einführung einer gemeinsamen europäischen Währung (über den Ecu zum Euro). So stellt auch die Eu-Ratspräsidentschaft zu 50 Jahren Römische Verträge fest, dass mit der Schaffung der 4 Freiheiten - Waren, Dienstleistungen, Personen und Kapital - die Souveränität der Völker und damit deren Handlungsspielräume eingeschränkt wurde. Es handelt sich ausdrücklich darum, abhängig zu werden. (siehe: www.eu2007.de/de/The_Council_Presidency/treaties_of_rome/Index.html) Für Demokratien heisst dies, die Selbstbestimmung der Bürger zu verlieren. Zumal die EU keine Gewaltenteilung kennt und deshalb laut Definition als Despotie bezeichnet werden muss. Nicht die Geschichte führt zu Zentralisierung, sondern Machtinteressen, die die Bürger entmündigen.
 
EFTA - Die freiheitliche Alternative
Dass sich niemand täusche. Diese Pläne waren damals schon deutlich. Die Schweiz und Österreich initiierten die EFTA (Europäische Freihandelszone) insbesondere im Hinblick auf den Schutz ihrer Unabhängigkeit und ihrer Neutralität, der sich auch Grossbritannien, Dänemark, Norwegen, Schweden, Island, Finnland und Portugal anschlossen. Ausdrückliches Ziel war es, die Freiheit der Bürger, die Souveränität der Rechtsstaaten nicht zu beeinträchtigen. Es sollte weder ein gemeinsamer Markt entstehen, noch eine Wirtschafts- oder Währungsunion angestrebt werden. Zum Beispiel wurde bewusst kein eigener bürokratischer Körper wie in der EWG eingeführt, der den Ländern ihre Funktionen selbständig wegnehmen können hätte. Ebenfalls nahm man die Landwirtschaft in den EFTA-Ländern ausdrücklich vom Freihandel aus, weil diese ein wichtiger Pfeiler für die Unabhängigkeit eines Staates darstellt. Hingegen wollte die EWG die Selbstversorgung von Anfang an auflösen und hat auf die Vereinheitlichung der Landwirtschaftspolitik besonderen Wert gelegt, weil so die Ernährungssouveränität der Bürger aufgehoben wird. Es ist zu beachten, dass die wirtschaftliche Entwicklung in den EFTA-Staaten immer besser war. Trotzdem wurde sie geschwächt, indem zuerst England auf politischen Druck der USA hin 1973 und später andere Staaten aus der EFTA aus- und in die EWG eintraten. »   «
 
Die EU - Krieg und Machtstreben statt Frieden und Völkerrecht
Der Maastrichter Vertrag von 1991 entmündigte die Bürger und die souveränen Staaten in der EU in weiteren Politikbereichen, insbesondere der Aussen- und Kriegspolitik: »Die Mitgliedsstaaten unterstützen die Aussen- und Sicherheitspolitik der Union aktiv und vorbehaltlos im Geiste der Loyalität und der gegenseitigen Solidarität.« (Art. 11.2)  Gleichzeitig mit dem Maastrichter Vertrag erweckte man die Westeuropäische Verteidigungsunion (WEU) als ehemaliger Teil der NATO wieder zum Leben - ein Gebilde, das jahrzehntelang keine Rolle mehr gespielt hatte - und machte sie zu einem Teil der EU (Art. 17). In der WEU sind die meisten EU-Mitgliedstaaten vertreten, ausgenommen die neutralen Länder. Man beschloss auf dem Petersberg in Bonn am 19.6.1992, dass die WEU 4 Aufgaben durchzuführen hätte: Humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, friedenserhaltende Aufgaben sowie Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung, einschliesslich Massnahmen zur Herbeiführung des Friedens - friedenserzwingende Massnahmen - d.h. also Krieg. So konnte die Planung neben der EU weitergeführt werden. Im Amsterdamer Vertrag von 1997 wurden dann diese 4 Petersberger Aufgaben in den Vertrag der EU übernommen (Art. 17.2). Die Durchführung der Kriege wurde der WEU in einem Vertragsartikel der EU übergeben (Art. 17.3). Damit konnte man den neutralen Ländern vormachen, sie seien immer noch neutral. Im Nizza-Vertrag von 2000 hat man einfach alle Artikel über die WEU herausgenommen, so dass nun die 4 Aufgaben - ohne weitere Worte darüber zu verlieren - Teil der EU-Politik sind und von dieser auch ausgeführt werden. Die neutralen Staaten finden sich damit in einem Militärbündnis wieder, ohne darüber befunden zu haben. Deshalb hat Schweden die Neutralität schon offen und Österreich in der Praxis aufgegeben. Seither ist Tür und Tor dafür geöffnet, dass die EU den Weltfrieden durch ihre Interessenspolitik gefährdet - sei es im Kosovo, in Afghanistan oder im Iran. Die Befriedung des eigenen Herrschaftsbereiches EU ist kein Friede.
 
politonline d.a. Inzwischen ist die »Berliner Erklärung« trotz aller zutage getretener Kontroversen und trotz der in den Kreisen, die hinter die uns vorgespiegelte Fassade schauen, generell vertretenen Ablehnung der EU-Verfassung ohne Änderung unterzeichnet worden. Es ist jetzt ein für die Verfassung auszuarbeitender Ersatz angekündigt, der jedoch, wie German Foreign Policy berichtet 1, denselben Inhalt unter einem anderen Titel beinhalten wird und so schnell wie möglich ratifiziert werden soll. Gesetzt den Fall, die neue Fassung der von Frankreich und den Niederlanden abgelehnten Verfassung weist effektiv denselben, also gleichbleibenden Inhalt auf, dann kann man dies als nichts anderes als einen am EU-Bürger kaltblütig vollzogenen Betrug bezeichnen. Die jetzige Vereinbarung hatte in etlichen europäischen Hauptstädten grosses Missfallen ausgelöst. Die einflussreichste Stiftung Deutschlands, Bertelsmann, vertritt die Auffassung, dass die europäische Einigung vorwärts gebracht werden muss und dass die umstrittene Verfassung hierfür lediglich der Ausgangspunkt sei. Bertelsmann hatte vor kurzem Spitzenpolitikern aus 20 europäischen Ländern sowie der USA einen Entwurf zur strategischen Neuorientierung der EU vorgelegt, in dem als erster Schritt empfohlen wird, alle nationalen Streitkräfte der Mitgliedstaaten in eine einzige EU-Armee zusammenzufassen, ein Vorschlag, der von Bundeskanzlerin Merkel bereits aufgegriffen wurde. Man fragt sich hier, wie weit man sich bereits als Vasall der Vereinigten Staaten sieht, indem diese mit einbezogen werden. Es sei denn, Bertelsmanns Absichten wären eine Blaupause der US-Strategien. Merkel warnte davor, die sogenannte Integration zurückzuweisen: »Das Ideal der europäischen Einigung ist heute eine Angelegenheit von Krieg und Frieden.« Worte, die man ihr kaum abnehmen kann, da für die mit Krieg überzogenen Nationen Irak und Afghanistan nach wie vor keinerlei Aussicht besteht, in den Genuss der Variante Frieden zu kommen. Auch die stetig vorangetriebene Militarisierung der EU ist als konträr zu jeder friedlichen  Haltung zu werten. Es war insbesondere Václav Klaus, der Präsident Tschechiens, der das undurchsichtige Vorgehen des deutschen Bundeskanzleramts kritisiert hatte 2. Der Protest gegen die »Berliner Erklärung« entzündete sich vor allem am Vorgehen des Bundeskanzleramts. Der tschechische Delegierte Jan Zahradil hatte deutlich gemacht, dass die Bundesregierung die Debatte über das Dokument nicht nur in Geheimverhandlungen unter Ausschluss der Parlamente führe, sondern die angeblichen Verhandlungen gar nicht stattfänden. Dies, obwohl das Papier als gemeinsame Stellungnahme sämtlicher EU-Staaten veröffentlicht wurde. Die offen zutage tretende deutsche Hegemonialpolitik, die das Einstimmigkeitsprinzip der EU eigenmächtig ausser Kraft setzt, bestätigt britische Vorbehalte. Es sei »eine Beleidigung für diejenigen, die gegen die Nazis gekämpft haben«, dass das Königreich »von einem unter deutscher Kontrolle stehenden Europa« beherrscht werde, sagte der unabhängige britische Labour-Abgeordnete Lord Stoddart of Swindon im Gespräch mit German Foreign Policy. Dieser kritisiert den Mangel an Demokratie in Brüssel und plädiert für den Austritt Grossbritanniens aus der EU. Man kann jedoch fast sicher sein, dass der von Deutschland eingeschlagene Kurs das absolute Wohlgefallen der Administration Bush findet. Dies also ist das Vorgehen, obwohl dem EU-Bürger ständig mehr Mitsprache versprochen wird. Wann eigentlich? Vermutlich dann, wenn bereits alles beschlossen, schriftlich fixiert und nichts mehr anfechtbar ist.
 
Diethelm Raff ist Präsident des Vereins für Direkte Demokratie und Selbstversorgung www.direkte-demokratie.ch; www.diethelm-raff.ch;
1 http://www.german-foreign-policy.com/en/fulltext/56058  25. 3. 07
A Question of Peace or War in Europe
2 http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/56792 23.03.2007
Nicht hinnehmbar